Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 30.04.2015, Az.: 1 A 2635/12

Anspruch auf die Änderung eines aramäischen assyrischen Christen in der Türkei aufgezwungen Familiennamens

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
30.04.2015
Aktenzeichen
1 A 2635/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 15566
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2015:0430.1A2635.12.0A

Fundstellen

  • NdsVBl 2015, 7
  • StAZ 2016, 119

Amtlicher Leitsatz

Zum Anspruch auf die Änderung eines Familiennamens, der aramäischen assyrischen Christen in der Türkei aufgezwungen wurde (Nr. 44a NamÄndVwV) und zum Zeitpunkt der Antragstellung im Anschluss an die Einbürgerung nach Erreichen der Volljährigkeit (Nr. 37 Abs. 2 NamÄndVwV)

[Tatbestand]

Der Kläger begehrt die Änderung seines Familiennamens von "D." in "E." durch den Beklagten.

Der Kläger wurde am F. 1992 in G. als Sohn der Eheleute H. D. und I. D., geb. J. geboren; er hat mehrere Geschwister (einen älteren Bruder K. und zwei jüngere Geschwister L. und M.). Die Familie stammt aus der Türkei und gehört zu der Volksgruppe der aramäischassyrischen Christen. Sie gehört der Religionsgemeinschaft der syrisch- orthodoxen Christen an. Die Eltern des Klägers haben die Türkei vor seiner Geburt unter dem Druck der Kämpfe zwischen dem türkischen Militär und der PKK verlassen. Am N. 1999 wurde der Kläger zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern durch die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde eingebürgert und erlangte die deutsche Staatsangehörigkeit.

Am 18. Juli 2011 sicherte der Beklagte in der öffentlichen Sitzung der 1. Kammer des erkennenden Verwaltungsgerichts zu, den Nachnamen des älteren Bruders des Klägers von "D." in "E." zu ändern. Die Namensänderung wurde entsprechend der Zusicherung vollzogen.

Am 8. September 2011 beantragte der Kläger die Änderung seines Familiennamens von "D." in "E." und legte die erforderlichen Unterlagen vor.

Im Dezember 2011 legte der Kläger eine Begründung vor. Darin nahm er Bezug darauf, dass Christen - vor allem Armenier, Aramäer/Assyrer und Pontus-Griechen - in der Türkei zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus nationalistischen Gründen verfolgt und ermordet worden seien. Nach der Gründung der türkischen Republik seien flächendeckend Städte- und Dorfnamen verändert worden, um deren assyrischen, armenischen, kurdischen, persischen oder arabischen Ursprung unkenntlich zu machen. Bei seinem Nachnamen handele es sich um einen türkischen Namen, der seinem Urgroßvater im Jahr 1935 aufgezwungen worden sei, weil christliche Namen in der Türkei nicht mehr zulässig gewesen seien. Daher habe sein Urgroßvater seinen Namen "E." aufgeben müssen. Bis zum Jahr 1937 habe der Urgroßvater noch die umgangssprachliche Form "O." verwendet. Seit der Einbürgerung überlege seine Familie, wie der ursprüngliche Familienname wiedererlangt werden könne. Die geringen Erfolgsaussichten eines Antrags auf Namensänderung hätte sie allerdings abgeschreckt. Die erfolgreiche Namensänderung seines Bruders K. sei eine Ermutigung gewesen, nunmehr selbst die Änderung des Familiennamens zu beantragen. Es quäle ihn, den Kläger, wegen seines Nachnamens ständig für einen Moslem gehalten zu werden. Dies sei für ihn als Christen eine psychische Belastung. Mit der Türkei verbinde er nur Leid, Diskriminierung und Verfolgung. Teilweise werde er aufgrund seines Nachnamens mit Terrorismus in Verbindung gebracht. Das Tragen eines türkischen Familiennamens sei integrationshemmend. Seine Umgebung nehme ihn zudem nicht als Christ wahr. Er werde benachteiligt, etwa durch verschärfte Kontrollen bei Urlaubsreisen.

