Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.03.1979, Az.: 1 A 134/78
Bei der Überprüfung einer geplanten Entscheidung bzgl. des Einfügens eines geplanten Stalls in die vorhandene Bebauung müssen auch die Emissionen der gesamten Schweinehaltung berücksichtigt werden; Notwendigkeit der Berücksichtigung der Emissionen der gesamten Schweinhaltung bei der Überprüfung einer geplanten Entscheidung bzgl. des Einfügens eines geplanten Stalls in die vorhandene Bebauung; Bedenklichkeit von Immissionen landwirtschaftlicher Betriebe in einem einem Dorfgebiet entsprechenden Gebiet; Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Schweinestalls mit 280 Mastplätzen und einem Güllebehälter in der Nähe einer Wohnbebauung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.03.1979
- Aktenzeichen
- 1 A 134/78
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1979, 17647
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1979:0315.1A134.78.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig - 04.07.1978 - AZ: 2 A 265/77
Rechtsgrundlagen
- § 34 Abs. 3 BBauG
- § 35 Abs. 1 Nr. 1 BBauG
- § 5 Abs. 1 BauNVO
Verfahrensgegenstand
Erteilung einer Baugenehmigung
Der I. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg hat
auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 1979 in Wendtorf
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schilling,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schmaltz und Petter sowie
die ehrenamtliche Richterin xxx und
den ehrenamtlichen Richter xxx in xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - II. Kammer - vom 4. Juli 1978 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Der Kläger, der Eigentümer eines Bauernhofes mit ca. 60 ha Eigen- und 10 ha Pachtland in xxx ist, begehrt die Baugenehmigung für einen Schweinestall mit Güllebehälter.
Der Bauernhof des Klägers mit seinen zahlreichen Stall- und Wirtschaftsgebäuden liegt unmittelbar am nordöstlichen Ortsrand von Wendtorf. Südlich und westlich vom Hof des Klägers gruppieren sich weitere drei landwirtschaftliche Anwesen um den alten Dorfplatz. Zwischen den Bauernhöfen liegen vier Wohnhäuser, nordwestlich vom Hof des Klägers zieht sich an der ehemaligen Kreisstraße Wohnbebauung entlang. Ein geschlossenes Wohngebiet beginnt etwa 280 m westlich vom Hof des Klägers entfernt. Östlich vom Hof liegen landwirtschaftlich genutzte Flächen. Der Kläger hält neben 30 Rindern in vier räumlich getrennten Ställen zwei Eber, 30 Sauen, davon 12 ferkelführend, und ca. 290 Mastschweine im Festmistverfahren.
Am 9. Juni 1977 beantragte der Kläger die Baugenehmigung für einen Schweinestall mit 280 Mastplätzen und einem Güllebehälter. Nach den Bauvorlagen soll der Schweinestall etwa 35 m östlich vom Wohn- und Wirtschaftsgebäude an der vom Dorf abgewandten Seite des Hofes errichtet werden. Das nächstgelegene Wohnhaus xxx liegt ca. 90 m südwestlich vom geplanten Stall; dazwischen liegen zum Hof des Klägers gehörige Gebäude. Das nächste Wohnhaus an der ehemaligen Kreisstraße xxx liegt in ca. 100 m Entfernung in nordwestlicher Richtung. Der Beklagte versagte mit Verfügung vom 12. Juli 1977 die Baugenehmigung, weil der Stall erhebliche Geruchsemissionen erwarten lasse und das Grundstück des Klägers nach dem genehmigten Flächennutzungsplan im allgemeinen Wohngebiet liege.
Auch im angrenzenden Dorfgebiet lägen zahlreiche Wohnhäuser. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Oktober 1977 zurück.
Der Kläger hat am 28. Oktober 1977 Klage erhoben und während des erstinstanzlichen Verfahrens einen modifizierten Bauantrag für den Schweinestall am gleichen Standort vorgelegt. Die vom Beklagten eingeschaltete Landwirtschaftskammer hielt den Schweinestall für unbedenklich. Nach dem Punktsystem der VDI-Richtlinie 3471 erreiche der Stall 95 Punkte. Bei 36,4 Großvieheinheiten (280 Mastplätze x 0,13 Großvieheinheiten) ergebe sich nach der VDI-Richtlinie ein Abstand von 157 m zur geschlossenen Wohnbebauung nichtlandwirtschaftlicher Art. Unter bestimmten betriebstechnischen Voraussetzungen sei auch bei den näher als 157 m gelegenen Einzelhäusern nicht mit unzumutbaren Immissionen zu rechnen. Der Beklagte hat daraufhin am 20. Juni 1978 die Baugenehmigung für den Schweinestall mit Güllebehälter auf Widerruf erteilt. Der Baugenehmigung ist neben zahlreichen anderen Nebenbestimmungen die Bedingung beigefügt, daß Schweinemaststall und Güllebehälter in einer Entfernung von mindestens 157 m von der nächsten Wohnbebauung (Häuser xxx, xxx und xxx) zu errichten sei. Damit würde der Schweinestall etwa 75 m weiter nach Nordosten vom Hof in den Außenbereich rücken.
