Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.08.2000, Az.: 322 Ss 117/00 (OWi)
Bauleiter; Bauunternehmen; Bauunternehmer; Betriebskapital; Betroffener; Blockhauserrichtung; Bußgeldverfahren; eigene Betriebsstätte; eigene Rechnung; eigene Verantwortung; Fliesenlegerhandwerk; Funktionsträger; Geschäftsführer; Gewerberegister; Gewerbetreibender; Gewinnrisiko; Handwerksrolle; Nichteintragung; Ordnungswidrigkeit; Risikotragung; Schwarzarbeit; selbstständige Tätigkeit; Selbstständiger; Selbstständigkeit; Strohmann; Tischlerei; Unternehmensträger; Verantwortlicher; Verantwortlichkeit; Verlustrisiko; Zimmererhandwerk
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 29.08.2000
- Aktenzeichen
- 322 Ss 117/00 (OWi)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41930
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 SchwarzArbG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Maßgebende Kriterien für die Selbstständigkeit einer ausgeübten Tätigkeit i. S. d. SchwArbG sind u. a., ob der Gewerbetreibende für eigene Rechnung arbeitet und er selber Gewinn und Verlust trägt, ob der Betroffene auf eigene Verantwortung handelt und die Verantwortung nach außen trägt, ob er über eine eigene Betriebsstätte verfügt oder er das Betriebskapital zur Verfügung stellt.
Es kommt dann nur in zweiter Linie darauf an, ob der so auftretende Unternehmensträger Zeit, Kapital oder gar ein Interesse an der Unternehmertätigkeit hat.
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Schwarzarbeit und wegen Beauftragung mit Schwarzarbeit gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2; 2 SchwArbG zu einer Geldbuße in Höhe von 18.000 DM verurteilt.
Nach den Feststellungen war der Betroffene, ein gelernter Tischler und langjähriger Kolonnenführer im Zimmererhandwerk, im Jahre 1996 als Geschäftsführer des Holzbauvertriebs ... tätig. Der Unternehmensträger ..., der seinerzeit in ... Automatisierungstechnik studierte und ein Stiefsohn des Betroffenen ist, war im Gewerberegister mit dem Unternehmenszweck Vermaklung von Immobilien, Vertrieb von Holzbauten und Blockhäusern sowie Montage von Blockhäusern eingetragen, eine Eintragung in die Handwerksrolle lag nicht vor. Der Betroffene selbst war weder im Gewerberegister noch in der Handwerksrolle eingetragen.
Mitte des Jahres wandte sich die Rentnerin ... an den Holzbauvertrieb ..., weil sie sich für ein kurzfristig zu errichtendes Blockhaus auf der Grundlage eines Montagesatzes interessierte. Der Betroffene erklärte Frau ..., er könne kurzfristig Arbeitskräfte u. a. von der Holzfachhochschule ... beschaffen und das gewünschte Blockhaus zügig montieren. Am 1. September 1996 kam es zum Abschluss einer Montagevereinbarung zwischen Frau ... und der Firma ...
Diese errichtete in der Folge das Blockhaus. Dabei hatte der Betroffene die Bauleitung inne und wirkte auch in eigener Person bei der Montage mit. Daneben wurden bei der Montage zwei Gehilfen und einige Studenten der Fachhochschule ... beschäftigt. Der Sohn des Betroffenen führte insbesondere die Fliesenlegerarbeiten aus, während der Schwiegersohn des Betroffenen mit seinem nicht in der Handwerksrolle eingetragenem Unternehmen unentgeltlich die Dachdeckerarbeiten ausführte.
Frau ... zahlte an die Firma ... als Kaufpreis für das Blockhaus rund 225.000 DM und für die Montage 45.000 DM, wovon 4.000 DM auf die Dachdeckerarbeiten entfielen. Für andere Gewerke (Elektro, Sanitär und Heizung), die der Betroffene in Auftrag gegeben hatte, zahlte sie an Drittfirmen ca. 30.000 DM. Eine Rechnung erhielt Frau ... nur über den Kaufpreis des Blockhauses.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.
II. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung des Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SchwArbG nicht. Das Tatgericht hat nicht ausreichend dargelegt, dass es der Betroffene gewesen ist, der ein stehendes Gewerbe selbstständig ausgeübt hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 23. August 2000 ausgeführt:
„Die Zeugin ... hat sich nach den Feststellungen des Gerichts im Sommer 1996 an den Holzbauvertrieb ... gewandt, mit dem Vorhaben, durch dieses Unternehmen „dessen Unternehmensträger Herr ... war“ (S. 2 Mitte UA), ein aus einem Montagesatz zu erstellendes Blockhaus zu erwerben, das auf einem von ihr noch zu kaufenden Grundstück errichtet werden sollte.
Zur Funktion des Betroffenen innerhalb dieses Unternehmens, das unter dem Namen ... in das Gewerberegister eingetragen ist (S. 2 unten UA), hat das Gericht ferner mitgeteilt, der Betroffene sei der Geschäftsführer des Unternehmens gewesen (S. 2 UA) und als solcher gegenüber der Zeugin aufgetreten, in der Folgezeit habe er über mehrere Monate den Geschäftskontakt zur Zeugin ... wahrgenommen.
Allerdings hat das Gericht ausdrücklich ausgeführt, das Blockhaus sei durch das „Unternehmen ...“ errichtet worden, während der Betroffene neben eigener Mitarbeit bei der Errichtung des Hauses als Bauleiter tätig gewesen sei (S. 3 UA oben). Auch hinsichtlich der durch die Zeugin ... erbrachten Zahlungen in einer Größenordnung von etwa 270.000,-- DM hat das Gericht ohne nähere Einzelheiten auszuführen festgestellt, Teilbeträge von 225.331,62 DM für das Blockhaus und weitere 45.000,-- DM für Montagearbeiten seien an die Firma ... überwiesen worden (S. 3 UA 5. Absatz).
Gleichwohl hält das Gericht den Betroffenen und nicht den „Unternehmensträger“ ... für den Verantwortlichen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG.
Das Gericht hat dies damit begründet, es sehe den „formalen Unternehmensträger ...“ lediglich als einen „Strohmann“ für seinen Stiefvater, den Betroffenen, an (S. 7, 8 UA). Die Begründung des Gerichts genügt den revisionsrechtlichen Anforderungen an die Überprüfung der richterlichen Überzeugungsbildung jedoch nicht.
Maßgebende Kriterien für die Selbstständigkeit einer ausgeübten Tätigkeit i. S. d. SchwArbG sind u. a., ob der Gewerbetreibende für eigene Rechnung arbeitet und er selber Gewinn und Verlust trägt, ob der Betroffene auf eigene Verantwortung handelt und die Verantwortung nach außen trägt, ob er über eine eigene Betriebsstätte verfügt oder er das Betriebskapital zur Verfügung stellt (vgl. OLG Hamm GewArch 1986, 138, 139 m. w. N.). Zu all diesen Umständen verhält sich das Urteil nicht, insbesondere bleibt unklar, wer das unternehmerische Risiko für das Bauvorhaben der Zeugin ... getragen hat.
Auf welche Weise das Gericht zu der Überzeugung gelangt ist, der zuvor als Unternehmensträger bezeichnete ... habe „weder Zeit, noch Erfahrung, noch Kapital, um ein zweites Unternehmen, den Blockhausbau in Lüneburg betreffend, zu führen“ (S. 7 unten UA) und diese Annahme damit ergänzt, er (...) habe daran auch gar kein Interesse, wird nicht hinreichend ausgeführt.
Die Umstände, die das Gericht angibt, um eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen zu begründen, nämlich die Tatsache über einen Tischlergesellenbrief und erhebliche Erfahrung im Zimmererhandwerk zu verfügen, reichen ebenso wenig aus wie die Gesichtspunkte, dass der Betroffene Zeit habe und sich in ... aufhalte (S. 8 UA).
Diese vom Gericht als Indizien angesehenen Umstände erlauben nicht den „gesicherten Schluss“, der Betroffene habe das Gewerbe selbstständig ausgeübt, weil damit tragfähige Kriterien für dieses Tatbestandsmerkmal nicht in dem erforderlichen Maß dargetan sind.“
Dem tritt der Senat mit der ergänzenden Bemerkung bei, dass die aufgezeigten Bedenken in gleicher Weise gegenüber der Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 2 SchwArbG durchgreifen.