In dem Anhörungsschreiben vom 25. Juli 2012 kündigte der Beklagte an, den Antrag des Klägers abzulehnen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 vertiefte der Kläger die Begründung seines Antrags auf Namensänderung.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2012 lehnte der Beklagte die begehrte Namensänderung des Klägers ab. Ein wichtiger Grund im Sinne des Namensänderungsgesetzes sei nicht gegeben. Die Einbürgerung des Klägers liege zu lange, nämlich dreizehn Jahre, zurück, als dass er sich nunmehr darauf berufen könne, die begehrte Namensänderung sei für seine bessere Integration in Deutschland hilfreich. Daran ändere es auch nichts, dass der Kläger erst seit dem 18. Januar 2010 volljährig sei und einen eigenen Antrag habe stellen können. Schwierigkeiten bei der Schreibweise oder Aussprache des Familiennamens seien nicht ersichtlich. Weil er nicht der Erlebnisgeneration angehöre, welche die Vertreibungen in der Türkei selbst erfahren habe, könne er sich nicht darauf berufen, dass sein Familienname ihm zwangsweise verliehen worden sei. Dies sei im Übrigen auch nicht abschließend geklärt. Eine namensrechtliche Anknüpfung an die Generation der Urgroßeltern führe außerdem dazu, dass die Kennzeichnung der unmittelbaren Abstammung durch den Familiennamen nicht mehr bestimmend sei. Die Namensverleihungspraxis in der Türkei verstoße nicht gegen den deutschen ordre public des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Es gebe zahlreiche syrisch- orthodoxe Christen aus der Türkei, die assyrisch klingende Namen trügen. Der Erklärungsbedarf, den der Name des Klägers im sozialen und religiösen Kontext auslöse, sei nicht als wichtiger Grund anzusehen. Auch eine mögliche Diskriminierung aufgrund des türkischen Nachnamens stelle keinen wichtigen Grund für seine Änderung dar. Der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass sein Familienname sein Leben gravierend beeinträchtige. Vielmehr sei davon auszugehen, dass seine Einbürgerung zu einer erfolgreich abgeschlossenen Integration geführt habe. Die Namensverschiedenheit zu seinem Bruder K., dessen Familienname mittlerweile von "D." in "E." geändert worden sei, falle nicht wesentlich ins Gewicht.

