Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 12.02.2015, Az.: L 8 SO 264/14 B ER
Darlehensweise Übernahme von ungedeckten Heimkosten; Unechte Sozialhilfe gegen Aufwendungsersatz; Ermessensentscheidung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 12.02.2015
- Aktenzeichen
- L 8 SO 264/14 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 39543
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2015:0212.L8SO264.14B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 31.07.2014 - AZ: S 4 SO 255/14 ER
Rechtsgrundlagen
- § 36 SGB XII
- §§ 61 ff. SGB XII
- § 19 Abs. 5 SGB XII
Fundstelle
- SRA 2015, 128-129
Redaktioneller Leitsatz
1. § 19 Abs. 5 SGB XII begründet einen Aufwendungsersatzanspruch des Sozialhilfeträgers für den Fall, dass er Sozialhilfe erbracht hat, obwohl die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen möglich und zuzumuten gewesen ist.
2. Unter Zugrundelegung dieser aus § 19 Abs. 5 SGB XII abgeleiteten generellen Befugnis, unechte Sozialhilfe gegen Aufwendungsersatz zu gewähren, hat der Sozialhilfeträger über diese Leistungsgewährung grundsätzlich eine Ermessensentscheidung zu treffen, im Einzelfall kann sich aber eine Ermessenreduzierung auf Null ergeben.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover 31. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die darlehensweise Übernahme von ungedeckten Heimkosten in Höhe von 10.387,00 EUR. Die 1947 geborene Antragstellerin, die unter einer Demenzerkrankung leidet und bei der Pflegebedürftigkeit gemäß Pflegestufe II festgestellt worden ist, wird seit dem 23. Mai 2013 im Altenzentrum D., Hannover, vollstationär gepflegt. Die Pflege erfolgte zunächst - bis zum 12. Juni 2013 - als Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) und im Anschluss - bis zum 3. Juli 2013 - als Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI). Die dauerhafte vollstationäre Pflege wurde am 4. Juli 2013 aufgenommen. Die Antragstellerin erhält insoweit von ihrer Pflegekasse Leistungen gemäß § 43 SGB XI. Am 24. Mai 2013 beantragte die Antragstellerin Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII. Nach Ermittlungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Antragstellerin und ihres Ehemannes erklärte sich der Antragsgegner bereit, die ungedeckten Heimkosten darlehensweise zu übernehmen; Bedingung hierfür sei die Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 60.000,00 EUR zu Gunsten des Antragsgegners für das Grundstück E., Clausthal-Zellerfeld (Schreiben vom 4. Oktober 2013). Alleineigentümer dieses mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ist der Ehemann der Antragstellerin, der das Wohnhaus bewohnt. Außerdem gehört zum Wohnhaus, das eine Wohnfläche von insgesamt etwa 182 m2 hat, eine vom Ehemann vermietete Wohnung mit einer Wohnfläche von etwa 75 m2. Nachdem der Ehemann die Eintragung einer Grundschuld mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 abgelehnt hatte, lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten mit Bescheid vom 13. Dezember 2013 ab. Die Antragstellerin bilde mit ihrem Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII. Das Grundstück E., Clausthal-Zellerfeld stelle kein gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschütztes Vermögen dar. Das Haus habe eine Wohnfläche von 182 m2 und überschreite damit die Angemessenheitsgrenze. Auch eine darlehensweise Gewährung der Sozialhilfe gemäß § 91 SGB XII komme nicht in Betracht, weil der Ehemann der Antragstellerin die Eintragung einer Grundschuld verweigert habe. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 zurück. Hierzu ist zwischen den Beteiligten ein Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Hannover anhängig (S 4 SO 275/14). Die Antragstellerin machte am 23. Januar 2014 beim SG Braunschweig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der ungedeckten Heimkosten für die Zeit ab dem 24. Mai 2013 gegenüber dem Antragsgegner geltend. Das SG Braunschweig erklärte sich für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG Hannover (Beschluss vom 5. Februar 2014). Die Antragstellerin führte zur Begründung aus, dass sie mit ihrem Ehemann keine Einstandsgemeinschaft gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII bilde, da sie inzwischen von ihrem Ehemann getrennt lebe. Sie legte eine eidesstattliche Versicherung ihres Ehemannes vom 13. März 2014 (versehentlich auf den 13. Februar 2014 datiert) vor, der darin erklärte, er habe die Antragstellerin zuletzt am 19. Februar 2014 besucht und hierbei im Hinblick auf deren mentalen und körperlichen Zustand den Eindruck gewonnen, dass die Fortführung der ehelichen Gemeinschaft keinen Zweck mehr habe. Bisher habe er die Antragstellerin etwa alle 14 Tage besucht, werde sie aber zukünftig seltener besuchen. Der Antragsgegner erklärte sich zunächst bereit, die ungedeckten Heimkosten für die Zeit ab dem 17. März 2014 zu übernehmen (Schriftsatz vom 20. März 2014); nach Klarstellung, dass der Ehemann die eidesstattliche Versicherung am 13. März 2014 abgegeben hatte, erkannte der Antragsgegner einen Anspruch auf Kostenübernahme für die Zeit ab dem 13. März 2014 an (Schriftsatz vom 28. März 2014). Nachdem die Antragstellerin den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes teilweise - für die Zeit ab dem 17. März 2014 - zurückgenommen hatte, lehnte das SG Hannover den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 31. März 2014 ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Das Vermögen ihres Ehemannes sei zu berücksichtigen, weil dieser und die Antragstellerin bis zum 12. März 2014 nicht getrennt gelebt hätten. Das Hausgrundstück des Ehemannes stelle kein geschütztes Vermögen dar und stehe der Gewährung von Sozialhilfe entgegen. Es bestehe auch kein Anspruch auf eine darlehensweise Gewährung von Leistungen, weil der Antragsgegner berechtigt gewesen sei, hierfür die Eintragung einer Grundschuld zu verlangen (S 27 SO 36/14 ER). Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 22. Mai 2014 beim Antragsgegner die darlehensweise Übernahme der seit dem 4. Juli 2013 ungedeckten Heimkosten in Höhe von insgesamt 10.387,00 EUR beantragt. Sie hat ein Kündigungsschreiben des Trägers des Altenzentrums Karl Flor (im Folgenden: Heimträger) vom 19. Mai 2014 vorgelegt, mit dem der Heimvertrag vom 4. Juli 2013 zum 30. Juni 2014 gekündigt wurde. Die Kündigung wurde auf Zahlungsrückstände der Antragstellerin in Höhe von 10.387,00 EUR gestützt. Am 23. Juni 2014 hat die Antragstellerin beim SG Hannover erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und einen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens in Höhe von 10.387,00 EUR geltend gemacht. Sie hat auf die Kündigung des Heimvertrages durch den Heimträger verwiesen. Der Antragsgegner habe hinsichtlich des beantragten Darlehens gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII grundsätzlich eine Ermessensentscheidung zu treffen. Soweit er im Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 darauf verwiesen habe, es drohe keine Wohnungslosigkeit, da eine bedarfsgerechte Versorgung der Antragstellerin in vielen Einrichtungen in Niedersachsen möglich sei, verkenne er, dass Zielrichtung des § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Sicherung einer konkreten Unterkunft und nicht die Vermeidung von Wohnungslosigkeit sei. Das Kriterium einer drohenden Wohnungslosigkeit werde gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erst bei der Frage relevant, ob eine Ermessensreduzierung eingetreten sei. Vorliegend sei eine dahingehende Ermessensreduzierung auf Null eingetreten, dass der Antragsgegner das Darlehen zu gewähren hat. Die Antragstellerin habe ihre Notlage nicht verschuldet, da sie keine Möglichkeit habe, ihren Ehemann dazu zu zwingen, der Eintragung einer Grundschuld zuzustimmen. Wegen ihres desolaten Gesundheitszustandes sei für sie ein Wechsel der Einrichtung nicht zumutbar, denn sie sei auf eine kontinuierliche pflegerische Betreuung angewiesen. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Eine Ermessenseinschränkung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sei nicht eingetreten, da der Antragstellerin keine Wohnungslosigkeit drohe. Nahezu alle Alten- und Pflegeeinrichtungen seien auf die Betreuung von Demenzerkrankten eingestellt. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass die Versorgung in einer anderen Einrichtung für die Antragstellerin unzumutbar sei. Der Antragsgegner hat mehrere Einrichtungen im Landkreis Goslar und im Raum Hannover benannt, in denen eine kurzfristige Aufnahme der Antragstellerin möglich sein soll. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde. Mit einer solchen Entscheidung würde nachträglich die Gewährung von Sozialhilfe erreicht, die im vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt worden sei. Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 31. Juli 2014 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter Vorbehalt der Rückforderung ein Darlehen in Höhe von 10.387,00 EUR zu gewähren. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch gemäß § 36 SGB XII glaubhaft gemacht. Das Ermessen des Antragsgegners sei nach summarischer Prüfung auf Null reduziert. Die Antragstellerin treffe kein Verschulden an der Notlage. Auch der Umstand, dass ihre Betreuerin bislang keine zivilrechtlichen Ansprüche verfolgt habe, könne ihr nicht angelastet werden. Da es für Patienten mit einer dementiellen Erkrankung außerordentlich wichtig sei, in einer vertrauten Umgebung zu sein, sei ein Wechsel der Einrichtung für die Antragstellerin nicht zumutbar. Im Hinblick auf die rechtswirksame Kündigung durch den Heimträger bestehe auch ein Anordnungsgrund. Gegen den Beschluss vom 31. Juli 2014 richtet sich die am 6. August 2014 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners. Eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht eingetreten. Soweit die Betreuerin der Antragstellerin keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend gemacht und damit gegen die Verpflichtungen aus dem Nachranggrundsatz gemäß § 2 SGB XII verstoßen habe, sei dies der der Antragstellerin zuzurechnen. Entsprechendes gelte für das Verhalten des Ehemannes, weil bis März 2014 noch eine eheliche Gemeinschaft i.S. des § 19 Abs. 3 SGB XII bestanden habe. Zudem sei nicht erkennbar, dass ein Umzug für die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar sei. Er hat amtsärztliche Stellungnahmen vom 1. September 2014 und 6. Oktober 2014 zur Zumutbarkeit eines Umzuges vorgelegt. Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und weist ergänzend darauf hin, dass die Mietrückstände inzwischen vom Antragsgegner ausgeglichen worden seien und die vom Heimträger ausgesprochene Kündigung damit unwirksam geworden sei.
