Sozialgericht Hildesheim
Urt. v. 11.04.2006, Az.: S 9 RA 28/03
Vorliegen eines abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses; Freiberufliche Tätigkeit auf der Basis eines Honorarvertrages in einer Lebensberatungsstelle für den Bischöflichen Stuhl der Diözese Hildesheim; Abgrenzung von freier Mitarbeiterschaft und Arbeitnehmerstatus aufgrund einer Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers
Bibliographie
- Gericht
- SG Hildesheim
- Datum
- 11.04.2006
- Aktenzeichen
- S 9 RA 28/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 36728
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHILDE:2006:0411.S9RA28.03.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 SGB IV
- § 32 SGB I
- § 35 SGB X
Tenor:
- 1.
Der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2003 wird aufgehoben.
- 2.
Es wird festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin für den Bischöflichen Stuhl die Diözese Hildesheim um ein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit handelt.
- 3.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Versicherungspflicht der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1.
Die 1941 geborene Klägerin ist seit dem 1. April 1992 auf der Basis eines Honorarvertrages als freiberufliche "Beraterin bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle" in Duderstadt für den M. tätig.
Ausgebildet wurde sie in der N. in verschiedenen Ausbildungskursen, das Diplom erhielt sie von O. am 29. März 1992.
Mit Antrag vom 12. Juni 2000 bei der Beklagten, dem der Honorarvertrag nebst Merkblatt und eine Stundenaufstellung sowie mehrseitige Anmerkungen der Klägerin beigefügt waren, wurde die Überprüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin begehrt. Ein entsprechender weiterer Antrag nebst Anlagen wurde dann erneut unter dem 7. Dezember 2000 bei der Beklagten gestellt, darüber ist bislang eine Entscheidung nicht getroffen. Auf ein entsprechendes Urteil P. vom 7. Juni 1991 in Kopie beigefügt, wurde von der Klägerin hingewiesen.
Mit Schreiben vom 14. November 2000 übersandte die Beklagte der Klägerin einen Fragebogen zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht, der ausgefüllt am 7. Dezember 2000 bei der Beklagten einging. Mit Bescheid vom 19. Juni 2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ihre Tätigkeit beim Q. selbständig ausübe. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 7 Abs. 1 SGB IV sei Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers sei nicht gegeben. Weisungen, die Zeit, Dauer, Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise von deren Durchführung betreffen, könne nicht einseitig im Wege des Direktionsrechts eines Arbeitgebers erteilt werden. In dieser Tätigkeit besteht daher keine persönliche Abhängigkeit zum Auftraggeber. Nach Gesamtwürdigung aller zu Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwiegen die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit. Diese Feststellungen beruhten auf den vertraglichen Regelungen und den Angaben im Antragsverfahren.
Hiergegen richtete sich der am 7. November 2001 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass der Bescheid an einer mangelhaften Begründung leide und daher gegen § 35 SGB X verstoße. Ferner würden die tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsverhältnisses verkannt. Die Klägerin arbeite seit Oktober 1989 bis heute als Beraterin in R. in Duderstadt. Ihre Ausbildung zur Beraterin, die 1988 begann sei von der N. konzipiert, durchgeführt und bezahlt worden. Bevor sie diese Ausbildung beginnen konnte, musste sie zunächst an einer Auswahltagung der Diözese teilnehmen. Das Diplom habe sie am 29. März 1992 von der S. erhalten. Erst danach erhielt sie den am 1. April 1992 zwischen ihr und dem M. geschlossenen Honorarvertrag als freiberufliche Beraterin bei der T. in Duderstadt. Diese Tätigkeit führe sie nicht im eigenen Namen aus, sondern vielmehr für U ... Sie melde sich auch dementsprechend mit V. und verwende für die dienstlich Korrespondenz das Briefpapier dieser Stelle. Auf den Merkzetteln mit den Terminen der nächstens Beratungsstunde sei der Stempel der Beratungsstelle und nicht ihr Name aufgedruckt. Ihre Beratungsfälle fließen in die Jahresstatistik