Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 23.05.2001, Az.: 2 A 790/99

Rücknahme der Gewährung von Sitzungsgeldern; Entschädigungssatzung für die Bewilligung von Sitzungsgeldern ; Genehmigung der Teilnahme vom Verwaltungsausschuss ; Vertrauenschutz hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Bewilligung der Sitzungsgelder

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
23.05.2001
Aktenzeichen
2 A 790/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 19482
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2001:0523.2A790.99.0A

Fundstellen

  • Landkreis 2002, 393-395
  • NVwZ 2002, 119-122 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Streitgegenstand: Erstattung von Ratsentschädigungen

Prozessführer

der Frau S,

Proz.-Bev.:Rechtsanwalt Jaegler, Schrabberdeich 30, 26919 Brake, - 675/97I01 -

Prozessgegner

die Stadt Brake,

die Bürgermeisterin, Schrabberdeich 1, 26919 Brake,

Redaktioneller Leitsatz

Wenn in der Entschädigungssatzung für die Bewilligung von Sitzungsgeldern bestimmt ist, daß die Gewährung eines Sitzungsgeldes von der Genehmigung der Teilnahme vom Verwaltungsausschuß abhängig ist, sind erfolgte Zahlungen unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Satzung dann rechtswidrig gewesen, wenn eine Genehmigung seitens des Verwaltungsausschusses nicht vorlag. Die Annahme einer konkludenten Genehmigung entspricht nicht den strengen formellen und inhaltlichen Anforderungen, so daß die Rückgewährung nicht zu beanstanden ist, zumal der Leistungsempfänger über sämtliche Umstände des Abrechnungsverfahrens informiert war und daher keinen Vertrauensschutz genießt.

In der Verwaltungssrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 2. Kammer -
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Bergner,
den Richter am Verwaltungsgericht Schwettmann,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Menzel sowie
die ehrenamtlichen Richter Ulrichs und von der Heide
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme der Gewährung von Sitzungsgeldern.

2

Sie war in der Wahlperiode 1991 bis 1996 für die SPD-Fraktion Mitglied des Rates der Beklagten. In ihrer Funktion als Ratsmitglied nahm sie in der Zeit von 1991 bis 1996 an zahlreichen Veranstaltungen teil, wie z.B. am 29. April 1992 am DGB - Empfang, am 9. Juni 1993 an einer Multi-Media-Show in Bremen sowie am 3. November 1994 an der Öffnung der Kirchenstraße in Brake. Wegen der Teilnahme an den einzelnen Veranstaltungen wird auf die in den Verwaltungsvorgängen (Beiakte A) enthaltene Aufstellung der Beklagten Bezug genommen. Die Klägerin bestätigte ihre Teilnahme an den einzelnen Veranstaltungen durch ihre Unterschrift im Fraktionsbuch. In den Sitzungen des Verwaltungsausschusses der Beklagten wurden die Anlässe, auf Grund derer die Klägerin an den einzelnen Veranstaltungen teilnahm, zum Teilüberhaupt nicht und zum Teil im Rahmen eines Tagesordnungspunktes behandelt. Eine ausdrückliche Zustimmung des Verwaltungsausschusses zur Teilnahme an den Veranstaltungen in Gestalt eines Beschlusses oder einer Abstimmung erfolgte jeweils nicht. Die Klägerin erhielt stets eine Abschrift des Protokolls der jeweiligen Ausschusssitzung.

3

Nachdem die Fraktion der SPD der Verwaltung die jeweiligen Fraktionsbücher vorgelegt hatte, ermittelte die Beklagte die einzelnen Termine der Veranstaltungen, an denen die Klägerin teilgenommen hatte. Auf der Grundlage dieser Zusammenstellung zahlte die Beklagte an die Klägerin ein Sitzungsgeld pro Veranstaltung in Höhe von 22,00 DM aus.

4

Die Abrechnung von Entschädigungen für Ratsmitglieder in der Wahlperiode 1991 bis 1996 war zunächst Anlass für eine Kommunalaufsichtsbeschwerde gewesen. Der Landkreis Wesermarsch als Kommunalaufsichtsbehörde überprüfte die Angelegenheit und stellte fest, dass Ratsmitgliedern in einer Reihe von Fällen Entschädigungen nach der seinerzeit gültigen Entschädigungssatzung nicht hätten gewährt werden dürfen. In seiner Stellungnahme vom 9. Dezember 1996 - bei der Beklagten am 10. Dezember 1996 eingegangen - gab der Landkreis Wesermarsch der Beklagten auf, die Rückforderung der überzahlten Beträge zu veranlassen.