Am 3. Dezember 2012 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel, ihm die begehrte Namensänderung zu gestatten. Er vertieft in seiner Klagebegründung die Begründung seines Antrags auf Namensänderung und legt die Benachteiligungen, die Familienmitglieder seiner Eltern- und Großelterngeneration als aramäisch- assyrische Christen in der Türkei erfahren haben, eingehend dar. Als sein Bruder K. sich schließlich dazu entschlossen habe, einen Antrag auf Namensänderung zu stellen, habe der zuständige Sachbearbeiter gemeint, man solle erst die gerichtliche Klärung der Frage abwarten, ehe weitere Familienangehörige Änderungsanträge stellen sollten. Nach dem Ausgang des Gerichtsverfahrens habe sein Onkel P. D. seinen Familiennamen in "E." ändern lassen. Seit den islamistischen Terroranschlägen des 11. September 2001 belaste ihn, den Kläger, seine Namensführung zusätzlich. Es sei für seine Lebensführung wichtig, nicht mehr aufgrund seines Nachnamens für einen Moslem gehalten zu werden. Dies ergebe sich aus zahlreichen, sein Persönlichkeitsrecht verletzenden Alltagssituationen, in denen er immer wieder erklären müsse, weder Türke noch muslimischen Glaubens zu sein. Die Assoziationen, die sein türkischer Familienname bei seinen Mitbürgern auslöse, seien negativ und behinderten seine Lebensführung. Es sei wissenschaftlich belegt, dass ein bedeutender Anteil türkischstämmiger Jugendlicher Integrationsprobleme habe. Er wolle mit diesen Problemen allein aufgrund seiner Namensführung nicht mehr konfrontiert werden. Ein wichtiger Grund für eine Namensänderung liege nach der Rechtsprechung und mittlerweile auch nach Ziffer 44a der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vor, wenn ein zwangsweise eingeführter Familienname Ausdruck von Verfolgung und Unterdrückung sei. Der Familienname "D." sei seiner Familie aufgezwungen worden und ein fortdauerndes Symbol der Verfolgung und Vertreibung durch die Türkei. Er, der Kläger, identifiziere sich mit dem Namen "E." und verwende diesen innerhalb der aramäisch- assyrischen Gemeinde auch fortlaufend. Die zwangsweisen Umbenennungen in der Türkei zu Beginn des 20. Jahrhunderts seien durch zahlreiche historische Quellen allgemein belegt. Auch seine Familie sei davon betroffen gewesen. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Beklagte seine, des Klägers, Antragstellung verzögert habe, indem er ihm geraten habe, den Ausgang des Namensänderungsverfahrens bei seinem Bruder abzuwarten. Außerdem sei es treuwidrig, wenn jetzt sein Antrag auf Namensänderung nicht in der gleichen Weise wie der seines Bruders beschieden werde. Es könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn seine Eltern nicht gewusst hätten, dass sie unmittelbar nach der Einbürgerung einen Antrag auf Namensänderung hätten stellen müssen.

Der Name "E." und nicht etwa der Name "O." sei der ursprüngliche Familienname, zu dem er zurückkehren wolle. "O." sei eine aramäische Form des Namens "E.". Dies lasse sich anhand sprachwissenschaftlicher Untersuchungen nachweisen. Der Name "E." sei im Deutschen zudem einfacher zu schreiben und auszusprechen als die aramäisch- assyrische Form. Es gehe ihm darum, einen in seinem Umfeld unauffälligen Namen zu führen. Ein türkisch klingender Name vermindere seine Chancen auf dem Berufsmarkt. Dies sei durch wissenschaftliche Studien belegt.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 29.10.2012, dem Kläger zugestellt am 2.11.2012, ihm die Änderung seines Familiennamens von "D." in "E." zu gestatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält es zwar nicht mehr für zweifelhaft, dass die Führung des Namens "D." der Familie des Klägers zwangsweise auferlegt worden ist und auch heute noch ein Ausdruck für Unterdrückung und Verfolgung ist. Allerdings könne in einem solchen Fall nur die Änderung in den ursprünglich geführten Familiennamen begehrt werden. Dieser sei "O." und nicht "E.". Dass es sich hierbei sprachwissenschaftlich lediglich um eine andere Form des Namens "E." handele, sei unerheblich. Denn der ursprünglich geführte Familienname sei eben "O." und nicht "E.".

Soweit der Kläger seinen Antrag darauf stütze, dass er zur besseren Integration einen unauffälligen Nachnamen führen wolle, stelle dies keinen wichtigen Grund i.S. des Namensrechts dar. Das Namensrecht diene nicht dazu, möglichen gesellschaftlichen Benachteiligungen oder einer fehlerhaften religiösen Identifikation entgegenzuwirken. Der Kläger könne auch nicht verlangen, einen Namen zu führen, der den Rückschluss auf eine türkische Herkunft ausschließe. Eine gravierende psychische Belastung durch die Führung des Familiennamens "D." habe der Kläger nicht nachgewiesen.

Ihm sei weiter entgegenzuhalten, dass er seinen Antrag nicht rechtzeitig gestellt habe. Die von ihm behauptete Verzögerung der Antragstellung durch ihn, den Beklagten, sei jedenfalls unerheblich. Der Antrag sei unter keinen Umständen "im Anschluss an die Einbürgerung" gestellt worden. Im Übrigen trete er, der Beklagte, dieser Behauptung des Klägers entgegen. Naheliegend sei, dass dieser den Antrag auf Namensänderung erst nach dem Abschluss des Verfahrens seines Bruders gestellt habe, um Verwaltungskosten zu vermeiden.