der Beratungsstelle und die des W. ein. Sie sei nicht befugt, eine Beratungstätigkeit auf eigene Rechnung auszuüben. Die Ratsuchenden brauchten nicht zu bezahlen, weil die Beratung für diese kostenlos sei. Freiwillige Spenden der Ratsuchenden werden vom X. angenommen. Wenn eine angesetzte Beratungsstunde von einem Ratsuchenden abgesagt werde und nicht mehr belegt werden könne, wird diese Beratungsstunde vom X. erstattet. Sie sei ferner gehalten, ihre Beratungstätigkeit ausschließlich in dem vom X. bzw. dem örtlichen Träger zur Verfügung gestellten Räumen durchzuführen. Ihr Arbeitsplatz oder Arbeitsort sei daher fremdbestimmt festgelegt. Die Ausübung der Beratungstätigkeit ist an diesen Ort gebunden. In der Ausgestaltung der Arbeitszeit sei sie ebenfalls nicht frei, sie habe sich verpflichtet, vier Stunde pro Woche beratend in den vom X. bzw. dem örtlichen Träger zur Verfügung gestellten Räumen tätig zu sein. Neben diesen Beratungsstunden habe sie wöchentlich sieben Stunden Telefondienst und monatlich zwei Stunden "der öffentlichen Sprechstunde" zu festgesetzten Zeiten in der Beratungsstelle abzudecken. Darüber hinaus unterliege sie ferner Weisungen insoweit, als sie Fortbildungsveranstaltungen besuchen müsse und auch tatsächlich besuche. Ferner unterliege sie der Supervision durch Psychologen und sei gehalten, an Dienstbesprechungen teilzunehmen, daran nehme sie auch teil. Durch die Einhaltung dieser Pflichten sei sichergestellt, dass sie in der Ausgestaltung ihrer Beratungstätigkeit jeweils den vom Arbeitgeber erwarteten Standard einhalte. Für die Abhängigkeit der ausgeübten Beschäftigung spräche ferner die Tatsache, dass mit ihr ein fester Stundensatz vereinbart sei und damit für ihre Tätigkeit ein Arbeitsentgelt im Sinne vom § 7 Abs. 1 SGB IV gezahlt werde. Die Wortwahl Honorar in der Vereinbarung mit dem X. entspreche der Art der Tätigkeit, weil Dienste höherer Art und beratende Tätigkeit nach dem Sprachverständnis honoriert und nicht im engeren Sinne "bezahlt" werden. Es sei auch nicht entscheidend, dass nach der Honorarvereinbarung vom 1. April 1992 eine "freiberufliche Tätigkeit" vereinbart worden sei.
Die zeitliche Gestaltung der Beratungsstunden unterscheide sich nicht wesentlich von der Arbeitszeit der festangestellten Berater in anderen Beratungsstellen der N ... Diese bieten - wie sie - ihre Beratungszeiten etwa zwischen 9.00 und 19.00 Uhr an, denn sie müssen einen weiten Korridor gleitender Arbeitszeiten verwirklichen, um den Bedürfnissen der Ratsuchenden entgegenzukommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie führte in der Begründung u.a. aus, dass die Klägerin nach dem Honorarvertrag als freiberufliche Beraterin für das Y.tätig sei. Je nach Beratungseinheit werde ein Honorar in Höhe von 28,- DM (1992) gezahlt. Der Honorarvertrag sehe vor, dass die Zahl der Beratungsstunden vom Referat "Ehe- und Familie" begrenzt werden könne. Ein Anspruch auf Fortzahlung einer Vergütung im Krankheitsfall, auf Zahlung einer Urlaubsvergütung sowie einer Weihnachtszuwendung bestehe nicht. Die Beratungsunterlagen seien Eigentum der Beratungsstelle. Der Vertrag könne unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Die Vorschriften des BGBüber die außerordentliche Kündigung blieben unberührt. Vom Berater werde erwartet, dass er an den von der Z. angebotenen Supervisionen und Fortbildungen teilnehme. Das Arbeitsverhältnis werde des Weiteren durch das Merkblatt über die Eheberatungsstellen im X. als Anlage zum Honorarvertrag konkretisiert. Nach Ziffer 2 des Merkblattes würden Organisationsstunden u.a. für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit mit 18,- DM pro Stunde berechnet werden. Weiterhin werden nach Ziffer 3 des Merkblattes die Fahrtkosten erstattet. Gemäß Ziffer 5 des Merkblattes seien die Eheberater bei der Verwaltungsgenossenschaft gemeldet, eine Berufshaftpflichtversicherung werde nach Ziffer 4 nicht abgeschossen. Auch die Teilnahme an die von der Z. angebotenen Supervisionen und Teamsitzungen werden mit 18,- DM pro Stunde vergütet. Der Berater hat für die Quartalsabrechnung Einträge zu statischen Zwecken nebst Stundenaufzeichnung zu führen. Die fachliche Aufsicht wird durch das Referat "Ehe und Familie" wahrgenommen.