5

Mit Bescheid vom 8. Dezember 1997 - der Klägerin am 9. Dezember 1997 zugestellt - nahm die Beklagte die gegenüber der Klägerin erteilten Bescheide über die Festsetzungen von Entschädigungen im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft im Rat der Beklagten während der Wahlperiode 1991 bis 1996 zurück, soweit sie die Teilnahme an - in der Anlage zum Bescheid vom 8. Dezember 1997 aufgeführten - Sitzungen, Besprechungen oder ähnlichen Veranstaltungen betraf. Gleichzeitig forderte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 506,00 DM - 23 Sitzungen a`22,00 DM - zurück. Zur Begründung führte sie aus: Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bewilligungsbescheide sei § 48 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - sowie das Niedersächsische Verwaltungsverfahrensgesetz - NVwVfG -. Der Klägerin seien jeweils auf ihren Antrag Sitzungsgelder ohne rechtlichen Grund gewährt worden. Nach§ 1 der Satzung über die Entschädigung der Ratsmitglieder, der nicht dem Rat angehörenden Ausschussmitglieder und der ehrenamtlich Tätigen (Entschädigungssatzung) idF vom 17. April 1980 sei Sitzungsgeld außer für jede Teilnahme an Sitzungen des Rates, des Verwaltungsausschusses, der Ausschüsse und der Fraktionen auch für jede Teilnahme an Besprechungen, Besichtigungen, Empfängen undähnlichen Veranstaltungen zu zahlen, wenn dafür eine Teilnahmegenehmigung des Verwaltungsausschusses vorgelegen habe. Diese Genehmigungen hätten als unabdingbare Anspruchsvoraussetzung für sämtliche Veranstaltungen und Anlässe, die den zurückgeforderten Sitzungsgeldern zugrunde gelegen hätten, nicht vorgelegen. Die Gewährung der angesprochenen Sitzungsgelder sei daher in diesen Fällen nicht satzungskonform und damit rechtswidrig. Die Klägerin könne sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen. Zu Beginn ihrer Ratstätigkeit habe sie eine Sammlung mit dem in Brake gültigen Ortsrecht erhalten. Hierzu habe auch die genannte Entschädigungssatzung gehört, nach der sich die Gewährung von Sitzungsgeldern während der Wahlperiode 1991 bis 1996 des Rates gerichtet habe. Der Entschädigungssatzung seien die Voraussetzungen zu entnehmen, unter denen Sitzungsgelder hätten beansprucht werden können. In der Rechtsprechung werde die Auffassung vertreten, das derjenige, der den Vorzug genieße, auf Kosten der Allgemeinheit Leistungen zu erhalten, auch das Seine dazu beitragen müsse, dass rechtswidrige Zahlungen vermieden würden. Bewilligungsbescheide seien daher vom Empfänger auf Richtigkeit zu prüfen. Außerdem sei darauf zu achten, dass keineÜberzahlungen erfolgten. Als Maßstab für die Sorgfalt derÜberprüfung gelte das Begriffs- und Erkenntnisvermögen des durchschnittlichen, mit den Einzelheiten der gesetzlichen Regelungen nicht vertrauten Bürgers. Gäbe der Bescheid bei Anwendung dieser Maßstäbe Anlass zu Zweifeln an seiner Richtigkeit, so sei dem Antragsteller zuzumuten, sich auf geeignete Weise, gegebenenfalls durch Rückfrage, Klarheit zu verschaffen. Sofern er dies nicht beachte, beruhe seine Unkenntnis des Fehlers auf grober Fahrlässigkeit. Im Ergebnis ließe sich festhalten, dass die Klägerin als Ratsmitglied über ausreichende Informationen bzw. Unterlagen verfügt habe, um die Rechtswidrigkeit der Zahlungen erkennen zu können bzw. sogar erkennen zu müssen. Zu Lasten der Klägerin sei zu berücksichtigen, dass sie als Ratsmitglied die jeweils vollständigen Niederschriften über die Sitzungen des Verwaltungsausschusses stets erhalten habe. Sie sei damit in der Lage gewesen, das Vorliegen eines Verwaltungsausschuss-beschlusses als Voraussetzung für einen rechtlich begründeten Anspruch auf die Gewährung von Sitzungsgeldern für bestimmte Veranstaltungen und Anlässe selbst eigenverantwortlich zu prüfen.

