Amtsgericht Bersenbrück
Urt. v. 27.09.1995, Az.: 1634-9-4 C 463/95

Zulässige Höhe der vereinbarten Vorauszahlungen auf Betriebskosten in einem Mietverhältnis; Anwendung von § 4 Abs. 1 Miethöhegesetz (MHG) auf Festpreisabsprachen; Aufbürden eines Kalkulationsrisikos bei Vereinbarung eines Festpreises

Bibliographie

Gericht
AG Bersenbrück
Datum
27.09.1995
Aktenzeichen
1634-9-4 C 463/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 30663
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGBERSB:1995:0927.1634.9.4C463.95.0A

Fundstelle

  • NJW-RR 1996, 656-657 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Feststellung der Unwirksamkeit einer Nebenkostenvereinbarung

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Bersenbrück
auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 1995
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, daß § 4 des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages vom 12. Dezember 1991 über die Wohnung in Bramsche, Vördener Damm 56, unwirksam ist, soweit der monatlich auf die Betriebskosten zu zahlende Festbetrag 190,00 DM übersteigt.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 700,00 DM abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag vom 12. Dezember 1991 über die im Urteilstenor erwähnte Etagenwohnung. Es handelt sich um eine 50-55 qm große 2-Zimmer-Wohnung. Das Mietverhältnis begann am 1. Januar 1992 und ist zu Ende Februar 1996 gekündigt worden. In § 4 des ursprünglich von dem Bruder der Klägerin Pedro Georgiu ausgehandelten Vertrag ist geregelt worden, daß der Mieter auf die Betriebskosten einen monatlichen Festbetrag von 320,00 DM zahlt. Wegen dieser Vereinbarung im einzelnen wird auf den schriftlichen Mietvertrag Bezug genommen. Die monatliche Nettomiete beläuft sich auf 530,00 DM.

2

Die Klägerin ist der Auffassung, die Nebenkostenvereinbarung sei unwirksam. Da allenfalls an Betriebskosten monatlich 150,00 DM verbraucht werde, bestehe ein auffälliges Mißverhältnis zwischen dem Festbetrag von 320,00 DM monatlich und den tatsächlich anfallenden Kosten.

3

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß die Regelung des § 4 des Mietvertrages, wonach sie einen monatlichen Festbetrag auf die Betriebskosten in Höhe von 320,00 DM zu zahlen hat, unwirksam ist.

4

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Er hält die Bestimmung für wirksam. Sie sei im einzelnen mit dem Bruder der Klägerin, der zunächst die Wohnung habe beziehen wollen, ausgehandelt worden. Da nicht genau festgestanden habe, wieviele Personen in der Wohnung leben würden, weil griechische Landsleute von ihm nachziehen könnten, habe man sich auf die Nebenkostenpauschale von 320,00 DM geeinigt. Zudem sei das Berufen der Klägerin auf die Unwirksamkeit der Betriebskostenregelung treuwidrig.

6

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

8

Die Betriebskostenregelung in § 4 des Vertrages ist nicht im ganzen unwirksam, sondern nur insoweit, als sie den angemessenen Betrag von 190,00 DM übersteigt.

9

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung eines Festbetrages von 320,00 DM nach §§ 134, 138 BGB i.V.m. § 5 Abs. 1 WiStG (in der bis zum 31. August 1993 geltenden Fassung) sittenwidrig ist bzw. gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Die Vereinbarung des Festpreises ist nämlich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 MHG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Nach § 4 Abs. 1 MHG dürfen Vorauszahlungen auf die Betriebskosten nur in angemessener Höhe vereinbart werden. Dem Wortlaut nach findet diese Vorschrift auf Festpreisabsprachen keine Anwendung. Jedoch läßt sich Sinn und Zweck dieser Vorschrift entnehmen, daß auch in diesen Fällen nur ein angemessenes Entgelt für die vom Vermieter erbrachten Leistungen vereinbart werden darf. Denn wenn bereits Vorauszahlungen, über die dann noch jährlich abgerechnet werden muß, nur in angemessener Höhe festgesetzt werden dürfen, muß dies erst recht für Festpreise gelten, für die eine Abrechnung nach tatsächlich erbrachter Leistung nicht erfolgt. § 4 Abs. 1 MHG ist daher auf vereinbarte Festpreise für Betriebskostenzahlungen anzuwenden. Die vereinbarten Betriebskosten von pauschal 320,00 DM sind unangemessen hoch. Die Behauptung der Klägerin, sie verbrauche monatlich allenfalls Nebenleistungen der in § 4 MHG aufgeführten Art in Höhe von 150,00 DM, blieb unstreitig. Durch den Festpreis wird allerdings dem Vermieter das Kalkulationsrisiko aufgebürdet. Dieses Risiko ist entsprechend zu berücksichtigen. Es ist also nicht allein darauf abzustellen, welche Kosten tatsächlich entstanden sind oder bei einer vergleichbaren Wohnung entstehen würden, sondern der entsprechende Betrag ist um einen Risikozuschlag zu erhöhen. Erst wenn dieser erhöhte Betrag in einem auffälligen Mißverhältnis zu einem vereinbarten Betrag steht, ist die Regelung unwirksam. Bei dem von der Klägerin behaupteten tatsächlichen Kostenanfall von 150,00 DM schätzt das Gericht das Risiko, daß tatsächlich mehr verbraucht werden könnte, auf monatlich 40,00 DM. Dabei hat es auch berücksichtigt, daß evtl. weitere Personen nachziehen könnten, wobei allerdings zu bedenken ist, daß die Anzahl zusätzlich einziehender Personen äußerst beschränkt sein dürfte, wenn die maximal nur 55 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung nicht überbelegt werden soll.

10

Somit ist nach Auffassung des Gerichts ein monatlicher Festbetrag von 190,00 DM für die Betriebskosten angemessen. Soweit ein höherer Betrag vereinbart worden ist, verstößt dieser gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 1 MHG. Ob außer der Höhe des vereinbarten Festbetrages weitere Regelungen bezüglich der Betriebskosten unwirksam sind, braucht das Gericht nicht zu entscheiden, da laut Klageantrag nur die Regelung der Betriebskostenhöhe angegriffen wird.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin ist teilweise unterlegen, weil sie den Feststellungsantrag nicht darauf beschränkt hat, daß die geregelte Höhe der Betriebskostenpauschale nur bezüglich des den angemessenen Betrag übersteigenden Betrages unwirksam ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 711, 708 Nr. 11 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 6. September 1995 auf 4.000,00 DM festgesetzt.