Für die Beurteilung des Status als Beraterin sei entscheidungserheblich, dass der Klägerin freigestellt sei, wann sie ihre Beratungsleistungen erbringe. Weiterhin könne sie den Inhalt sowie den Ablauf der Beratung nach ihren Vorstellungen frei gestalten. Da während der Beratung keine inhaltlichen Vorgaben ihres Auftraggebers zu beachten seien, sei dies ein Indiz dafür, dass kein Beschäftigungsverhältnis bestehe. Weiterhin stehe es der Klägerin frei, Werbung zu betreiben und die von ihr angebotenen Beratungsleistungen in eigenem Namen außerhalb der Beratungsstelle für Dritte anzubieten.
Sofern die Beratungsleistungen für den Auftraggeber in dessen Beratungsräumen zu erbringen seien, werde hier durch eine organisatorische Eingliederung im Betriebsablauf der vom Arbeitgeber betriebenen Beratungsstelle nicht gegründet. Gegen eine Eingliederung spreche, dass die Arbeitszeiten innerhalb des vom Arbeitgeber vorgegebenen Zeitrahmens selbst festgelegt werden können. Sofern die Klägerin verpflichtet sei, an Teamsitzungen und Supervisionen teilzunehmen, handele es sich um Schulungs- und Qualitätskontrollmaßnahmen des Auftraggebers, die im Interesse der Beratungskunden durchgeführt werden. Da die Klägerin nicht der ständigen Überwachung bzw. Kontrolle des Auftraggebers unterliege, sei sie in die Betriebsabläufe des Auftraggebers nicht eingegliedert.
Die Klägerin habe sich gegenüber dem Auftraggeber nicht verpflichtet, einen bestimmten Stundensatz an Beratungsleistungen zu erbringen. Des Weiteren bestünden keine vertraglichen Abreden für den Fall, dass die Klägerin mangels Nachfrage ihre Beratungsleistungen nicht erbringen könne. Mithin trage sie ein Unternehmerrisiko, das durch die Begründung von eigenständigen Gewinn- und Verlustchancen geprägt sei.
Nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen würden die Merkmale überwiegen, wonach die Tätigkeit als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin nicht einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis entspräche.
Hiergegen richtet sich die am 3. März 2003 beim Sozialgericht Hildesheim eingegangene Klage, mit der weiterhin die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. begehrt wird. In der Begründung wird zum einen auf die ausführliche Begründung des Widerspruchsverfahrens unter Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit verwiesen. Ergänzend wird dazu ausgeführt, dass die Eingliederung in der Arbeitsorganisation des Beigeladenen zu 1. sich dadurch zeige, dass die Klägerin verpflichtet sei, an den regelmäßigen Sitzungen des Fallbesprechungsteams teilzunehmen, wobei dort nicht nur die reine Teilnahme, sondern die aktive Beteiligung erwartet werde, um sowohl eigenes Beratungsverhalten zu reflektieren, als auch Anregungen der Beraterkollegen aufzunehmen und verarbeiten zu können. Ohne Teilnahme an den Supervisionen wäre der Klägerin eine ordnungsgemäße Beratertätigkeit daher nicht möglich. Damit werde auch verdeutlich, dass im Fallbesprechungsteam eine auf das Team übertragene Fachaufsicht ausgeübt werde. Die Klägerin unterliege der ausschließlichen Weisung durch den Beigeladenen zu 1. was den Ort der zu erbringenden Arbeitsleistung anbelangt. Die Klägerin ist gehalten, ihre Beratungstätigkeit ausschließlich in den von der Beigeladenen bzw. dem örtlichen Träger zur Verfügung gestellten Räumen durchzuführen. Der Arbeitsplatz oder der Arbeitsort ist daher fremdbestimmt. Auch in der Ausgestaltung der Arbeitszeit ist die Klägerin ebenfalls nicht frei. Die Klägerin müsse auf die zeitlichen Bedürfnisse der Ratsuchenden eingehen. Die Klägerin biete ihre Beratungszeiten zwischen 9.oo Uhr und 19.oo Uhr an. Die Verteilung der Beratung auf einzelne Wochentage stehe aber nicht im Belieben der Klägerin in der Form, dass sie spontan und täglich oder