Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 09.07.1981, Az.: 1 UF 51/81
Durchführung des Versorgungsausgleiches nach einer Ehescheidung; Berechnung einer eheanteiligen dynamischen Rente ; Rechte und Pflichten eines Versorgungsausgleichspflichtigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 09.07.1981
- Aktenzeichen
- 1 UF 51/81
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1981, 13687
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1981:0709.1UF51.81.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 26.03.1981 - AZ: 49 F 10/80 SA 6
Rechtsgrundlagen
- § 1587b BGB
- § 53b Abs. 2 S. 1 FGG
- § 1587a BGB
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Der Ausgleichspflichtige soll nur seine Sozialversicherungsanwartschaften ausgleichen und später gegebenfalls zusätzliche Zahlungen im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches erbringen.
- 2.
Der Ausgleichspflichtige soll nicht durch Übertragung von Rentenanwartschaften oder Zahlung von Beträgen genötigt werden, einen möglicherweise zu hohen Versorgungsausgleich zu leisten. Es soll eher zu wenig als zuviel übertragen werden. Deshalb sind verfallbare Anwartschaften auf Seiten des Ausgleichsverpflichteten nach dem insoweit auch eindeutigen und nicht auslegbaren Wortlaut des Gesetzes beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich unberücksichtigt zu lassen.
- 3.
Nach § 1587 a Abs. 1 S. 1 BGB ist ausgleichspflichtig der Ehegatte mit den werthöheren Anwartschaften auf eine auszugleichende Versorgung. Es besteht also jedenfalls im Prinzip kein Anspruch auf Ausgleich in beiden Richtungen. Auch § 1587 b Abs. 3 S. 3 BGB will einen Ausgleich in beiden Richtungen verhindern. Es erscheint weiter als wenig sinnvoll, dass ein Ehegatte zunächst zuviel Anwartschaften überträgt und ihm das später - etwa im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs - zurückgewährt wird.
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig
am 9. Juli 1981
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und
der Richter am Oberlandesgericht Rabsilber und Grabley
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Braunschweig vom 26. März 1981 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der Landesversicherungsanstalt Braunschweig (29 291243 P 004) werden auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (29 120340 W 505) Rentenanwartschaften aus der Ehezeit, die am 31.12.1979 abgelaufen war, in Höhe von 88,34 DM übertragen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Der Streitwert des ersten Rechtszuges beträgt hinsichtlich des Versorgungsausgleichs 1.083,84 DM, der des Beschwerderechtszuges 1.000,- DM.
Gründe
Die von dem Standesbeamten in Braunschweig am 19.8.1965 geschlossene Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 14.4.1980 unter Abtrennung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich aufgrund eines am 24.1.1980 zugestellten Scheidungsantrages des Ehemannes geschieden worden.
Der Ehemann hat gemäß Auskunft der Beschwerdeführerin vom 27.12.1980 (Bl. 47) bei dieser eine eheanteilige Rentenanwartschaft von 407,50 DM.
Der Ehemann hat gemäß der Auskunft der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 19.2.1981 (Bl. 56) Anwartschaften, deren Wartezeit aber noch nicht erfüllt ist und die auch noch nicht unverfallbar sind. Die VBL hat in ihrer Auskunft die eheanteilige dynamische Anwartschaft mit 8,37 DM und den nichtdynamischen Mindestbetrag der Versorgungsrente mit 28,11 DM ermittelt.
Die Ehefrau hat einmal eine eheanteilige Rentenanwartschaft bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 221,40 DM gemäß deren Auskunft vom 30.7.80, Bl. 38.
Sie hat weiter eine verfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente bei der Firma Siemens AG. Nach der Auskunft besteht eine nichtdynamische Anwartschaft auf eine Jahresrente von 2.880,- DM bei Vollendung des 65. Lebensjahres (12.3.2005) oder bei Invalidität. Der maßgebliche Beginn der Betriebszugehörigkeit ist der 17.2.1970.
Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 26.3.1981 gem. § 1587 b Abs. 1 BGB Anwartschaften in Höhe von 88,45 DM vom Ehemann auf die Ehefrau übertragen. Es hat weiter den Ehemann verpflichtet, zwecks Begründung einer Anwartschaft von monatlich 1,87 DM gemäß § 1587 b Abs. 3 BGB im Jahre 1981 363,68 DM Beiträge zu zahlen.