Am 23. März hat eine mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht stattgefunden. Es wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Es haben auch die Gerichtsakten und Verwaltungsvorgänge zu den Verfahren wegen der Namensänderung der Eltern des Klägers (1 A 2632/12 und 1 A 2634/12) sowie die Gerichtsakte zum Verfahren des älteren Bruders des Klägers (1 A 789/09) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte aufgrund der Einverständniserklärung der Beteiligten, welche diese in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2015 abgegeben haben, ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die bei verständiger Auslegung als Verpflichtungsklage (Versagungsgegenklage) zu verstehende Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte ist verpflichtet, den Familiennamen des Klägers von "D." in "E." zu ändern, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass sein Familienname geändert wird. Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung sind die § 1 und 3 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938, zuletzt geändert durch Art. 54 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (Namensänderungsgesetz - NamÄndG). Nach § 1 NamÄndG kann der Familienname eines deutschen Staatsangehörigen auf Antrag geändert werden. Nach § 3 Abs. 1 NamÄndG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Trotz der Formulierung dieser Vorschrift als Ermessensregelung ist es anerkannt, dass der Behörde im Rahmen der Feststellung eines "wichtigen Grundes" weder ein Ermessens- noch ein Beurteilungsspielraum zusteht. Es handelt sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Auf die Namensänderung besteht ein Rechtsanspruch, wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne der genannten Bestimmung erfüllt sind (VG Oldenburg, Urteil vom 16.10.2012 - 1 A 3849/12 -, ; VG Hamburg, Urteil vom 16.5.2002 - 6 VG 1069/2001 -, ).

Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers, seinen Namen abzulegen und einen neuen anzunehmen, das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens überwiegt. Die Gründe des Namensträgers, anstelle seines Namens künftig einen anderen Namen zu führen, müssen so wesentlich sein, dass die Belange der Allgemeinheit, die vor allem in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens und dem sicherheitsrechtlichen Interesse an der Führung des überkommenen Namens ihre Grundlagen haben, zurücktreten müssen.

Da das deutsche Namensrecht durch die familienrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts im Grundsatz abschließend geregelt ist, hat die im Namensänderungsgesetz vorgesehene öffentlich-rechtliche Änderung des Familiennamens die Natur einer Ausnahme von jenen Regeln. Diese Ausnahme kann nur dann gewährt werden, wenn der nach den bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen zu führenden Name für den Namensträger zu individuellen Unzuträglichkeiten führt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung verlangt mithin ein besonderes, die eigene Situation des Namensträgers prägendes Interesse, das als solches nicht schon in die allgemeine gesetzliche Wertung eingeflossen ist, auf welcher der Name beruht. Ein bloß vernünftiger, also einsehbarer Grund für eine Namensänderung aus privatem Interesse vermag das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens grundsätzlich nicht zu überwiegen (OVG Lüneburg, Urteil vom 18.1.1994 - 10 L 4018/92, FamRZ 1994, 1346; VG Oldenburg, Urteil vom 16.10.2012 - 1 A 3849/12 -, ).

Anhaltspunkte für typische Fälle, in denen ein wichtiger Grund für eine Änderung des Familiennamens gegeben sein kann, ergeben sich aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (vom 11.8.1980, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 11.02.2014, BAnz AT 18.02.2014 B2 - NamÄndVwV). Als Verwaltungsvorschrift entfaltet die NamÄndVwV zwar keine Bindungswirkung, darf aber zur näheren Ausführung des unbestimmten Rechtsbegriffs "wichtiger Grund" aus § 3 Abs. 1 NamÄndG herangezogen werden.

