Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 07.01.2013, Az.: 7 B 6332/12
Einreiseverweigerung; Fiktionsbescheinigung; Zurückweisung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 07.01.2013
- Aktenzeichen
- 7 B 6332/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64495
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 13 EGV 562/2006
- Art 35 EGV 810/2009
- § 14 AufenthG
- § 15 AufenthG
- § 4 AufenthG
- § 8 Abs 1 AufenthG
- § 123 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG erteilte Fiktionsbescheinigung vermittelt kein Recht zur Wiedereinreise (im Anschluss an OVG Münster ZAR 2009, 278 [OVG Nordrhein-Westfalen 11.05.2009 - 18 B 8/09]).
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der in C. Saudi-Arabien geborene Antragsteller ist jemenitischer Staatsangehöriger. Er befindet sich im Besitz eines gültigen jemenitischen Reisepasses sowie nach eigenen Angaben einer Aufenthaltserlaubnis für Saudi-Arabien. Nachdem ihm die Deutsche Botschaft in Sanaa ein Visum zum Zwecke des Erlernens der deutschen Sprache erteilt hatte, reiste er erstmals 2009 in das Bundesgebiet ein. Die Beigeladene erteilte ihm in der Folge befristete Aufenthaltserlaubnisse zum Zwecke des Studiums und der Durchführung von Intensivsprachkursen, zuletzt mit Wirkung bis 31. März 2011. Bescheinigungen über Lernerfolge legte der Antragsteller nicht vor. Auf seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des weiteren Besuchs des Studienkollegs erteilte die Beigeladene dem Antragsteller am 5. Mai 2011 eine bis zum 30. Juni 2011 befristete Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - mit der Zweckbestimmung „Klärung des weiteren Aufenthalts“. Nach Ablauf der Geltungsdauer dieser Fiktionsbescheinigung zog der Antragsteller mit Erklärung vom 7. Juli 2011 seinen zuvor gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Besuchs des Studienkollegs zurück und beantragte nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung mit seiner zukünftigen deutschen Ehefrau. Hierauf verlängerte die Beigeladene die Geltungsdauer der zuvor erteilten Fiktionsbescheinigung verschiedentlich, zuletzt mit Wirkung bis zum 13. März 2013.
Zuvor hatte der Antragsteller am 9. Februar 2012 in Bremen die deutsche Staatsangehörige D. geheiratet und war ausweislich der Meldebescheinigung am 1. Mai 2012 in eine gemeinsame Wohnung unter der im Rubrum bezeichneten Anschrift in E. gezogen.
Nach eigenen Angaben reiste der Antragsteller am 15. September 2012 nach Saudi-Arabien aus, um seine dort wohnhafte Familie zu besuchen.
Am 10. Oktober 2012 versuchte der Antragsteller ohne Visum aus Jeddah über Istanbul kommend auf dem Flughafen Hamburg wieder in das Bundesgebiet einzureisen. Hierzu legte er die vorbezeichnete Fiktionsbescheinigung vor. Nach Rücksprache mit der Beigeladenen verweigerte die in Hannover ansässige Bundespolizeidirektion (Antragsgegnerin) dem Antragsteller unter Verwendung des Standardformulars in deutscher und englischer Sprache die Einreise. Zur Begründung wurde auf §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.3.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen - Schengener Grenzkodex - (ABl. Nr. L 105 S. 1) - SGK - verwiesen. Der Antragsteller verfüge über kein gültiges Visum oder gültigen Aufenthaltstitel. Unter Bemerkungen ist festgehalten: „Fiktionsbescheinigung ausgestellt gem. § 81 (3) Satz 1 AufenthG“. Nach einem Vermerk vom gleichen Tage reichte diese nach Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für eine Einreise nicht aus. Auch sei die Erteilung eines Ausnahme-Visums nicht in Betracht gekommen, weil für die (Wieder-)Einreise ein Visum Typ D erforderlich sei, das nur mit Zustimmung der Beigeladenen erteilt werden könne. In den Reisepass des Antragstellers wurde ein Zurückweisungsstempel angebracht. Die Fiktionsbescheinigung wurde von der Antragsgegnerin einbehalten und an die Beigeladene zurückgegeben. Sie befindet sich nunmehr im Verwaltungsvorgang der Beigeladenen, der dem Verwaltungsgericht vorliegt. Der Antragsteller wurde am gleichen Tag auf dem Luftweg über Istanbul nach Jeddah zurückbefördert.
