Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.12.1984, Az.: 2 U 7/84
Anspruch auf Rückzahlung einer geleisteten Mietkaution; Fälligkeit des Rückzahlungsanspruches nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist und Prüfungsfrist für den Vermieter nach Vertragsende
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.12.1984
- Aktenzeichen
- 2 U 7/84
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1984, 16495
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1984:1214.2U7.84.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 22.11.1983 - AZ: 3 O 306/83
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 558 BGB
Fundstellen
- NJW 1985, 1715-1716 (Volltext mit amtl. LS)
- WuM 1986, 61-62 (Volltext mit amtl. LS)
Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 1984
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. November 1983 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwerde für die Beklagten: 9.010 DM.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr der gewährten Mietkaution ist nicht durch Aufrechnung erloschen. Den Beklagten steht gegen die mit der Klage geltend gemachte Rückforderung der Mietkaution eine Aufrechnungsbefugnis mit Schadensersatzforderungen aus dem beendeten Mietverhältnis der Parteien nicht mehr zu.
1.
Der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der von ihr vertragsgemäß geleisteten Mietkaution in der unbestrittenen Höhe von 9.010 DM ist begründet. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist mit Ablauf des 28. Februar 1982 beendet worden. Auch ist das Mietobjekt von der Klägerin geräumt und an die Beklagten zurückgegeben worden. Das ist unter den Parteien nicht umstritten.
Der mit der Leistung der Kaution sofort, jedoch aufschiebend bedingt durch die Vertragsbeendigung entstandene Rückzahlungsanspruch ist spätestens durch das Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 19. August 1982 zur Vornahme der Abrechnung bis zum 31. August 1982 und zur Zahlung der dem Mieter noch zustehenden Beträge am 1. September 1982 fällig geworden. Der Rückzahlungsanspruch wird erst nach Ablauf einer angemessenen Überlegungs- und Prüfungsfrist für den Vermieter nach Vertragsende fällig (von Staudinger-Emmerich, BGB, 12. Aufl. 1981, Rdn. 138 a der Vorbemerkung zu § 535, 536 BGB m.w.N.). Innerhalb der Prüfungs- und Überlegungsfrist soll dem Vermieter aufgrund der der Kautionsnahme zugrundeliegenden Sicherungsabrede Gelegenheit gegeben werden, sich durch Abrechnung mit Ansprüchen aus dem beendeten Mietverhältnis oder nach Aufrechnung mit entsprechenden Forderungen gegen den Mieter aus der Mietkaution zu befriedigen. Zur Entscheidung darüber, ob der Vermieter von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will, ist eine nach § 242 BGB zu bemessende angemessene kurze Frist einzuräumen (OLG Celle, OLGZ 66, 6 f). Im vorliegenden Falle war die angemessene Überlegungsfrist spätestens mit Ablauf des 31. August 1982 abgelaufen. Damit war eine 6-Monatsfrist abgelaufen, die der kurzen Verjährungsfrist des § 558 BGB entspricht. Dieser Zeitraum ist jedenfalls im Regelfall als längste angemessene Frist anzusehen, nach deren Ablauf dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution ein Zurückbehaltungsrecht oder eine nachfolgende Aufrechnung nicht mehr entgegengesetzt werden kann.
2.
Der fällige Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten ist nicht durch eine Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen aus dem beendeten Mietverhältnis in nicht rechtsverjährter Zeit (§ 558 BGB) erloschen.
a)
Das im Zusammenhang mit einer anderen Angelegenheit für die Beklagten abgegebene Anwaltsschreiben vom 11. März 1982 enthält eine bestimmte Aufrechnungserklärung nicht. Das ergibt bereits der eindeutige Wortlaut:
"Wir machen aber darauf aufmerksam, daß ... die Schadensersatzforderungen bleiben, die u.U. die Miteigentümergemeinschaft noch geltend machen muß. Bei Abdiktat ließ sich noch nicht übersehen, ob und in welcher Weise Schäden zurückgeblieben sind, nachdem Sie das Objekt geräumt haben. Insoweit wird zwar zunächst gegen die gestellte Kaution aufgerechnet. Die Geltendmachung eventuell weitergehender Schadensersatzforderungen bleibt ausdrücklich vorbehalten."
