Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.08.1979, Az.: 9 Wx 8/78

Zustimmungsbedürftigkeit eines Stimmenbindungsvertrages zwischen einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) und einer GmbH (Kommanditistin) zur Sicherung des beherschenden Einflusses der Kommanditistin auf die Kömplementärs GmbH

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.08.1979
Aktenzeichen
9 Wx 8/78
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1979, 10590
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1979:0830.9WX8.78.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG H... - AZ: 1 Akt-E- 1/77

Fundstellen

  • DB 1979, 2502-2503 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 1979, 277-280 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

auf Entscheidung über die Bildung und Zusammensetzung des Aufsichtsrats bei der S. E. Geschäftsführungsgesellschaft mit beschränkter Haftung,

Sonstige Beteiligte

1. Gesamtbetriebsrat der S. E. GmbH & Co. KG, 3 ... H.,

den Vorsitzenden W. W., ... -S. S., 3 ... H. 1,

2. Industriegewerkschaft M. für die Bundesrepublik Deutschland,

den ersten Vorsitzenden des Vorstands, E. L., und das Vorstandsmitglied C. B., W. -L. -S. 79-85, 6 ... F. ... M. 1,

Verfahrensbevollmächtigter zu 1) und 2): Rechtsanwalt Dr. G. in Düsseldorf -

3. S. E. GmbH & Co. KG,

die persönlich haftende Gesellschafterin, die S. E. Geschäftsführungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, diese vertreten durch die Geschäftsführer K. B., Dr. G. P., Dipl.-Kaufmann H. M. und Dr. H. B., Dr.-S. -S., 3 ... H. 1,

4. S. E. Geschäftsführungsgesellschaft mit beschränkter Haftung,

die Geschäftsführer K. B., Dr. G. P., Dipl.-Kaufmann H. M. und Dr. H. B. Dr.-S. -S., 3 ... H. 1,

Verfahrensbevollmächtigte zu 3) und 4): Rechtsanwälte Dr. H. K., Dr. S. Dr. R. M. Dr. G. Dr. I. Dr. H. K. und S. in E. -

In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde der Antragsteiler vom 30. Oktober 1978
gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts H. vom 12. Oktober 1978
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht M. und
die Richter am Oberlandesgericht B. und S.
am 30. August 1979 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I.

Die beteiligte GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile Frau M. S. hält, ist die einzige persönlich haftende Gesellschafterin der beteiligten Kommanditgesellschaft, deren Geschäfte die GmbH entsprechend dem in § 2 der GmbH-Satzung bezeichneten Unternehmensgegenstand führt. Einzige Kommanditistin der Kommanditgesellschaft, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von feinmechanischen und elektrischen Apparaten befaßt und mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, ist die Dr. T. S. Werke OHG. Deren Gesellschafter sind die Erben des ursprünglichen alleinigen Inhabers des Unternehmens, Dr. T. S., nämlich M. S. und A. S., die zu je 13 %, sowie U. und F. S. die zu je 37 % am Gesellschaftsvermögen beteiligt sind. Diese Beteiligungsverhältnisse entsprechen den Erbquoten; die jetzigen Gesellschafter hatten nach dem Tode Dr. S. das Unternehmen zunächst in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt und mit Wirkung vom 1. Januar 1970 die offene Handelsgesellschaft gegründet. Die Geschäftsführer der GmbH bedürfen nach § 4 Abs. 4 der Satzung für Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der "betroffenen Gesellschaft". Abs. 11 des § 6 der Satzung, der die Möglichkeit vorsieht, einen Aufsichtsrat zu bestellen, und die Einzelheiten näher regelt, bestimmt, daß, wenn ein solcher Aufsichtsrat besteht - das ist zur Zeit der Fall -, dessen Zustimmung an die Stelle der Zustimmung der "Gesellschafterversammlung gemäß § 4 Abs. 4" tritt. Nach einer daran anschließenden beispielhaften Aufzählung von zustimmungspflichtigen Geschäften schreibt § 6 Abs. 11 weiter vor, die Genehmigungspflicht gelte auch "für Geschäfte der vorstehenden Art, die die Gesellschaft für andere Unternehmen vornimmt". Abs. 12 weist dem Aufsichtsrat weitere Aufgaben zu; zu ihnen gehören u. a. Bestellung, Entlastung und Abberufung sowie Abschluß und Beendigung der Anstellungsverträge der Geschäftsführer, Prüfung und Genehmigung der von der Geschäftsführung vorgelegten Teilpläne der einzelnen Ressorts, "und zwar auch bezüglich der Unternehmen, für die die Gesellschaft tätig ist", sowie Beratung der Gesellschafter und Geschäftsführer in allen gesellschaftsrechtlichen, wirtschaftlichen und persönlichen Fragen. Nach § 3 Abs. 4 des Kommanditgesellschaftsvertrages kann die dortige Gesellschafterversammlung beschließen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur nach vorheriger Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung "oder durch andere Personen oder Institutionen" vorgenommen werden dürfen. § 11 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages sieht vor, daß die GmbH ausscheidet, wenn bei ihr ein Aufsichtsrat nach den Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes bestellt wird.