Es hat die nichtdynamische VBL-Rente des Ehemannes von 28,11 DM in eine dynamische Rente von 3,76 DM und die nichtdynamische Rente der Ehefrau in eine eheanteilige dynamische Rente von 9,20 DM umgerechnet. Daraus ergibt sich folgende Rechnung des Amtsgerichts:
§ 1587 b Abs. I | § 1587 b Abs. III | |||
---|---|---|---|---|
Ehemann | LVA | 407,50 | ||
VBL | 3,76 | |||
Ehefrau | BfA | 221,40 | ||
Betriebsrente | 9,29 | 230,60 | ||
Differenz | 176,60 | 3,76 | ||
1/2 | 88,45 | 1,87 |
Gegen diesen ihr am 9.4.1981 zugestellten Beschluß hat die Beschwerdeführerin am 5.5.1981 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie erstrebt Fortfall des Versorgungsausgleichs durch Beitragsentrichtung gem. 1587 b Abs. 3 BGB und statt dessen Erhöhung der Rentenübertragung von 88,45 DM auf 90,33 DM. Sie meint, die insgesamt auszugleichenden Anwartschaften seien durch Übertragung gem. 1487 b Abs. 1 BGB auszugleichen soweit das überhaupt möglich sei. Das sei hier aber der Fall, wie folgende Rechnung ergebe:
Gesamtbetrachtung | maximale Übertragung | |||
---|---|---|---|---|
Ehemann | LVA | 407,50 | 407,50 | |
VBL | 3,76 | 411,26 | ||
Ehefrau | BfA | 221,40 | 221,40 | |
Betriebsrente | 9,20 | 230,60 | ||
Differenz | 180,66 | 186,10 | ||
1/2 | 90,33 | 93,05 |
Nach § 1587 b Abs. 1 BGB sei an sich eine Übertragung von maximal 93,05 DM möglich. Die Gesamtbetrachtung ergebe jedoch, daß nur ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 90,33 DM bestehe. Dieser Ausgleich sei durch Übertragung durchzuführen.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdeführerin ist Beteiligte nach § 53 b Abs. 2 S. 1 FGG. Sie wird durch die angefochtene Entscheidung auch in ihren Rechten betroffen. Die Beschwerdeführerin erstrebt Erhöhung der zu übertragenden Anwartschaften auf 1,88 DM. Wenn mehr übertragen wird, hat das für die Beschwerdeführerin den Vorteil, daß sie im Rentenfall eine entsprechend geringere Rente an den Ehemann zu zahlen hat.
Auf die Beschwerde ist die angefochtene Entscheidung zu ändern, obwohl das Beschwerdeziel dadurch nicht zu erreichen ist.
Der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin ist zwar beizupflichten. In der angefochtenen Entscheidung und in der Beschwerde wird aber nicht hinreichend berücksichtigt, daß die VBL-Rente des Ehemannes noch verfallbar ist. Außerdem ist ein Rechenfehler des Amtsgerichts bei der Ermittlung des Eheanteils auszugleichen. Die richtige Rechnung lautet:
I. Ermittlung der eheanteiligen dynamischen Rente der Ehefrau
Jahresrente 2.880,- DM nichtdynamisch
Eintritt 17.270 | Ende 12.3.05 |
---|
Ehezeit 17.270-31.12.79 = 107 Kalendermonate
Gesamtzeit 17.2.70-12.3.05 = 422 Kalendermonate
Eheanteil der Jahresrente 2.880. 107/422 = 730,24 DM
Barwert (65 J./39 J.) 730,24. 2,2 = 1.606,53 DM
dynamische Rente (1979) 1.606,53. 0,02227122. 0,26335 = 9,42 DM
II. Ausgleichsrechnung
Ehemann | LVA | 407,50 DM | |
---|---|---|---|
Ehefrau | BfA | 221,40 | |
Betriebsrente | 9,42 | 230,82 DM | |
Differenz | 176,68 DM | ||
1/2 | 88,34 DM |
Bei richtiger Rechnung ist die Rente der Ehefrau nicht mit 9,20 DM, sondern mit 9,42 DM anzusetzen. Bei der Quotierung zur Ermittlung des Eheanteils der gesamten Rente sind jeweils angefangene Kalendermonate voll zu rechnen, weil das der üblichen Rentenberechnung in der Sozialversicherung entspricht. Auch erscheint es als geboten, den Rechenaufwand zu begrenzen und die Gefahr von Fehlern zu vermindern. Das Amtsgericht hat bei seiner Rechnung offenbar tageweise rechnen wollen und die Gesamtzeit mit 35,83 Jahren angenommen. Das wären etwa 430 Kalendermonate. Die Zeit vom 17.270 bis 12.3.2005 ist offensichtlich kürzer als 35,83 Jahre. Im übrigen ergibt sich die Berechnung aus §§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3 b Abs. 3 Nr. 2 der BarwertVO vom 24.6.1977 (BGBl. I S. 1014) und der Bekanntmachung der Umrechnungsfaktoren (Nds. Rechtspflege 1979, 264).