Der Kläger hat vorgetragen, der Standort des Stalles liege im Außenbereich, die Nachbarschaft werde durch landwirtschaftliche Betriebe als Dorfgebiet gekennzeichnet. Einen der vorhandenen Ställe mit ca. 160 Mastplätzen werde er, der Kläger, nach dem Bau des neuen Stalles abbrechen, so daß er neben den 280 Mastschweinen (a 0,13 GV) nur 150 abgesetzte Ferkel (a 0,02 GV) sowie Sauen und Eber im bisherigen Umfang halten werde. Der neue Stall sei nach modernsten Gesichtspunkten konzipiert.
Nach der vorherrschenden Windrichtung sei der Standort des Stalles im Hinblick auf die Wohnbebauung günstig. Die Bedingung, einen Abstand von 157 m von den Wohnhäusern xxx und xxx einzuhalten, sei mit der VDI-Richtlinie nicht zu rechtfertigen, weil diese Entfernung nur von geschlossener Wohnbebauung, nicht aber von einzelnen Häusern im Dorfgebiet einzuhalten sei. Die Bedingung sei für ihn, den Kläger, nicht erfüllbar, weil damit die Bewirtschaftung seines Hofes unzumutbar erschwert würde. Die Mindestabstände der VDI-Richtlinie seien auch bei der Umstellung vorhandener Ställe auf umweltfreundliche Verfahren nicht in vollem Umfang anwendbar. Außerdem müsse eine gewisse Vorbelastung im Dorfgebiet berücksichtigt werden.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die am 1. März 1978 beantragte Baugenehmigung ohne die Bedingung über die Entfernung von 157 m zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat entgegnet, der Kläger müsse den nach der VDI-Richtlinie einzuhaltenden Abstand einhalten, zumal ihm ausreichend Land zum Ausweichen zur Verfügung stehe.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 4. Juli 1978, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben.
Gegen das ihm am 10. August 1978 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. September 1978, einem Montag, eingegangene Berufung des Beklagten. Er trägt vor, das Baugrundstück liege innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Selbst wenn der Abstand vom Haus xxx ausreiche, weil dieses im Dorfgebiet liege, könne der Abstand vom Haus xxx nicht als ausreichend angesehen werden. Es sei nicht verständlich, warum insoweit von der Abstandsregelung der VDI-Richtlinie 3471 abgewichen werden solle. Die drei anderen landwirtschaftlichen Betriebe in xxx hielten Schweine nicht in größerem Umfang. xxx sei auf den Fremdenverkehr ausgerichtet und habe keinen dörflichen Charakter mehr.
Der Beklagte beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, und nimmt auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
Die beigeladene Gemeinde stimmt dem Vorhaben des Klägers zu, falls es nicht zu Belästigungen führe.
Wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Der Senat hat das Hofgrundstück des Klägers und seine Umgebung besichtigt; auf die Niederschrift vom 30. Januar 1979 wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg, weil die vom Kläger geplante Stallanlage für die benachbarte Wohnbebauung keine spürbaren Belästigungen erwarten läßt. Dabei kann offenbleiben, ob der Standort des Schweinemaststalles und des Güllebehälters dem Außenbereich oder der im Zusammenhang bebauten Ortslage zuzurechnen ist.