6

Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, es sei bei der Beklagten in den vergangenen Jahrzehntenübliche Praxis gewesen, dass der Verwaltungsausschuss keine formellen Einzelbeschlüsse im Zusammenhang mit der Genehmigung von Veranstaltungen gefasst habe. Richtig sei vielmehr, dass die diesbezüglichen Veranstaltungen in aller Regel im Verwaltungsausschuss unter dem Tagesordnungspunkt "Unterrichtung durch den Bürgermeister" bekannt gegeben worden seien. Diese Bekanntgabe in dem Verwaltungsausschuss sei als eine konkludente Genehmigung iSd§ 1 Abs. 1 Satz 2 der Entschädigungssatzung anzusehen. Aus diesem Grund seien die gewährten Sitzungsgelder nicht rechtswidrig gewährt.

7

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1999 zurück. Sie führte zur Begründung aus: Die Klägerin habe in 23 Fällen unter Verstoß gegen die Entschädigungssatzung Sitzungsgelder ausgezahlt bekommen. Für die im einzelnen aufgelisteten 23 Veranstaltungen wie z.B. die Neujahrs-, DGB- und Schützenempfänge, die Eröffnungen des Stadtfestes und Sportlerehrungen, hätten die Voraussetzungen des§ 1 Abs. 1 Satz 2 der Entschädigungssatzung für die Bewilligung von Sitzungsgeldern nicht vorgelegen. Nach dieser Vorschrift hätte ein Sitzungsgeld für die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung in Höhe von 22,00 DM jeweils nur bei Vorliegen einer Teilnahmegenehmigung seitens des Verwaltungsausschusses gezahlt werden dürfen. Eine entsprechende Genehmigung sei nicht ersichtlich. Insbesondere könne sich die Klägerin nicht auf eine konkludente Genehmigung zur Abrechnung berufen. An die Genehmigung seien strenge formelle Anforderungen zu stellen, da es sich bei den genannten Veranstaltungen nicht um Sitzungen im eigentlichen Sinne gehandelt habe. Es habe allein der Steuerung und konstitutiven Entscheidung des Verwaltungsausschusses oblegen, durch eine ausdrückliche Genehmigung darüber zu beschließen, ob eine Veranstaltung den Charakter einer im Sinne der Entschädigungssatzung abrechenbaren Sitzung besitze oder nicht. Die Gewährung von Sitzungsgeldern müsse sich hierbei streng am Wortlaut der Satzungsregelung orientieren und dürfe entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht durch die Annahme einer konkludenten Genehmigung ausgeweitet werden. Die Klägerin könne sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, der eine Rückforderung der rechtswidrig bewilligten und gezahlten Sitzungsgelder ausschließe. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu Beginn ihrer Ratstätigkeit eine Sammlung des in Brake gültigen Ortsrechtes erhalten habe. Hierzu habe auch die genannte Entschädigungssatzung gehört. Außerdem müsse die Klägerin gegen sich gelten lassen, in einer verschärften Haftung zu stehen. Sie sei Mitglied des Rates gewesen, dem Rat, dem das Recht zum Erlass der Entschädigungssatzung zustehe. Bei der Frage der Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Klägerin komme es zum anderen auf eine wertende Abwägung der Gesichtspunkte an, die zum einen für die Aufrechterhaltung der Bewilligungsbescheide sprächen und zum anderen für das öffentliche Interesse an der Herstellung des nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften gebotenen Rechtszustandes anzuführen seien. Im Falle der Klägerin sei das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide höher zu bewerten als ihr Interesse an der Aufrechterhaltung der Bescheide. Zum einen werde ein geringer Betrag in Höhe von 506,00 DM zurückgefordert. Es spräche Weniges dafür, dass die Rückzahlung für die Klägerin unter Würdigung ihrer sozialen und persönlichen Verhältnisse schwere oder unzumutbare Nachteile zur Folge habe. Zum anderen wiege das erhebliche öffentliche fiskalische Interesse an der sparsamen Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel unter Vermeidung nicht gerechtfertigter öffentlicher Ausgaben und Aufwendungen schwer. Darüber hinaus forderten die Belange der Allgemeinheit und des Gemeinwohls eine ordnungsgemäße Gewährung von Entschädigungen an die Ratsmitglieder und verlangten eine Rückforderung rechtswidrig geleisteter Zahlungen.