Bei der Ausgleichsrechnung selbst ist außer den Sozialversicherungsrenten lediglich die Betriebsrente der Ehefrau, nicht die VBL-Rente des Ehemannes zu berücksichtigen. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 S. 3 BGB finden auf Anwartschaften, die im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch nicht unverfallbar sind, die Vorschriften über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich Anwendung. Der Ausgleichspflichtige soll also zunächst nur seine Sozialversicherungsanwartschaften ausgleichen und später gegebenfalls zusätzliche Zahlungen im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches erbringen. Der Ausgleichspflichtige soll nicht durch Übertragung von Rentenanwartschaften oder Zahlung von Beträgen genötigt werden, einen möglicherweise zu hohen Versorgungsausgleich zu leisten. Es soll eher zu wenig als zuviel übertragen werden. Deshalb sind verfallbare Anwartschaften auf Seiten des Ausgleichsverpflichteten nach dem insoweit auch eindeutigen und nicht auslegbaren Wortlaut des Gesetzes beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich unberücksichtigt zu lassen.
Anders steht es freilich mit der verfallbaren Anwartschaft der ausgleichsberechtigten Ehefrau, die sich ausgleichsmindernd auswirkt (Senatsbeschluß vom 9.6.1980 - 1 UF 51/80 = 46 F 40/77 AG BS, OLG Celle 7.5.80 FamRZ 80, 804, AG Düsseldorf FamRZ 1979, 50, Familiengerichtstag FamRZ 1979, 897, a.A. OLG Celle FamRZ 21.5.80 1980, 807, OLG Hamm FamRZ 80, 1018). Zunächst ist hierzu festzustellen, daß nach dem Gesetz der Versorgungsausgleich nur in einer Richtung stattfinden soll. Nach § 1587 a Abs. 1 S. 1 BGB ist ausgleichspflichtig der Ehegatte mit den werthöheren Anwartschaften auf eine auszugleichende Versorgung. Es besteht also jedenfalls im Prinzip kein Anspruch auf Ausgleich in beiden Richtungen. Auch § 1587 b Abs. 3 S. 3 BGB will einen Ausgleich in beiden Richtungen verhindern. Es erscheint weiter als wenig sinnvoll, daß ein Ehegatte zunächst zuviel Anwartschaften überträgt und ihm das später - etwa im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs - zurückgewährt wird. Das wäre äußerst bedenklich, da der schuldrechtliche Versorgungsausgleich unsicher ist. Ein solches Ergebnis ist vom BGB kaum gewollt und wäre im übrigen auch verfassungsrechtlich bedenklich. Die vom Bundesverfassungsgericht (28.2.1980 JZ 1980, 267 [BVerfG 28.02.1980 - 1 BvL 17/77] zu I 2 b) geforderte besondere verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in die nach Art. 13 GG geschützte Rentenanwartschaft des Ehemannes wurde fehlen. Es verbleibt auch hier bei dem Grundsatz, daß bei Verfallbarkeit von Rentenanwartschaften eher zu wenig als zu viel zu übertragen bzw. zu begründen ist. Zu übertragen sind hier also 88,34 DM.
Demgemäß hat das Gericht die angefochtene Entscheidung abzuändern, obwohl das dem Beschwerdeziel geradezu entgegengesetzt ist. Mit der Beschwerde erstrebte die LVA nicht Herabsetzung, sondern Erhöhung der zu übertragenden Rentenanwartschaft. Grundsätzlich ist zwar eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht zu Lasten der rechtsmittelführenden Partei zulässig (Senatsbeschluß vom 7.8.1980 - 1 UF 58/80 = 45 F 38/78 AG BS, FamRZ 1981, 172). Diese Regel ist aber bei Rechtsmitteln der Versicherungsträger nicht anzuwenden, weil Rechtsmittel der Versicherungsträger prinzipiell weniger das Ziel einer finanziellen Entlastung des Versicherungsträgers, sondern in erster Linie das Ziel einer richtigen Rechtsanwendung haben. Deshalb ist der zu übertragende Betrag herabzusetzen.
Die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen gem. § 1587 b Abs. 3 BGB zwecks Begründung einer Rente von 1,87 DM entfällt voll. Gegebenenfalls hat insoweit später ein Ausgleich durch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich stattzufinden.
Die Kostentragung für den ersten Rechtszug folgt aus § 93 a ZPO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin zu tragen, weil sie ihr Beschwerdeziel nicht erreicht hat (§ 97 ZPO).
Die weitere Beschwerde ist nach § 621 e ZPO zugelassen.
Der Streitwert bemißt sich gemäß §§ 1 Abs. 2, 14 GKG nach dem Rechtsmittelbegehren. Bei der Bewertung des Begehrens ist freilich § 17 a GKG zu beachten. Maßgeblich ist daher der Jahresbetrag des streitigen Teils (12. 1,88 DM), mindestens aber 1.000,- DM. Der Streitwert des ersten Rechtszuges folgt unmittelbar aus § 17 a GKG (12. (88,45 + 1,87) DM).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert des ersten Rechtszuges beträgt hinsichtlich des Versorgungsausgleichs 1.083,84 DM, der des Beschwerderechtszuges 1.000,- DM.