2

Die Antragsteller haben im vorliegenden Verfahren beantragt, dahin zu entscheiden, daß bei der GmbH ein Aufsichtsrat nach § 7 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4. Mai 1976 (MitbestG) zu bilden sei. Sie haben behauptet, die Kommanditistin (also die offene Handelsgesellschaft) und die GmbH hätten einen Stimmbindungsvertrag geschlossen, durch den der beherrschende Einfluß der Kommanditistin auf die Komplementär-GmbH gesichert werde; diese müsse die Zustimmung der Gesellschafter der Kommanditistin einholen, wenn sie die Richtlinien der Geschäftspolitik festlege und insbesondere die Geschäftsführer bestelle oder abberufe; für die Zustimmung sei eine Mehrheit von drei Vierteln der Gesellschafterstimmen erforderlich. Außerdem, so haben die Antragsteller gemeint, handele es sich hier bei der Kommanditgesellschaft um einen Konzern, so daß auch aus diesem Grund ihre persönlich haftende Gesellschafterin, die GmbH, der Mitbestimmung unterliege. Die beteiligten Gesellschaften sind dem entgegengetreten und haben bestritten, daß ein - schriftlicher oder mündlicher - Stimmbindungsvertrag geschlossen worden sei.

3

Das Landgericht hat entschieden, bei der GmbH sei ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz nicht zu bilden.

4

Mit der sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die beteiligten Gesellschaften beantragen, verfolgen die Antragsteller ihren Antrag weiter.

5

II.

Die - zulässige - Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

6

1.

Nach dem bisher zutage getretenen Sachverhalt läßt es sich nicht ausschließen, daß die beteiligte GmbH nach § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG der Mitbestimmung unterliegt.

7

a)

Diese Vorschrift sieht für den Fall, daß - wie hier - eine GmbH & Co. KG zusammen mit ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin mehr als 2.000, diese für sich allein jedoch nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt, für die Komplementär-GmbH die Mitbestimmung vor, wenn die Mehrheit der Kommanditisten die Mehrheit der Anteile oder der Stimmen in der GmbH hat. Eine Anteils- oder Stimmenmehrheit als solche ist im hier zu beurteilenden Fall nicht gegeben; denn zum einen ist die einzige Kommanditistin der beteiligten Kommanditgesellschaft, die offene Handelsgesellschaft, selbst nicht an der GmbH beteiligt, und zum anderen hat die einzige Gesellschafterin der GmbH in der offenen Handelsgesellschaft nicht die Mehrheit. Die Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG beschränkt sich jedoch nicht ohne weiteres auf die von ihrem unmittelbaren Wortlaut erfaßten Fälle. Die Fassung der Vorschrift stellt zwar einen im Gesetzgebungsverfahren im Ringen der verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte entstandenen Kompromiß dar, der bewußt davon absieht, sämtliche GmbH (o.ä.) & Co. KG dem Mitbestimmungsgesetz zu unterwerfen. Das entbindet die Rechtsprechung aber nicht von der Aufgabe, dieses Gesetz grundsätzlich wie jedes andere nach seinem Sinn und Zweck auszulegen. Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG eine typische Ausprägung der genannten Rechtsform der Mitbestimmung unterworfen. Es handelt sich dabei um jenes Erscheinungsbild dieser Gesellschaftsform, die gelegentlich als "Personengesellschaft mit beschränkter Haftung" bezeichnet worden ist und bei der ein Unternehmen in der Form einer Personengesellschaft ohne persönlich haftende natürliche Person betrieben wird. Für sie ist charakteristisch, daß die Kommanditgesellschaft und die Komplementärgesellschaft nicht zwei verschiedene, sondern nur ein einziges Unternehmen betreiben - § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG bezieht allerdings die Fälle ein, in denen die GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb mit nicht mehr als 500 Arbeitnehmern unterhält - und daß in beiden Gesellschaften im wesentlichen eine einheitliche Willensbildung stattfindet. Letzteres wird in der Regel durch eine entsprechende Gestaltung der Beteiligungsverhältnisse erreicht; auf sie stellt es daher die Fassung des Gesetzes ab. Jene einheitliche Willensbildung kann aber auch durch andere Gestaltungsmöglichkeiten erzielt werden. Auch sie werden nach dem Sinngehalt der Vorschrift von ihr erfaßt, solange es sich der Sache nach um jene "typische" Art. der Kapitalgesellschaft & Co. handelt, wie sie oben näher umschrieben worden ist. Deshalb wird, wie es im Schrifttum ganz herrschende Meinung ist, die sogenannte Einheitsgesellschaft, bei der die Kommanditisten nicht unmittelbar, sondern mittelbar durch die Kommanditgesellschaft selbst an der Komplementärgesellschaft beteiligt sind, von § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG ebenso erfaßt wie die Kommanditgesellschaft, in der der einzige oder der Mehrheitsgesellschafter der GmbH Treuhänder oder Strohmann der Kommanditistenmehrheit und damit von deren Weisungen abhängig ist (Fitting/Wlotzke/Wißmann, Mitbestimmungsgesetz, § 4 Anm. 17; Raiser, Mitbestimmungsgesetz, § 4 Anm. 10, 11; U.H. Schneider, ZGR 1977, 335, 344; Kunze, ZGR 1978, 321, 336 f.; a.A. Meilicke/Meilicke, Mitbestimmungsgesetz, § 4 Anm. 12). Nicht anders kann es grundsätzlich sein, wenn die Beteiligten durch besondere Vereinbarungen sicherstellen, daß in beiden Gesellschaften eine einheitliche Willensbildung und Entscheidung stattfindet (vgl. dazu auch Klamroth, BB 1977, 305, 306).

