Amtsgericht Hannover
Urt. v. 06.11.2013, Az.: 502 C 7971/13
Anspruch eines Mieters auf Zahlung von Schadensersatz bei Entzug des Besitzes an Gegenständen im Kellerraum durch verbotene Eigenmacht des Vermieters (hier: Entsorgung der Gegenstände als Müll)
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 06.11.2013
- Aktenzeichen
- 502 C 7971/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 56562
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2013:1106.502C7971.13.0A
Rechtsgrundlagen
- § 229 BGB
- § 230 BGB
- § 231 BGB
- § 251 BGB
- § 858 BGB
In dem Rechtsstreit
der
Klägerin
Prozessbevollmächtigter:
gegen
vertreten durch
Beklagte
Prozessbevollmächtigte:
wegen Schadensersatzes aus einem Wohnraum-Mietverhältnis
hat das Amtsgericht Hannover Abt. 502
auf die mündliche Verhandlung vom 16.10.2013
durch
den Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 560,-- € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2013 zu zahlen.
- 2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung des in Höhe von 560,-- € geltend gemachten Schadensersatzes gemäß §§ 231, 858, 230, 251 BGB.
Die Beklagte hat der Klägerin den Besitz an den Gegenständen, die die Klägerin in dem Kellerraum der von ihr gemieteten Wohnung im Hause xxx in xxx eingelagert hatte durch verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB entzogen.
Die Beklagte war (berechtigte) Besitzerin des Kellerraumes mit den darin befindlichen Gegenständen, dies unabhängig von der Frage, ob der Kellerraum in dem schriftlichen Mietvertrag aufgeführt war, da der Hausmeister Herr xxx der Klägerin den Kellerraum zu Beginn des Mietverhältnisses zur Nutzung zugewiesen hatte. Hieran besteht kein Zweifel, nachdem Herr xxx diesen Vortrag der Klägerin bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme glaubhaft bestätigt hat.
Die Klägerin war auch zum Zeitpunkt der Inbesitznahme des Kellerraumes durch die Beklagte noch Besitzerin des Kellerraumes. Insbesondere ist nicht festzustellen, dass die Klägerin den Besitz an diesem Raum aufgegeben hatte. Dabei kann dahinstehen, ob zu dem Zeitpunkt, als Herr xxx den Kellerraum für die Beklagte durch Anbringen des Vorhängeschlosses in Besitz nahm, dieser Raum nicht mehr durch ein Vorhängeschloss der Klägerin gesichert war. Selbst wenn sich zu diesem Zeitpunkt kein Vorhängeschloss an der Kellertür befand, ist hieraus auch aus Sicht der Beklagten nicht abzuleiten, dass der Besitz an dem Kellerraum von der Klägerin aufgegeben worden war. Neben einer Besitzaufgabe durch die Klägerin kam es nämlich auch, aus Sicht der Beklagten ohne Weiteres in Betracht, dass eine Sicherung des Kellerraumes durch die Klägerin versehentlich oder aus Sorglosigkeit unterblieben war oder dass ein Dritter das Vorhängeschloss in doloser Absicht entfernt hatte. Gegen eine Besitzaufgabe durch die Klägerin sprach schon, dass sich in den Räumlichkeiten, wie die Bekundungen der Zeugen xxx und xxx zeigen, noch diverse Gegenstände befanden, die nicht ohne Weiteres als wertlos erkennbar waren. Die Behauptung der Beklagten, in dem Keller habe sich nur Müll befunden, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Die von der Beklagten hierzu benannten Zeugen haben im Gegenteil bekundet, dass sich in dem Kellerraum neben weiteren Gegenständen auch ein Kühlschrank, ein Spülbecken und zwei Zimmertüren befanden. Vor diesem Hintergrund ist der prozessuale Vortrag der Beklagten, in dem Kellerraum habe sich nur Müll befunden, nicht nachvollziehbar, er ist entweder wahrheitswidrig oder ins Blaue hinein erfolgt. Hätte doch die Beklagte durch eine Nachfrage bei ihrem Hausmeister Herrn xxx oder bei dem von ihr als Entsorger eingesetzten Herrn xxx schon vorab ohne Weiteres in Erfahrung bringen können, dass der Keller eben nicht offensichtlich nur Müll enthielt.
