Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.02.1981, Az.: IX 244/79

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.02.1981
Aktenzeichen
IX 244/79
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 23078
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1981:0202.IX244.79.0A

Tatbestand:

1

Streitig ist, ob der Kläger verpflichtet ist, die auf das Folgejahr entfallenden Prämienanteile für Gebäude-, Haftpflicht- und Kraftfahrzeugversicherungen in seiner Bilanz aktiv abzugrenzen.

2

Der Kläger ist Schlachtermeister. In den Bilanzen der Jahre 1970 bis 1974 -; Bilanzen für frühere Jahre liegen dem Gericht nicht vor -; wies der Kläger aktive Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) von 1. 200 DM für 1970 und jeweils 1. 600 DM für die Jahre 1971 bis 1974 aus. Die Gewinne dieser Jahre betrugen laut Bilanz 81. 599 DM, 103. 210 DM, 115. 275 DM, 73. 455 DM und 140. 837 DM. Die Bilanz per 31. Dezember 1975 mit einem Gewinn von 119. 654 DM enthielt keinen aktiven RAP. In den Jahren 1976 und 1977 wies der Kläger ebenfalls keinen aktiven RAP aus.

3

Nach einer in der Zeit vom 1. bis 9. August 1977 beim Kläger für die Jahre 1973 bis 1975 vorgenommenen Betriebsprüfung führte der Prüfer in seinem Bericht vom 27. Oktober 1977 u.a. aus (Tz. 12):

4

Die auf den 31. Dezember 1975 festgestellten RAP für Versicherungsbeiträge von 1. 950 DM sind nicht unerheblich und gemäß § 5 Abs. 3 EStG zu aktivieren.

5

Außerdem erhöhte er die "sonstigen Verbindlichkeiten" um 450 DM für anteilige Kraftfahrzeugsteuer für 1975, die erst Anfang 1976 bezahlt worden ist. Der Beklagte (das Finanzamt -; FA -;) folgte dieser Auffassung setzte durch geänderten Bescheid vom 13. April 1978, bestätigt durch Einspruchsbescheid vom 5. April 1979, die Einkommensteuer des Klägers und seiner mit ihm zusammen veranlagten Ehefrau nach einem zu versteuernden Einkommensbetrag von 135. 282 DM auf 52. 124 DM fest.

6

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger die Rückgängigmachung der Gewinnerhöhung um 1. 950 DM begehrt. Er meint, die Grundsätze der richtigen Periodenabgrenzung dürften nicht übertrieben werden. Unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung der. Buchführung sei ein sofortiger Abzug der Versicherungsbeiträge zulässig, zumal die Ausgaben jährlich in etwa gleicher Höhe wiederkehrten. Die streitigen Beträge seien nur von untergeordneter Bedeutung. Auch die steuerliche Auswirkung sei nicht von Belang; die RAP betrügen nur rd. 1,5 v.H. vom Gesamtgewinn.

7

Außerdem habe der Prüfer fälschlich nur 450 DM Kraftfahrzeugsteuer als "sonstigen Verbindlichkeiten" eingestellt. Richtig sei die volle Jahressteuer einschließlich der Säumniszuschläge als Verbindlichkeit zu passivieren und der auf das Folgejahr entfallende Betrag als aktiver Rechnungsabgrenzung zu passivieren. Eine Saldierung dieser beiden Posten sei nicht zulässig. Selbst bei Saldierung belaufe sich die "sonstige Verbindlichkeit" auf 726 DM statt 450 DM.

8

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Bescheids vom 13. April 1978 und Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 5. Juli 1979 die Einkommensteuer nach einem um 1. 950 DM niedrigeren Gewinn festzusetzen.

9

Das FA beantragt,

die Einkommensteuer nach einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 129. 699 DM festzusetzen.

10

Es stimmt dem Kläger insoweit zur als 726 DM rückständige Kraftfahrzeugsteuer als "sonstige Verbindlichkeit" zu berücksichtigen, der Gewinn demnach um 276 DM zu mindern ist. Im übrigen, so meint das FA, seien die streitigen Beträge nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung als aktive RAP anzusetzen, da sie Aufwendungen für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlußstichtag darstellten(§ 5 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes -; EStG -;, § 152 Abs. 9 Nr. 1 des Aktiengesetzes -; AktG -;). Bei einer steuerlichen Auswirkung von rd. 1. 000 DM einschließlich Gewerbesteuer könne der RAP nicht mehr als unwesentlich angesehen werden. Außerdem schwanke der Betrag, z.B. beim Wechsel eines Kraftfahrzeugs.

