Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.10.2015, Az.: 12 WF 174/15

Beurteilung der Zumutbarkeit des Einsatzes von Lebensversicherungen zur Begleichung der Verfahrenskosten; Einordnung des Vermögenseinsatzes für eine Partei als unzumutbare Härte; Unwirtschaftlichkeit des Rückkaufs der Lebensversicherungen; Zuordnung der Versicherungssumme ausschließlich und eindeutig der Alterssicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.10.2015
Aktenzeichen
12 WF 174/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 40312
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:1028.12WF174.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hameln - 10.07.2015 - AZ: 16 F 25/13

Fundstellen

  • FamRZ 2016, 730
  • FuR 2016, 596-597
  • NZFam 2016, 804

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der die bewilligte Verfahrenskostenhilfe ändernde Beschluss des Amtsgerichts Hameln vom 10. Juli 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht den Beschluss vom 3. April 2013, mit dem der Antragsgegnerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war, geändert und angeordnet, dass sie eine Zahlung auf die Verfahrenskosten in Höhe von 833,24 € zu leisten hat. Die Zahlungen seien aus ihrem Vermögen zu erbringen, denn sie verfüge über zwei Lebensversicherungen. Die Differenz aus den Schonbeträgen für sie und ihr Kind und den Rückkaufswerten der Versicherungen betrage 675,90 €, mit deren Hilfe ein Großteil der Verfahrenskosten bezahlt werden könne. Der Einsatz des Vermögens sei der Antragsgegnerin auch zumutbar.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde macht die Antragsgegnerin die Unzumutbarkeit des Vermögenseinsatzes geltend.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Einsatz der Lebensversicherungen zur Begleichung der Verfahrenskosten ist für die Antragsgegnerin unzumutbar.

1. Grundsätzlich zutreffend weist das Amtsgericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich das gesamte Vermögen einschließlich nicht zweckgebundener Kapitallebensversicherungen für die Verfahrenskosten einzusetzen ist (vgl. nur FamRZ 2010, 1643 m. w. N.). Die Antragsgegnerin hat zwei Lebensversicherungen, deren Rückkaufswerte insgesamt rund 3.562 € betragen (P. AG, Stichtag 27.05.2015: 2.967,90 € und A. Lebensversicherungs-AG, Stichtag 01.09.2015: 594,28 €) und über den Schonbetrag von 2.856 € (Antragsgegnerin und Kind) mit einem Betrag von 706 € hinausgehen.

Das Vermögen ist jedoch nicht für die Verfahrenskosten einzusetzen, wenn der Vermögenseinsatz für die Partei eine unzumutbare Härte bedeuten würde (§ 90 Abs. 3 SGB XII). Eine solche Härte, deren Darlegung der Partei obliegt, kann sich entweder aus der Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ergeben oder daraus, dass der Vermögenseinsatz die Aufrechterhaltung einer angemessenen Altersversorgung wesentlich erschweren würde.

2. Beide Voraussetzungen sind entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts erfüllt.

a) Der Rückkauf der Lebensversicherungen ist ersichtlich unwirtschaftlich. Die Rückkaufswertmitteilung vom 27. Mai 2015 belegt hinsichtlich der Versicherung bei der P. AG, dass der Rückkaufswert (noch) hinter dem Fondsvermögen zurückbleibt, weil die Abschlusskosten im Verlauf der ersten Vertragsjahre durch Entnahmen aus den bezahlten Prämien finanziert werden. Noch deutlicher zeigt sich die derzeitige Unwirtschaftlichkeit der Verwertung aus der Auskunft der A. Lebensversicherungs-AG, bei der der Rückkaufswert zum 30. September 2015 rund 600 € beträgt, die eingezahlten Beträge sich jedoch auf gut 1.400 € belaufen. Allein bei Verwertung dieser Versicherung ginge der Antragsgegnerin ein Wert von 800 € verloren, ungefähr der Betrag, den die Verfahrenskosten ausmachen.

b) Unbeschadet dessen würde die Verwertung der Lebensversicherung durch Rückkauf auch eine angemessene Altersversorgung der Antragsgegnerin wesentlich erschweren. Eine solche Vermutung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann gerechtfertigt, wenn kumulativ feststellbar ist, dass die Lebensversicherung der Versorgung im Alter dient und die Partei ohne die Versicherung voraussichtlich sozialleistungsbedürftig werden wird (vgl. BGH aaO, Rn 30 - 33).

Für die Feststellung, dass die Lebensversicherung der Alterssicherung dienen soll, kommt es wesentlich darauf an, ob die Versicherungssumme nach der vertraglichen Gestaltung, etwa durch den Fälligkeitszeitpunkt, eine vertraglich festgeschriebene Zweckbindung oder durch sonstige Vereinbarungen ausschließlich und eindeutig der Alterssicherung zuzuordnen ist. Davon ist vorliegend auszugehen. Die Antragsgegnerin trägt glaubhaft vor, dass die Lebensversicherung bei der P. AG ihrer Altersversorgung dienen soll. Aus dem Vertrag über die Lebensversicherung bei der A. Lebensversicherungs-AG lässt sich der Garantiezeitpunkt bzw. der früheste Rentenbeginn auf März 2041 bestimmen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Antragsgegnerin 67 Jahre alt. Eine Gesamtschau der Umstände zeigt, dass die Versicherungen in der Tat die Versorgung im Alter sicherstellen und nicht etwa Konsum finanzieren sollten oder noch sollen.

Die Prognose, dass ohne die Lebensversicherung die Sozialhilfebedürftigkeit im Alter droht, ist angesichts des Alters der heute 41-jährigen Antragsgegnerin im Hinblick auf die noch lange Zeit bis zum Renteneintritt naturgemäß schwierig. Dies kann jedoch nicht dazu führen, solchen Parteien regelmäßig die Verwertung von Lebensversicherungen zuzumuten. Eine derart schematische Handhabung liefe im Vergleich zu lebensälteren Parteien auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung hinaus. Stattdessen ist eine Einschätzung des Einzelfalls notwendig, die hier letztendlich auf eine Fortschreibung der bisherigen Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse und dem prognostizierten Rentenerwerb gestützt werden kann.

Die Antragsgegnerin hat ihre voraussichtlichen Renteneinkünfte auf heutiger Basis mit der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 5. April 2014 bei Eintritt der Regelaltersrente am 1. März 2041 mit monatlich rund 285 € belegt, wenn bis zum Rentenbeginn Beiträge wie im Durchschnitt der letzten fünf Jahre gezahlt werden. Dieser Betrag könnte sich bei jährlicher Rentenanpassung von 2 % auf 480 € erhöhen. Zu berücksichtigen ist, dass die Antragsgegnerin als Arbeiterin beschäftigt ist, jedoch offenbar keiner Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachgeht. Allerdings bezieht sich die Rentenauskunft auf die Zeit ab Oktober 1991, so dass nicht davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin ihre Leistungen in die Rentenkasse in den nächsten Jahren erheblich aufstocken kann. Auf dieser Grundlage ist zur Überzeugung des Senats die Prognose gerechtfertigt, dass die Antragsgegnerin zur Vermeidung ihrer eigenen Sozialhilfebedürftigkeit im Alter dringend auf die Lebensversicherungssummen angewiesen sein wird.

3. Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben und es verbleibt bei der ratenfreien Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.