Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.12.2018, Az.: 2 A 846/17

Flüchtlingseigenschaft; Frau; Georgien; häusliche Gewalt; soziale Gruppe; Subsidiärer Schutz

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
10.12.2018
Aktenzeichen
2 A 846/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74391
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Frauen, die von familiärer Gewalt betroffen sind, werden von der georgischen Gesellschaft nicht als andersartig betrachtet.
Für die Annahme einer an das Geschlecht anknüpfenden Verfolgung ist in den Fällen häuslicher Gewalt erforderlich, dass die Art und Weise der Gewaltausübung spezifisch auf den "Genderstatus" der Frau gerichtet ist und der staatliche Schutz systematisch wegen dieser "Genderfaktoren" versagt wird. Dies ist in Georgien nicht der Fall.

Tatbestand:

Die Kläger sind georgische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit. Sie begehren über den ihnen bereits gewährten subsidiären Schutzstatus hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Nach eigenen Angaben verließen sie Georgien am 07.08.2014 und reisten zwischen dem 17. und dem 21.08.2014 über Weißrussland und Polen in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier stellten sie am 02.09.2014 Asylanträge.

Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 25.08.2015 gab die Klägerin zu 1) an, sie habe ihr Heimatland, Georgien, wegen Gewalttätigkeiten ihrer Familienangehörigen verlassen. Ihr Vater habe sie im Alter von 17 Jahren durch Verletzung mit einem Messer zu einer (religiösen) Heirat gezwungen. Während der Ehe und auch als sie schwanger gewesen sei, sei sie von ihren Schwiegereltern, ihrem Schwager, ihrer Schwägerin, ihrem Mann und ihrem Vater geschlagen und verletzt worden. Auch ihre Kinder - die Kläger zu 2) und 3) - seien verletzt worden. Sie habe ihre Situation mehrfach der Polizei geschildert, allerdings keine Anzeige erstattet. Denn zum einen habe ein Polizist ihr davon abgeraten, zum anderen habe sie große Angst vor ihrem Vater, der Anwalt und „Präsident der yezidischen Gesellschaft in P.“ sei. Im Fall ihrer Rückkehr nach Georgien befürchte sie, von ihrem Vater getötet zu werden, weil sie in seinen Augen Schande über die Familie gebracht habe.

Mit Bescheid vom 26.02.2016, laut Eingangsstempel bei der Prozessbevollmächtigten der Kläger am 01.03.2016 eingegangen, erkannte die Beklagte den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1) und lehnte die Asylanträge im Übrigen ab (Ziffer 2). Die Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft begründete die Beklagte damit, dass es an der Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal fehle. Häusliche Gewalt sei in Georgien ein allgemeines Problem und nicht auf bestimmte soziale Gruppen beschränkt.

Hiergegen haben die Kläger am 15.03.2016 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, die Klägerin zu 1) werde von ihrer Familie wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich wegen ihrer Eigenschaft als Frau, ggf. einer yezidischen Frau, verfolgt. Sie sei von verschiedenen Familienangehörigen jahrelang auf unterschiedliche Arten schwer körperlich misshandelt worden. Ihr Vater nehme eine Führungsposition innerhalb der gesamtgeorgischen yezidischen Gemeinde ein. Er sei Jurist und als Richter an einem hohen Gericht Georgiens sowie als Rechtsanwalt tätig.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung von Ziffer 2 ihres Bescheids vom 26.02.2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Bescheid.

Die Klägerin zu 1) ist zu ihren Fluchtgründen in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Wegen des Ergebnisses dieser Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Ausländerakten der Landkreise Northeim und Höxter Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen wie die Erkenntnismittel, die sich aus der den Beteiligten mit der Ladung übersandten Liste ergeben.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klagefrist von zwei Wochen (§ 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG) ist durch die am 15.03.2016 bei Gericht eingegangene Klage gewahrt. Der Bescheid gilt nicht bereits am 29.02.2016 als zugestellt. Denn die Beklagte hat den Bescheid offenbar per Post mit einfachem Brief versandt ohne das Abgangsdatum zu vermerken. Da sie keine förmliche Zustellung vorgenommen hat, wurde die Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylG nicht in Gang gesetzt. Von einer Bekanntgabe ist damit erst mit Erhebung der Klage auszugehen (vgl. dazu: VG Göttingen, Beschluss vom 24.09.2018 – 1 B 251/18 –, juris, Rn. 3-5).