Nr. 37 Abs. 1 NamÄndVwV führt aus, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung im Allgemeinen nicht aus der Tatsache allein abgeleitet werden kann, dass ein Familienname fremdsprachigen Ursprungs ist oder nicht deutsch klingt; jedoch werden bei fremdsprachigen Familiennamen die Voraussetzungen der Nummer 36 häufig vorliegen. Nach Nr. 36 NamÄndVwV ist eine Namensänderung regelmäßig gerechtfertigt, wenn Schwierigkeiten in der Schreibweise oder bei der Aussprache eines Familiennamens zu einer nicht nur unwesentlichen Behinderung des Antragstellers führen. Gleiches gilt für Doppelnamen und sehr lange oder besonders umständliche Familiennamen (z.B. "Grüner genannt Waldmüller").

Nach Nr. 37 Abs. 2 NamÄndVwV kann der Familienname im Anschluss an die Einbürgerung eines Ausländers geändert werden, wenn dieser die ausländische Herkunft des Namensträgers in besonderem Maße erkennen lässt und der Antragsteller im Interesse der weiteren Eingliederung Wert auf einen unauffälligeren Familiennamen legt.

Die neu eingeführte Nr. 44a NamÄndVwV besagt, dass der ursprüngliche Familienname für den Betroffenen sowie für seine Abkömmlinge durch eine Namensänderung wiederhergestellt werden kann, wenn ein zwangsweise eingeführter Familienname Ausdruck von Verfolgung und Unterdrückung ist.

Nach diesen rechtlichen Maßstäben ergibt sich in der Gesamtschau ein wichtiger Grund des Klägers i. S. des § 3 Abs. 1 NamÄndG dafür, dass sein Familienname von "D." in "E." geändert wird. Das schutzwürdige Interesse des Klägers an der begehrten Namensänderung überwiegt ausnahmsweise das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens durch ihn.

Der Kläger kann sich auf zwei selbständig tragende wichtige Gründe berufen.

Erstens ist ein wichtiger Grund i.S. von Nr. 44a NamÄndVwV im Fall des Klägers gegeben. Das Gericht geht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht davon aus, dass der bisher geführte türkische Familienname des Klägers seiner Ursprungsfamilie väterlicherseits im Zuge der Türkifizierung in den 1930er Jahren aufgrund des Gesetzes Nr. 2525 aufgezwungen worden ist (vgl. auch VG Gießen, Urteil vom 29.8.2014 - 4 K 1103/13.GI; VG Oldenburg, Urteil vom 16.10.2012 - 1 A 3849/12 -, ). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig. Auch wenn der in Deutschland geborene Kläger nicht selbst die Verfolgung und Unterdrückung seiner älteren Familienangehörigen in der Türkei erlebt hat, haben seine Schilderung und die seiner Eltern in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass die gesamte Familie durch die in der Türkei erlittene Diskriminierung und Verfolgung wegen ihres christlichen Glaubens und ihrer aramäisch- assyrischen Herkunft maßgeblich geprägt worden ist. Die begehrte Namensänderung hat für den Kläger aufgrund seiner Familiengeschichte existenzielle Bedeutung; sie geht über die bloße Ablehnung eines fremdländisch bzw. türkisch klingenden Familiennamens, die regelmäßig kein wichtiger Grund für eine Namensänderung wäre, hinaus.

