Amtsgericht Lehrte
Beschl. v. 11.05.2006, Az.: 8 F 8446/05 UG

Ausschluss des Umgangsrechts des nicht mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils aus Gründen des Kindeswohls; Versagung des Umgangsrechts aufgrund erheblicher Spannungen zwischen den Familien mütterlicherseits und väterlicherseits; Vermeidung von Loyalitätskonflikten

Bibliographie

Gericht
AG Lehrte
Datum
11.05.2006
Aktenzeichen
8 F 8446/05 UG
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 33059
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGLEHRT:2006:0511.8F8446.05UG.0A

Fundstellen

  • FF 2006, 278-279 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • ZFE 2006, 396-397 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Umgang mit
1. ... geboren am 30.08.2000,
2. ... geboren am 01.08.2002

In der Familiensache
hat das Amtsgericht - Familiengericht - Lehrte
durch
den Richter am Amtsgericht Wentzel
auf die mündliche Verhandlung vom 27. 04. 2006
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag auf Regelung des Umgangsrechts mit den Kindern ... und ... zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Gerichtskosten tragen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten tragen die Parteien jeweils selbst.

  3. 3.

    Der Geschäftswert beträgt (3.000 EUR + 1.000 EUR =) 4.000 EUR.

Gründe

1

Die nicht rechtsgültig miteinander verheirateten und nicht zusammenlebenden Parteien sind die Eltern der minderjährigen Kinder ..., geboren am 30. 08. 2000, und ... geboren am 01. 08. 2002. Sie gehören zur yezidischen Glaubensgemeinschaft. Die Kinder leben bei der Antragsgegnerin. Der Antragsteller begehrt die Einräumung eines regelmäßigen Umgangsrechts mit den Kindern.

2

Die Parteien lebten bis in das Jahr 2004 zusammen. In diesem Jahr hatte der Antragsteller auch zuletzt persönlichen Kontakt mit seinen Kindern.

3

Der Antragsteller trägt vor, die Parteien seien seit 1999 nach yezidischem Glauben verheiratet. Während des Zusammenlebens habe er guten und herzlichen Kontakt mit den Kindern gehabt. Die Antragsgegnerin unterbinde Besuchskontakte. Zur Vermeidung einer weiteren Entfremdung zwischen ihm und den Kindern seien regelmäßige Umgangskontakte dringend erforderlich.

4

Der Antragsteller beantragt,

ihm das Recht zuzugestehen,

die Kinder ... sowie ... regelmäßig wie folgt zu sich zu nehmen:

jedes zweite Wochenende in der Zeit von Freitags 16.00 Uhr bis Sonntags 18.00 Uhr,

an den hohen Feiertagen jeweils am 2. Feiertag von 10.00 Uhr bis zum darauffolgenden Wochentag bis 18.00 Uhr,

in den Sommerferien für einen Zeitraum von 3 Wochen, in den Oster- und Herbstferien für einen Zeitraum von einer Woche,

die Antragsgegnerin anzuweisen, die Kinder zu den festgelegten Zeiten pünktlich zur Abholung durch den Antragsgegner bereit zu halten und sie ggf. durch erzieherische Maßnahmen anzuhalten, mit dem Antragsgegner zu gehen,

der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen Zwangsgeld anzudrohen.

5

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

6

Sie trägt vor, die Parteien seien nie miteinander verheiratet gewesen. Der Antragsteller habe in der Vergangenheit wenig Beziehung und Kontakt mit den Kindern gehabt. ... kenne den Antragsteller nicht, ... habe ihn inzwischen vergessen. Bei ... bestünden erhebliche Störungen in Form von erheblicher Entwicklungsverzögerung, Sprachproblemen und erheblichen Trennungs- und Verlustängsten. Ein Umgangsrecht in der vom Antragsteller gewünschten Form sei nicht denkbar. Zwischen den Familien der Parteien habe es Auseinandersetzungen gegeben, bei denen der Bruder der Antragsgegnerin von Angehörigen des Antragstellers mit einem Messer verletzt worden sei.

7

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

8

Das Jugendamt ... wurde am Verfahren beteiligt und hat schriftlich Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der schriftlichen Stellungnahme des Jugendamtes vom 16.02.2006 (Bl. 30 f d.A.) Bezug genommen.

