Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.01.1989, Az.: L 4 Kr 38/87
Rechtsgrundlage eines Zahlungsanspruchs eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse wegen der stationären Behandlung eines Versicherten; Vorliegen einer kassenärztlichen Verordnung; Reichweite der "Notfallrechtsprechung"
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 18.01.1989
- Aktenzeichen
- L 4 Kr 38/87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 20808
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:1989:0118.L4KR38.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück - 25.03.1978 - AZ: S 3 Kr 45/85
Rechtsgrundlagen
- §§ 371 ff. RVO
- § 51 Abs. 1 SGG
- § 20 BMV-Ä
Fundstelle
- NJW 1989, 1566-1567 (Volltext mit red. LS)
Der 4. Senat des Landesszialgerichts Niedersachsen in Celle hat
ohne mündliche Verhandlung
am 18. Januar 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht L...
den Richter am Landessozialgericht S...-W...,
den Richter am Landessozialgericht R... sowie
die ehrenamtlichen Richter E...B... und G...B...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt als Trägerin der Städtischen Kliniken 0 ... von der Beklagten die Bezahlung der Kosten, die ihr durch die stationäre Behandlung des Beigeladenen in der Zeit vom 09.08.1983 bis 11.08.1983, vom 19.02.1984 bis 23.02.1984 und vom 03.09.1984 bis 04.09.1984 entstanden sind (insgesamt 2.397,50 DM).
Der Beigeladene ist als Rentner Mitglied der Beklagten. Er ist ein sog "Krankenhauswanderer" und befand sich in den Jahren 1983 und 1984 fast ununterbrochen in verschiedenen Krankenhäusern, ua in den Städtischen Kliniken 0 ... .
Bei dem Beigeladenen besteht ein hirnorganisches Psychosyndrom und eine Herzerkrankung, die 1984 zur Implantation eines Herzschrittmachers führte.
Die Beklagte, die gegenüber der Klägerin keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hatte, lehnte die Übernahme der Krankenhauskosten ab, weil der Beigeladene seine Krankheitszustände vorgetäuscht habe und eine ambulante Untersuchung ausgereicht hätte. Außerdem habe die Krankenhausgesellschaft mit Rundschreiben Nr. 142/83 vom 20.06.1983 auf die Verhaltensweise des Beigeladenen hingewiesen.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage ausgeführt, daß ihr ein öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen die Beklagte deshalb zustehe, weil der Beigeladene durch Kassenärzte in ihre Kliniken eingewiesen worden sei. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen die Beklagte ergebe sich auch aus den Rahmenverträgen der §§ 371 ff RVO bzw. aus den allgemeinen Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Krankenhausverbänden. Die Krankenkassen seien danach verpflichtet, dem Krankenhaus die Aufwendungen zu ersetzen, die ihm durch die Behandlung eines Versicherten entstanden seien. Im übrigen sei sie als Nothelfer tätig geworden.
Das Sozialgericht (SG) 0 ... hat das Aktengutachten des Dr. M ... vom 10.09.1986 erstatten lassen. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, es sei nicht erforderlich gewesen, den Beigeladenen in die Städtischen Kliniken 0 ... stationär aufzunehmen, eine ambulante Untersuchung hätte jeweils ausgereicht.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 25.03.1987, auf das Bezug genommen wird, abgewiesen: Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Übernahme der strittigen Kosten durch die Beklagte zu. Die Beklagte habe keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben, ein sonstiger Anspruch scheitere daran, daß auch der Versicherte keinen Anspruch auf Kostenübernahme gegen die Beklagte habe. Der Versicherte habe seine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit lediglich vorgetäuscht.
Die Klägerin, die gegen dieses Urteil Berufung eingelegt hat, beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts O ... vom 25.03.1987 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.397,50 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akten der Beklagten und des SG Münster S 14 Kr 23/86 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht hat gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Die Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Der erkennende Senat ist in vergleichbar gelagerten Fällen (Urteile vom 21.10.1987 - L 4 Kr 47/85 -, vom 27.04.1986 - L 4 Kr 71/84 - und vom 23.04.1986 - L 4 S 1/85 - mwN) zu dem Ergebnis gekommen, daß bei der Klage eines Krankenhausträgers eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung iS des § 51 Abs. 1 SGG und ein begründeter Anspruch nur dann gegeben sein kann, wenn die beklagte Krankenkasse dem Krankenhaus gegenüber eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat oder wenn der Versicherte dem Krankenhaus seinen Anspruch, den er gegen die Krankenkasse hat, abgetreten hat. Es besteht im vorliegenden Rechtsstreit keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen (vgl. auch BGHZE 89, 250, 255).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Beklagte der Klägerin gegenüber keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat, die den Beigeladenen betrifft, und daß der Beigeladene der Klägerin keine etwaigen Ansprüche gegen die Beklagte abgetreten hat. Hiervon war das Gericht ausdrücklich auch in seinem an die Beteiligten gerichteten Schreiben vom 17.10.1988 ausgegangen, ohne daß die Klägerin in ihren nachfolgenden Stellungnahmen dem widersprochen hätte.