8

Die Klägerin hat am 1. März 1999 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie - ergänzend - im wesentlichen geltend: Entgegen der Auffassung der Beklagten habe sie zu keinem Zeitpunkt einen eigenen Antrag bei der Beklagten zwecks Erstattung der späterüberwiesenen Gelder gestellt. Vielmehr habe die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau Manske, aus dem Fraktionsbuch bzw. dem Ausschussbuch oder bei Ratssitzungen aus der Anwesenheitsliste entnommen, welche Personen anwesend gewesen seien, und dementsprechend die Zahlungsanweisungen vorgenommen. Bei Veranstaltungen, wie beispielsweise der Sportlerehrung der Beklagten, habe ein Mitarbeiter der Verwaltung die Anwesenheit der Ratsmitglieder erfasst und gleichzeitig Frau Manske mitgeteilt. Auf Grund der verwaltungsseitig vorgenommenen Auflistung sei dann die Anweisung durch die Beklagte an die jeweiligen Ratsmitglieder erfolgt, ohne dass diesbezüglich ein gesonderter subjektiv eigener Antrag erfolgt sei. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Abrechnung von Sitzungsgeldern nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Entschädigungssatzung von jeweils 22,00 DM auch nach Auffassung des Landkreises Wesermarsch als kommunale Aufsichtsbehörde dann für rechtmäßig angesehen worden sei, wenn sich aus der Niederschrift der Sitzung des Verwaltungsausschusses ergebe, dass unter dem Tagesordnungspunkt "Unterrichtung durch den Bürgermeister" die konkreten Termine, wie z.B. Neujahrsempfang, Neubürgerbegrüßung, Empfang vom Vereinen im Rathaus undÄhnliches angesprochen worden seien. Einer konkreten Festlegung der Teilnehmer an der jeweiligen Veranstaltung - alle oder bestimmte Ratsmitglieder - habe es seitens des Verwaltungsausschusses nicht bedurft. Im übrigen sei es auch seit Jahrzehnten bei der Beklagten gängige Praxis gewesen, keine formellen Einzelbeschlüsse hinsichtlich solcher Veranstaltungen zu fassen. Statt dessen würden bevorstehende Empfänge, Besichtigungen und Veranstaltungen im Verwaltungsausschuss unter dem Tagesordnungspunkt "Unterrichtung durch den Bürgermeister" bekannt gegeben. Diese Bekanntgabe werde als Genehmigung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 der Satzung angesehen und dementsprechend gehandhabt. Sie habe auf Grund der gängigen Praxis bei der Beklagten davon ausgehen können, dass nach einer entsprechenden Prüfung durch die Mitarbeiter der Beklagten die Zahlungen vorgenommen worden seien.

9

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 1997 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1999 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Sie tritt dem Klagebegehren entgegen und wiederholt im wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1999.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte A bis D) der Beklagten Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 1999 ist rechtsmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

14

1.

Die in dem Bescheid zunächst geregelte Rücknahme der Gewährung von Sitzungsgeldern ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die in dem angefochtenen Bescheid vom 8. Dezember 1997 ausgesprochene Rücknahme der Gewährung von Sitzungsgeldern in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 1999 ist§ 48 VwVfG, § 1 Abs. 1 NVwVfG. Nach§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Allerdings darf gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwVfG ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Die (tatbestandlichen) Voraussetzungen für eine Rücknahme sind gegeben. Dies hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1999 im wesentlichen zutreffend ausgeführt. Das Gericht folgt insoweit der Begründung des Widerspruchsbescheides (Feststellung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO).

15

Darüber hinaus ist auszuführen:

16

Die Beteiligten gehen zutreffend darauf aus, dass es sich bei den aufgehobenen Maßnahmen - Gewährung von Sitzungsgeldern - um Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Satz. 1 VwVfG, § 1 Abs. 1 NVwVfG handelt. Insbesondere handelt es sich nicht um eine bloße verwaltungsinterne Regelung, sondern - weil mit diesen Maßnahmen nicht der kommunalverfassungsrechtliche Status eines Ratsmitgliedes berührt wird - um eine Regelung, der Außenwirkung i.S.v. § 35 Satz. 1 VwVfG beizumessen ist (vgl. die Gewährung einer Aufwands- bzw. Verdienstausfallsentschädigung eines Ratsmitglied als Verwaltungsakt - allerdings ohne jegliche Begründung - ansehend: Nds OVG, Urteil vom 21. September 1999 - 10 L 1997/97 -, Nds.VBl. 2000, 126; OVG Lüneburg, Urteil vom 19. Mai 1992 - 10 L 181/89 -, V.n.b.; VG Oldenburg, Urteil vom 19. Januar 1989 - 2 VG A 136/87 -; VG Gießen, Urteil vom 12. März 1997 - 8 E 667/96 - zitiert nach JURIS).