Die Beklagte handelte hier mit der Entsorgung der Gegenstände aus dem Kelierraum auch widerrechtlich.
Insbesondere bestand für die Beklagte kein Anhalt, dass die Klägerin mit der Entsorgung der in dem Kellerraum gelagerten Gegenstände einverstanden war. Ein ausdrückliches Einverständnis der Klägerin lag hier ohnehin nicht vor, aber auch aus den Umständen ergab sich für die Beklagte kein vernünftiger Anhalt für ein Einverständnis der Klägerin an der durchgeführten Entsorgung.
Ein solches Einverständnis ist insbesondere nicht aus der nach dem Vortrag der Beklagten unterbliebenen Reaktion der Klägerin auf den an der Kellertür auf einem Zettel angebrachten Hinweis abzuleiten, der Mieter des Kellerraumes solle sich doch bei dem Zeugen xxx melden. Ohnehin war aus dem Inhalt dieser Nachricht für die Klägerin nicht ohne Weiteres abzuleiten, dass hier beklagtenseits die Räumung des Kellerraumes beabsichtigt war, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt aus der unterbliebenen Reaktion der Klägerin ein Erklärungswert in dem von der Beklagten gewünschten Sinn nicht abzuleiten ist. Überdies konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass der Klägerin die an der Kellertür angebrachte Nachricht überhaupt vor Durchführung der Räumung zur Kenntnis gelangen werde. Es ist doch nicht ungewöhnlich, dass Mieter ihnen zugewiesene Kellerräume nur in größeren Abständen anlassbezogen aufsuchen.
Die Entsorgung des Kellerraumes war hier auch nicht zum Zwecke der Selbsthilfe im Sinne des § 229 BGB gerechtfertigt. Ein solcher. Eingriff ist nach der genannten Regelung nur dann nicht widerrechtlich, wenn die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die Entsorgung der im Kellerraum befindlichen Gegenstände durch die Klägerin zu dulden, obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruches vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Ersichtlich ist keine dieser Voraussetzungen gegeben, die Beklagte war hier allenfalls im Rahmen des mietvertraglichen Treueverhältnisses berechtigt und verpflichtet, den Inhalt eines von ihr geöffnet vorgefundenen Kellerraumes durch Anbringen eines Vorhängeschlosses oder ähnliche Maßnahme gegen unbefugten Zutritt oder drohende Entwendung zu sichern. Ohnehin ist nicht nachvollziehbar, warum sich der Zeuge xxx hier nicht für die Beklagte direkt an die Klägerin gewandt hat. Immerhin hatte Herr xxx der Klägerin den Kellerraum zugewiesen, so dass er Kenntnis von der Zugehörigkeit des Kellerraumes zur Klägerin haben musste. Selbst wenn Herr xxx dies entsprechend seiner zeugenschaftlichen Bekundungen vergessen haben sollte, wäre es ihm doch angesichts des Umstandes, dass es sich hier lediglich um ein 10-Familien-Haus handelte, leicht möglich gewesen durch eine Nachfrage bei den Mietern den Besitzer des Kellerraumes aufzufinden.