Gegen die Zurückweisung erhob der Antragsteller am 12. November 2012 (einem Montag) den in der Rechtsbehelfsbelehrung des Standardformulars vorgesehenen Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Mit einem ebenfalls am 12. November 2012 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Er hält die Einreiseverweigerung für rechtswidrig. Die ihm erteilte Fiktionsbescheinigung berechtige ihn zur Wiedereinreise. Das Betreiben eines Verfahrens auf Erteilung eines Visums und die damit verbundene lange räumliche Trennung von seiner deutschen Ehefrau sei unzumutbar, zumal sich die Deutsche Botschaft (richtig wohl: das Deutsche Generalkonsulat) in Jeddah/Saudi-Arabien für unzuständig ansehe. Da die Antragsgegnerin durch ihre Beamten die Fiktionsbescheinigung eingezogen habe, obliege es auch ihr, das Notwendige zu veranlassen, um die Herausgabe an ihn zu ermöglichen.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vorläufig zu gestatten und
2. die Antragsgegnerin (im Wege der einstweiligen Anordnung) zu verpflichten, die durch die Beigeladene auf seinen jemenitischen Reisepass ausgestellte Fiktionsbescheinigung an ihn herauszugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Die Zurückweisung sei rechtmäßig. Die etwaige Erteilung eines Ausnahme-Visums sei aus den oben genannten Gründen nicht in Betracht gekommen. Die hierzu erforderlichen Voraussetzungen, dass es dem Antragsteller aus zwingenden Gründen verwehrt gewesen sei, bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung ein Visum einzuholen und er unter Vorlage entsprechender Nachweise einen unvorhersehbaren zwingenden Einreisegrund geltend machen könne, lägen nicht vor. Zudem hätte die Erteilung eines solchen Ausnahme-Visums der vorigen Zustimmung der Beigeladenen bedurft, die diese ersichtlich vor dem Hintergrund nicht erteilt hätte, dass sie den Antragsteller vor seiner Ausreise nach Saudi-Arabien dahingehend belehrt habe, eine Wiedereinreise mit der Fiktionsbescheinigung sei nicht möglich. Die Fiktionsbescheinigung könne die Antragsgegnerin nicht herausgegeben, weil sich diese nicht mehr in ihrem Besitz befinde.
Die Beigeladene
stellt keinen Antrag.
Nach ihrer Auffassung ist der Antrag bereits unzulässig, weil er auf eine Vorwegnahme der Hauptsache ziele. Hinsichtlich des Antrages auf Herausgabe der Fiktionsbescheinigung fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil ein solcher Antrag vor Anrufung des Gerichts ihr gegenüber nicht gestellt worden sei. Zudem ermögliche die Fiktionsbescheinigung nicht erneut die Wiedereinreise. Dessen ungeachtet habe der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund geltend gemacht. Außerdem bestätigt die Beigeladene, sie habe den Antragsteller darüber belehrt, dass die Geltung der Fiktionsbescheinigung mit seiner Ausreise nach Saudi-Arabien erlösche.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und der Beigeladenen Bezug genommen, die dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen haben.
II.
Dem zulässigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung muss der Erfolg versagt bleiben.
1. | Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig, weil er auf Gestattung der vorläufigen Wiedereinreise und Herausgabe der Fiktionsbescheinigung gerichtet ist und nicht ausschließlich die - sehr wahrscheinlich - erledigte Einreiseverweigerung vom 10. Oktober 2012 zum Gegenstand hat. Wäre letztere ausschließlicher Gegenstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens, wäre vorläufiger Rechtsschutz - jedenfalls solange die Zurückweisung noch nicht vollzogen ist - gemäß § 123 Abs. 5 VwGO ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil es sich bei der Einreiseverweigerung um einen Verwaltungsakt handelt. Zudem kann auch mit einem statthaften Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht die Einreise erstritten werden (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand: Juni 2010, § 15 AufenthG Rdnrn. 141ff.). |
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Das Verwaltungsgericht Hannover ist auch gemäß § 52 Nr. 5 VwGO für die vom Antragsteller geltend gemachten Leistungsbegehren örtlich zuständig, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich des Gerichts hat. Dies gilt gemäß § 52 Nr. 2 Satz 2 VwGO auch dann, wenn man die vom Antragsteller angestrebte Gestattung der vorläufigen Einreise als Verwaltungsakt ansieht, dessen Erlass mit der Verpflichtungsklage gegen die Antragsgegnerin als Bundesbehörde durchgesetzt werden soll.
2. | Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht begründet. |
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Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - auch vor Klageerhebung - zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat jedoch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
a. | Soweit ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Gestattung der vorläufigen (Wieder-)Einreise geltend gemacht wird, steht diesem § 4 Abs. 1 AufenthG entgegen. Denn der Antragsteller verfügt unstreitig nicht über die für die Einreise erforderlichen - und hier allein in Betracht kommenden - Aufenthaltstitel des Visums oder der Aufenthaltserlaubnis. Der Antragsteller ist als jemenitischer Staatsangehöriger nicht von dem Erfordernis der Einholung eines Visums befreit. Einen Sachverhalt, der Anlass zu der Annahme geben könnte, er sei vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit oder könne diesen erst nach seiner (Wieder-)Einreise in das Bundesgebiet beantragen (§§ 39ff. AufenthV), hat er nicht glaubhaft gemacht. |
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Die dem Antragsteller bereits am 5. Mai 2011 von der Beigeladenen nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erteilte und bis zum 13. März 2013 gültige Fiktionsbescheinigung berechtigt - anders als eine nach § 81 Abs. 4 AufenthG erteilte Fiktionsbescheinigung - nicht zur Wiedereinreise, weil mit der Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der für die Wiedereinreise nach § 4 Abs. 1 AufenthG erforderliche Aufenthaltstitel nicht geschaffen wird. Der Unterschied zwischen der Erlaubnisfiktion in § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und der - hier nicht vorliegenden - Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG ist im Gesetzeswortlaut angelegt. Die Erlaubnisfiktion stellt auf einen bestehenden rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Aufenthaltstitel ab und verschafft dem Ausländer nach Antragstellung den Vorteil, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt. Hingegen vermittelt § 81 Abs. 4 AufenthG eine weitergehende Rechtsposition. Danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Aus diesem Grund vermittelt die dem Antragsteller lediglich nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erteilte Fiktionsbescheinigung kein Recht zur Wiedereinreise (OVG Münster, Beschluss vom 11.5.2009 - 18 B 8/09 - u.a. ZAR 2009, S. 278; Nr. 81.5.3 VV-AufenthG; Hailbronner, AuslR, Stand: Februar 2010, § 81 AufenthG Rdnr. 20; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, 5. Aufl., § 81 AufenthG Rdnr. 18; a.A. Funke-Kaiser, aaO, § 81 AufenthG Rdnr. 31; Hofmann in HK-AuslR, § 81 Rdnr. 39; Pfersich ZAR 2009, S. 279).
Auch Art. 6 Abs. 1 GG gewährt dem mit einer deutschen Staatsangehörigen verheirateten Antragsteller grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Vielmehr ist es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich vereinbar, den Antragsteller auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (BVerfG, Beschluss vom 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 - InfAuslR 2008, S. 347). Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm die Einholung eines Visums vor Wiedereinreise nicht zumutbar ist. Sein Hinweis in der Antragsschrift, die Deutsche Botschaft (richtig wohl: das Deutsche Generalkonsulat) in Jeddah habe sich für unzuständig erklärt, mag darin begründet sein, dass der Antragsteller nicht saudischer, sondern jemenitischer Staatsangehöriger ist und das Deutsche Generalkonsulat in Jeddah nach einem Hinweis auf der Homepage des Auswärtigen Amtes in Visafragen saudische Staatsangehörige betreut. Für Rechtsmittel gegen eine etwaig unberechtigte Visaverweigerung durch deutsche Auslandsvertretungen ist die Antragsgegnerin weder passiv legitimiert noch das Verwaltungsgericht Hannover örtlich unzuständig.