wöchentlich wechselnd entscheiden könne, an welchem Wochentag sie jeweils und wieviel Stunden nach ihrem Belieben arbeiten möchte. Vielmehr habe die Klägerin festliegende Stunden einzuhalten, die mit Ratsuchenden fremdbestimmt und bindend belegt würden. Ebenfalls seien die Zeiten von Teamsitzungen, Supervisionen und offener Sprechstunde vorgegeben. Wesentliche Grundlage institutioneller Beratung sei die Arbeit im multiprofessionellen Team. Daneben sei die Klägerin auch insoweit in die Beratungsstelle eingegliedert, als sie in der Vergangenheit neben den Beratungsstunden wöchentlich sieben Stunden Telefondienst und alle fünf Wochen zwei Stunden der offenen Sprechstunde zu festgesetzten Zeiten in der Beratungsstelle abzudecken habe. Die Klägerin führe ihre Tätigkeit nicht im eigenen Namen aus, sondern vielmehr für den Beigeladenen zu 1. Sie sei nicht befugt, ihre beratende Tätigkeit auf eigene Rechnung auszuüben. Die Ratsuchenden brauchten nichts zu bezahlen, weil die Beratung für sie kostenlos sei. Freiwillige Spenden der Ratsuchenden werden vom Beigeladenen zu 1. angenommen. Die Ratsuchenden werden von der Klägerin um eine Spende an die Beratungsstelle gebeten. Wenn eine angesetzte Beratungsstelle von einem Ratsuchenden kurzfristig abgesagt werde und nicht mehr belegt werden könne, werde diese Beratungsstunde der Klägerin erstattet. Die Klägerin melde sich außerdem am Telefon als Mitarbeiterin der Beratungsstelle, verwende für die dienstliche Korrespondenz das Briefpapier der Stelle, drucke auf den Merkzettel mit den Terminen der nächsten Beratungsstunde den Stempel der Beratungsstelle, nicht den eigenen Namen auf.
Mit Beschluss vom 7. April 2003 hat das Sozialgericht Hildesheim den Bischöflichen Stuhl der Diözese Hildesheim beigeladen und durch Beschluss vom 17. Februar 2006 die Krankenkasse und Pflegekasse (DAK Göttingen) und die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2003 aufzuheben,
- 2.
festzustellen, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin für die Beigeladenen zu 1. um ein abhängiges versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung, gesetzlichen Krankenversicherung und gesetzlichen Pflegeversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2.-4. stellen keine Anträge.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide weiterhin für zutreffend.
Das Sozialgericht hat das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Juni 1991, Az.: L 4 KR 2123/89 beigezogen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 26. Februar 2005 ergänzend vorgetragen, dass in den Parallelverfahren der 2. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim, S 2 KR 177/99, S 2 KR 40/00 und S 2 KR 89/00, die hier Beklagte - dort Beigeladene - in diesem Verfahren davon ausgegangen ist, dass die Tätigkeit als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin der Versicherungspflicht unterliege.
Dazu hat die Beklagte unter dem 21. März 2005 ausgeführt, dass es sich bei der Statusfeststellung nach § 7 a ff. SGB IV jeweils um Einzelfallentscheidungen handele.
Die Beigeladenen zu 2. und 3. haben mit Schriftsatz vom 22. März 2006 vorgetragen, dass die Klägerin seit dem 1. März 1995 bei der Beigeladenen zu 3. als Mitglied geführt werde und bei der Beigeladenen zu 2. ab gleichem Datum als freiwillig Versicherte. Eine versicherungsrechtliche Beurteilung der bei der Klägerin ausgeübten Tätigkeit durch die Beigeladene zu 2. sei nicht erfolgt.
Die die Klägerin betreffenden Akten der Beklagten wurden beigezogen und ebenfalls zum Gegenstand des Verfahrens und der mündlichen Verhandlung gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Streitstandes wird auf die von Beteiligten eingereichten Schriftsätzen sowie den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, sie ist sachlich auch begründet.
