Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 29.05.2001, Az.: 12 A 2178/00

Ausnahmefall; Einziehung; Mutterkuhprämie; Nutzung; Prämienrecht

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
29.05.2001
Aktenzeichen
12 A 2178/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40182
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Einziehung seiner Rechte auf Prämiengewährung für die Erhaltung des Mutterkuhbestandes (Mutterkuhprämie).

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Die Bezirksregierung Weser-Ems gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 11. April 1994 eine Prämie für 40 Mutterkühe und setzte ferner die individuelle Höchstgrenze für die Mutterkuhprämie auf 38,8 Mutterkühe fest. Mit Bescheid des Beklagten vom 1. April 1996 erhielt der Kläger für das Jahr 1995 eine Mutterkuhprämie für 38,8 Tiere.

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Nach einer Vor-Ort-Kontrolle im Mai 1996 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. August 1996 den Antrag auf Gewährung einer Mutterkuhprämie für das Jahr 1996 ab und schloss den Kläger von der Prämiengewährung des Folgejahres aus. Weiter setzte er mit Bescheid vom 13. August 1996 die individuelle Höchstgrenze für die Gewährung von Mutterkuhprämie auf 8,0 Tiere fest und hob insoweit den Zuteilungsbescheid vom 11. April 1994 auf. Gegen diese Bescheide legte der Kläger keine Widersprüche ein.

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Zum 01. Januar 1997 übergab der Kläger seinen gepachteten Hof an seinen Nachfolgepächter. Er beantragte weder in diesem Jahr noch im Folgejahr 1998 eine Gewährung der Mutterkuhprämie.

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Der Beklagte teilte dem Kläger unter dem 5. Januar 1999 mit, dass er beabsichtigte, die Prämienrechte zur Gewährung seiner Mutterkuhprämie einzuziehen, da er für das Jahr 1998 keinen Prämienantrag eingereicht habe. Er gab ihm Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Unter dem 16. Januar 1999 erklärte der Klägers, dass er seine Prämienrechte noch übertragen wolle und verschiedene Interessenten habe.

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Der Beklagte zog die Prämienrechte für die Gewährung einer Mutterkuhprämie mit Bescheid vom 12. April 1999 ein und hob den Bescheid vom 13. August 1996 auf. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass der Kläger 1998 keinen Antrag auf Gewährung einer Mutterkuhprämie gestellt und damit seine Prämienrechte nicht zu mindestens 90 % genutzt habe, so dass die nicht genutzten 8,0 Prämienrechte der nationalen Reserve zuzuführen seien. Ausnahmen von der Einziehung seien nur vorgesehen, wenn der Erzeuger sich an einem von der Kommission anerkannten Extensivierungsprogramm oder einer Vorruhestandsregelung beteilige oder wenn ein ordnungsgemäß begründeter Ausnahmefall vorliege. Keiner dieser Gründe sei vom Kläger vorgetragen worden. Allein die Absicht, die Prämienrechte noch übertragen zu wollen, stelle keinen Ausnahmefall dar.

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Der Kläger legte hiergegen am 12. Mai 1999 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf seine Erklärung vom 16. Januar 1999.

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Die Bezirksregierung Weser-Ems wies mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2000, zugestellt am 06. Mai 2000,  den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen ergänzend an, dass gemäß § 10 Abs. 2 MOG rechtmäßig begünstigende Bescheide zu widerrufen seien, wenn die gewährte Vergünstigung nicht oder nicht mehr nach Maßgabe des Bescheides verwendet werde. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Gemäß Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 3886/92 werde für den Fall, dass ein Erzeuger in den Jahren 1997 bis 1999 nicht in jedem Jahr mindestens 90 % seiner Prämienrechte genutzt habe, der nicht genutzte Teil der nationalen Reserve zugeführt, außer wenn ein ordnungsgemäß begründeter Ausnahmefall vorliege. Der Kläger habe aber 1998 keinen Antrag auf Gewährung einer Mutterkuhprämie gestellt und somit seine Prämienansprüche nicht genutzt. Ein ordnungsgemäß begründeter Ausnahmefall liege nicht vor. Dies wäre der Fall, wenn der Kläger aus nicht vorhersehbaren, von ihm nicht zu vertretenden Gründen an der Nutzung der Prämienrechte gehindert gewesen sei. Die von ihm vorgebrachte Begründung, er wolle seine Prämienrechte übertragen, stelle keinen begründeten Ausnahmefall dar.

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Der Kläger hat am 6. Juni 2000 Klage erhoben.

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Zur Begründung führt er im Wesentlichen an: Nachdem er den gepachteten Betrieb zum 01. Januar 1997 seinem Nachfolgepächter übergeben habe, sei er Bezieher einer Betriebsaufgabenrente und halte seither keine Muttertiere. Deshalb könne ihm nicht vorgeworfen werden, dass er für das Jahr 1998 keinen Prämienantrag gestellt habe. Des Weiteren sei er aufgrund der Übergabe des Betriebes nicht mehr Inhaber der Prämienrechte, so dass sich der Bescheid an den Nachfolgepächter hätte richten müssen. Bei der Betriebsübergabe sei vereinbart worden, dass alle Rechte und Pflichten des Betriebes und damit auch die vergebenen Mutterkuhprämie auf den Nachfolgepächter übergehen sollten. Soweit er informiert sei, habe der Nachfolgepächter auch aufgrund der auf ihn übergegangenen Mutterkuhquoten entsprechende Ammenkühe gehalten und Prämienanträge gestellt. Er fürchte nun, dass er Schwierigkeiten mit dem Nachfolgepächter bekomme, wenn die Entziehung der Mutterkuhprämien rechtskräftig würde.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 12. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 3. Mai 2000 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er wiederholt und vertieft die Gründe aus dem Widerspruchsbescheid und führt ergänzend an: Bei der Übergabe des Hofes habe es der Kläger versäumt, auch die Mutterkuhprämienrechte mit zu übertragen. Dies war offensichtlich auch nicht vorgesehen, da der Nachfolgepächter für 1998 keinen Antrag auf Mutterkuhprämie gestellt habe. Auch habe der Kläger noch mit Schreiben vom 16. Januar 1999 erklärt, dass er die Prämienrechte übertragen wolle. Eine Übertragung zu diesem Zeitpunkt sei jedoch nicht mehr möglich gewesen.