17

Die Beklagte weist weiter mit Recht darauf hin, dass die Gewährung von Sitzungsgeldern für die in der Anlage zum Bescheid vom 8. Dezember 1997 aufgelisteten Sitzungen, Besprechungen oderähnlichen Veranstaltungen rechtswidrig gewesen ist. Dabei lässt die Kammer offen, ob die hier angesprochenen Verwaltungsakte bereits deswegen rechtlich zu beanstanden sind, weil diese auf eine rechtswidrige Satzung gestützt wurden. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, ob die hier fragliche Entschädigungssatzung den Vorgaben des § 39 Abs. 6 NGO in der hier maßgeblichen Fassung vom 22. Juni 1982 (Nds.GVBl. S. 229) entspricht, weil die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Entschädigungssatzung aufgeführten"Besichtigungen, Empfänge und ähnliche Veranstaltungen" nicht als Rats-, Ausschuss- oder Fraktionssitzung i.S.v. § 39 Abs. 6 Satz 1 NGO angesehen werden können. Dieser Frage muss die Kammer jedoch nicht nachgehen, weil sich die Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Verwaltungsakte aus anderen Gründen ergibt.

18

Selbst wenn die Satzung rechtmäßig wäre, hätten die Sitzungsgelder nicht gewährt werden dürfen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entschädigung lagen nicht vor. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Entschädigungssatzung wird ein Sitzungsgeld (ferner) gezahlt für jede Teilnahme an Besprechungen, Besichtigungen, Empfängen und ähnlichen Veranstaltungen, wenn die Teilnahme vom Verwaltungsausschuss genehmigt worden ist. Die Gewährung eines Sitzungsgeldes für die Teilnahme der Klägerin an den in der Anlage zum Bescheid vom 8. Dezember 1997 aufgelisteten Veranstaltungen sind jeweils rechtswidrig gewesen, da eine Genehmigung seitens des Verwaltungsausschusses nicht vorlag. Ein zustimmender Beschluss oder eine andere Form der Zustimmung erfolgte - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nicht.

19

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann als"Genehmigung" auch nicht die Behandlung der jeweiligen Veranstaltung unter einem Tagesordnungspunkt im Verwaltungsausschuss - soweit vorhanden - verstanden werden. Die Behandlung im Rahmen der Tagesordnung erfüllt nicht die Anforderungen an eine Genehmigung iSv § 1 Abs. 1 Satz 2 Entschädigungssatzung. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass an das Vorliegen einer solchen Genehmigung strenge formelle und inhaltliche Anforderungen zu stellen sind, weil es der Steuerung und konstitutiven Entscheidung des Verwaltungsausschusses oblag, ob eine Veranstaltung den Charakter einer im Sinne der Entschädigungssatzung abrechenbaren Sitzung besaß oder nicht. Der Annahme einer"konkludenten" Genehmigung stehen insbesondere kommunalrechtliche Grundsätze entgegen. Die NGO gibt vor, dass der Verwaltungsausschuss ein Gremium ist, dass nur durch Beschlüsse handeln kann, die ordnungsgemäß zustande gekommen sind (§§ 59 Abs. 4 Satz 1, 47 NGO). Eine andere Form der Willensäusserung, die rechtlich relevant ist, sieht die NGO nicht vor. Insbesondere kann nicht - wie die Klägerin sinngemäß vorträgt - aus dem Fehlen eines negativen Beschlusses die Annahme einer zustimmenden Meinung des Verwaltungsausschusses zu einem Themenkomplex hergeleitet werden.

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Der Klägerin steht auch kein Vertrauensschutz nach§ 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwVfG, § 1 Abs. 1 NVwVfG zu. Wie oben bereits dargelegt, darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige Geldleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Offensichtlich hat die Klägerin zwar darauf vertraut, dass die Gewährung der Sitzungsgelder - insbesondere angesichts der jahrelangen Praxis bei der Abrechnung solcher Sitzungen seitens der Ratsmitglieder in Brake - Bestand haben würde. Ihr Vertrauen muss jedoch unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme zurückstehen. Bei der Frage der allgemeinen Schutzwürdigkeit des Vertrauens nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kommt es grundsätzlich auf eine wertende Abwägung der Gesichtspunkte, die für die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes sprechen, gegen das öffentliche Interesse an der Herstellung des an sich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften gebotenen Rechtszustandes an (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1972 - BVerwG VI C 24.69 -, BVerwGE 40, 212, 217). Vor allem ist nicht auf den Schutz des Vertrauens als selbständiges Rechtsgut, sondern auf die betroffenen materiell rechtlichen Rechtspositionen und auf die Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in sie abzustellen (BVerwG, Urteil vom 31. März 1977 - BVerwG V C 42.75 -, BVerwGE 52, 201, 213). Allgemein schutzwürdig ist grundsätzlich jeder Bürger, der sich mit guten Gründen auf die Rechte aus dem Verwaltungsakt verlassen durfte, insbesondere weil die Fehlerhaftigkeit, die Anlass für die Rücknahme sein könnte, nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt und ihm auch nicht bekannt war, noch bekannt sein musste (BVerwG, Urteil vom 24. August 1964 - BVerwG VI C 27.62 -, BVerwGE 19, 188, 190; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1972 - BVerwG VI C 24.69 -, BVerwGE 40, 212, 217). Das Vertrauen ist nach § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in der Regel auch dann schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

