Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 20.05.1981, Az.: 1 UF 160/79

Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich beim beiderseitigen Beziehen von Altersrente der geschiedenen Ehegatten; Ausschluß des Ausgleichsanspruchs wegen gröblicher Verletzung der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen; Verletzung der Pflicht zum Familienunterhalt beizutragen durch Aufgabe der Erwerbstätigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
20.05.1981
Aktenzeichen
1 UF 160/79
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1981, 13525
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1981:0520.1UF160.79.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wolfsburg - 05.10.1979 - AZ: 18 F 176/77

Verfahrensgegenstand

Versorgungsausgleich und Unterhalt

Der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1981
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ... und
den Richter am Landgericht ...
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlußbeschwerde des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts Wolfsburg vom 5. Oktober 1979 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

1

I.

Die Parteien haben am 22.12.1951 geheiratet. Der Antragsteller ist am 6.1.1905 geboren, die Antragsgegnerin am 11.7.1913.

2

Durch das angefochtene Urteil ist die Ehe der Parteien geschieden worden.

3

Hinsichtlich des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht angeordnet, daß von dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 18,10 DM monatliche Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin zu übertragen sind. Darüber hinaus hat es den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin eine monatliche Geldrente von 286,53 DM ab Rechtskraft des Scheidungsurteils zu zahlen (§ 1587 Abs. 1 BGB), ferner monatlichen Unterhalt in Höhe von 558,42 DM.

4

Wegen der Einzelheiten der Berechnung und Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

5

Die Antragsgegnerin hat gegen das am 26.10.1979 zugestellte Urteil des Amtsgerichts am 23.11.1979 Berufung eingelegt und innerhalb bewilligter Fristverlängerung begründet. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil in den Ziffern 2-4 des Tenors abzuändern und anstelle der unter diesen Ziffern vom Familiengericht getroffenen Regelung der Altersversorgung der Antragsgegnerin von dem Versicherungskonto Nr. 55060105 W 002 des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin § 84, 80 DM monatliche Rentenanwartschaften, bezogen auf den 30.9.1977, auf das Versicherungskonto Nr. 50110713 § 513 der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin zu übertragen.

6

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung (Beschwerde) zurückzuweisen,

und im Wege der Anschlußberufung,

das Urteil des Amtsgerichts Wolfsburg vom 5.10.1979 zu Ziffer 3 und 4 dahin abzuändern, daß die Zahlung eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs durch den Antragsteller entfällt und der Antragsgegnerin nur ein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt in Höhe von 722,30 DM monatlich zusteht.

7

Die Antragsgegnerin beantragt

Zurückweisung der Anschlußberufung.

8

Zur Begründung der Anschlußberufung trägt der Antragsteller vor, die Antragsgegnerin habe während der Ehe ihre Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt, so daß ein Anspruch auf Versorgungsausgleich ausscheiden müsse.

9

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.

10

II.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist als befristete Beschwerde (§ 621 ZPO) das Rechtsmittel des Antragstellers als Anschlußbeschwerde zulässig. Beide Beschwerden haben keinen Erfolg.

11

1.)

Beschwerde:

12

Die vom Amtsgericht vorgenommene Regelung des Versorgungsausgleichs entspricht dem Gesetz.

13

Die gemäß §§ 1587b Abs. 2, 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGBübertragungsfähigen Anwartschaften erreichen nur den Betrag von 18,10 DM monatlich.

14

Da die Antragsgegnerin selbst bereits Altersrente bezieht, konnte die Betriebsrente des Antragstellers nicht gemäß § 1587 b Abs. 3 BGB ausgeglichen werden, sondern es kam insoweit nur der schuldrechtliche Versorgungsausgleich in Betracht (§ 1587 f Nr. 1 BGB). Dem hat das Amtsgericht Rechnung getragen und dabei auch den Antrag der Antragsgegnerin berücksichtigt, hinsichtlich der VW-Betriebsrente des Antragstellers den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich durchzuführen.

15

Wenn die Antragsgegnerin nunmehr das dem Gesetz entsprechende Ergebnis der Versorgungsausgleichsregelung nicht hinnehmen will, setzt sie sich mit ihrem in erster Instanz gestellten Antrag in Widerspruch. Aber auch ohne den entsprechenden Antrag hätte das Amtsgericht nicht anders entschieden können, da die Anordnung einer weitergehenden Anwartschaftsübertragung aus den dargestellten Gründen ausgeschlossen war.

16

Die gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1587 b Abs. 3 S. 2, 2. Halbs. BGB vorgetragenen Erwägungen haben dem Senat keinen Anlaß gegeben, die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Es wird insoweit auf den Parteien bekannten Beschluß vom 2.3.1981 Bezug genommen.

17

2.)

Anschlußbeschwerde:

18

Auch die Anschlußbeschwerde ist nicht begründet. Mit ihr erstrebt der Antragsteller den Ausschluß des Ausgleichsanspruchs gem. § 1587 h Ziff. 3 BGB wegen gröblicher Verletzung der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen.

19

Unstreitig hat die Antragsgegnerin nach fünfjähriger Ehezeit im Jahre 1956 ihre Stellung im Volkswagenwerk aufgegeben und ist danach keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen. Eine Verletzung der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, kann in diesem Verhalten nicht erblickt werden. Die Parteien hatten keine Kinder. Sie konnten sich bei der Stellung des Antragstellers in ... einen gehobenen Lebensstandard leisten. Eine Berufstätigkeit der Ehefrau zur Deckung des Familienunterhalts war daher nicht geboten; sie war bei dem seinerseitigen Lebenszuschnitt der Ehepartner auch nicht erforderlich. Daß die Antragsgegnerin im Haushalt Hilfskräfte beschäftigte, kann dem Antragsteller nicht verborgen geblieben sein. Er hat dem während der Ehezeit offenbar nicht widersprochen. Ebensowenig lassen sich Vorwürfe darauf stützen, daß die Antragsgegnerin Klavierstunden genommen hat. Mit Hilfe des § 1587 h Ziff. 3 BGB sollen Versorgungsausgleichsansprüche bei grober Unbilligkeit ausschließbar sein. Wenn die Ehepartner während der Ehe einen Lebenszuschnitt gewählt haben, bei dem eine Mitarbeit der Ehefrau nicht erforderlich war, sind die Voraussetzungen einer groben Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht gegeben.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.