Dieser wichtige Grund rechtfertigt auch die konkret begehrte Namensänderung in den Familiennamen "E.". Der Kläger muss sich entgegen der Ansicht des Beklagten nicht darauf verweisen lassen, dass allein der Familienname "O." als ursprünglicher Familienname wiederhergestellt werden darf. In tatsächlicher Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass nicht mit Sicherheit geklärt werden konnte, wie der ursprüngliche Familienname genau lautete. Die von dem Kläger und seinen Eltern vorgelegte Unterschrift des Urgroßvaters bzw. Großvaters värterlicherseits mit "O." ist jedenfalls kein hinreichender Beleg dafür, dass dies auch der offizielle Familienname war. Der Bevollmächtigte des Klägers hat ausführlich und überzeugend dargelegt, dass "O." eine dialektale Ableitung von der hochsprachlichen Form "E." darstellt. Es ist nicht auszuschließen, dass der Urgroßvater des Klägers als Bauer ohne nennenswerte formale Schulbildung in den 1930er Jahren eine dialektal- umgangssprachliche Form eines in der Hochsprache anders lautenden Namens zur Kennzeichnung seiner Person verwendet hat. Darauf, dass diese Form auch den "wahren" bzw. offiziellen Namen der Ursprungsfamilie darstellt, kann aufgrund dieser einen überlieferten Unterschrift nicht mit Sicherheit geschlossen werden.

Weitere Nachforschungen zum offiziellen Ursprungsnamen der Familie, die ohnehin nur mit großem Aufwand und unsicherem Erfolg anzustellen wären, brauchten vorliegend auch nicht durchgeführt zu werden. Denn der Beklagte ist ausnahmsweise darauf zu verweisen, dass andere Familienangehörige des Klägers - insbesondere sein älterer Bruder - bereits erfolgreich eine Namensänderung von "D." in "E." durchgesetzt haben. Damit sind - u.a. durch den Beklagten selbst - Tatsachen geschaffen worden, die im Sinne einer einheitlichen Namensführung in der Familie des Klägers auch für zukünftige Fälle beachtet werden müssen. Dies folgt bereits aus der Ordnungs- und Kennzeichnungsfunktion des Familiennamens, wie sie in Nr. 30 NamÄndVwV näher beschrieben wird. Nr. 30 Abs. 3 NamÄndVwV stellt klar, dass die im Namensrecht zum Ausdruck kommende Funktion des Familiennamens zur einheitlichen Kennzeichnung der Angehörigen einer Familie zu beachten ist (Satz 1). Jedoch gilt dieser Grundsatz uneingeschränkt nur noch für den Ehenamen bei bestehender Ehe und in etwas abgeschwächter Form für die Namensgleichheit zwischen minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder dem für ihre Namensführung maßgeblichen Elternteil (Satz 2). Begehren volljährige Familienangehörige aus schutzwürdigen Gründen eine Änderung des Familiennamens, so werden diese Gründe den Gesichtspunkt der einheitlichen Namensführung in der Familie im allgemeinen überwiegen; anderen Familienangehörigen kann in geeigneten Fällen (z.B. bei anstößig oder lächerlich klingenden Namen) eine gleichartige Namensänderung anheimgestellt werden (Satz 3).Daraus geht hervor, dass auch bei volljährigen Familienangehörigen die einheitliche Kennzeichnung durch den Familiennamen zu beachten ist. Zwar überwiegen schutzwürdige Gründen für eine Namensänderung regelmäßig das Interesse an einer einheitlichen Namensführung der Familie. Vorliegend geht es jedoch um einen Fall, in dem die gesamte Familie aus schutzwürdigen Gründen einen neuen einheitlichen Namen führen möchte. Es sind keine überwiegenden Gründe dafür erkennbar, dass diesem Interesse des Klägers und seiner Familie keine Rechnung getragen werden sollte. Vielmehr trüge eine vom älteren Bruder und Onkel unterschiedliche Änderung des Familiennamens gerade dazu bei, dass die Ordnungs- und Kennzeichnungsfunktion des Familiennamens im Falle des Klägers nicht mehr hinreichend gewährleistet wäre.