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtswidrig und waren aufzuheben, da es sich bei der Tätigkeit der Klägerin als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin für den Bischöflichen Stuhl der Diözese Hildesheim um ein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit handelt.
Die Personen, die gegen Entgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 SGB V; § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI; § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG bis zum 31. Dezember 1967, ersetzt durch § 25 Abs. 1 SGB III).
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB VI (seit 1. Januar 1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dies kann allerdings - wie vorliegend - vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur "funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert seien (so ausdrücklich BSGE 45, 199, 200 ff. m.w.N.).
Dem gegenüber ist eine Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiesen. Stimmen die Vereinbarungen mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht überein, so sind die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend. Maßgeblich ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG vom 10. August 2000, B 12 KR 21/98 R in SozR 3, 2004, § 7 Nr. 15 m.w.N.).
Nach diesen Kriterien überwiegen nach Überzeugung der Kammer die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin zur Beigeladenen zu 1. sprechen. Dabei sind die Angaben der Beteiligten, insbesondere die glaubhaften Ausführungen der Klägerin berücksichtigt worden. Die entgegen stehenden Regelungen in dem zum 1. April 1992 abgeschlossenen Honorarvertrag mit der Beigeladenen zu 1., in dem die Tätigkeit der Klägerin als Honorarverhältnis definiert worden war, sind entsprechend § 32 SGB I unbeachtlich und stehen der Einschätzung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen.
Die Klägerin führt die Tätigkeit als Ehe- und Familienberaterin nicht in eigenem Namen aus, sondern vielmehr für den Beigeladenen zu 1. Sie ist nicht befugt, ihre beratenden Tätigkeit auf eigene Rechnung auszuüben, denn die Ratsuchenden brauchen nichts zu bezahlen, weil die Beratung für sie kostenlos ist. Freiwillige Spenden der Ratsuchenden werden vom Beigeladenen zu 1. angenommen. Wenn eine angesetzte Beratungsstunde von einem Ratsuchenden nicht rechtzeitig abgesagt wird, erhält die Klägerin trotzdem das vereinbarte Honorar, d.h. die Klägerin trägt insoweit kein Risiko.
Die Klägerin ist ferner nach ihren überzeugenden Bekundungen gehalten, ihre Beratungstätigkeit ausschließlich in den von dem Beigeladenen zu 1. zur Verfügung gestellten Räumen durchzuführen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass das Beratungsangebot an Hilfesuchende von der Beigeladenen zu 1. ausgelagert wurde oder aber, dass die entsprechenden Beratungsleistungen der Klägerin an fremden Orten und anderen Zeiten vom Beigeladenen zu 1. angeboten werden. Ihr Arbeitsplatz oder Arbeitsort ist daher fremdbestimmt festgelegt. Die Ausübung der Beratungstätigkeit ist an diesen Ort gebunden. Sie ist auch insoweit in die Arbeitsorganisation des Beigeladenen zu 1. eingebunden, als ihr Erscheinungsbild und ihre Auftretensweise dadurch bestimmt ist, dass sie sich nicht als selbständig tätige Beraterin am Telefon den Ratsuchenden offenbart, sondern als Mitarbeiterin der Beratungsstelle. Außerdem wird die dienstliche Korrespondenz auf dem Briefpapier der Beratungsstelle getätigt und auch auf den Merkzetteln, mit denen der Termin der nächsten Beratungsstunden den Ratsuchenden mitgeteilt wird, wird nur auf die Ehe-, Familien- und Lebensberatung verwiesen und nicht auf eine selbständige Beraterin. Auch aus dem ebenfalls zur Klageakte gereichten Merkblatt der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung Duderstadt ist an keiner Stelle zu ersehen, dass die dort angebotenen Dienste durch freie eigenverantwortliche Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden. Es wird stets nur von der Beratungsstelle als Einrichtung der Diözese Hildesheim gesprochen. Auch der verwendete Merkzettel für Ratsuchende, der ebenfalls zur Gerichtsakte gereicht wurde, spricht nur von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, nicht von selbständig tätigen Beratern, die auf eigene Rechnung arbeiten, im Gegenteil, es wird im Namen der Beratungsstelle darauf hingewiesen, dass für die Beratung kein Honorar erhoben wird. Dies kann doch nur so verstanden werden, dass die Beratung in dieser Beratungsstelle durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgenommen wird, die ihre Zahlung durch die Beratungsstelle, also das Bistum Hildesheim, erhalten. Die Klägerin tritt also nach Außen nicht als eigenständige Beraterin in Erscheinung, sondern als konfessionell gebundene Mitarbeiterin der vor dem Beigeladenen zu 1. betriebenen Beratungsstelle Duderstadt. In dieser Mitarbeiterinnenfunktion wird sie auch von den Ratsuchenden wahrgenommen.