21

Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob das Vertrauen der Klägerin unter Zugrundelegung der dargelegten Grundsätze schutzwürdig ist. Jedenfalls kann der Klägerin für die hier fraglichen Verwaltungsakte der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG entgegen gehalten werden. Nach dieser Vorschrift kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Auch wenn die Klägerin (positiv) nicht gewusst haben sollte, dass ihr aufgrund der fehlenden Genehmigung durch den Verwaltungsausschuss jeweils ein pauschales Sitzungsgeld für die Teilnahme an den insgesamt 23 Sitzungen in der Wahlperiode 1991 bis 1996 nicht zustand, ist hier der Ausnahmetatbestand - § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG - zu bejahen. Insofern muss sie sich hinsichtlich der Unkenntnis grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen. Als grobe Fahrlässigkeit ist es anzusehen, wenn die gebotene Sorgfalt in besonders schwerer Weise verletzt worden ist, insbesondere einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt worden sind (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 22. Januar 1990 - 8 UE 1215/84 -, NVwZ 1990, 883, 885 [VGH Bayern 20.04.1990 - 22 B 88/3361]; OVG Münster, Urteil vom 5. Oktober 1987 - 1 A 773/85 -, NVwZ 1988, 1037; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl., § 48 Rdnr. 109 m.w.N.).