Der Bescheid des Bundesamts vom 26.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II Seite 559, 560; sog. Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG, Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie; im Folgenden: QRL) Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Dabei muss gemäß § 3 a Abs. 3 AsylG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3 b AsylG und der Verfolgungshandlung oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG, Art. 6 QRL ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach § 3e AsylG, Art. 8 QRL wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn eine inländische Fluchtalternative (sog. „interner Schutz“) besteht.

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23/12 -, juris Rn. 19, 32). Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Allerdings ist nach Art. 4 Abs. 4 QRL die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung begünstigt den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung und begründet eine tatsächliche - widerlegliche - Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Der für die Gefahrenprognose maßgebliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinn einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung geboten. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23/12 -, juris Rn. 32 m.w.N.).

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahezu zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.

Dabei ist es Sache des Schutzbegehrenden, die Gründe für seine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Hierzu gehört, dass er zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405/89 -, juris Rn. 8). In Anbetracht des Beweisnotstands, in dem sich ein Asylbewerber in der Regel befindet, ist es dazu notwendig, aber auch hinreichend, wenn er schlüssig und nachvollziehbar ein glaubhaftes Verfolgungsschicksal darlegt. Ungeachtet dessen muss das Gericht jedoch die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt haben (BVerwG, Urteil vom 16.04.1985 - 9 C 109/84 -, juris Rn. 16). Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Asylsuchenden nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.1988 - 9 C 32/87 -, juris Rn. 9; BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 -, juris Rn. 14).

Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Würdigung der allgemeinkundigen und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens der Kläger fehlt es vorliegend an der Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal. Das Gericht ist wie das Bundesamt davon überzeugt, dass der Klägerin zu 1) von verschiedenen Familienangehörigen jahrelang körperlich Gewalt angetan wurde. Die körperlichen Misshandlungen sind als Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 1 und 2 AsylG einzustufen. Die Angaben der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung zu ihren Gewalterfahrungen waren detailreich, in sich widerspruchsfrei, schlüssig und stehen mit früheren Angaben in Einklang. Die körperlichen Misshandlungen erfolgten jedoch nicht auf Grund eines flüchtlingsrelevanten Merkmals. In Betracht kommt insoweit allein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Hs. 4 AsylG).

Die Eigenschaft als Frau kann nach Auffassung des Gerichts nicht dazu führen, dass eine Person von der georgischen Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Frauen, die auch in Georgien einen erheblichen Teil der Bevölkerung ausmachen, werden dort nicht als „gesellschaftlicher Fremdkörper“ (s. Bergmann/Dienelt/Bergmann, 12. Aufl. 2018, AsylG § 3b Rn. 2) eingestuft. Dass Frauen (yezidischer oder anderer Religionszugehörigkeit), die Opfer von familiärer Gewalt wurden, von der georgischen Gesellschaft als andersartig betrachtet werden, kann das Gericht ebenfalls nicht feststellen (ebenso für Afghanistan: VG Greifswald, Urteil vom 06.12.2017 - 3 A 1424/16 As HGW -, juris, Rn. 48). Dagegen sprechen zum einen gesetzessystematische Gründe, weil insoweit die Verfolgungshandlung und der Verfolgungsgrund in unzulässiger Weise miteinander vermischt würden. Zum anderen spricht die Erkenntnislage dagegen. Denn Gewalt gegen Frauen ist in Georgien weiterhin ein verbreitetes Problem (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 27.08.2018, S. 9 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA) vom 07.06.2018, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, S. 24, 32 f.).

