Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 20.10.2023, Az.: 2 WF 132/23

Gegenvorstellung; Verfahrenskostenhilfe; sofortige Beschwerde; formelle Rechtskraft; Willkürverbot

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
20.10.2023
Aktenzeichen
2 WF 132/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 38558
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2023:1020.2WF132.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 15.09.2023 - AZ: 46 F 126/23

Fundstellen

  • FA 2024, 21
  • FamRB 2024, 111-112
  • NZFam 2024, 86

Amtlicher Leitsatz

Verfahrenskostenhilfebewilligung in einer Ehesache: Gegenvorstellung gegen einen die sofortige Beschwerde zurückweisenden Beschluss.

Eine Gegenvorstellung, die sich gegen einen nicht von Amts wegen abänderbaren Beschluss richtet, ist unzulässig.

In der Familiensache
L. Sch., geb. R., .....,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B. von S.-H., ....,
Geschäftszeichen: ....
gegen
A. Sch., ....,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt R. B., ....,
Geschäftszeichen: ....
hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Richterin am Amtsgericht X als Einzelrichterin am 20. Oktober 2023 beschlossen:

Tenor:

Die Gegenvorstellung der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 15. September 2023 (2 WF 132/23) wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein von ihr eingeleitetes Ehescheidungsverfahren.

Mit ihrem am 08.05.2023 bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Göttingen gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag hat die Antragstellerin die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Akte gereicht, aus der sich ergibt, dass sie als Alleingeschäftsführerin ein Abbruch- und Recyclingunternehmen betreibt, über das das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Daneben hat die Antragstellerin erklärt, dass sie Eigentümerin zweier Immobilien mit einem Gesamtverkehrswert in Höhe von 807.000,00 Euro ist, wobei über die eine Immobilie die Zwangsversteigerung angeordnet wurde und die andere Immobilie mit 300.000,00 Euro Kreditverbindlichkeiten belastet ist. Ausweislich der seitens der Antragstellerin eingereichten Mietverträge, vermietet sie neun in den Immobilien befindliche Wohnungen an Dritte.

Mit Verfügung vom 25.05.2023 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Göttingen darauf hingewiesen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin nicht nachzuvollziehen seien. Daraufhin konkretisierte die Antragstellerin ihre Angaben dahingehend, dass sie monatlich über 1.190,51 Euro für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfüge, wobei sie davon 450,00 Euro an ihre studierende volljährige Tochter zahle und ihre minderjährige, in ihrem Haushalt lebende Tochter unterhalten müsse.

Am 15.08.2023 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Göttingen daraufhin den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zu Lasten der Antragstellerin davon auszugehen sei, dass sie in der Lage sei, die Verfahrenskosten zu tragen. Sie habe ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bislang nicht nachvollziehbar dargelegt. Wovon die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt, den Barunterhalt für die volljährige Tochter sowie den Naturalunterhalt für die minderjährige Tochter bestreite, sei bereits nicht erkennbar.

Gegen diesen Beschluss hat sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde vom 23.08.2023 gewendet. Mit dieser hat sie vorgetragen, dass das Finanzamt beantragt habe, über das Vermögen des Abbruch- und Recyclingunternehmens das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Seither sei das Unternehmen blockiert. Aus geschäftlicher Tätigkeit könne sie nichts mehr erwirtschaften. Auch ein anderes Unternehmen, das in die alleinige Gesellschafterstellung eines ihrer Söhne übergegangen sei, sei nicht dazu in der Lage, Lohn- oder Gehaltsansprüche aufzubringen. Daher sei sie auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen. Von dieser Unterstützung versuche sie die Verbindlichkeiten bei der Sparkasse G. abzutragen.