In der Ausgestaltung der Arbeitszeit der Klägerin nach den Feststellungen der Kammer ebenfalls nicht frei. Die Klägerin hat sich nach den Ausführungen im Widerspruchsverfahren verpflichtet, vier Stunden pro Woche beratend in den vom Beigeladenen zu 1. zur Verfügung gestellten Räumen bzw. dem örtlichen Träger zur Verfügung gestellten Räumen tätig zu sein. Die Verteilung dieser vier Stunden auf einzelne Wochentage steht jedoch nicht im Belieben der Klägerin in der Form, dass sie spontan und täglich oder wöchentlich wechselnd entscheiden könnte, an welchem Wochentag sie jeweils und dann wieviel Stunden nach ihrem Belieben arbeiten möchte. Vielmehr hat die Klägerin festliegende Stunden einzuhalten, deren Festlegung sich aus der Beratungstätigkeit in der Beratungsstelle Duderstadt ergibt in Verbindung mit der Anzahl der nachfragenden Ratsuchenden. Wobei die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich der Arbeitszeit im Zeitfenster 9.oo Uhr bis 19.oo Uhr überzeugen, kann doch auch nach Auffassung des Gerichtes eine sinnvolle Beratungstätigkeit nur bei Berücksichtigung der Arbeitszeiten der Ratsuchenden erfolgreich sein. Nach den überzeugenden Ausführungen der Klägerin treten zu diesen Beratungsstunden wöchentlich sieben Stunden Telefondienst und monatlich zwei Stunden der sogenannten öffentlichen Sprechstunde, wobei diese Zeiten durch die Beratungsstelle festgesetzt werden. Insoweit ist zur Überzeugung der Kammer die Arbeitszeit der Klägerin fremdbestimmt und bindend festgelegt.
Außerdem muss beachtet werden, dass angesichts der Zunahme flexibler Arbeitszeitformen in der Praxis die freie Arbeitszeitgestaltung des Beschäftigen zunehmen an Bedeutung verliert bei der Frage der Abgrenzung von freier Mitarbeiterschaft und Arbeitnehmerstatus. Man denke dabei nur an die sogenannten Computerarbeitsplätze zu Hause oder an allseits bekannte Job-Sharing in der öffentlichen Verwaltung.
Darüber hinaus unterliegt die Klägerin ferner Weisungen insoweit, als sie Fortbildungsveranstaltungen besuchen muss und auch tatsächlich besucht. Ferner unterliegt die Klägerin einer Supervision durch Psychologen und ist gehalten, an Dienstbesprechungen des Beigeladenen teilzunehmen und sie nimmt auch nach ihren unwidersprochenen Bekundungen teil.
Darüber hinaus ist die Klägerin auch inhaltlich in ihrer Arbeit durch den Beigeladenen zu 1. gebunden, wie sich dies aus dem Honorarvertrag und dem beigefügten Merkblatt, das Bestandteil des Vertrages ist, einwandfrei ergibt. Auch die ihr durch den Vertrag auferlegten Schweigepflichten und Pflichten zur Behandlung der Unterlagen lassen nach Auffassung des Gerichtes erkennen, dass die Klägerin in den Organisationsbereich des Beigeladenen zu 1. fest eingegliedert ist. Auch der von der Klägerin dargestellte Ablauf der Supervision oder Teamgespräche sind nach Auffassung des Gerichtes dazu vorgesehen und geeignet, die Klägerin in die Arbeitsorganisation des Beigeladenen zu 1. dichter einzubinden.
Nicht gebunden ist die Klägerin hinsichtlich des Beratungsinhalts oder des Gehalts des Beratungsgespräches mit den jeweiligen Ratsuchenden. Diese innere Gestaltungsfreiheit ergibt sich jedoch zwangsläufig aus dem von der Klägerin versehenden Dienst. Denn ein Dienst dieser besonderen Art, von dem der Beigeladenen zu 1. im Honorarvertrag selbst ausführt, dass dieser die Intimsphäre der Ratsuchenden berührt, kann von der inhaltlichen Ausgestaltung hier nicht fremdbestimmt sein.