Liegt der Stall noch im Innenbereich, ist er nach § 34 BBauG 1976 zulässig. Die nähere Umgebung des Baugrundstücks im Einwirkungsbereich des Schweinestalles wird von Südwesten bis Nordwesten durch das Nebeneinander landwirtschaftlicher Betriebe und einzelner Wohnhäuser gekennzeichnet. Mag auch die Zahl der Wohnhäuser höher sein als die Zahl der landwirtschaftlichen Anwesen, so wird das Gewicht der landwirtschaftlichen Nutzung doch durch die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Anwesen verstärkt. Das gilt auch für die ersten Häuser nordwestlich vom Hof des Klägers an der ehemaligen Kreisstraße. Das Haus xxx und die drei gegenüberliegenden Wohngrundstücke werden durch die unmittelbare Nachbarschaft der Höfe des Klägers und seines westlichen Nachbarn geprägt. Wie weit nach Westen die Bebauung an der ehemaligen Kreisstraße durch die landwirtschaftlichen Betriebe mitbestimmt wird, kann im Hinblick auf die Entfernung vom geplanten Stall hier offenbleiben. Nach § 34 Abs. 3 BBauG i.V.m. § 5 BauNVO ist das Vorhaben des Klägers nicht unzulässig. Nach § 34 Abs. 1 BBauG fügt sich das Vorhaben des Klägers in die Bebauung der Umgebung ein. Zwar findet der Schweinestall keine unmittelbare Entsprechung in der näheren Umgebung - in der geplanten Größe auch nicht auf dem Grundstück des Klägers -, aber er begründet oder erhöht im Verhältnis zur Umgebung bodenrechtliche Spannungen nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.5.1978 - IV C 9.77 - DVBl 1978, 815 [BVerwG 26.05.1978 - 4 C 9.77]).
Immissionen landwirtschaftlicher Betriebe in einem Gebiet, das in etwa einem Dorfgebiet entspricht, sind nicht bereits grundsätzlich bedenklich, vielmehr sind gewisse Auswirkungen der landwirtschaftlichen Nutzung in einem derartigen Gebiet unbedenklich (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 25.1.1978 - XI A 1268/77 - AgrarR 1978, 170). Neben der Art und dem Umfang der Schweinehaltung kommt es entscheidend darauf an, welchen Abstand der geplante Stall von den nächsten Wohnhäusern einhält.
Bei der Entscheidung über den Bauantrag ist zunächst allein auf das geplante Vorhaben und die von ihm ausgehenden Emissionen abzustellen. Bei kontinuierlicher Mast, wie sie der Kläger plant, ist bei einem Stall mit 280 Mastplätzen von 36,4 Großvieheinheiten auszugehen. Bei der Art der Schweinehaltung (Mistlagerung, Entmistung, Abluftaustritt, Sommerluftrate und Austrittsgeschwindigkeit) ergibt sich nach der VDI-Richtlinie 3471 eine Punktzahl von 95 bei 100 möglichen Punkten. Die VDI-Richtlinie sieht für eine derartige Schweinehaltung einen Abstand von 157 m von Wohnbebauung vor (Diagramm Bild 20). Diese Entfernung braucht der Stall des Klägers aber nicht von den nächstgelegenen Häusern xxx und xxx einzuhalten, weil diese Wohnhäuser in einem Bereich liegen, der durch die unmittelbare Nachbarschaft landwirtschaftlicher Betriebe geprägt wird. Die Abstände nach Bild 20 der VDI-Richtlinie gelten entsprechend der Bestimmung des Geltungsbereiches dieser Richtlinie und nach Ziff. 2.1.2 nur zwischen Schweinehaltungsbetrieben und Wohnbebauung im Sinne der BauNVO:" Einzeln stehende Wohngebäude, Dorfgebiete (MD) ... sind ausgenommen und bedürfen einer gesonderten Beurteilung". Diese Beschränkung des Geltungsbereichs der Abstandsregelung ergibt sich auch aus der Erläuterung des Abstandsdiagramms:" Die in Bild 20 für jede Bestandsgröße angegebenen Abstände setzen sich aus dem Geruchsschwellenwert (das ist der Abstand, bei dem der spezifische Stallgeruch erstmalig wahrnehmbar ist) der Praxiserhebungen zuzüglich seines Sicherheitsabstandes zusammen". Die Geltung der VDI-Richtlinie 3471 im Dorfgebiet würde bedeuten, daß die Schweinehaltung in einem Gebiet, das nach § 5 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung der Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe dienen soll, so eingeschränkt würde, daß spezifischer Stallgeruch nicht wahrnehmbar ist. Die Wohnbebauung im Dorfgebiet ist jedoch nicht so schutzwürdig: das Wohnen darf nur durch Immissionen landwirtschaftlicher Betriebe nicht unzumutbar gestört werden (vgl. auch § 15 Abs. 1 BauNVO).