2. Ebenso wenig tragen die Feststellungen eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 2 SchwArbG. Der Tatbestand des § 2 Abs. 1 SchwArbG setzt voraus, dass der Täter Arbeiter beauftragt, die Leistungen erbringen, ohne ihren Mitteilungspflichten gegenüber dem Arbeitsamt, einem Sozialversicherungsträger, einem Träger der Sozialhilfe nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des 1. Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 8 a des Asylbewerberleistungsgesetzes nachzukommen. Dazu enthält das angefochtene Urteil keinerlei Feststellungen.
3. Auch wenn das Urteil bereits wegen der aufgezeigten Mängel keinen Bestand haben kann, sieht der Senat sich veranlasst darauf hinzuweisen, dass auch die Bemessung der Geldbuße durch das Tatgericht fehlerhaft ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 23. August 2000 insoweit ausgeführt:
„Ferner unterliegen auch die Ausführungen zur Bemessung der Höhe der Geldbuße durchgreifenden Bedenken.
So hat das Gericht einen Bußgeldrahmen zwischen 10,-- DM und 200.000,-- DM zugrunde gelegt (S. 9 unten UA). Dabei hat das Gericht übersehen, dass im Zeitpunkt der hier anzunehmenden Tatbegehung im Sommer 1996 und einige Monate danach eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 1 SchwArbG im Höchstmaß mit einer Geldbuße bis zu 100.000,-- DM geahndet werden konnte (§ 1 Abs. 2 SchwArbG). Die Erhöhung des Bußgeldrahmens auf jetzt bis zu 200.000,-- DM ist erst mit dem ersten Gesetz zur Änderung des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 16.12.1997 (BGBl. 1997 I, 2970 ff.) beschlossen worden (s. Art. 15, S. 2987 BGBl. 1997 I).
Dieses Gesetz ist am 01.01.1998 in Kraft getreten, sodass für die Bemessung der Geldbuße im vorliegenden Fall der Bußgeldrahmen bis 100.000,-- DM maßgebend war.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei der konkreten Zumessung der Höhe der Geldbuße für den Betroffenen durch diese fehlerhafte Annahme des zur Verfügung stehenden Bußgeldrahmens zum Nachteil des Beschwerdeführers beeinflusst worden ist, zumal die Ausführungen des Gerichts zur besonderen Bedeutung generalpräventiver Aspekte der Geldbuße breiten Raum einnehmen.
Im Übrigen hält die Berechnung des im Rahmen von § 17 OWiG abzuschöpfenden Vermögensvorteils des Betroffenen, den er aus den gegenüber der Zeugin ... erbrachten Leistungen gezogen haben soll, einer Überprüfung nicht stand.
Obwohl das Gericht zwar wiederholt festgestellt hat, die - seitens des Unternehmens ... - beanspruchten 45.000,-- DM für die Montagearbeiten seien seitens der Zeugin ... an das „Unternehmen ...“ per Scheck gezahlt worden (S. 3 Mitte, 6 UA), geht das Gericht im Rahmen der Ermittlung des erlangten Vermögensvorteils ohne nähere Begründung davon aus, der Betroffene habe von der Zeugin ... 45.000,-- DM für die von ihm erbrachten Montagearbeiten erhalten (S. 10 oben UA).
Wie das Gericht zu diesem Ergebnis gelangt und welche möglichen internen Absprachen zwischen dem Betroffenen und ... galten, auf dessen Namen die seitens der Zeugin ... gegebenen Schecks offenbar ausgestellt waren, ergibt sich aus den weiteren Ausführungen nicht.
Überdies ist zu beanstanden, dass das Gericht bei der Bemessung der Geldbuße einer unzulässigen Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen bei der Bemessung der Geldbuße unterlegen ist, soweit die besondere „Sozialschädlichkeit“ des Verhaltens herausgestellt worden ist (...), weil der entscheidende Grund für die Einführung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SchwArbG gerade in der volkswirtschaftlichen Schädlichkeit von Schwarzarbeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG lag (vgl. OLG Koblenz, GewArch 1983, 270, 271).“
Dem tritt der Senat bei. Im Übrigen lässt sich auch die Schätzung des Einkommens des Betroffenen nicht nachvollziehen.