Selbst wenn man das Vorliegen der Anforderungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 lit. b) AsylG für eine geschlechtsspezifische Verfolgung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 Hs. 4 AsylG nicht für erforderlich halten sollte, ist für die Annahme einer an das Geschlecht anknüpfenden Verfolgung in den Fällen häuslicher Gewalt dennoch erforderlich, dass die Art und Weise der Gewaltausübung spezifisch auf den „Genderstatus“ der Frau gerichtet ist und der staatliche Schutz systematisch wegen dieser „Genderfaktoren“ versagt wird. Der entscheidende Umstand, der von häuslicher Gewalt betroffene Frauen von den Frauen einer Gesellschaft insgesamt abgrenzt, ist die evidente Tatsache institutionalisierter Diskriminierung von Frauen durch Polizei, Gerichte und das gesamte Rechtssystem eines Staates (Marx, AsylG, 9. Aufl 2017, § 3b Rn. 33 und 27 m.w.N.; s.a. VG Köln, Urteil vom 12.07.2018 - 8 K 15907/17.A -, juris, Rn. 39 ff. m.w.N.: politische Dimension der Verfolgung erforderlich).

Da die Klägerin zu 1) jahrelang von verschiedenen Familienmitgliedern ohne Angabe von Gründen schwer körperlich misshandelt wurde, spricht einiges dafür, dass ihr die Gewalt wegen ihrer Eigenschaft als Frau und nicht auf Grund individueller Konflikte, Frust, Ärger oder aus ähnlichen Motiven angetan wurde. Denn in Georgien herrschen weitgehend patriarchalische Gesellschafts- und Familienstrukturen (Lagebericht, a.a.O., S. 10). Allerdings wurde nach Angaben der Klägerin zu 1) und der von ihr vorgelegten undatierten Stellungnahme ihrer georgischen Nachbarn auch der Kläger zu 2) durch seinen Vater verletzt. Ihm wurde ein Bein gebrochen.

Das Gericht kann aber weder feststellen, dass der georgische Staat Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, systematisch den erforderlichen Schutz verweigert, noch, dass die Verweigerung gerade deshalb erfolgt, weil die Betroffenen Frauen sind.

Gewalt gegen Frauen ist in Georgien weiterhin ein ernstes Problem und zählt derzeit zu den wichtigsten Menschenrechtsthemen der Regierung. Fälle häuslicher Gewalt werden von der Gesellschaft und Behörden meist als interne Familienangelegenheit betrachtet. Die Bereitschaft, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, nimmt jedoch weiterhin zu. In der Gesetzgebung hat es bereits bedeutende Änderungen gegeben. Die Regierung bereitet derzeit Gesetzesänderungen vor, um eine am 01.09.2017 in Georgien in Kraft getretene Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt von 2011 umzusetzen. Die Erfassung von Fällen häuslicher Gewalt bei der Polizei hat nach Aufklärungskampagnen und einer deutlichen Veränderung der öffentlichen Einstellung zugenommen. Dennoch werden gesetzliche Regelungen gegen Diskriminierung von Frauen und gegen die weit verbreitete häusliche Gewalt in den weitgehend patriarchalischen Gesellschafts- und Familienstrukturen noch nicht ausreichend angewandt. Nach Ansicht der zuständigen Ombudsperson sind Maßnahmen zur Verhütung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen nicht wirksam, da es kein angemessenes System zum Schutz, zur Unterstützung und zur Rehabilitation von Gewaltopfern gibt. Infolgedessen bleiben die Strafverfolgung oder Wegweisung von Tätern und Fragen der psychologischen, sozialen und wirtschaftlichen Rehabilitation von Gewaltopfern problembehaftet (Lagebericht, a.a.O., S. 9 f.; BFA vom 07.06.2018, a.a.O., S. 24, 32 f.; s.a. VG Oldenburg, Urteil vom 03.07.2018 - 7 A 9004/17 - V.n.b.).

Daraus ergibt sich, dass in Georgien zwar noch staatlicher Handlungsbedarf im Hinblick auf die Bekämpfung häuslicher Gewalt besteht. Der georgische Gesetzgeber wird jedoch zum Schutz von Frauen tätig, so dass nicht von einer institutionalisierten Diskriminierung gesprochen werden kann. Defizite in der Umsetzung hängen zudem nicht unmittelbar damit zusammen, dass die Betroffenen häuslicher Gewalt Frauen sind, sondern in erster Linie mit einer Einstufung häuslicher Gewalt als interne Familienangelegenheit.

Sonstige Anknüpfungspunkte für eine soziale Gruppe, der die Klägerin zu 1) oder ihre Kinder angehören könnten und wegen deren Zugehörigkeit ihnen Gewalt angetan werden könnte, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.