Auch das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs nach etwaig rechtswidriger Zurückweisung an der Grenze bei dem am 10. Oktober 2012 erfolgten (Wieder-)
Einreiseversuch ist nicht glaubhaft gemacht. Die Zurückweisung ist bei summarischer Überprüfung nach §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 13 SGK rechtmäßig erfolgt. Formale Fehler sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin brauchte über die nach § 14 Abs. 2 AufenthG grundsätzlich mögliche Ausstellung eines Ausnahme-Visums für die Einreise durch die Antragsgegnerin nicht ausdrücklich zu entscheiden, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, ein solches bei seinem Einreiseversuch am 10. Oktober 2012 beantragt zu haben. Dessen ungeachtet lagen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines an der Außengrenze beantragten Visums nach Art. 35 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft - Visakodex - (ABl. Nr. L 243 S. 1) - VK - nicht vor. Denn Voraussetzung ist gemäß Art. 35 Abs. 1 lit. b) VK u.a., dass der Antragsteller an der Grenzübergangsstelle - gegebenenfalls unter Vorlage von Belegen - unvorhersehbare zwingende Einreisegründe geltend macht. Weder hat der Antragssteller im gerichtlichen Verfahren das Vorliegen solcher zwingenden unvorhersehbaren Gründe glaubhaft gemacht, noch hat er solche bei seinem Einreiseversuch am 10. Oktober 2012 gegenüber den Beamten der Antragsgegnerin geltend gemacht.
Auf die in Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 - Unionsbürgerrichtlinie - (ABl. Nr. L 158 S 77, ber. ABl. Nr. L 229, S. 35) - UnionsRL - zugunsten von Familienangehörigen von Unionsbürgern geregelten Erleichterungen vor einer Zurückweisung an der Grenze kann sich der Antragsteller nicht berufen, weil er nicht dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie unterfällt. Denn diese gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 („Berechtigte“) nur für Unionsbürger, die sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, begeben oder sich dort aufhalten, und deren Familienangehörige. Damit findet die Richtlinie keine Anwendung auf Unionsbürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben und sich stets in dem Mitgliedstaat aufgehalten haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, wie hier die deutsche Ehefrau des Antragstellers. Folglich können Familienangehörige wie der Antragsteller aus der Richtlinie kein abgeleitetes Aufenthalts- oder Einreiserecht herleiten (EuGH, Urteil vom 5.5.2011 - Rs. C-434/09, McCarthy -; BVerwG, Urteil vom 22.6.2011 - 1 C 11/10 - NVwZ 2012, S. 52). Familienangehörige von Deutschen unterfallen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union allerdings dann den aus dem Freizügigkeitsrecht abgeleiteten unionsrechtlichen Nachzugsregelungen, wenn es sich um sogenannte Rückkehrerfälle handelt (EuGH, u.a. Urteil vom 11.12.2007 - Rs. C 291/05, Eind - InfAuslR 2008, S. 114). Dies setzt aber voraus, dass der deutsche Ehegatte in so nachhaltiger Weise von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, dass die praktische Wirksamkeit seines Freizügigkeitsrechts als Unionsbürger es erfordert, seinem Ehepartner einen unionsrechtlichen Nachzugsanspruch zuzubilligen (BVerwG, Urteile vom 16.11.2010 - 1 C 17.09 - NVwZ 2011, S. 495 und vom 11.1.2011 - 1 C 23/09 - NVwZ 2011, S. 871: Kurzaufenthalt zur Eheschließung in Dänemark reicht nicht aus). Einen entsprechenden Sachverhalt hat der Antragsteller jedoch ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr wurde die Ehe am 9. Februar 2012 in Bremen geschlossen, der Antragsteller ist ausweislich der Meldebescheinigung erst am 1. Mai 2012 mit seiner deutschen Ehefrau in Bremen zusammengezogen und wenige Monate später nach Saudi-Arabien ausgereist. Der Wiedereinreiseversuch erfolgte an der deutschen Grenze.
Nach alledem ist der geltend gemachte Anspruch auf Gestattung der vorläufigen
(Wieder-) Einreise ohne vorherige Einholung eines bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung einzuholenden Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung nicht glaubhaft gemacht.
b. | Danach besteht auch kein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf sofortige Herausgabe der für ihn als ersichtlich im Ausland aufhältig funktionslos gewordenen Fiktionsbescheinigung, zumal sich diese auch im Verwaltungsvorgang der Beigeladenen und damit nicht mehr im Besitz der Antragsgegnerin befindet. |
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3. | Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. |
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Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen Antrag im Sinne von § 154 Abs. 3 VwGO gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 GKG.