Mit Beschluss vom 23.08.2023 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Göttingen der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 15.09.2023, welcher dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 19.09.2023 zugestellt wurde, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Göttingen vom 08.05.2023 zurückgewiesen und die Entscheidung darauf gestützt, dass die Antragstellerin ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nachvollziehbar dargelegt habe. Es sei nicht ersichtlich, woraus die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt bestreite. Selbst bei Berücksichtigung der von Ihr vorgetragenen Mieteinnahmen verblieben lediglich 740,51 Euro im Monat für die Notwendigkeiten des täglichen Lebens, wobei sie davon auch noch ihre minderjährige Tochter unterhalten müsse. Daneben sei der Antragstellerin zuzumuten, eine ihrer Wohnungen zu verwerten, um von dem Erlös die Verfahrenskosten zu decken. Darüber hinaus ergebe sich aus den zur Akte gereichten Kontoauszügen über das auf den Namen der Antragstellerin laufende Konto bei der V., dass die Antragstellerin im Zeitraum Januar bis Dezember 2022 monatlich 3.000,00 Euro (insgesamt 36.000,00 Euro) entnommen habe. Wofür und ob die Antragstellerin das Geld verwendet habe, ergebe sich aus ihrem Vortrag nicht. Im Übrigen wird auf den Senatsbeschluss vom 15.09.2023 (2 WF 132/23) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss des Senats wendet sich die Antragstellerin mit der Gegenvorstellung, die am 02.10.2023 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass es völlig offen sei, ob sie über Immobilien mit einem Gesamtwert von 807.000,00 Euro verfüge. Insbesondere werde sich hinsichtlich des einen Objekts erst im Versteigerungstermin herausstellen, wie hoch das Höchstgebot ausfalle. Bisher gebe es lediglich Parteigutachten. Ferner seien nach Ansicht der Stadt G. in der anderen Immobilie bauliche Veränderungen vorgenommen worden, die mangels entsprechender Baugenehmigung zurückgebaut werden müssen. Derzeit werde die Nutzung geduldet. Ein eventueller Ersteigerer müsse damit rechnen, dass der Rückbau unter Androhung von Zwangsmitteln gefordert werde. Infolgedessen und auch wegen bestehender Kontaminationen könne das Objekt nicht mit baurechtlich beanstandungsfreien Hausgrundstücken verglichen werden.

Für die weitere Begründung der Gegenvorstellung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 02.10.2023 Bezug genommen, der taggleich beim Oberlandesgericht Braunschweig eingegangen ist.

II.

Die Gegenvorstellung ist unzulässig, hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die von der Antragstellerin erhobene Gegenvorstellung ist bereits unzulässig.

a)

Bei der Gegenvorstellung handelt es sich um einen außergesetzlichen Rechtsbehelf, der auf die Überprüfung ergangener gerichtlicher Entscheidungen durch dieselbe Instanz und denselben Spruchkörper zielt, der sie erlassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 09. November 2010 - IX ZA 46/10 -, zitiert nach juris, Rn. 2). Zwar ist die Gegenvorstellung auch nach Einführung der Anhörungsrüge weiterhin gegeben, jedoch ist sie nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer schlüssig geltend macht, dass ihm grobes prozessuales Unrecht durch Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte oder des Willkürverbots nach Art. 3 GG zugefügt worden sei, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden müsse (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - IX ZB 25/01 -, zitiert nach juris, Rn. 6; Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. § 567 Rdnr. 26 m.w.N. aus der BGH-Rechtsprechung).

Die von der Antragstellerin mit der Gegenvorstellung vorgebrachte Begründung zeigt keine derartig schwerwiegende Rechtsverletzung auf. Die Antragstellerin versucht lediglich mit weiterem, bisher nicht dargelegtem Vortrag, ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse nachvollziehbar darzustellen, um damit ihr Ziel auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe weiter zu verfolgen. So hat sie erstmals mit der Gegenvorstellung vorgetragen, dass es völlig offen sei, ob sie über Immobilienvermögen in Höhe von 807.000,00 Euro verfüge, während sie erstinstanzlich in der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genau diesen Wert für ihre Immobilien angegeben hat. Daneben trägt sie ebenfalls erstmals mit der Gegenvorstellung vor, dass in einer der Immobilien bauliche Veränderungen vorgenommen worden seien, die einer Baugenehmigung bedurft hätten und damit zurückgebaut werden müssten.

Anhaltspunkte für das Vorliegen einer gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG verstoßenden Entscheidung ergeben sich aus diesem Vortrag der Antragstellerin damit nicht. Der Richterspruch ist nämlich nur dann willkürlich, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich damit der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. August 2005 - 1 BvR 1165/05 -, zitiert nach Juris, Rn. 11). Wenn aber ein Gericht die von einem Beteiligten fehlerhaft bzw. unvollständig vorgetragenen Tatsachen seiner Entscheidung zu Grunde legt, handelt es nicht willkürlich, sondern es wirkt sich dann nur die nachlässige Verfahrensführung der Beteiligten in der Entscheidung aus. Eine nachlässige Verfahrensführung einer Beteiligten kann aber nicht mit dem Rechtsbehelf der Gegenvorstellung beseitigt werden.

b)

Die Unzulässigkeit der Gegenvorstellung folgt aber auch daraus, dass die vom Senat auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin getroffene Entscheidung nicht von Amts wegen abgeändert werden kann.