11

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf deren Schriftsätze und die Steuerakten Bezug genommen. Die Verteidiger haben auf mündlichen Verhandlung berichtet.

Gründe

12

Die Klage hat Erfolg. Der Kläger ist wegen Geringfügigkeit der in Betracht kommenden Beträge nicht zur Abgrenzung verpflichtet.

13

Die streitigen Kosten gehören zu den sogenannten transitorischen Aktiva. Hierzu bestimmt § 152 Abs. 9 Nr. 1 AktG: Als RAP dürfen nur ausgewiesen werden auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlußstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Aus dem Gesetzeswortlaut ist nicht klar ersichtlich, ob es sich hierbei um ein Aktivierungswahlrecht (dürfen nur, aber brauchen nicht) oder um eim Aktivierungsgebot (dürfen nur und müssen dann auch) handelt. Nach Adler-Düring-Schmaltz (Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, § 152 Rdn 184) erfordern die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für die Erstellung einer Bilanz die richtige Zurechnung von Aufwand und Ertrag, so daß der Ausweis von RAP nicht in das Belieben des Bilanzierenden gestellt ist, sondern grundsätzlich eine Pflichtzum Ansatz von RAP besteht (ebenso Großkommentar zum Aktiengesetz Bd. II § 152 Anm. 89). Auf den Ansatz von RAP kann allerdings dort verzichtet werden, wo wegen der Geringfügigkeit der in Betracht kommenden Beträge eine Beeinträchtigung des in § 149 Abs. 1 AktG geforderten Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage nicht zu befürchten ist. Auf die Abgrenzung regelmäßig wiederkehrender, betragsmäßig bedeutungsloser Beträge, wie z.B. Steuern und Versicherungen für einen nur aus wenigen Fahrzeugen bestehenden Fuhrpark kann danach verzichtet werden. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 EStG sind als RAP nur anzusetzen auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlußstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Steuerlich besteht danach ein Aktivierungsgebot (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 5 EStG Anm. 51 e; Littmann, Das Einkommensteuerrecht §§ 4, 5 EStG Rdn. 530). Das entspricht auch den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen, daß die im Handelsrecht für aktivierungspflichtig oder aktivierungsfähig erklärten Gegenstände steuerlich stets zu aktivieren sind (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -; BFH -; vom 3. Februar 1969 Gr. S. 2/68, BStBl II 1969 291).

14

Der BFH hat -; schon vor Geltung des § 152 Abs. 9 Nr. 1 AktG und des § 5 Abs. 3 Nr. 1 EStG -; Ausnahmen vom Aktivierungsverbot für RAP zugelassen (vgl. Urteile vom 13. Mai 1958 I 290/56 U, BStBl III 1958,331; vom 22. Mai 1958 IV 222/56 U, BStBl III 1958, 333; vom 16. September 1958 I 351/56 U, BStBl III 1958, 462 und vom 2. Juni 1960 IV 114/58, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -; HFR -; 1961, 73). Dabei wird insbesondere dem Gedanken der Vereinfachung der Buchführung Rechnung getragen. Die Grundsätze der richtigen Periodenabgrenzung dürfen nicht übertrieben werden. Es kann von dem Steuerpflichtigen nicht verlangt werden, daß er jede laufende Ausgabe daraufhin untersucht, ob und mit welchem Anteil sie sich möglicherweise auf den Ertrag der folgenden Wirtschaftsjahre auswirken werde, um dementsprechende RAP zu bilden. Eine Pflicht zur Aktivierung besteht nicht bei geringfügigen, in der Höhe ungefähr gleichmäßig wiederkehrenden Beträgen, die das Geschäftsergebnis nicht wesentlich beeinflussen und deren Abgrenzung mit dem verursachten Buchungsaufwand unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Betriebes nicht in angemessenem Verhältnis steht.

15

Diese Grundsätze haben durch die später erfolgte Einführung des § 152 Abs. 9 Nr. 1 AktG 1965 und des § 5 Abs. 3 Nr. 1 EStG keine Änderung erfahren. § 152 Abs. 9 AktG verbietet lediglich die Bildung anderer als der dort ausdrücklich erwähnten RAP. § 5 Abs. 3 Nr. 1 EStG gebietet zwar die Bilanzierung transitorischer Aktivposten, wie es auch bereits früher den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprach, es ist jedoch nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen damit zur Abgrenzung lediglich geringfügiger Beträge zwingen wollte. An die bilanzmäßige Erfassung geringfügiger RAP dürfen auch weiterhin keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (vgl. Römer, keine Überspannung der Rechnungsabgrenzung, Betriebs-Berater -; BB -; 1968, 705; Döllerer, Wahlrechte bei Aufstellung der Bilanz, DB 1969, 1445; Nies, Wahlrechte bei Aufstellung der Bilanz? Der Betrieb 1970, 1798).