Es bedarf aus Anlaß dieses Falles keiner Entscheidung, in welchem Umfang der Abstand zwischen Schweinehaltung und einzelnen Wohnhäusern im Dorfgebiet unter den Abstand reduziert werden kann, in dem spezifischer Stallgeruch erstmalig wahrnehmbar ist (Geruchsschwellenwert). Der Schweinestall hält auch an dem vom Kläger geplanten Standort einen ausreichenden Abstand, nämlich die Geruchsschwellenentfernung, von den nächsten Wohnhäusern ein. Das ergibt sich aus der vom Senat eingeholten Äußerung des Dr. Ing. xxx vom Institut für landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der Universität xxx ebenso wie aus dem Zusatzgutachten der Landwirtschaftskammer. Dr. xxx hat an Hand der Entstehungsgeschichte der VDI-Richtlinie dargelegt, daß die Abstände nach dem Diagramm Bild 20 eine Sicherheit von mindestens 100% gegenüber der tatsächlich zu erwartenden Geruchsschwellenentfernung beinhalten und diese Entfernung daher bei einer Schweinehaltung von 36 Großvieheinheiten und 100 Punkten bei ca. 80 m Abstand liege. Die Sicherheit betrage bei diesem Abstand 95%, d.h. bei 95% aller vergleichbaren Betriebe liege die tatsächliche Geruchsschwellenentfernung innerhalb dieses Abstandes. Zum gleichen Ergebnis kommt das Zusatzgutachten der Landwirtschaftskammer, das von einer Durchschnittskurve von 400 untersuchten Betrieben mit 60 Punkten ausgeht. Aus der Kurve, die die Geruchsschwellenentfernung von Betrieben mit 50 Punkten in Abhängigkeit von der Größe der Betriebe (Großvieheinheiten) angibt, und den Kurven für 50- und 100-Punkte-Betriebe, die den Sicherheitszuschlag berücksichtigen, läßt sich zurückrechnen, daß die Geruchsschwellenentfernung für einen Betrieb mit 36 Großvieheinheiten und 100 Punkten in dem Bereich um 90 m liegt. Berücksichtigt man, daß die Geruchsschwellenwerte unter ungünstigsten Witterungsbedingungen gelten und der Standort des Schweinestalles am Ostrand des Dorfes ausgesprochen günstig ist, dann läßt sich mit Sicherheit eine Belästigung des nächsten Wohnhauses xxx, 90 m vom geplanten Schweinestall entfernt, ausschließen, Diese rein rechnerische Prognose, die im gegenseitigen Nahbereich von ca. 100 m nach Ziffer 3.2 der VDI-Richtlinie nicht ausreicht, wird durch, die Beurteilung des Sachverständigen der Landwirtschaftskammer bestätigt. Der Sachverständige hat insbesondere unter Auswertung der Meßdaten des Wetteramtes Schleswig, Meßstelle Kiel, die Windverhältnisse berücksichtigt.
Für die Entscheidung, ob sich der geplante Stall in die vorhandene Bebauung einfügt, kommt es allerdings auch auf die Emissionen der gesamten Schweinehaltung an (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.2.1977 a.a.O.; Urt. d. VII. Sen. v. 31.8.1977 - VII OVG A 71/76 - Die Gemeinde 1978, 28). Denn sonst wäre es möglich, einen Schweinehaltungsbetrieb abschnittsweise so zu verwirklichen, daß die einzelnen Abschnitte von den Emissionen her unbedenklich sind, die Immissionen der gesamten Anlage aber das zulässige Maß weit übersteigen. Bei einer Beurteilung des gesamten Betriebes können allerdings dem vorhandenen Bestand die geplanten Mastplätze nicht einfach hinzugefügt werden. Der Kläger hat nämlich vorgetragen, daß er einen Stall beseitigen wird, der maximal 170 Mastplätze für kontinuierliche Mast enthält. Rein rechnerisch hätte dieser Stall nach der VDI-Richtlinie mit (170 Plätze x 0,13 GV) 22 Großvieheinheiten einen Mindestabstand von ca. 180 m von Wohngebieten i.S. der BauVNO einhalten müssen, weil er nach der Bewertung der VDI-Richtlinie nur 55 Punkte erreicht (vgl. das Gutachten der Landwirtschaftskammer). Der neue Stall braucht nach dem Abstandsdiagramm der VDI-Richtlinie nur einen Abstand von 157 m einzuhalten, weil er trotz höherer Belegung mit geringeren Emissionen verbunden ist. Wenn der zu beseitigende emissionsträchtige Stall zusammen mit den anderen Ställen des Klägers keine unzumutbaren Belästigungen für die Nachbarschaft gezeitigt hat - was die vom Kläger vorgelegten entsprechenden Erklärungen der Nachbarn beweisen -, dann kann der auch bei voller Belegung umweltfreundlichere geplante Stall zusammen mit den bestehenbleibenden kleineren Ställen keine Belästigung für die benachbarten Wohnhäuser mit sich bringen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 17.2.1978 - 1 C 102.76 - DVBl 1978, 591/596).