Zweitens ergibt sich ein wichtiger Grund des Klägers für die begehrte Namensänderung zusätzlich daraus, dass er diese alsbald nach dem Erreichen der Volljährigkeit beantragt hat. Insoweit steht sein Fall der in Nr. 37 Abs. 2 NamÄndVwV geregelten Fallgruppe gleich, wonach der Familienname im Anschluss an die Einbürgerung eines Ausländers geändert werden kann, wenn dieser die ausländische Herkunft des Namensträgers in besonderem Maße erkennen lässt und der Antragsteller im Interesse der weiteren Eingliederung Wert auf einen unauffälligeren Familiennamen legt. Denn es kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass sein Eltern als seine gesetzlichen Vertreter nicht im Anschluss an die im Jahr 1999 erfolgte Einbürgerung des Klägers und seiner Familie sogleich die Änderung ihres Nachnamens beantragt haben. In seinem Fall ist Bezugspunkt für den maßgeblichen Antragszeitpunkt vielmehr sein achtzehnter Geburtstag am F. 2010, also der Tag, an dem der Kläger als Volljähriger ohne Einschränkungen am Rechtsverkehr teilnehmen konnte. Der von ihm am 8. September 2011 gestellt Antrag auf Namensänderung liegt in hinreichender Nähe zu diesem Zeitpunkt, so dass von einem "Anschluss" i.S. des Art. 37 Abs. 2 NamÄndVwV noch ausgegangen werden kann. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass während dieser Zeit der Antrag auf die Namensänderung des volljährigen Bruders K. durch den Beklagten bearbeitet wurde. Das Gericht geht aufgrund des gesamten aktenkundigen Verfahrensablaufs und der Einlassungen der Beteiligten im Gerichtsverfahren davon aus, dass es für den Beklagten zumindest erkennbar war, dass dem Namensänderungsverfahren des Bruders aus Sicht der übrigen Familienangehörigen - also auch des Klägers - eine "Pilotfunktion" zugemessen worden ist. Daher kann es dem Kläger nun nicht zum Nachteil gereichen, wenn er seinen Antrag auf Namensänderung nicht unmittelbar nach seinem achtzehnten Geburtstag gestellt hat, sondern zunächst den Ausgang des von seinem älteren Bruder geführten Verfahrens abgewartet hat, um abschätzen zu können, ob eine eigene Antragstellung überhaupt Aussicht auf Erfolg hätte. Diese Sichtweise wird durch den Vortrag des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 29. April 2013 (Gerichtsakte Blatt 104 ff., 108) bestätigt, wenn er darauf hinweist, dass es aus Kostengründen sinnvoll war, den Ausgang des Klageverfahrens des Bruders abzuwarten, da eine Antragsablehnung Verwaltungsgebühren auslöst. Dass der Kläger nicht zunächst einen eigenen Antrag gestellt hat und dessen sachliche Bescheidung mit Blick auf das Verfahren des Bruders in Absprache mit dem Beklagten zurückgestellt hat, kann bei dem geschilderten Geschehensablauf keinen Unterscheid für die Beurteilung der Frage machen, ob ein wichtiger Grund für die vom Kläger begehrte Namensänderung anzuerkennen ist.

Der Kläger hat auch im schriftlichen Vorverfahren und in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass es ihm wegen zahlreicher Diskriminierungserfahrungen im Alltag und im Berufsleben darauf ankommt, zu seiner besseren Eingliederung einen nicht fremdländisch klingenden Familiennamen zu führen. Bei dem bislang geführten Familiennamen "D." handelt es sich auch um einen typischen und häufig vorkommenden türkischen Familiennamen, der allein deshalb eine ausländische Herkunft des Namensträgers in besonderem Maße erkennen lässt.

Der begehrten Namensänderung entgegenstehende öffentliche Interessen sind nach den obigen Ausführungen nicht anzunehmen. Insbesondere hat der Kläger im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis beigebracht; der Beklagte hat aktuelle Auskünfte der zuständigen Polizeidienststelle und des Schuldnerverzeichnisses (vgl. Nr. 18 Abs. 1 a und b NamÄndVwV) über den Kläger vorgelegt. Hieraus ergeben sich keine öffentlichen Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Familiennamens i.S. von Nr. 30 Abs. 4 NamÄndVwV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V. mit § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.