Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.07.1979, Az.: 18 UF 1/79
Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes ; Forderung von Unterhalt für die Vergangenheit; Monatliche Vorauszahlung der Unterhaltsrente; Verzug im Fall nach dem Kalender bestimmter Leistungen; Erfüllung der Unterhaltspflicht durch Versorgung im eigenen Haushalt
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.07.1979
- Aktenzeichen
- 18 UF 1/79
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1979, 13766
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1979:0717.18UF1.79.0A
Rechtsgrundlagen
- § 284 Abs. 2 BGB
- § 1601 BGB
- § 1606 Abs. 3 BGB
- § 1610 Abs. 1 BGB
- § 1612 Abs. 3 BGB
- § 1613 Abs. 1 BGB
Verfahrensgegenstand
Unterhaltsforderung
Prozessführer
Arbeiter ...
Prozessgegner
Schüler ...
Der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 1979
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts B. vom 21. November 1978 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis 30. April 1978 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 200 DM und für die Zeit ab 1. Mai 1978 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 235 DM, zahlbar bis zum 5. eines jeden Monats, zu zahlen. Die rückständigen Beträge sind sofort fällig.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden dem Kläger zu 1/15 und dem Beklagten zu 14/15 auferlegt. Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 1/9 und der Beklagte zu 8/9 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der 16 Jahre alte Kläger ist der eheliche Sohn des Beklagten. Die Ehe der Eltern des Klägers wurde im Jahre 1966 geschieden. Seit Anfang 1972 zahlte der Beklagte regelmäßig Unterhalt für den Kläger, und zwar zuletzt von Januar bis Juni 1977 monatlich 200 DM. Ab Juli 1977 erfolgten keine weiteren Zahlungen.
Mit der Klage verlangt der Kläger für die Zeit ab 1.7.1977 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 235 DM. Er hat geltend gemacht: Der Beklagte sei bei einem Einkommen von über 1.000 DM zu den verlangten Unterhaltsleistungen verpflichtet und auch in der Lage, da er keine weiteren Unterhaltspflichten zu erfüllen habe. Seine Mutter habe den Beklagten im September und Oktober 1977 gemahnt.
Der Beklagte ist der Klageforderung entgegengetreten. Er hat behauptet: Er verdiene monatlich weniger als 1.000 DM. Demgegenüber habe die Mutter des Klägers als Bardame ein erheblich höheres Einkommen.
Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme durch das Urteil vom 21.11.1978, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung wiederholt und ergänzt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er macht weiter geltend: Hinsichtlich des Unterhalts für die Zeit bis einschließlich April 1978 fehle es am Verzug. Eine Mahnung sei nicht erfolgt. Daher könne der Kläger für diese Zeit einen Unterhaltsanspruch nicht geltend machen. Für die Folgezeit komme wegen seines geringen Einkommens und wegen der Barunterhaltspflicht der Mutter des Klägers ein Unterhaltsanspruch nur in Höhe von monatlich 154,50 DM in Betracht.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit der Kläger mehr als 154,50 DM Unterhalt monatlich ab 1.5.1978 beansprucht.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Zulassung der Bürgschaft einer Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse als Vollstreckungssicherheit gemäß § 711 ZPO.
Der Kläger wiederholt ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das angefochtene Urteil. Er behauptet, seine Mutter erziele ein erheblich geringeres Einkommen als der Beklagte. Vom 9.2. bis 10.5.1979 sei sie arbeitslos gewesen. Seither betrage ihr Bruttoeinkommen ... monatlich 1.350 DM.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz vorgelegten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat nur in geringem Umfang Erfolg.
Der Beklagte ist dem Kläger gegenüber nach § 1601 BGB unterhaltspflichtig. Der Kläger verfügt als Schüler über kein eigenes Einkommen. Er ist daher auf Unterhaltsleistungen angewiesen.
Die Höhe des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich gemäß § 1610 I BGB nach der Lebensstellung des Klägers. Maßgebend sind insoweit die Einkommensverhältnisse der Eltern. Der Senat bemißt den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder in ständiger Rechtsprechung nach den Richtwerten der sog. Düsseldorfer Tabelle (NJW 1977, 289; Neufassung NJW 1979, 25).
Der Beklagte hat in der Zeit von Juli bis Dezember 1977 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.091 DM erzielt. Das ergibt sich aus der für 1977 vorgelegten Lohnsteuerkarte. Ab 1978 ist das Einkommen des Beklagten gestiegen. Die vom Beklagten vorgelegten Lohnabrechnungen ergeben für die Zeit von Januar bis November 1978 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.180 DM und für die Zeit von Januar bis Mai 1979 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.170 DM. Das Einkommen des Beklagten liegt daher im Bereich der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle (bis 1.300 DM). Da der Beklagte jedoch nur dem Kläger gegenüber unterhaltspflichtig ist, ist der Unterhaltsbetrag nach der nächst höheren Einkommensgruppe zu berechnen. Danach ergibt sich für den jetzt 16 Jahre alten Kläger ein Unterhaltsbetrag von 260 DM, Darauf ist die Hälfte des Kindergeldes in Höhe von 25 DM anzurechnen, so daß der vom Kläger geforderte Unterhaltsbetrag von 235 DM verbleibt. Für die Zeit ab Mai 1978 hat das Amtsgericht der Klage mit Recht in vollem Umfang stattgegeben.