22

Gemessen daran kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauenschutz berufen, weil sie zumindest die Umstände, die die Rechtswidrigkeit der einzelnen Gewährung von Sitzungsgeldern begründet haben, infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es musste sich ihr aufdrängen, dass die Gewährung eines Sitzungsgeldes in Höhe von 22,00 DM für die oben genannten Veranstaltungen auf Grund der fehlenden Genehmigung durch den Verwaltungsausschuss rechtswidrig gewesen ist. Die Klägerin war über sämtliche Umstände des Abrechnungsverfahrens informiert. Zum einen hat sie - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - zu Beginn ihrer Mitarbeit in dem Rat der Beklagten eine Fassung der Entschädigungssatzung erhalten, aus der sich die einzelnen Voraussetzungen für die Gewährung eines Sitzungsgeldes entnehmen lassen. Sie wurde darüber hinaus in monatlichen Aufstellungen der Beklagten über den Umfang und Anlass der gewährten Aufwandsentschädigung bzw. Sitzungsgelder informiert ("sonstige Besprechung, Veranstaltung am 7. Januar 1995", vgl. Beiakte C zum Verfahren). Sie war schließlich auch angesichts der ihrübersandten Protokolle des Verwaltungsausschusses (vgl. § 16 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 4 Geschäftsordnung des Rates der Beklagten für die Wahlperiode 1991/1996 vom 7. November 1991) unmissverständlich darüber informiert, dass eine ausdrückliche Genehmigung ihrer Teilnahme an den oben genannten Veranstaltungen nicht existierte. Bei dieser Sachlage durfte sich die Klägerin nicht mit guten Gründen auf die Rechtmäßigkeit der Bewilligung der Sitzungsgelder verlassen. Sie war als Ratsmitglied und damit aufgrund ihrer besonderen Stellung, in einem kommunalen Organ mitzuwirken, das die Gesamtheit aller Gemeindebewohner vertritt - Repräsentationsprinzip auf Gemeindeebene (vgl. Wefelmeier in: Praxis der Gemeindeverwaltung, NGO, Kommentar, § 39 Rn. 5) -, verpflichtet gewesen, sich bei der Abrechnung der Sitzungsgelder an den gesetzlichen Vorgaben zu orientieren. § 39 Abs. 1 NGO stellt unmissverständlich klar, dass die Ratsmitglieder in ihrer Tätigkeit an die Rechtsordnung gebunden sind (vgl. auch Wefelmeier in: Praxis der Gemeindeverwaltung, NGO, Kommentar, § 39 Rn.9, der zudem darauf hinweist, dass sich dieser Grundsatz bereits direkt aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG - ergeben dürfte). Angesichts dieser gesetzlichen Vorgabe besteht die Verpflichtung eines jeden Ratsmitglieds, bei seinem Handeln die gesetzlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Dazu gehört auch die Verpflichtung des Ratsmitglieds, die gewährte Aufwandsentschädigung (vgl. z.B. § 39 Abs. 5 und 6 NGO) anhand der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen auf Richtigkeit zu überprüfen. Bei Unklarheiten und Zweifeln ist das Ratsmitglied verpflichtet, sich durch Rückfragen bei der entsprechenden Gemeinde bzw. Stadt Gewissheit darüber zu verschaffen, ob ein ihm günstiger Bescheid zu Recht ergangen ist (vgl. in Zusammenhang mit der - von der Interessenlage vergleichbaren - Rücknahme rechtswidriger Versorgungsfestsetzungsbescheide bzw. zu hoch festgesetzte Dienstbezüge eines Beamten: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1986 - 2 C 40/84 -, Buchholz 232.5 § 52 Beamtenversorgungsgesetz Nr. 3; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1972 - BVerwG VI C 24.69 -, BVerwGE 40, 212; Bav.VGH, Urteil vom 20. Januar 1993 - 3 B 92.1579 -, zitiert nach JURIS; VG Bayreuth, Urteil vom 24. Juli 1996 - B 5 K 96.89 -, zitiert nach JURIS). Auch ohne besondere kommunal- oder verwaltungsrechtliche Kenntnisse musste hier eine einfache Einsichtnahme und ein Abgleich der der Klägerin zur Verfügung stehenden Unterlagen - insbesondere der Entschädigungssatzung (§ 1 Abs. 1 Satz 2), Mitteilung der Beklagten über die Gewährung der Sitzungsgelder; Sitzungsprotokolle des Verwaltungsausschusses - die vorschriftswidrige Gewährung der streitigen Sitzungsgelder aufzeigen. Da die Klägerin aus den oben genannten Gründen zur gewissenhaftenÜberprüfung der ihr (vermeintlich) zustehenden Sitzungsgelder verpflichtet war und sich gerade bei eher untypischen "Sitzungen" (der Fraktion bzw. Rates) - wie z.B. die Teilnahme an einer Multi-Media-Show - eine solche Prüfung aufdrängt, hat die Klägerin den leicht erkennbaren Fehler nur deshalb nicht aufgedeckt, weil sie die ihr zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße durch Nichtüberprüfung der jeweiligen Bewilligungsbescheide außer Acht gelassen hat. Angesichts ihrer eigenverantwortlichen Stellung kann sich die Klägerin - entgegen ihrer Auffassung - auch nicht auf die angeblich "jahrzehntelange" Abrechnungspraxis der Ratsmitglieder bei der Aufwandsentschädigung im Bereich der Beklagten berufen. Die Vielzahl der Bescheide der Beklagten über einen längeren Zeitraum - auch gegenüber anderen Ratsmitgliedern - kann nicht ihr Vertrauen in die Richtigkeit der Festsetzung bestärken. Ist bei einem erstmaligen Auftreten des Fehlers - hier nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten bereits Anfang der 80iger Jahre - das Vertrauen des jeweiligen Leistungsempfängers nicht schützenswert, so schlägt die mangelnde Schutzwürdigkeit nicht deshalb in Schutzwürdigkeit um, weil die Behörde den gleichen Fehler in der Folgezeit unzählig wiederholt hat (vgl. Bay VGH, Urteil vom 20. Januar 1993 - 3 B 92.1579 -, zitiert nach JURIS). Im übrigen kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte selbst in grob satzungswidriger Vorgehensweise die hier fraglichen Sitzungsgelder gewährt und sich dabeiüber § 1 Abs. 1 Satz 2 Entschädigungssatzung hinweggesetzt hat. Die Anforderungen an den Vertrauensschutz werden nicht dadurch geringer, dass die handelnde Behörde ihrerseits die eindeutige Rechtslage verkennt, zumal es sich hier auch um öffentliche Gelder handelt.

