Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.11.2023, Az.: 1 WF 127/23
Verfahrenswert des auf die ehemalige Ehewohnung bezogenen Herausgabeverlangens nach rechtskräftiger Ehescheidung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 08.11.2023
- Aktenzeichen
- 1 WF 127/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 55414
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2023:1108.1WF127.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Helmstedt - 17.08.2023
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 1 FamGKG
- § 41 Abs. 2 GKG
- § 266 FamFG
Fundstellen
- AGS 2023, 574
- NJW-Spezial 2024, 29
- NZFam 2024, 136
Amtlicher Leitsatz
- 1.
In sonstigen gemäß § 266 FamFG Familienstreitsachen sind im Rahmen des Ermessens nach § 42 Abs. 1 FamGKG grundsätzlich auch die Rechtsgedanken des Gerichtskostengesetzes heranzuziehen.
- 2.
Der Wert eines auf die ehemalige Ehewohnung bezogenen Herausgabeverlangens bemisst sich nach rechtskräftiger Ehescheidung gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 41 Abs. 2 GKG auf den Jahreswert der zuvor gezahlten Nutzungsentschädigung.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 17.08.2023 abgeändert und der Wert für das Verfahren erster Instanz auf 5.640,00 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft den Verfahrenswert des auf die ehemalige Ehewohnung bezogenen Herausgabeverlangens nach rechtskräftiger Ehescheidung.
Die Beteiligten sind seit dem 02.12.2021 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Die ehemalige Ehewohnung, die im Eigentum des Antragstellers steht, wurde nach der Trennung von der Antragsgegnerin bewohnt. In dem zum Aktenzeichen 4 F 803/20 WH geführten Wohnungszuweisungsverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Helmstedt vom 19.01.2021 der damalige Herausgabeantrag des Ehemannes zurückgewiesen, jedoch zu seinen Gunsten eine monatliche Nutzungsvergütung von 470,00 € festgesetzt.
Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 16.05.2023 die Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangt und zur Begründung vorgetragen, seit Rechtskraft der Scheidung stehe der Antragsgegnerin kein Nutzungsrecht mehr zu. Er habe daher mit Schreiben vom 26.01.2023 ein gegebenenfalls bestehendes Nutzungsverhältnis zum 30.04.2023 gekündigt und die Antragsgegnerin zur Räumung und Übergabe der Immobilie aufgefordert. Hierauf habe die Antragsgegnerin die Zahlung der Nutzungsentschädigung zum 28.02.2023 eingestellt, die Immobilie jedoch nicht herausgegeben. Die Antragsgegnerin hat den Anspruch mit Schriftsatz vom 25.07.2023 anerkannt. Mit dem Anerkenntnisbeschluss vom 17.08.2023 hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Verfahrenswert auf 320.000,00 € festgesetzt. Die Wertfestsetzung hat es auf § 42 Abs. 1 FamGKG gestützt und hierfür den geschätzten Wert der Immobilie zugrunde gelegt.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Wertbeschwerde vom 15.09.2023, mit der sie nach dem Jahreswert der Nutzungsentschädigung eine Wertfestsetzung auf 5.640,00 € begehrt.
Das Amtsgericht hat der Wertbeschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft und zulässig, insbesondere gemäß §§ 59 Abs. 1, 55 Abs. 3 FamGKG form- und fristgerecht eingelegt; sie ist auch in der Sache begründet.
Der Verfahrenswert ist gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen, da das FamGKG keine Wertvorschrift für die Geltendmachung von Herausgabeansprüchen enthält. Soweit vertreten wird, der Wert müsse sich an dem Verkehrswert der herausverlangten Sache orientieren (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., Anhang FamFG-Verfahrenswerte, Rn. 1.27), kann dem in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Insbesondere wenn es sich um rein zivilrechtliche Ansprüche handelt, die nur wegen der persönlichen Beziehung der Beteiligten untereinander - in diesem Falle als geschiedene Eheleute - gemäß § 266 FamFG als sonstige Familienstreitsachen dem Familiengericht zugewiesen sind, sind für den Gebührenstreitwert auch die Rechtsgedanken der Regelungen des Gerichtskostengesetzes (GKG) heranzuziehen. Denn es widerspricht billigem Ermessen, wenn Beteiligte, die miteinander verheiratet sind oder waren, bzw. in einem weiteren in § 266 FamFG bezeichneten Verhältnis zueinander stehen, erheblich höheren Gerichts- und Anwaltskosten ausgesetzt sind, als Parteien eines zivilrechtlichen Rechtsstreits in einer vergleichbaren Situation.
So liegt der Fall hier. Für eine vergleichbare Räumungsklage vor dem Zivilgericht bemisst sich der Streitwert nach § 41 Abs. 2 GKG. Danach ist, wenn wegen der Beendigung eines Miet-, Pacht- o. ä. Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks oder Gebäudes verlangt wird, ohne Rücksicht darauf, ob das Bestehen des Nutzungsverhältnisses im Streit steht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend. Dies gilt gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG auch, wenn die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Antragsteller die Räumung und Herausgabe der Ehewohnung auf den Wegfall des durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 19.01.2021 begründeten Nutzungsrechts sowie auf sein Eigentum stützt (vgl. hierzu Hartmann in: Hartmann, Kostengesetze online, § 41 GKG, Rn. 26 - über juris).
Dem steht der Wertbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.12.2020 in dem Verfahren zum Aktenzeichen IX ZR 208/18 (BeckRS 2020, 38345, - auch über juris) nicht entgegen, weil das dortige Herausgabeverlangen auf die Anfechtung eines Kaufvertrages und nicht auf die Beendigung eines Nutzungsverhältnisses gestützt war. Eine weitere Entscheidung, die in der Kommentierung bei Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 3, Rn. 16.92 zitiert ist, betraf die Herausgabe eines Kraftfahrzeugs aufgrund eines beendeten Leasingvertrages, bei dem lediglich die Anwendung des § 41 Abs. 1 GKG, nicht aber des § 41 Abs. 2 GKG in Betracht kam (OLG München JurBüro 2020, 206).
Im vorliegenden Verfahren wird daher der Wert gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 41 Abs. 2 GKG auf 5.640,00 € festgesetzt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 59 Abs.3 FamGKG.
Die Entscheidung ist gemäß §§ 59 Abs. 1 Satz 5, 57 Abs. 7 FamGKG unanfechtbar.