II. Die statthafte (§ 172 SGG) und form- und fristgerecht eingelegte (§ 173 SGG) Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Eine Unzulässigkeit ergibt sich nicht aus der Rechtskraft des Beschlusses des SG Hannover vom 31. März 2014 (S 27 AS 36/14 ER). Allerdings ist das Begehren nicht nur unter Berücksichtigung von § 36 SGB XII, sondern aller in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen zu prüfen (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Daher ist auch zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch aus den §§ 61 ff. SGB XII hergeleitet werden kann (siehe unten), was das SG im Beschluss vom 31. März 2014 verneint hat. Eine Bindung an einen rechtskräftigen Beschluss, mit dem ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden, besteht aber nicht mehr nach einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 45a). Nach dem Beschluss vom 31. März 2014 ist durch die vom Heimträger ausgesprochene Kündigung des Heimvertrages vom 19. Mai 2014 eine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht zwar vieles dafür, dass sich der geltend gemachte Anspruch auf darlehensweise Übernahme der ungedeckten Heimkosten nicht aus § 36 Abs. 1 SGB XII ergibt. Die Antragstellerin hat aber einen Anspruch gemäß § 19 Abs. 5 i.V.m. § 61 Abs. 1, 2 SGB XII glaubhaft gemacht. Einem Anspruch gemäß § 36 Abs. 1 SGB XII steht nicht entgegen, dass die Regelung - wie der Vierte Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB XII insgesamt - die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung betrifft. Allerdings können die durch die Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung entstehenden Kosten allenfalls teilweise als Kosten für Unterkunft und Heizung qualifiziert werden. Pflegebedürftige, die vollstationär gepflegt werden, können neben einem Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII, der u.a. stationäre Pflege umfasst (§ 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII), auch einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff. SGB XII und damit auch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung haben (Meßling in: jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 61 Rn. 33; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2009 - 12 S 2854/07). Dem entspricht es, dass die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nicht der Deckung der Kosten für Unterkunft und Verpflegung dienen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 SGB XI) und die §§ 61 ff. SGB XII hinsichtlich des Leistungsinhalts an die Regelungen des SGB XI anknüpfen (§ 61 Abs. 2 Satz 2 SGB XII; Meßling in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 61 Rn. 10, 97). Eine Schuldenübernahme gemäß § 36 Abs. 1 SGB XII dürfte deswegen ausgeschlossen sein, weil die Antragstellerin bereits im Mai 2013 die Übernahme der Heimkosten beantragt hat und die ab Juli 2013 aufgelaufenen Rückstände daher, selbst soweit sie einen Bedarf für Unterkunft und Heizung begründen können, keine Schulden i.S. des § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII darstellen dürften (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 24/12 R, Rn. 21 - juris). § 19 Abs. 5 SGB XII begründet einen Aufwendungsersatzanspruch des Sozialhilfeträgers für den Fall, dass er Sozialhilfe erbracht hat, obwohl die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen möglich und zuzumuten gewesen ist. Vor dem Inkrafttreten des SGB XII bestand eine inhaltsgleiche Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 BSHG für die Hilfe zum Lebensunterhalt und in § 29 Satz 2 BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen. Darüber hinaus enthielt § 11 Abs. 2 Satz 1 BSHG und § 29 Satz 1 BSHG die ausdrückliche Ermächtigung für den Sozialhilfeträger, in begründeten Fällen Sozialhilfe auch insoweit zu gewähren, als die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen möglich und zuzumuten ist (erweiterte Hilfe). Das SGB XII enthält zwar, abgesehen von § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, keine ausdrückliche Regelung über eine entsprechende Befugnis, Sozialhilfe gemäß