9

Das Kind ... und die Parteien wurden persönlich angehört.

10

Der Antrag des Antragstellers auf Umgangsregelung war zurückzuweisen. Der mit der Ablehnung der beantragten Besuchsregelung verbundene derzeitige Ausschluss des Umgangsrechts ist nach Auffassung des Gerichts aus Gründen des Kindeswohls momentan erforderlich (§ 1684 Abs. 4 BGB).

11

Grundsätzlich hat der nicht mit den Kindern zusammen lebende Elternteil das Recht und die Pflicht zum Umgang mit den Kindern und in der Regel ist anzunehmen, dass regelmäßige persönliche Kontakte der Kinder mit dem Elternteil dem Kindeswohl dienlich sind. Im hier vorliegenden Fall ist jedoch auf Grund besonderer Umstände eine andere Beurteilung geboten. Zwischen den Familien des Antragstellers einerseits und der Antragsgegnerin bestehen unstreitig nicht unerhebliche Spannungen. Nach Angaben der Antragsgegnerin gab es in der Vergangenheit bereits Konflikte zwischen den Familien, die teilweise gewalttätig ausgetragen wurden. Der von der Antragsgegnerin angeführte Vorfall, dass ihr Bruder von Angehörigen der Antragstellerfamilie mit dem Messer verletzt wurde und dieser Vorfall auch strafrechtlich sanktioniert wurde, ist unbestritten. Das Gericht hat anlässlich des Verhandlungstermins selbst einen Eindruck von dem Verhältnis der beiderseitigen Familien gewinnen können. Danach hat sichrer Eindruck ergeben, dass es sich nicht nur um "Spannungen" handelt, sondern ein regelrecht feindseliges Verhältnis besteht. Der Antragsteller hatte kurz vor dem Termin besondere Sicherungsmaßnahmen verlangt, da seitens der Familie der Antragsgegnerin ihm und seiner Familie Gewalt angedroht worden sei. Zum Verhandlungstermin, zu dem der Antragsteller nur von seinem Vater begleitet wurde, war die Antragsgegnerin mit ihrer Schwester und einer größeren Anzahl weiterer Personen erschienen, die sich während der nichtöffentlichen Verhandlung im Gerichtsflur vor dem Sitzungssaal aufhielten. Innerhalb des Gerichtsgebäudes - im Flur waren mehrere Gerichtswachtmeister und zusätzlich mehrere uniformierte Beamte der Polizei Lehrte zugegen, die seitens des Gerichts für den Termin angefordert worden waren - fanden keine Übergriffe statt. Nach Ende des Termins, als die Beteiligten und ihre Begleitpersonen sich aus dem Gerichtsgebäude hinaus begeben hatten, drohte jedoch draußen eine Eskalation, die dadurch unterbunden werden musste, dass die Polizeibeamten einschritten und dafür sorgten, dass Übergriffe unterblieben. Es ist seitens des Gerichts nicht vorstellbar, wie angesichts eines derart konfliktträchtigen Verhältnisses der beiderseitigen Familien eine Abwicklung von Umgangskontakten des Antragstellers mit den Kindern in einem dem Kindeswohl nicht schädlichen Rahmen stattfinden soll. Nach Einschätzung des Gerichts würde der Antragsteller nicht ohne Sicherheitsmaßnahmen zur Abholung und Rückgabe der Kinder nach Lehrte kommen können. Besuchskontakte unter Polizeischutz wären schon praktisch kaum durchführbar. Darüber hinaus wäre es nach Ansicht des Gerichts auch den Kindern nicht zuzumuten, unter solchen Umständen zwischen den beiden Familien hin und her zu wechseln. Zudem kann auch ... und ... nicht verborgen sein, dass zwischen der Familie mütterlicherseits und der väterlichen Familie gegenseitige Ablehnung besteht. Sie würden mit zunehmenden Alter immer mehr in einen Loyalitätskonflikt geraten, wenn sie die vom Antragsteller gewünschten Besuchskontakte wahrnehmen müssten.

12

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 13 a FGG, 30 Abs. 2, 94 KostO.

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert beträgt (3.000 EUR + 1.000 EUR =) 4.000 EUR

Wentzel