Für die Zeit von Juli 1977 bis einschließlich April 1978 kann der Kläger jedoch nur monatlich 200 DM geltend machen. Einem höheren Unterhaltsanspruch steht § 1613 I BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift kann für die Vergangenheit Unterhalt nur von der Zeit an gefordert werden, zu welcher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Die Rechtshängigkeit ist erst im Mai 1978 eingetreten. Für die davorliegende Zeit kann ein Verzug des Beklagten nur in Höhe eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 200 DM bejaht werden.
Zu Unrecht macht der Beklagte geltend, er sei nicht in Verzug geraten, weil eine Mahnung nicht erfolgt sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Mutter des Klägers, wie dieser behauptet, den Beklagten bereits im Oktober 1977 gemahnt hat. Einer Beweisaufnahme bedurfte es dazu nicht. Der Beklagte befand sich auch ohne Mahnung bereits seit Juli 1977 im Verzug. Er hatte von Januar bis Juni 1977 monatlich 200 DM Unterhalt gezahlt. Das hat der Kläger bereits mit der Klage vorgetragen. Der Beklagte ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Wenn der Beklagte sodann ab Juli 1977 von sich aus einseitig die monatlichen Unterhaltszahlungen einstellte, dann ist er dadurch in Verzug geraten. Aus der Höhe des Einkommens des Beklagten ergibt sich, daß er auch ab Juli 1977 in Höhe von monatlich mindestens 200 DM unterhaltspflichtig war. Nach § 1612 III BGB war die Unterhaltsrente monatlich im voraus zu zahlen. Die Leistung war daher jeweils am 1. eines jeden Monats fällig. Da für die Leistung somit eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war, bedurfte es für den Verzug des Beklagten in Höhe der bisherigen Unterhaltszahlungen keiner besonderen Mahnung (§ 284 II BGB). Die Mahnung hat die Funktion, dem Schuldner die Verpflichtung zur Erfüllung der Verbindlichkeit noch einmal deutlich zu machen. Dessen bedarf es nicht, wenn ein Unterhaltsschuldner die bisherigen Unterhaltsleistungen von sich aus einseitig einstellt.
Hinsichtlich der über monatlich 200 DM hinausgehenden Unterhaltsforderung ist ein Verzug des Beklagten jedoch nicht vor Mai 1978 eingetreten. Trotz Hinweises des Senats hat der Kläger nicht dargelegt, wann der Beklagte zur Leistung eines höheren Unterhalts aufgefordert worden ist. Einer solchen Aufforderung hätte es aber bedurft, um insoweit den Verzug zu begründen. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß der Kläger erstmalig mit seinem Armenrechtsgesuch einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 235 DM gefordert hat. Dieses Armenrechtsgesuch ist dem Beklagten aber erst im Laufe des Monats April 1978 zugegangen. Es konnte nicht vor Mai 1978 die Verzugsfolge begründen. Hinsichtlich der über monatlich 200 DM hinausgehenden Unterhaltsforderung für die Zeit vom 1.7.1977 bis 30.4.1978 war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
In Höhe der sich somit ergebenden Unterhaltspflicht ist der Beklagte leistungsfähig. Für seinen eigenen Unterhalt verblieben dem Beklagten im Jahre 1977 knapp 900 DM und ab Anfang 1978 monatlich mehr, als 900 DM. Damit muß der Beklagte auch angesichts seiner sonstigen Verpflichtungen auskommen. Der Betrag liegt deutlich über dem Mindestselbstbehalt. Dem Beklagten muß auch entgegengehalten werden, daß er eine Darlehensverbindlichkeit in Höhe von über 5.000 DM erst im November 1977 begründet hat, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger bekannt war.
Die Unterhaltspflicht des Beklagten vermindert sich auch nicht dadurch, daß die Mutter des Klägers berufstätig ist und eigenes Einkommen erzielt. Aus den vorgelegten Verdienstbescheinigungen ergibt sich, daß das Einkommen der Mutter des Klägers deutlich geringer war als das Einkommen des Beklagten. Im Jahre 1978 hat sie monatlich nur etwa 900 DM netto verdient. Von Februar bis Mai 1979 war sie arbeitslos und bezog ein Arbeitslosengeld von monatlich rund 680 DM. Seit dem 10.5.1979 verdient sie brutto 1.350 DM. Ihr Nettoeinkommen wird auch jetzt unter 1.000 DM liegen. Zu berücksichtigen ist, daß sie den Kläger in ihrem Haushalt versorgt. Dadurch erfüllt sie gemäß § 1606 III BGB grundsätzlich ihre Unterhaltspflicht, auch wenn der Kläger bereits 16 Jahre alt ist und keiner regelmäßigen Betreuung mehr bedarf. Im übrigen werden der Unterhaltsbetrag des Beklagten und das Kindergeld nicht ausreichen, um den vollen Unterhaltsbedarf des Klägers jederzeit zu decken, so daß davon ausgegangen werden kann, daß die Mutter von ihrem eigenen Einkommen ohnehin zum Unterhalt des Klägers mit beiträgt. Jedenfalls ist eine Ermäßigung des Unterhaltsbetrages des Beklagten keinesfalls gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 97 ZPO.