8

b)

Im vorliegenden Fall ist bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG nicht deswegen unanwendbar, weil nicht die Kommanditistin, die offene Handelsgesellschaft, selbst, sondern einer ihrer Gesellschafter die GmbH-Anteile hält. Es kommt nur darauf an, ob die Kommanditistin auf dem Weg über die Beteiligung eines ihrer Gesellschafter an der GmbH die Willensbildung in dieser maßgeblich beeinflussen kann. Die Antragsteller haben hierzu vor dem Landgericht vorgetragen, es bestehe eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, die die Gesellschafterin der GmbH, Frau S., verpflichte, bei wichtigen Entscheidungen, insbesondere bei der Bestellung oder Abberufung der Geschäftsführer, die mit Dreiviertelmehrheit zu erteilende Zustimmung der Gesellschafter der Kommanditistin einzuholen. Dafür, daß eine solche oder eine ähnliche Bindung der Alleingesellschafterin der GmbH bestehen könnte - denkbar wäre auch, daß Frau S. die GmbH-Anteile als Treuhänder in für die offene Handelsgesellschaft oder deren Gesellschafter hält -, sprechen in der Tat die folgenden besonderen Umstände des vorliegenden Falles:

9

Frau Schön, die über ihre Beteiligung an der offenen Handelsgesellschaft mit nur 13 % am Kommanditkapital beteiligt ist, hat nach außen hin die alleinige Herrschaft in der GmbH. Sie hat damit zunächst die gesetzlichen Befugnisse des geschäftsführenden Gesellschafters der Kommanditgesellschaft. Darüber hinaus deutet einiges darauf hin, daß die GmbH und damit deren Alleingesellschafterin auch bei ungewöhnlichen Geschäften (§ 164 HGB) allein entscheiden darf. Nach § 4 Abs. 4 der GmbH-Satzung bedarf die Geschäftsführung der GmbH für Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der "betroffenen" Gesellschaft. Aus der Tatsache, daß die GmbH keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält, ist zu schließen, daß unter der "betroffenen" Gesellschaft die Kommanditgesellschaft zu verstehen ist. Dies würde zwar zunächst der gesetzlichen Regelung in § 164 HGB entsprechen. Nach § 6 Abs. 11 der GmbH-Satzung tritt jedoch die Zustimmung des bei der GmbH vorgesehenen - und tatsächlich gebildeten - Aufsichtsrats an die Stelle der Zustimmung der "Gesellschafterversammlung gemäß § 4 Abs. 4". Wäre das so zu verstehen, daß die Kommanditisten insoweit ihrerseits ihre Rechte aus § 164 HGB auf den bei der GmbH bestehenden Aufsichtsrat übertragen hätten - hierauf könnte die Fassung des § 3 Abs. 4 des Kommanditgesellschaftsvertrages hindeuten -, so würde Frau S. die praktisch uneingeschränkte Alleinherrschaft über das Unternehmen ausüben. Denn der Aufsichtsrat, der nach § 6 Abs. 12 der GmbH-Satzung insbesondere auch für die Bestellung, Entlastung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig ist, wird nach § 6 Abs. 1 der Satzung allein von der Gesellschafterversammlung der GmbH bestellt.