Die gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung stellt (lediglich) eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Beteiligten unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Deshalb kommt sie nur dann in Betracht, wenn das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen darf (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2018 - V ZB 6/18 -, zitiert nach juris, Rn. 9; vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 2008 - 1 BvR 848/07 -, zitiert nach juris, Rn. 39). Bejaht wird dies beispielsweise bei unanfechtbaren Beschlüssen über die Festsetzung des Streitwerts bzw. des Gegenstandswerts etwa des Bundesgerichtshofs, die innerhalb gewisser zeitlicher Grenzen von Amts wegen (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 79 Abs. 2 Satz 2 GNotKG und § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG) geändert werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 - IV ZR 33/19 -, zitiert nach juris, Rn. 3). Hingegen ist eine Gegenvorstellung unzulässig, sofern das Gericht nach den Bestimmungen der jeweiligen Verfahrensordnung nicht befugt ist, seine getroffene Entscheidung zu ändern (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2018 - IX ZB 31/18 -, zitiert nach juris, Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 25. November 2008 - 1 BvR 848/07 -, zitiert nach juris, Rn. 39).

Letzteres ist hier der Fall. Beschlüsse, die - so wie hier - auf eine sofortige Beschwerde ergangen sind und der Rechtsbeschwerde unterliegen, sind in entsprechender Anwendung des § 318 ZPO unabänderlich und bindend, weil sie in formelle Rechtskraft erwachsen (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2018 - IX ZB 31/18 -, zitiert nach juris, Rn. 12). Unschädlich ist es für den Eintritt der formellen Rechtskraft, dass der Senat in dem angegriffenen Beschluss die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, da es für die Unabänderlichkeit genügen muss, wenn die Rechtsbeschwerde - wie hier - lediglich abstrakt, d.h. nur nach Zulassung durch das Beschwerdegericht eröffnet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2018 - V ZB 6/18 -, juris, Rn. 10 mwN; vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 WF 65/22 -, zitiert nach juris, Rn. 5;).

2.

Die dargelegten Gründe, die zur Unzulässigkeit der Gegenvorstellung führen, verletzen die Antragstellerin auch nicht in Ihrem in Art. 103 Abs. 1 GG verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör oder dem aus Art. 2 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S.2, Art. 103 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG hergeleiteten Justizgewährungsanspruch. Denn von der (fehlenden) Möglichkeit einer nachträglichen Abänderung einer - wie hier - formell rechtskräftigen Entscheidung von Amts wegen oder auf eine Gegenvorstellung hin ist die Frage zu unterscheiden, ob in Verfahren, die einen Antrag eines Verfahrensbeteiligten voraussetzen, die formell rechtskräftige Ablehnung des Antrags einen neuen Antrag ausschließt. Dies hängt davon ab, ob der Entscheidung neben der formellen Rechtskraft auch materielle Rechtskraft zukommt. Dies ist beispielsweise bei einem die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss - wie dem vorliegenden - zu verneinen, so dass einem neuen Antrag nicht entgegensteht, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen oder der Beschluss aus sonstigen Gründen unanfechtbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2020 - BLw 1/19 -, zitiert nach juris, Rn. 28 mwN.).

3.

Überdies geben die Ausführungen der Antragstellerin auch in der Sache keinen Anlass die getroffene Entscheidung zu ändern. Noch immer ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreitet. Die Antragstellerin ist auch weiterhin Eigentümerin zweier Immobilien, aus deren Erlös sie die Verfahrenskosten aufbringen kann. Auch dem Vortrag im Rahmen der Gegenvorstellung lässt sich nicht entnehmen, ob bzw. wofür die Antragstellerin die im Jahre 2022 monatlich von dem Konto bei der V. K./G. entnommenen Beträge in Höhe von 3.000,00 Euro verwendet hat.