Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 25.05.1990, Az.: 2 U 52/90
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 25.05.1990
- Aktenzeichen
- 2 U 52/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 21973
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1990:0525.2U52.90.0A
Fundstellen
- BauR 1991, 355-356 (Volltext)
- IBR 1991, 331-332 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
In dem Rechtsstreit
wegen Gesamtschluldnerausgleichs
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 1990 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht . sowie die Richter am Oberlandesgericht . und .
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts . vom 21. Dezember 1990 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist den . 80% des Betrages zu zahlen, den dieser an den . als Schadensersatz über den Betrag von 24.000, -; DM hinaus für den Schaden zu zahlen hat, der durch die Beseitigung der in den Beweissicherungsverfahren des Amtsgerichts . Geschäftsnummer 13 N 33/86, festgestellten Baumängel an dem Um- und Erweiterungsbau, Wohn- und Geschäftshaus . in . entsteht.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer der Beklagten: 35.200,-; DM.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen nach ihrer Meinung auf sie übergangenen Ausgleichsanspruch des . geltend.
Der . hatte im Auftrag des . den Umbau von dessen Wohn- und Geschäftshaus in . geplant, die dafür erforderlichen Bauarbeiten ausgeschrieben und die Durchführung der Bauarbeiten überwacht. Die an diesem Objekt vorzunehmenden Betriebsarbeiten führte die Beklagte aus, und zwar letztlich mangelhaft. Sie klagte nach Fertigstellung ihrer Arbeiten ihren Wertlohn gegen den Bauherrn . ein. Der Klage wurde in zwei Instanzen im wesentlichen stattgegeben, weil der Bauherr . nach Auffassung des . und des Oberlandesgerichts Braunschweig mit den von ihm wegen der Mängel geltend gemachten und der Klageforderung entgegengehaltenen Gewährleistungsansprüchen nach § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (fiktive Abnahme) ausgeschlossen war (vgl. die Beklagten 1 O 234/85 Landgericht Braunschweig/2 U 306/85 Oberlandesgericht Braunschweig). Der Bauherr . leitete daraufhin gegen den . Beweissicherungsverfahren ein (13 N 33/86 Amtsgericht) . und erhob anschließend Schadensersatzklage wegen der Mangel des Betriebs. Das Landgericht . verurteilte den . mit Urteil vom 4. November 1990 - 1 O 200/90 -;, an den Bauherrn . 24.000,-; DM nebst 4% Zinsen seit dem 7. Juni 1990 zu zahlen. Das Landgericht stellte fest, daß der . auch für einige weitere Schäden einstandspflichtig sei. Gegen dieses Urteil legte . Berufung ein und verkündete der jetzigen Beklagten den Streit. Die Berufung des . wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 23. Juni 1990 -; 2 U 331/90 -; mit der Begründung zurückgewiesen, daß den . ein Bauüberwertungsverschulden treffe, weil er die Arbeiten der Beklagten nicht hinlänglich überwacht und dadurch bewirkt habe, daß die Werkleistung der Beklagten nach Abschluß der Arbeiten Mängel aufgewiesen habe. Im Anschluß an dieses Urteil glich die Klägerin als Haftpflichtversicherer des . die ausgeurteilten Forderungen des Bauherrn . aus und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 25. August 1990 unter Fristsetzung bis zum 3. September 1989 vergeblich zu einen Gesamtschuldnerausgleich (80% der ihr entstandenen Aufwendungen) auf.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.200,-; DM nebst 4% Zinsen seit dem 5. September 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß ein Gesamtschuldnerausgleich im vorliegenden Fall ausscheide, zumindest jedoch eine Haftungsverteilung von 20%: 80% für sie zu ungünstig sei.
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 21. Dezember 1989 stattgegeben. Auf das Urteil wird zur ergänzenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und wegen der die Entscheidung des Landgerichts tragenden Gründe Bezug genommen.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihren bereits in erster Instanz eingenommenen Rechtsstandpunkt weiter.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochten Urteil, tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten entgegen und macht ergänzend geltend: Nach Anhängigkeit des Rechtsstreits sei der Bauherr . dem . mit erheblichen Nachforschungen herangetreten. Insgesamt fordere er eine weitere Summe von 50.952,74 DM netto. Sie selbst habe die diesbezügliche Korrespondenz an sich gezogen und sei dem Begehren des Bauherrn entgegengetreten, der allerdings auf seiner Forderung beharre und inzwischen entsprechende Klage gegen den . erhoben habe. Unter diesen Umständen habe sie ein rechtliches Interesse daran, in diesem Rechtsstreit auch die Ausgleichspflicht der Beklagten über den schon an den Bauherrn . gezahlten Betrag von 24.000,-; DM hinaus feststellen zu lassen. Der Anspruch auf Erstattung bestehe derzeit nur in der Person des . Da sie über 24.000,-; DM hinaus noch keine Zahlung geleistet habe, habe der Forderungsübergang nach § 97 VVB noch nicht stattgefunden. Sie müsse jedoch aufgrund des mit dem . geschlossenen Versicherungsvertrages eintreten, wenn und soweit dieser von dem Bauherrn in Anspruch genommen werde. Diese rechtlich zwingende Eintrittspflicht begründe ihr Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO.