Für die Abhängigkeit der ausgeübten Beschäftigung spricht ferner die Tatsache, dass mit der Klägerin ein fester Stundensatz vereinbart worden ist und die Klägerin damit für ihre Tätigkeit ein Arbeitsentgelt im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV erhält. Dies ist nicht nur für den Fall der stattgehabten Beratung vorgesehen, sondern auch für die Fälle der ausgefallenen Beratung, bei denen nicht rechtzeitig der Beratungstermin durch den Ratsuchenden abgesagt wurde und er trifft auch die Zeiten, in denen die Klägerin durch den Beigeladenen zu 1. weitergebildet wird. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass sogar bei Fortbildungsmaßnahmen, die nicht von der Diözese durchgeführt werden, ein Zuschuss gewährt werden kann, wenn diese Veranstaltung im Interesse der Diözese ist. Eine Regelung also, wie sie im normalen Arbeitsvertragsrecht bei der Fortbildung von abhängig Beschäftigten ebenfalls gang und gebe ist. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, dass in dem Vertrag die Rede von Honorar ist, entspricht die Art der Tätigkeit doch Dienste höherer Art und beratende Tätigkeiten, bei denen nach dem allgemeinen Wortgebrauch und dem Sprachverständnis diese Tätigkeit nicht bezahlt, sondern honoriert wird. Die Wahl der Formulierung ist für die Abgrenzung einer selbständigen Tätigkeit gegen eine abhängige Beschäftigung nicht entscheidend.
Zudem erlangt für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung auch weitere Klauseln aus der Anlage zum Honorarvertrag Bedeutung, so dass die Eheberater bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft gemeldet werden. Nach dem Recht des SGB VII ist dies jedoch grundsätzlich nur bei abhängig Beschäftigten möglich, die durch den Arbeitgeber dort in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert werden. Außerdem ist die Klägerin durch die Diözese in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit haftpflichtversichert, ein Vorgang also, der üblicherweise nur bei abhängigen Beschäftigungen greift. Selbständige haben im Rahmen des betrieblichen Risikos selbst für eine Haftpflichtversicherung zu sorgen. Für eine abhängige Beschäftigung spricht auch, dass ein Kilometergeld für das selbst genutzte Auto möglich ist und sogar im Falle eines Schadens bei einer Kaskoversicherung mit 650,- DM Selbstbeteiligung diese Selbstbeteiligung durch den Beigeladenen zu 1. im Wege der Zuschussregelung ausgeglichen wird. Auch die Gewährung von Fahrtkostenerstattung, wie sie in der Anlage zum Honorarvertrag vorgesehen ist, spricht für eine abhängige Beschäftigung.
Dass die vertragliche Formulierung im Honorarvertrag von einer freiberuflichen Tätigkeit spricht, ist für die rechtliche Beurteilung nach den tatsächlich vorliegenden Merkmalen unbeachtlich und führt im vorliegenden Fall nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
Es kann auch dahin gestellt bleiben, ob die vertraglich zu Lasten der Klägerin ausgeschlossenen sozialen Nebenleistungen wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Zahlung einer Urlaubsvergütung ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit sein könnten, da die vorliegenden Merkmale einer abhängigen Beschäftigung der Klägerin zur Beigeladenen zu 1. bei Weiten überwiegend. Die entgegenstehenden Vereinbarungen im Honorarvertrag über die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen des vereinbarten Arbeitsverhältnisses können als privatrechtliche Vereinbarungen nicht die gesetzlichen Vorgaben zur Sozialversicherungspflicht aufheben, sie sind vielmehr gemäß § 32 SGB I nichtig. Es liegt daher ein versicherungspflichtiges abhängiges Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zur Beigeladenen zu 1. vor, die erkennende Kammer folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des Sozialgerichts Hildesheim, 2. Kammer, in seinen Entscheidungen S 2 KR 40/00; S 2 KR 89/00; S 2 KR 177/99 und schließt sich dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 7. Juni 1991, L 4 KR 2123/89, ausdrücklich an.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG stattzugeben.