Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.07.2010, Az.: 2 Ws 236/10
Gerichtliche Zuständigkeit für die Vollziehung eines Arrestes nach Rechtskraft des Grundurteils gem. § 111d Strafprozessordnung (StPO)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.07.2010
- Aktenzeichen
- 2 Ws 236/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 20500
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0706.2WS236.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 26.03.2010 - AZ: 7 KLs 13/08
Rechtsgrundlage
- § 111d StPO
Fundstellen
- NStZ 2011, 175
- StV 2011, 147-148
Amtlicher Leitsatz
Das Gericht des ersten Rechtszugs bleibt auch nach Rechtkraft des Urteils zuständig für Entscheidungen gegen Maßnahmen in Vollziehung eines nach § 111d StPO erlassenen Arrestes (entgegen OLG Düsseldorf, StV 2009, 233).
Tenor:
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I. Am 17.12.2008 verurteilte das Landgericht Verden den damals angeklagten W. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 7 Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 8 Monaten. Daneben ordnete es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 33.000,- € an. Das Urteil wurde am 06.05.2009 rechtskräftig. Im Ermittlungsverfahren hatte das Amtsgericht Verden zuvor mit Beschluss vom 10.07.2008 wegen zu erwartenden Wertersatzverfalls in Höhe von 16.634,75 € den dinglichen Arrest angeordnet. Unter dem 17.07.2008 pfändete die Polizei in V. in Vollziehung dieses Arrestes Vermögensgegenstände des Verurteilten, zu denen auch ein PKW der Marke BMW gehörte.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.01.2010 erklärte die Beschwerdeführerin, der PKW BMW stünde in ihrem Eigentum und verlangte dessen Herausgabe. Mit weiterem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2010 wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die von der Staatsanwaltschaft mitgeteilte Aufrechterhaltung der Pfändung des KFZ. Dieses Schreiben legte die Staatsanwaltschaft als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 111f Abs. 5 StPO aus. Das Landgericht Verden erließ daraufhin den angefochtenen Beschluss, mit dem es die Pfändung des BMW für zulässig erklärte.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Nebenbeteiligten. Das Landgericht Verden hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Bei dem Begehren der Nebenbeteiligten, wie es sich aus ihrem Schriftsatz vom 15.02.2010 ergibt, handelt es sich um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 111f Abs. 5 StPO, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat. Für die Entscheidung über diesen Antrag war das nach § 111f Abs. 5 StPO zuständige Gericht berufen. Zuständig war hier das Gericht des ersten Rechtszuges, das in der Sache auch entschieden hat.
Zwar vertritt das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 10.11.2008 (StV 2009, 233 f., zitiert nach juris) die Auffassung, dass nach Rechtskraft des Urteils im Hauptsacheverfahren § 459g StPO der Anwendung von § 111f Abs. 5 StPO entgegenstünde, und deshalb ein Zivilgericht zur Entscheidung berufen sei.
Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Bereits der Wortlaut legt eine Anwendbarkeit des § 111f Abs. 5 StPO auch noch nach Rechtskraft des Urteils im zugrundeliegenden Strafverfahren nahe, wonach der Betroffen jederzeit die gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen in Vollziehung einer Beschlagnahme oder des Arrestes beantragen kann (vgl. dazu auch Meyer-Goßner StPO, 52. Aufl., § 111f Rn. 15; Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 111f Rn. 7). Daneben spricht gegen die Auffassung des OLG Düsseldorf auch die Gesetzesbegründung zur Einführung von § 111f Abs. 5 StPO. Dort ist ausdrücklich erwähnt, dass nach Rechtskraft das Gericht des ersten Rechtszuges für die Entscheidung nach § 111f Abs. 5 StPO zuständig sein sollte (BTDrucks. 16/700 S. 13). Demnach wollte der historische Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 111f Abs. 5 StPO auch noch nach Rechtskraft eines Urteils in der Hauptsache die Möglichkeit der gerichtlichen Entscheidung durch ein Strafgericht und nicht die Zuständigkeit eines Zivilgerichtes herbeiführen.
Das vom OLG Düsseldorf angeführte Argument, aus dem Unterlassen einer Änderung des § 459g StPO anlässlich der Einführung von § 111f Abs. 5 StPO lasse sich der Wille des Gesetzgebers entnehmen, den Anwendungsbereich der neuen Vorschrift auf die Zeit bis zur Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache zu begrenzen (OLG Düsseldorf aaO. Rn. 13, zitiert nach juris), greift damit nicht durch. Während der Arrest und die in seiner Vollziehung durchgeführten Maßnahmen lediglich der Sicherung von Wertersatzverfall oder Ansprüchen der Verletzten dienen, ist die Verwertung eines aufgrund des Arrestes gepfändeten Gegenstandes Teil der Vollstreckung und damit dem Anwendungsbereich der §§ 459 ff. StPO, hier also § 459g StPO, unterworfen mit der Folge, dass erst in diesem Verfahrensabschnitt die Zivilgerichte zuständig würden.