Die Klägerin beantragt daher im Wege der Anschlußberufung,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem . 80% des Betrages zu zahlen, den dieser an den Bauherrn . als Schadensersatz über die Summe von 24.000,-; DM hinaus für den Schaden zu zahlen hat, der durch die Beseitigung der in dem Beweissicherungsverfahren des Amtsgerichts . Geschäftsnummer 13 N 33/86, festgestellten Baumängel an den Um- und Erweiterungsbau, Wohn- und Geschäftshaus . in . entsteht.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlußberufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der von ihnen in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Akten 1 O 234/85 und 1 O 200/86 Landgericht . sowie die Beweissicherungsakten 13 N 33/86 Amtsgericht . haben vorgelegen und waren informationshalber Gegenstand der Berufungsverhandlung.
Gründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, während der Anschlußberufung der Klägerin stattzugeben ist.
I.
Das Landgericht . hat die Beklagte mit Recht zur Zahlung von 19.200,-; DM nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Dieser Anspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 87 Abs. 1 VVB, 428 Abs. 1 Satz 1 DöV.
1. In dem Vorprozeß 1 O 200/86 Landgericht . 2 U 331/90 Oberlandesgericht Braunschweig ist festgestellt worden, daß der von der Beklagten hergestellte Wert in dem Bauvorhaben . handwerkliche Mängel aufwies und der . es pflichtwidrig versäumt hat, durch gehörige Bauaufsicht das Entstehen und Bestehenbleiben dieser Mängel über den endgültigen Abschluß der Arbeiten der Beklagten hinaus zu verhindern. Da der . der Beklagten in dem Vorprozeß den Streit verkündet hatte, sind diese Feststellungen für den vorliegenden Rechtsstreit bindend, was die Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt, wenn sie in der Berufungsbegründung eine Pflichtwidrigkeit des . lediglich darin sehen will, daß dieser nicht auf die Einhaltung der Rügefrist nach fiktiver Abnahme geachtet habe. Nach dem damit zugrunde zu legenden Sachverhalt hatte der Bauherr . nach Fertigstellung der Arbeiten gegen die Beklagte jedenfalls zunächst einen Anspruch auch Nachbesserung (§§ 633 Abs. 2 BGB bzw. 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B) und gegen den . einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 635 BGB. Der . und die Beklagte schuldeten insoweit zwar nicht die gleiche Leistung, waren aber gleichwohl Gesamtschuldner (BGHZ 43, 227, 232- ;235. Nachdem nun der Bauherr . den . mit Erfolg in Anspruch genommen hat, kann . dementsprechend kraft Gesetzes (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) von der Beklagten Ausgleich verlangen. Dem steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entgegen, daß der Nachbesserungsanspruch des Bauherrn gegen die Beklagte nach der VOB-Regelung über die fiktive Abnahme (§ 12 Nr. 5 VOB/B) nach Ablauf der Mängelrügefrist entfallen und deshalb der Erstprozeß zwischen den Bauherrn und der Beklagten für den Bauherrn . negativ ausgegangen ist. Insoweit verkennt die Beklagte, daß die gesetzliche Ausgleichspflicht nach § 426 Abs. 1 Satz 1 und nicht die aus § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB herzuleitende Ausgleichspflicht aus der Forderung des Gläubigers . gegen die Beklagte in Rede steht. Diese Ausgleichspflicht entsteht als selbständige Verpflichtung von vornherein mit Begründung der Gesamtschuld, hier also mit dem Auftreten des jeweiligen Werkmangels. Wegen dieser ihrer Selbständigkeit wird sie nicht dadurch berührt, daß der Nachbesserungsanspruch des Bauherrn . gegen die Beklagte später entfallen und der erste Prozeß deshalb rechtskräftig zum Nachteil des Bauherrn abgeschlossen worden ist (vgl. BGH Vesel 1989, 1038).
2. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, wobei sich die "andere Bestimmung" auch aus den Umständen ergeben kann. Insoweit sind die Grundsätze des § 254 BGB zu beachten. Eine generelle Regel für die Haftungsverteilung im einzelnen läßt sich danach nicht aufstellen, vielmehr kommt es bei einer Gesamtschuldnerschaft von Architekt und Bauunternehmer auf die Verhältnisse des Einzelfalles unter besonderer Beachtung des Zusammenhanges zwischen Schadens- bzw. Mangelursache und dem jeweiligen Aufgaben- bzw. Verantwortungsbereich des Bauunternehmens einerseits und des Architekten anderseits an. Ist dem Architekten -; wie hier -; nur ein Aufsichtsverschulden zur Last legen, ist davon auszugehen, daß den die mangelhafte Leistung ausführenden Bauunternehmer zumindest die ganz überwiegende Verantwortlichkeit trifft. Sein Aufsichtsfehler kann der Auftragnehmer insbesondere auch dem Architekten nicht entgegenhalten, daß dieser ihn nicht genügend beaufsichtigt habe. Vielmehr ist regelmäßig der beaufsichtigte Auftragnehmer selbst verantwortlich. Dies rechtfertigt sich daraus, daß die Aufsichtspflicht des Architekten lediglich in dessen vertraglichen Verhältnis zu dem Bauherrn wurzelt. Diese Beurteilung kann sich ändern, wenn es der Architekt schuldhaft unterlassen hat, auf schwer erkennbare Gefahren des an sich nicht fehlerhaften Planes hinzuweisen. Eine andere Bewertung kommt auch in Betracht, wenn der Aufsichtführende kraft einer besseren, von dem Auftragnehmer nicht zu erwartenden Sachkunde die Mangelhaftigkeit allein oder jedenfalls besser feststellen konnte als dieser, was vor allem für den Bereich der Ausführung von für die Gesamtbaumaßnahme wichtigen, besonders schadensanfälligen Bauteilen gilt (vgl. Ingenstau/Korbian, VOB, 11. Aufl., § 13 VOB/B Rdnr. 41 und 43). Da ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt, ist nach der erörterten Grundsätzen nicht zu beanstanden, daß das Landgericht bei der Beklagten die ganz überwiegende Verantwortlichkeit gesehen hat. Es handelte sich um an sich nicht sonderlich schwierige Arbeiten, von denen die Beklagte als Fachfirma im Grunde mehr verstand als der aufsichtführende Architekt. Die verbliebenen Mängel hätte sie ebenso leicht oder sogar noch eher feststellen können als der Architekt. Von daher ist eine deutliche Abweichung von einer hälftigen Schadensaufteilung zum Nachteil der Beklagten angezeigt sie der Folge, daß die von der Klägerin beanspruchte und von dem Landgericht auch ausgeurteilte Quote (1/5 Architekt: 4/5 auf seiten der Beklagten) nicht zu beanstanden ist.
3. Auf der Grundlage der Ausgleichsquote stehen der Klägerin gegen die Beklagte 19.200,-; DM (4/5 der im Vorprozeß ausgeurteilten 24.000,-; DM) zu. Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
II.
Der von der Klägerin im Wege der Anschlußberufung verfolgte Feststellungsantrag ist zulässig (§ 256 ZPO) und begründet. Daß die Klägerin ein zwischen dem . und der Beklagten bestehendes Rechtsverhältnis festgestellt wissen will, steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage der Klägerin nicht entgegen. Denn das in § 256 ZPO vorausgesetzte Rechtsverhältnis braucht nicht notwendig zwischen den Parteien des Rechtsstreits zu bestehen; es genügt, daß der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung gerade gegenüber dem Beklagten hat, etwa wegen mittelbarer Betroffenheit (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 15. Aufl. 1987, § 256 Anm. 3e m.w.N.). So liegt es aber hier. Die Klägerin ist gegenüber dem . unstreitig vertraglich einstandspflichtig und müßte gegebenenfalls im Wege der erneuten Klage nach den §§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, 87 VVB gegen die Beklagte vorgehen, wenn nicht schon im vorliegenden Rechtsstreit durch die begehrte Feststellung eine Verklärung erfolgte. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin ist damit zu bejahen. Daß die damit zulässige Feststellungsklage der Klägerin in der Sache begründet ist folgt aus den Ausführungen zu I.
III.
Zu den Nebenentscheidungen vgl. die §§ 87 Abs. 1, 91, Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 und 548 Abs. 2 Satz 1 ZPO.