23

Die Aufhebung der einzelnen Verwaltungsakte ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Sofern die Voraussetzungen für eine Rücknahme vorliegen, ist die Behörde allerdings nicht in jedem Fall verpflichtet, von ihrer Rücknahmebefugnis Gebrauch zu machen. Vielmehr steht die Entscheidung - aufgrund der "Kann"-Bestimmung - in ihrem Ermessen. Dabei hat das Gericht gemäß § 114 VwGO zu prüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

24

Ein Ermessensfehler vermag das Gericht nicht zu erkennen. Die Beklagte hat zwar im Ausgangsbescheid vom 8. Dezember 1997 kein Ermessen ausgeübt. Die Annahme eines Ermessensfehlers in Gestalt eines Ermessensnichtgebrauchs ist jedoch zu verneinen, da die Beklagte eine Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1999 in zulässiger Weise (vgl. § 45 Abs. 1 und 2 VwVfG,§ 1 Abs. 1 NVwVfG) nachgeholt hat. Im Widerspruchsbescheid lässt sich zwar kein Abschnitt "Ermessen" finden. Dies ist jedoch unschädlich, da sich die Beklagte im Bereich des Abschnitts "Vertrauensschutz" inhaltlich mit den die Klägerin betreffenden persönlichen Belangen auf der einen und demöffentlichen Interesse auf der anderen Seite beschäftigt hat. Insoweit lassen sich keine Ermessensfehler feststellen, zumal auch die Klägerin insoweit keine weiteren Einwände erhoben hat.

25

Schließlich steht der angefochtenen Rücknahme der jeweiligen Gewährung von Sitzungsgeldern § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhalten hat, welche die Rücknahme rechtfertigen. Diese Vorschrift findet auch dann Anwendung, wenn die Behörde nachträglich erkennt, dass sie den ihr bei Erlass des Verwaltungsakts vollständig bekannten Sachverhalt unrichtig gewürdigt und deshalb rechtswidrig entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr. Sen. 1 und 2.84.-, BVerwGE 70, 356, 357 f.). Die Frist beginnt jedoch nicht schon mit dem Erlass des (aufgehobenen) Verwaltungsakts, sondern erst dann zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juli 1985 - 2 C 101.81 -, Buchholz 235 § 28 Nr. 9; Urteil vom 11. Dezember 1985 - 2 C 40.82 -, Buchholz 232.5 § 12 Nr. 6). Gemessen an diesen Vorgaben ist die Rücknahme der fraglichen Verwaltungsakte innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ergangen. Die Beklagte ist durch die Stellungnahme des Landkreises Wesermarsch im Zusammenhang mit der Kommunalaufsichtsbeschwerde der CDU - Fraktion im Rat der Beklagten vom 9. Dezember 1996 auf die rechtliche Problematik der Abrechnung der Ratsmitglieder der Beklagten von 1991 bis 1996 aufmerksam gemacht worden. Der Landkreis Wesermarsch hat als Kommunalaufsichtsbehörde der Beklagten in dieser Stellungnahme aufgegeben, unter Zugrundelegung der dargelegten Rechtsauffassung jede einzelne Abrechnung daraufhin zu überprüfen, ob unter den Voraussetzungen des§ 48 VwVfG die Rücknahme und die Rückforderung bereits gewährter Zahlungsleistungen in Betracht kommt und ggf. das Erforderliche zu veranlassen. Angesichts des Zwischenberichts der Beklagten an den Landkreis Wesermarsch vom 20. Februar 1997 geht das Gericht mangels gegenteiliger Hinweise davon aus, dass die Beklagte frühestens Anfang 1997 Kenntnis der Rechtswidrigkeit im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hatte. Damit ist die mit Bescheid vom 8. Dezember 1997 veranlasste Aufhebung der Bewilligungen von Sitzungsgeldern innerhalb der Jahresfrist erfolgt.

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2.

Der Bescheid vom 8. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 1999 ist auch rechtmäßig, soweit die Beklagte einen Betrag in Höhe von 506,00 DM zurückgefordert hat. Rechtsgrundlage für diese Rückforderung ist§ 49a Abs. 1 und 2 VwVfG, § 1 Abs. 1 NVwVfG, wonach erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wurde. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind aus den oben dargelegten Gründen gegeben. Was den Umfang der Erstattung angeht, kann sich die Klägerin gemäß §§ 49a Abs. 2 Satz 1 VwVfG, 818 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - nicht auf Entreicherung berufen, da sie infolge grober Fahrlässigkeit die Umstände nicht kannte, die zur Rücknahme der jeweiligen Gewährung von Sitzungsgeldern geführt hat (§ 49a Abs. 2 Satz 2 VwVfG).

27

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Bergner
Schwettmann
Dr. Menzel