Der Klägerin stehen auch keine anderen öffentlich- rechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu, über die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden hätten. Die Beklagte wäre zur Übernahme der geltend gemachten Kosten auch dann nicht verpflichtet, wenn ein Kassenarzt die Krankenhauspflege verordnet hätte. Der erkennende Senat teilt die vom Bundessozialgericht (BSG) mehrfach, zuletzt in dem Urteil vom 11.10.1988 - 3/8 RK 20/87 - (DOK 1988, 687) zum Ausdruck gebrachte Auffassung, daß der Kassenarzt keine Rechtsentscheidung über die Verpflichtung der Krankenkasse zur Leistungserbringung treffen kann. Das ist nicht seine Aufgabe und das ergibt sich auch aus keiner Bestimmung der RVO oder aus ihr nachgeordnetem Recht; es ergibt sich insbesondere nicht aus § 20 BMV-Ä.
Schließlich kann die Klägerin ihren Anspruch auch nicht aus den §§ 371 ff RVO oder vergleichbaren Verträgen herleiten. Diese Vorschriften regeln allein die öffentlichrechtlichen Verhältnisse der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern. Die Wirkung eines Vertrages iS der §§ 371 ff RVO erschöpft sich in der Begründung des Status als Vertragskrankenhaus mit der generellen Berechtigung, Versicherte zu Lasten der Krankenversicherungsträger zu behandeln. Er ist dagegen kein Beschaffungsvertrag, mit dem die Erbringung der Sachleistung Krankenhauspflege an den einzelnen Versicherten sichergestellt werden soll (so BSGE 51, 126, 131 [BSG 27.01.1981 - 5a/5 RKn 14/79]; LSG Niedersachsen Urteil vom 23.04. 1986 - L 4 S 1/85 -).
Zu einem anderen Ergebnis ist auch nicht der 8. Senat des BSG in seinem von der Klägerin zitierten Urteil vom 19.03.1986 (SozR 1500 § 75 Nr. 59) gekommen. Wenn er dort in Zusammenhang mit der Frage der notwendigen Beiladung ausführt, aus den Verträgen iS der §§ 372 bis 374 RVO oder den entsprechenden sonstigen Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Vertragskrankenhäusern ergebe sich die Verpflichtung der Krankenkasse, die durch die Krankenhauspflege entstehenden Kosten zu tragen, so kann angesichts des möglichen Inhalts dieser Verträge nichts anderes gemeint sein als das, was oben ua vom 5. Senat des BSG dargelegt worden ist (BSGE 51, 126 [BSG 27.01.1981 - 5a/5 RKn 14/79]). Aus den Verträgen ergibt sich eben nur die generelle Berechtigung, Versicherte zu Lasten der Krankenversicherungsträger zu behandeln, dagegen soll damit nicht die Krankenhauspflege für den einzelnen Versicherten sichergestellt werden. Zu demselben Ergebnis - wenn auch zur Frage der notwendigen Beiladung zu einem anderen Resultat - ist der seit dem 01.01.1988 für das Leistungsrecht der Krankenversicherung allein zuständige 3. Senat des BSG in seinem Urteil vom 12.10.1988 - 3/8 RK 19/86 - gekommen, wenn er ausführt, daß sich die Rechtsverhältnisse zwischen Krankenhaus und Krankenversicherungsträger nach den §§ 371 ff RVO richten. Diese Vorschriften enthalten aber, wie oben dargelegt und wie von der Klägerin auch nicht substantiiert in Abrede gestellt, keine Rechtsgrundlage für einen Zahlungsanspruch wegen der stationären Behandlung eines einzelnen Versicherten.
Daß die Klägerin als "Nothelfer" tätig geworden sein will, ändert an den geschilderten Rechtsbeziehungen nichts.
Die Notfallrechtsprechung hat zum Ziel, einem Nicht- Vertragskrankenhaus, das eine Notfallbehandlung vorgenommen hat, die Rechte eines Vertragskrankenhauses iS der §§ 371 ff RVO zu geben. Diese Regelungen führen aber, wie oben dargelegt, nicht zu einem für die Klägerin günstigen Ergebnis. Bei dieser Rechtslage braucht nicht näher begründet zu werden, daß Notfallsituationen in Bezug auf den Beigeladenen objektiv - und nur hierauf kommt es an - gar nicht vorgelegen haben. Dies beweisen die Umstände des Falles mit fast ununterbrochenem Krankenhausaufenthalt, ohne daß hierfür triftige Gründe festgestellt werden konnten, und das Gutachten des Dr. M ... .
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es besteht kein gesetzlicher Grund (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), die Revision zuzulassen.