dem Bruttoprinzip - ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen - zu erbringen. Allerdings wird verbreitet angenommen, dass § 19 Abs. 5 SGB XII die Befugnis des Sozialhilfeträgers voraussetzt, in Notlagen trotz möglicherweise einzusetzendem Einkommen oder Vermögen Sozialhilfe zu leisten (so genannte unechte Sozialhilfe gegen Aufwendungsersatz; vgl. BSG, Urteil vom 20. September 2012 - B 8 SO 20/11 R, Rn. 16 - juris; Coseriu in: jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 19 Rn. 38; Hohm in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 19 Rn. 42). Hiervon geht der Senat vorerst, insbesondere im Hinblick auf die dargestellten Vorgängerregelungen im BSHG, jedenfalls in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ebenfalls aus. Eine abschließende Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gewährung unechter Sozialhilfe gegen Aufwendungsersatz rechtmäßig ist, ist hier entbehrlich. Unter Zugrundelegung einer aus § 19 Abs. 5 SGB XII abgeleiteten generellen Befugnis, unechte Sozialhilfe gegen Aufwendungsersatz zu gewähren, hat der Sozialhilfeträger über diese Leistungsgewährung grundsätzlich eine Ermessensentscheidung zu treffen, im Einzelfall kann sich aber eine Ermessenreduzierung auf Null ergeben (Coseriu, a.a.O.; Hohm, a.a.O., Rn. 43). Vorliegend hat das SG - bezogen auf § 36 Abs. 1 SGB XII - überzeugend begründet, dass die Antragstellerin eine dahingehende Ermessenreduzierung auf Null glaubhaft gemacht hat, dass sie einen Anspruch auf Übernahme der Rückstände hat. Die gleichen Erwägungen können für die Frage, ob hinsichtlich der Leistungsgewährung gemäß § 19 Abs. 5 SGB XII eine Ermessensreduzierung eingetreten ist, herangezogen werden, so dass insoweit auf die Begründung im Beschluss vom 31. Juli 2014 verwiesen wird (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus den vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgelegten amtsärztlichen Stellungnahmen vom 1. September 2014 und 6. Oktober 2014. Die Einschätzung, dass die vorhandenen medizinischen Berichte nicht belegen, dass ein Wechsel in eine andere Einrichtung zu einem Gesundheitsschaden führen würde, erscheint zwar nachvollziehbar. Bei der Frage einer Ermessensreduzierung auf Null ist aber bereits eine erhebliche Gesundheitsgefährdung zu berücksichtigen. Die ungedeckten Heimkosten begründen nach summarischer Prüfung einen Bedarf i.S. des § 61 Abs. 1, 2 SGB XII und keinen von den §§ 27 ff. SGB XII umfassten Bedarf. Einer abschließenden Klärung bedarf es vorliegend nicht; ausschlaggebend wäre insoweit, wie sich die Gesamtkosten - einschließlich der durch das Renteneinkommen der Klägerin gedeckten Kosten - auf die Bedarfe i.S. der §§ 61 SGB XII und der §§ 27 ff. SGB XII aufteilen und auf welche Bedarfe das Einkommen der Klägerin anzurechnen ist (vgl. Coseriu, a.a.O., § 27 Rn. 34 ff.). Der Antragsgegner ist im Ablehnungsbescheid vom 13. Dezember 2013 und im Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 davon ausgegangen, dass sich die ungedeckten Heimkosten auf den von den §§ 61 ff. SGB XII umfassten Bedarf beziehen, und dementsprechend nur über einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege entschieden. Einwände hat die Antragstellerin hiergegen nicht erhoben. Unter diesen Umständen besteht im Eilverfahren keine Veranlassung für eine anderweitige Zuordnung. Einem Anordnungsanspruch gemäß § 19 Abs. 5 i.V.m. § 61 Abs. 1, 2 SGB XII steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin nur eine darlehensweise Übernahme der ungedeckten Heimkosten beantragt hat. Bei sachgerechter Auslegung (§ 123 SGG) ist ihr Vorbringen dahin zu verstehen, dass sie zumindest die Gewährung eines Darlehens begehrt hat. Ohnehin hat das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Aufgabe, eine vorläufige Regelung zu treffen. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Umstände, wegen derer eine Ermessensreduzierung auf Null glaubhaft gemacht worden ist, haben in Verbindung mit der vom Heimträger ausgesprochenen Kündigung eine besondere Eilbedürftigkeit begründet. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).