Unter diesen Umständen bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob der Beurteilung des Sachverständigen der Landwirtschaftskammer zu folgen wäre, daß die Sauen- und Ferkelhaltung mit insgesamt sieben Großvieheinheiten nicht berücksichtigt zu werden brauche, weil das Abstandsdiagramm der Richtlinie bei der Größenordnung von zehn Großvieheinheiten an aufwärts beginnt.
Schließlich ist es auch ausgeschlossen, daß der Stall des Klägers mit seinen Immissionen den auch durch Vorbelastungen nicht einschränkbaren Schutz der Nachbarn vor störenden Immissionen in Frage stellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.2.1977 - IV C 9.75 - DVBl 1977, 770). Das käme in Betracht, wenn die tatsächliche Situation durch Schweinehaltungen auf den benachbarten Bauernhöfen geprägt wäre und der Stall des Klägers sozusagen als letzter Tropfen das Faß zum überlaufen brächte. Das ist jedoch nicht der Fall, denn die benachbarten Landwirte halten nur in ganz geringem Umfang Schweine, so daß eine Vorbelastung nicht vorhanden ist.
Liegt der Stall des Klägers im Außenbereich, dann hat er einen Anspruch auf die Baugenehmigung, weil der Schweinestall nach§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BBauG einem landwirtschaftlichen Betrieb dient, öffentliche Belange - inbesondere das Gebot der Rücksichtnahme bzw. schädliche Umwelteinwirkungen zu Lasten Dritter - stehen dem Vorhaben des Klägers nicht entgegen. Dazu kann auf die Ausführungen zu § 34 BBauG Bezug genommen werden.
Das Vorhaben des Klägers steht auch mit dem Landesbaurecht im Einklang. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 LBO sind Stallräume so anzuordnen, zu errichten und zu unterhalten, daß die Umgebung nicht unzumutbar belästigt wird. Die Vorschrift verbietet das Errichten eines Stalles nicht erst dann, wenn positiv feststeht, daß unzumutbare Belästigungen für die Umgebung entstehen; vielmehr läßt sie ein solches Vorhaben nur zu, wenn die genannten Auswirkungen nicht entstehen können. Eine solche negative Fassung der gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen verschärft die Anforderungen an die Zulassung eines Vorhabens (Urt. des Sen. v. 27.5.1977 - I OVG A 29/75 m.Nachw.). Aufgrund der Darlegung der Entstehungsgeschichte der VDI-Richtlinie 3471 durch Dr. xxx vom Institut für landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der :Universität xxx und des Gutachtens der Landwirtschaftskammer hält der Senat die in seiner bisherigen Rechtsprechung zum vorläufigen Rechtsschutz gegen Schweinemastbetriebe zum Ausdruck gekommene Ansicht, bei einer Unterschreitung der nach der VDI-Richtlinie 3471 geforderten Abstände könnten unzumutbare Belästigungen nicht ausgeschlossen werden, in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrecht(vgl. Beschl. d. Sen. v. 21.7.1977 - I OVG B 63/77 und Beschl. v. 26.2.1979 - I OVG B 97/78). Im Dorfgebiet nach § 5 BauNVO und in Gebieten, die nach ihrer tatsächlichen Situation einem Dorfgebiet entsprechen, ist eine Reduzierung des nach der VDI-Richtlinie 3471 erforderlichen Abstands jedenfalls auf die Geruchsschwellenentfernung im Hinblick auf § 68 Abs. 1 Satz 1 LBO unbedenklich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Der Senat läßt die Revision nicht zu, weil er weder über klärungsbedürftige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung entscheidet, die revisibel sind, noch von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht (§§ 132, 137 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
...
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird für beide Rechtszüge auf 20.000,-- DM (in Worten: zwanzigtausend Deutsche Mark) festgesetzt.
Schmaltz
Petter