10

Diese ungewöhnlich starke Stellung der Frau Schön und die dieser Stellung entsprechende praktische Entmachtung der Mehrheit der wirtschaftlich hinter dem Unternehmen stehenden Personen ist jedenfalls aus dessen Entstehungsgeschichte nicht zu erklären. Frau Schön hat den ursprünglichen Unternehmensinhaber, Dr. T. S., zu derselben - verhältnismäßig geringen - Quote mit beerbt, zu der sie jetzt noch über die offene Handelsgesellschaft am Kommanditkapital beteiligt ist. Es wird geklärt werden müssen, ob es einen vernünftigen Grund dafür gibt, daß Frau S. trotz ihrer geringen materiellen Beteiligung am Unternehmen eine derartige Machtbefugnis übertragen worden ist. Vor allem werden auch die beteiligten Gesellschaften selbst dazu beitragen müssen, den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt aufzuklären. Solange ein einsichtiger Grund für die scheinbare Unabhängigkeit der Geschäftsführung von der Kapitalmehrheit nicht zu erkennen ist, wird gerade diese Diskrepanz als Indiz dafür gewertet werden müssen, daß Frau Schön im Innenverhältnis an die Weisungen der über das Kommanditkapital verfügenden Mehrheit gebunden ist. Trifft dies zu, so können die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG erfüllt sein. Allerdings wird das nur dann zutreffen, wenn die Kapitalmehrheit für den Fall, daß die GmbH-Gesellschafterin sich nicht an deren Weisungen hält, über wirksame Sanktionen verfügt; es könnte dafür z. B. ausreichen, daß in einem solchen Fall der GmbH nach den §§ 161 Abs. 2, 117 HGB die Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden kann. Ob dies so ist, wird notfalls im Wege der Auslegung der etwaigen getroffenen Vereinbarungen ermittelt werden müssen, wobei wiederum das scheinbare Auseinanderfallen von Kapitalmehrheit und Herrschaftsbefugnis im Unternehmen als Auslegungsgesichtspunkt zu berücksichtigen sein wird. Besteht eine Weisungsbefugnis mit ausreichenden Sanktionsmöglichkeiten, so würde es andererseits bereits ausreichen, wenn sie sich nur auf die Bestellung des bei der GmbH gebildeten Aufsichtsrats beziehen würde. Denn diesem kommt nach der Ausgestaltung der GmbH-Satzung eine Schlüsselstellung im gesamten Unternehmen zu. Es gehört nach § 6 Abs. 12 insbesondere zu den Aufgaben des Aufsichtsrats, anstelle der Gesellschafterversammlung die Geschäftsführer zu bestellen, zu entlasten und abzuberufen. Darüber hinaus spricht, wie ausgeführt, viel dafür, daß er bei zustimmungspflichtigen Geschäften im Sinne des § 164 HGB an die Stelle der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft tritt.

11

Unter all diesen Gesichtspunkten, auf die es hiernach ankommen wird, hat das Landgericht - von seinem Standpunkt aus, es sei eine unmittelbare Anteils- oder Stimmenmehrheit erforderlich, zu Recht - den Sachverhalt nicht aufgeklärt. Das wird es nunmehr nachzuholen haben. Es wird dabei unter Anwendung des § 12 FGG zunächst, wie von den Antragstellern angeregt (GA 3), die von ihnen benannten Personen als Zeugen oder - soweit es sich um die Geschäftsführer der beteiligten GmbH handelt - als Beteiligte zu hören haben. Darüber hinaus wird es sich etwaige Schriftstücke, insbesondere Protokolle, falls solche zu den entscheidungserheblichen Fragen existieren sollten, vorlegen lassen müssen und im übrigen die sonst etwa noch erforderlich werdenden Maßnahmen zu treffen haben, um den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Zu diesem Zweck ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

12

2.