2. Zu Recht hat die Strafkammer die Pfändung des PKW für zulässig erklärt. Das Landgericht Verden hat zutreffend ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin Miteigentümerin des gepfändeten PKW BMW ist.
Für eine Eigentümerstellung der Beschwerdeführerin spricht insbesondere nicht die Vermutung des § 1006 BGB. Voraussetzung wäre dafür der Besitz der Beschwerdeführerin am PKW zumindest bis zur Pfändung. Diesen hat die Beschwerdeführerin in keiner Weise nachgewiesen, sondern lediglich behauptet, das KFZ in der Vergangenheit (mit-)genutzt zu haben.
Gegen die Eigentümerstellung der Beschwerdeführerin spricht daneben zur Überzeugung des Senats die Gesamtheit der nachfolgenden Indizien. Die Beschwerdeführerin hat gegenüber der Polizei weder anlässlich der Durchsuchung ihrer Wohnung am 14.07.2008 oder der Pfändung des KFZ am 17.07.2008 noch zu einem anderen Zeitpunkt das wenigstens anteilige Eigentum an dem PKW behauptet. Selbst nach Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache beschränkten sie und der Verurteilte ihr Herausgabeverlangen zunächst auf Gegenstände, die sich zuvor in dem Fahrzeug befunden hatten, verlangten nicht aber das Fahrzeug selbst. Erstmals mit Schreiben vom 27.12.2009 und damit nahezu eineinhalb Jahre nach Pfändung des PKW behauptete die Beschwerdeführerin erstmals ihr Eigentum hieran. Der Verurteilte selbst sprach im Rahmen des Strafverfahrens stets von "seinem" BMW. Die Rechnungen für durchgeführte Tuning-Maßnahmen wiesen ihn als Schuldner aus. Er ist im KFZ-Brief als Halter eingetragen.
Die Zahlungen von Versicherungsbeiträgen und Steuern für den PKW durch Überweisungen vom Konto der Beschwerdeführerin ändern an der Überzeugungskraft dieser Indizien nichts. Wie die Beschwerdeführerin selbst am 14.07.2008 gegenüber den Durchsuchungsbeamten der Polizei V. mitteilte, verfügte der Verurteilte über kein eigenes Konto. Daher gingen auch sämtliche Zahlungen von Lohn und Sozialleistungen auf ihrem Konto ein. Die Rechnungen für Tuning-Maßnahmen waren ebenfalls auf den Verurteilten ausgestellt. Zudem hatte die Beschwerdeführerin mithilfe ihres Vaters einen anderen PKW erworben, wobei der Vater ihr auch den Kaufpreis vorstreckte, den sie in der Folgezeit in Raten an ihn zurückzahlte. Auch dies spricht gegen die anteilige Bezahlung des BMW durch die Beschwerdeführerin.
Dem Antrag auf Vernehmung der Zeugen A. W. und M. J. war schon deshalb nicht nachzugehen, weil in keiner Weise dargelegt wurde oder sonst ersichtlich ist, welche eigenen Wahrnehmungen dieser Zeugen einen Schluss auf den wenigstens anteiligen Eigentumserwerb der Beschwerdeführerin zulassen sollen. Soweit A. W. schriftlich erklärte, er habe mitbekommen, dass der Verurteilte anlässlich der ersten Besichtigung des BMW dem späteren Verkäufer mitgeteilt habe, er müsse den möglichen Kauf erst noch mit seiner Lebensgefährtin besprechen, da ein gemeinsamer Kauf stattfinden solle, besagt dies nichts darüber, an wen später tatsächlich das Eigentum übertragen wurde. Aus dem Kaufvertrag selbst ergibt sich dies nicht. Hier ist vielmehr lediglich der Verurteilte als Käufer aufgeführt. Der Verkäufer selbst äußerte nach Aufforderung des Verurteilten zur Frage des gemeinsamen Erwerbs, dass er sich lediglich erinnere, ein solcher sei zwar beabsichtigt gewesen. Man habe aber aus Vereinfachungsgründen und weil dies unproblematisch schien lediglich den Verurteilten als Käufer in das Kaufvertragsformular eingetragen. Dies spricht gerade nicht für einen gemeinsamen Erwerb. Denn im Zweifel ging der Wille des Verkäufers dahin, nur an den im Kaufvertragsformular eingetragenen Käufer das Eigentum an dem Fahrzeug zu übertragen.
Der benannte Zeuge M. J. als Versicherungsmakler war gleichfalls nicht zu hören. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit er Angaben zu der Eigentümerstellung oder auch nur zu den Besitzverhältnissen bzgl. des PKW sollte machen können. Selbst wenn sich aus dessen Aussage ergeben sollte, dass die Beschwerdeführerin das KFZ ebenfalls nutzte, so würde dies nicht bedeuten, dass sie daran auch Eigenbesitz hatte und nicht lediglich während der Nutzungen Fremdbesitz für den Verurteilten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.