Demgemäß liegen hier die Voraussetzungen des § 231 BGB vor, wonach der sogenannte Selbsthilfeexzess verschuldensunabhängig den Anspruch auf Schadensersatz begründet.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist auch der Höhe nach begründet. Die Klägerin hat nicht nur schriftsätzlich, sondern auch im Rahmen ihrer Parteianhörung glaubhaft vorgetragen, in den Kellerraum eine Single-Küche mit einem Zeitwert von 200,-- €, eine Reisetasche mit einem Zeitwert von 45,-- €, eine Tier-Transportbox mit einem Zeitwert von 15,- € sowie eine darin zur Durchführung des Winterschlafs untergebrachte 25-jährige Vierzehenschildkröte mit einem Wert von 300,- € eingelagert zu haben. Der Vortrag der Klägerin ist glaubhaft, zumal der Vortrag durch die glaubhaften Bekundungen ihres Verlobten, des Zeugen Tobias Hammer bestätigt wird, wobei kein Anhalt besteht, dass hier der Schaden übertrieben dargestellt worden ist.
Die Überzeugung des Abteilungsrichters von dem danach gegebenen Schadensumfang ist durch, die Bekundungen der Zeugen xxx und xxx nicht erschüttert. Die beiden vom Zeugen xxx gefertigten Lichtbilder begründen ohnehin nicht den sicheren Schluss, dass die nach dem Vortrag der Klägerin eingelagerten Sachen sich zum Zeitpunkt der verbotenen Eigenmacht der Beklagten nicht im Kellerraum befanden, da diese Lichtbilder den Kellerraum nur in kleineren Ausschnitten unvollständig abbilden und aufgrund der schlechten Qualität nur wenig erkennen lassen. Auch haben die Zeugen xxx und xxx nur unvollständige Angaben zum Inhalt des Kellerraums machen können, insbesondere waren sie im Rahmen ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme nicht in der Lage, das Vorhandensein auch nur einer der von der Klägerin vorgetragenen Sachen auszuschließen.
Es ist auch davon auszugehen, dass die danach von der Beklagten entsorgten Gegenstände den von der Klägerin vorgetragenen Wert hatten. Den Wert der Sachen betreffende Unsicherheiten gehen hier zum Nachteil der Beklagten.
Im Falle der Inbesitznahme durch verbotene Eigenmacht ist der Vermieter, nämlich verpflichtet, aufgrund seiner gegenüber dem Mieter bestehenden Obhutspflicht dessen Interessen zu wahren, indem er bei der Inbesitznahme ein aussagekräftiges Verzeichnis der verwahrten. Gegenstände aufstellt und deren Wert schätzen lässt. Kommt er dem nicht nach, hat er zu beweisen, in welchem Umfang Bestand und Wert der der Schadensberechnung zugrundegelegten Gegenstände von den Angaben des Mieters abweichen, soweit dessen Angaben plausibel sind (vgl. BGH, Urteil vom. 14.07.2010, VIII ZR 45/09, zitiert nach [...] mit Nachweisen).
Der Vortrag der Beklagten gibt keinen Anhalt, dass die von der Klägerin vorgetragenen Wertangaben unzutreffend sind.
Dies gilt für die neu gekaufte und nur kurzzeitig genutzte Einbauküche ebenso wie für die erst kurz zuvor geschenkte Reisetasche, schließlich auch für die Tier-Transportbox.
Dies gilt insbesondere aber auch für die Vierzehenschildkröte, die nach dem glaubhaften Vortrag der Klägerin zur Vorfallszeit zumindest 25 Jahre alt war. Unsicherheiten bei der letztlich offengebliebenen Frage, ob es sich hier um eine (sibirische) Vierzehenschildkröte oder um eine griechische Landschildkröte gehandelt hat, gehen nach den obigen Darlegungen ebenso zu Lasten der Beklagten, wie die Frage, ob der von der Klägerin geschätzte Wert der Höhe nach zutreffend ist, da die Angaben der Klägerin auch hierzu jedenfalls plausibel und glaubhaft sind. Ohnehin steht einer genaueren Ermittlung des Wertes der Schildkröte entgegen, dass diese aufgrund ihres von der Beklagten zu vertretenden Abhandenkommens dem richterlichen Augenschein oder der Begutachtung durch einen Sachverständigen entzogen ist.
Die geltend gemachte Zinsforderung ist gemäß §§ 286, 288 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.