Die Sache ist nicht deswegen entscheidungsreif, weil im vorliegenden Fall § 5 Abs. 1 MitbeßtG anzuwenden wäre. Nach verbreiteter Ansicht soll eine Kommanditgesellschaft der in § 4 Abs. 1 Satz 1 MitbestG bezeichneten Art. unter bestimmten Umständen ein Konzern im Sinne des § 5 Abs. 1 des Gesetzes sein können (vgl. Fitting/Wlotzke/Wißmann, a.a.O., § 5 Anm. 12; Zöllner, ZGR 1977, 319, 332 ff.; U.H. Schneider, ZGR 1977, 335, 345 f.; Kunze, ZGR 1978, 321, 327 f.; a.A. Großmann, BB 1976, 1391 ff.; Beinert/Hennerkes/Binz, DB 1979, 68 ff.). Das würde, soweit es um Fälle der hier zu beurteilenden Art. geht, in denen die Komplementär-Gesellschaft überhaupt keinen eigenen Geschäftsbetrieb hat, zunächst voraussetzen, daß eine Kapitalgesellschaft, deren einzige Betätigung die Geschäftsführung für die einzige Kommanditgesellschaft ist, an der Spitze eines Konzerns im Sinne der genannten Bestimmung stehen kann. Das ist nicht der Fall, wenn man den in ihr verwendeten Unternehmensbegriff in gleicher Weise versteht wie in § 18 Abs. 1 AktG, auf den sie verweist. Denn ein "Unternehmen" im Sinne der konzernrechtlichen Bestimmungen des Aktiengesetzes betreibt - jedenfalls nach herrschender Meinung - nur, wer entweder selbst einen Gewerbebetrieb ausübt oder an mehr als einem Unternehmen maßgeblich beteiligt ist (vgl. Biedenkopf/Koppensteiner, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 15 Anm. 5 ff., 12), Es wird allerdings die Ansicht vertreten, für die Anwendung der mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften könne unabhängig von der Art. ihrer Betätigung jede der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG genannten juristischen Personen als herrschendes Konzernunternehmen in Betracht kommen, weil es hier um anderes gehe als darum, die beherrschte Gesellschaft vor der Einflußnahme zugunsten gesellschaftsfremder unternehmerischer Interessen zu schützen (vgl. insbesondere Fitting/Wlotzke/Wißmann, a.a.O., § 5 Anm. 8). Ob dem trotz der globalen Verweisung des § 5 Abs. 1 MitbestG auf § 18 Abs. 1 AktG zuzustimmen wäre, braucht hier nicht allgemein entschieden zu werden. Auf die in § 4 Abs. 1 MitbestG geregelte Kapitalgesellschaft & Co., bei der die Komplementärin keinen eigenen Geschäftsbetrieb ausübt, ist § 5 Abs. 1 MitbestG jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn sie nur diese eine Kommanditgesellschaft "leitet". Das Gesetz regelt in § 4 Abs. 1 Satz 1 im einzelnen, wann solche Gesellschaften mitbestimmungspflichtig sind und wann nicht. Würde man daneben auf die gleichen Gesellschaften § 5 Abs. 1 anwenden, verlöre die Regelung in § 4 Abs. 1 ihren Sinn. Denn dann wären so gut wie alle GmbH (o.ä.) & Co. unabhängig davon mitbestimmungspflichtig, ob in der Kommanditgesellschaft und ihrer Komplementärgesellschaft eine einheitliche Willensbildung gewährleistet ist oder nicht. Eine "einheitliche Leitung" (§ 18 Abs. 1 AktG) durch die Komplementärgesellschaft findet nach richtiger Ansicht schon dann statt, wenn sie die gesetzlichen Befugnisse eines persönlich haftenden Gesellschafters hat (U.H. Schneider, a.a.O., S. 346 f.); daß dies erst dann so sein soll, wenn der Gesellschaftsvertrag eine von § 164 HGB abweichende Regelung enthält (so Zöllner, a.a.O., S. 334; differenzierend Kunze, a.a.O., S. 330), ist schwerlich einzusehen. Wenn aber bereits die typische GmbH & Co., in der die persönlich haftende Gesellschafterin - nur - die im Gesetz vorgesehenen Befugnisse hat, durch § 5 Abs. 1 MitbestG der Mitbestimmung unterworfen wäre, so hätte die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes, in der gerade der Teil dieser Gesellschaften von der Mitbestimmung ausgenommen wird, bei dem eine einheitliche Willensbildung nicht stattfindet, jedenfalls insoweit keinen Sinn.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 100.000,00 DM.