Dieses Schreiben enthält ersichtlich lediglich die Ankündigung einer Aufrechnungsabsicht mit noch konkret zu ermittelnden etwaigen Forderungen.
b)
In der Folgezeit bis zum 31. August 1982 ist eine Aufrechnung der Beklagten gegenüber dem Rückforderungsanspruch nicht erklärt worden.
Der Beklagte zu 1) hat mit Schreiben vom 12. März 1982 zwar eine Vielzahl von Mängeln des Mietobjektes geltend gemacht und zur Mangelbeseitigung eine Frist bis zum 26. März 1982 gesetzt mit der. Ankündigung, die Mängelbeseitigung nach Fristablauf durch Fachfirmen ausführen zu lassen. Das Antwortschreiben des Vaters der Klägerin, der dem Mietvertrag beigetreten war, vom 31. März 1982 (Bl. 78 der Beiakten 3 O 858/82 LG Hildesheim) verwies auf die fristgerechte Behebung der Mängel mit wenigen Ausnahmen (Maurerarbeiten an der Verbindungstür, Treppenhaus/große Halle sowie Abdeckung Fensterbrüstung, infolge der zu kurz bemessenen Zeit, und Tür zu einem Büroraum im Erdgeschoß), für die das Einverständnis erklärt wird, diese Mängel auf Kosten des Mieters beseitigen zu lassen. Mit Schreiben des Beklagten zu 1) vom 2. April 1982 wies dieser unter Beifügung einer handschriftlichen Mängelliste darauf hin, daß auch weitere Schäden oder Mängel nicht beseitigt seien. Eine Aufforderung zu deren Beseitigung enthält das Schreiben nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 26. April 1982 ließen die Beklagten unter Hinweis auf die Korrespondenz der Parteien mitteilen, daß sie auf die Sache zurückkämen, sobald eine abschließende Regulierung erfolgt sei. In der folgenden Zeit ist - auch auf das Aufforderungsschreiben vom 19. August 1982 - eine Aufrechnung oder Abrechnung wegen etwa durchgeführter Schadensbeseitigungsarbeiten bis zum 31. August 1982 nicht erklärt oder erteilt worden.
3.
Nach Ablauf der angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist haben die Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 20. Oktober 1982 der Klägerin unter Hinweis darauf, daß eine endgültige Abwicklung des Mietverhältnisses bisher nicht erfolgt sei und die Schäden noch nicht beseitigt worden seien, ihre Schätzung der Kosten zur Beseitigung unterlassener Schönheitsreparaturen und von sonstigen Bauschäden in Höhe von wenigstens 50.000 DM mitgeteilt. In diesem Schreiben haben sie den Mietern ausdrücklich Gelegenheit gegeben, Mängel an den Krananlagen zu beseitigen, und hinsichtlich der Heizanlage zu entscheiden, ob sie die Durchführung einer Reparatur wünschten oder damit einverstanden seien, daß eine Neuanlage installiert werde, für die die Beklagten die anfallenden Montagekosten entgegenkommenderweise übernehmen würden. Die in dem Schreiben vom 31. März 1982 aufgeführten geringen Mängel seien provisorisch beseitigt worden, wobei eine genaue Kostenabrechnung insoweit noch vorgenommen werden müßte. Unter Hinweis auf eine Beschädigung der Außentore und auf Bauschäden in der Halle sowie auf unterlassene Schönheitsreparaturen wird in dem Schreiben angefragt, ob und in welcher Weise die Mieter bereit seien, zur Beseitigung der Schäden insoweit beizutragen. Schließlich wird in dem Schreiben "nunmehr" mit den Kosten für die Heizungsanlage und für die ordnungsgemäße Herstellung der Krananlagen gegen die Beträge aufgerechnet, die als Mietsicherheit zurückverlangt würden. Der Inhalt dieses Schreibens sowie die weiteren im Laufe des Rechtsstreits abgegebenen Aufrechnungserklärungen vermögen den fälligen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Mietkaution nicht zum Erlöschen zu bringen.