16

Im Streitfall handelt es sich um 10 Versicherungen (Gebäude-, Haftpflicht-, Kraftfahrzeug-Versicherung) sowie Schließgebühren, die sämtlich für ein Jahr im voraus gezahlt und zu unterschiedlichen Terminen fällig werden. Die abzugrenzenden Beträge, zwischen 1/24 und 9/12 der Jahresprämie, d.h. zwischen 24 DM und 433 DM dürften jährlich in etwa die gleiche Höhe haben. Der Wechsel der Versicherung oder des Fahrzeugs führen kaum zu wesentlichen Schwankungen, zumal in aller Regel bei Veräußerung eines Kraftfahrzeugs ein gleichwertiges Fahrzeug wiederbeschafft wird.

17

In welcher Höhe RAP wegen "Geringfügigkeit" außer Ansatz bleiben können, ist aus der Rechtsprechung des BFH nicht eindeutig ersichtlich. Die aktive Rechnungsabgrenzung der auf Anzahlungen entrichteten Umsatzsteuer zwischen 220 DM und 3. 002 DM (Urteil IV 222/56 U) und zwischen 5. 200 DM und 80. 000 DM (Urteil I 290/56 U) wird für notwendig erachtet, wobei insbesondere die jährlich stark wechselnde Höhe bedeutsam ist. Im Urteil I 351/56 U hat der BFH auf die Abgrenzung von Finanzierungskosten (Grundbuchamts- und Notariatskosten für die Beschaffung einer Hypothek) in Höhe von rd. 2. 200 DM verzichtet. Nach dem BFH-Urteil I 189/60 U ist die Abgrenzung wegen sogenannter Schlußmarken von 300 DM und 400 DM je Bilanzstichtag nicht erforderlich; das Urteil IV 114/58 hält die Forderung auf Aktivierung von 530 DM Diskontspesen für überspannt. Das Finanzgericht Düsseldorf -; Senate in Köln -; hat in seinem Urteil vom 18. Juli 1967 VII 582-;584 E (Deutsche Steuerzeitung/Eildienst 1967, 423) abzugrenzende Betriebs- und Kraftfahrzeugversicherungen sowie Kraftfahrzeugsteuer von 1. 500 DM, 2. 000 DM, 2. 000 DM und 2. 200 DM für vier aufeinander folgende Bilanzstichtage (1960 bis 1963) als geringfügig angesehen. Hiernach erscheint es dem Senat auch von der Hohe her gerechtfertigt, auf eine aktive Rechnungsabgrenzung des Betrages von 1. 950 DM zu verzichten.

18

Das Verlangen des FA auf Aktivierung der Versicherungsprämien kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß der Kläger in den Vorjahren entsprechende RAP gebildet hat. Der Steuerpflichtige kann allerdings nicht bei jeder Bilanzerstellung neu entscheiden, ob er wegen Geringfügigkeit von der Abgrenzung derartiger Kosten absehen will; er muß vielmehr bei der einmal gewählten Methode bleiben. Die Bildung oder das Fortlassen von RAP darf nicht der Gewinnmanipulation dienen. Allerdings kann der Steuerpflichtige nicht für alle Zeiten an der einmal gewählten Methode festgehalten werden. Im Streitfall hatte der Kläger zwar bis zur Bilanz per 31. Dezember 1974 aktive RAP gebildet, dann aber ab 1975 davon abgesehen. Es deutet nichts darauf hin, daß der Kläger lediglich zum Zweck der Gewinnmanipulation oder der Steuerersparnis auf die aktive Rechnungsabgrenzung für die Jahre 1970 und folgende verzichtet hat.

19

Nach allem war der Gewinn lt. Bescheid vom 13. April 1978 um 1. 950 DM herabzusetzen. Nach dem Antrag des FA wäre der Gewinn um weitere 276 DM zu mindern gewesen, der Senat vermag jedoch über den Antrag des Klägers nicht hinauszugehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -; FGO -;). Die Einkommensteuer errechnet sich danach wie folgt:

zu versteuernder Einkommensbetrag

lt. angefochtenem Bescheid vom 13.4.78

135.282,-; DM

./. streitige RAP

1.950,-; DM

zu versteuernder Einkommensbetrag

133.332,-; DM

Einkommensteuer lt. Splitting-Tabelle

51.134,-; DM.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.