4.
Die Kaution ist Sicherheitsleistung für eine künftige Forderung (MünchKomm-Voelskow, Rdz. 9 zu § 559 BGB). Die Kautionsvereinbarung als Sicherungsabrede bezweckt, dem Kautionsnehmer den Kautionsbetrag längstens bis zum Ablauf der angemessenen Überlegungsfrist nach Beendigung des Vertrages als Sicherheit in der Weise zur Verfügung zu stellen, daß der Kautionsnehmer sich - nach Aufrechnung mit fälligen Forderungen - daraus befriedigen kann. Nach Ablauf der angemessenen Überlegungsfrist nach Beendigung des Mietverhältnisses, ist die gezahlte Kaution dann kein Haftungsobjekt mehr, wenn der Kautionsnehmer von seiner Aufrechnungs- und Befriedigungsmöglichkeit innerhalb dieser Zeit keinen Gebrauch gemacht hat. Der Rückforderungsanspruch ist nach Fristablauf unter diesen Voraussetzungen von der Einredebelastung des § 390 Satz 1 BGB frei und steht dem Kautionsgeber seinerseits zur Aufrechnung zur Verfügung, weil sich dies aus dem Schuldverhältnis, das zur Kautionsbestellung führte, ergibt (§ 273 Abs. 1 BGB, Celle, OLGZ 66, 6 f). Anstatt über den Rückforderungsanspruch durch Aufrechnung zu verfügen, muß es mithin dem Kautionsgeber auch gestattet sein, sein unbedingtes Rückgabeverlangen geltend zu machen, jedenfalls dann, wenn diesem allenfalls bestrittene Forderungen des Kautionsnehmers entgegenstehen. Eine solche Verpflichtung des Kautionsnehmers zur unbedingten Rückgabe der Sicherheit ergibt sich aus dem der Kautionsabrede zugrundeliegenden Sicherungszweck. Dieser schließt ein über die angemessene Überlegungszeit hinausgehendes Zurückbehaltungsrecht aus. Es verstößt mithin gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Kautionsnehmer, der weder innerhalb angemessener Frist über die Kaution abgerechnet noch sich nach Aufrechnung mit fälligen Forderungen aus der Sicherheit befriedigt hat, sich gleichwohl durch Verweigerung der Auskehr einer - verbleibenden - Sicherheit aus der Kautionsleistung eine etwaige Aufrechnungsmöglichkeit mit verjährten Forderungen (§ 390 Satz 2 BGB) erhalten will. Dabei kann dahinstehen, ob im vorliegenden Falle für die Beklagten eine Aufrechnungslage vor dem 1. September 1982 überhaupt bestanden hat. Denn die Kautionsabrede verpflichtete die Beklagten, innerhalb der Überlegungszeit die Abrechnung vorzunehmen und in diesem Zusammenhang auch ihre Forderungen, bei denen eine Aufrechnungslage gegeben war, durch Abgabe von Aufrechnungserklärungen in jeweils bestimmter Höhe geltend zu machen. Das Unterlassen der Beklagten hat zum Verlust der Sicherungsmöglichkeiten aus dem Kautionsbetrag geführt mit der Folge, daß auch künftige Aufrechnungen ausgeschlossen sind. Deshalb konnten das Anwaltsschreiben vom 20. Oktober 1982, soweit darin überhaupt eine ordnungsgemäße Aufrechnungserklärung zu sehen ist, sowie die weiteren Aufrechnungserklärungen im Verlaufe des Rechtsstreits ein Erlöschen des Rückforderungsanspruches nach § 389 BGB nicht mehr herbeiführen. Insoweit enthält die aus Anlaß der Kautionsgestellung getroffene Sicherungsabrede einen stillschweigenden vertraglichen Ausschluß der Aufrechnungsmöglichkeit aus § 390 Satz 2 BGB.
5.
Bei dieser Rechtslage brauchte nicht entschieden zu werden, ob die geltend gemachten Aufrechnungsforderungen begründet sind.
6.
Die Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Wert der Beschwerde für die Beklagten: 9.010 DM.
Der Wert der Beschwede ist gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt worden.