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Wegen des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig ergangen und verletzt nicht die Rechte des Klägers (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

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Der Beklagte hat zu Recht dem Kläger mit Bescheid vom 12. April 1999 die 8,0 Mutterkuhprämienrechte nach § 10 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation (MOG) vom 31. August 1972 (BGBl. I S. 1617) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. September 1995 (BGBl. I S. 1146), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 02. Mai 1996 (BGBl. I S. 656), entzogen.

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Hiernach sind rechtmäßige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG - auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind - zu widerrufen, soweit eine Voraussetzung für den Erlass des Bescheides nachträglich entfallen oder nicht eingehalten worden ist. Im vorliegenden Fall hat sich die mit dem Bescheid des Beklagten vom 13. August 1996 erfolgte Festsetzung der individuellen Höchstgrenze für die Gewährung der Mutterkuhprämie auf 8,0 Mutterkühe nachträglich geändert. Bei der Mutterkuhprämie handelt es sich um eine besondere Vergünstigung im Sinne des § 6 Abs. 1 MOG.

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Die Gewährung der Mutterkuhprämie richtete sich vorliegend nach Art. 4 d Abs. 1 der Vorordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 (Amtsbl. Nr. L 148 vom 28. Juni 1968, S. 24) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18. Dezember 1997 (Amtsbl. Nr. L 356 vom 31. Dezember 1997, S. 13 ff.). Hiernach bekommen Erzeuger, die in ihrem Betrieb Mutterkühe halten, auf Antrag eine Prämie für die Erhaltung des Mutterkuhbestandes. Nach Art. 4 d Abs. 2 der Verordnung gilt für den Prämienanspruch jedes Erzeugers eine individuelle Höchstgrenze. Diese Höchstgrenze entspricht der Zahl der Tiere, für die für ein Bezugsjahr eine Prämie gewährt worden ist, abzüglich eines zur Bildung des nationalen Reserve nach Art. 4 f der Verordnung erforderlichen Betrages.

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Mit der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (Amtsbl. Nr. L 193 vom 31. Dezember 1992, S. 20) sind Durchführungsvorschriften auf Grundlage der Art. 4 d Abs. 8 und Art. 4 e Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates u. a. für die Regelung der Gewährung einer Mutterkuhprämie eingeführt worden. Im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ist die Rinder- und Schafsprämien-Verordnung (RSVO) in der Bekanntmachung vom 15. April 1999 (BGBl. I S. 730) erlassen worden, die die Durchführung der Rechtsakte des Rates und der Kommission der Europäischen Union u. a. für die Gewährung der Mutterkuhprämie regelt. Nach Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission in Verbindung mit § 8 Abs. 1 RSVO wird die Anzahl der Prämienansprüche eines Erzeugers von der für den Betriebssitz zuständigen Landesstelle durch Bescheid festgesetzt (Zuteilungsbescheid).

22

Gemäß Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 1846/95 der Kommission vom 26. Juli 1995 (Amtsbl. Nr. L 177 vom 28. Juli 1995, S. 28) und Nr. 2311/96 der Kommission vom 02. Dezember 1996 (Amtsbl. L Nr. 313 vom 03. Dezember 1996, S. 9) wird der nicht genutzte Teil der Prämienrechte der nationalen Reserve zugeführt, wenn ein Erzeuger nicht mindestens 90 % seiner Prämienansprüche in jedem Jahr genutzt hat, außer wenn der Erzeuger höchstens sieben Prämienansprüche besitzt, er sich an einem von der Kommission anerkannten Extensivierungsprogramm oder einer Vorruhestandsregelung beteiligt oder wenn ein ordnungsgemäß begründeter Ausnahmefall vorliegt.

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Der Kläger hat seine Prämienrechte im Jahr 1998 nicht im Sinne des Art. 33 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission genutzt. Zum einen war er seit dem 01. Januar 1997 infolge der Übergabe seines gepachteten Betriebes nicht Erzeuger im Sinne des Art. 4 a der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates; dies ist allein der landwirtschaftliche Betriebsleiter als natürliche oder juristische Person, der u. a. die Rinderhaltung betreibt. Des Weiteren hat der Kläger im Jahr 1998 keinen Prämienantrag gestellt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger berechtigt war, einen solchen Antrag zu stellen. Es ist nach Art. 33 Abs. 2 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission allein entscheidend, ob die zugeteilten Prämienrechte tatsächlich genutzt wurden, andernfalls werden sie der nationalen Reserve zugeführt.

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Einer der in Art. 33 Abs. 2 der Verordnung genannten Ausnahmefälle liegt nicht vor. Insbesondere liegt kein "ordnungsgemäß begründeter Ausnahmefall" vor, wenn - wie der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Januar 1999 darlegt - lediglich die Absicht besteht, die Prämienrechte übertragen zu wollen. Zum anderen ist eine Nutzung der Prämienrechte gemäß Art. 33 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 des Kommission in Form der zeitlich begrenzten Abtretung an einen anderen Erzeuger ebenfalls nicht erfolgt. Weder der Kläger noch der von der vermeintlichen Abtretung Begünstigte haben dies dem Beklagten gemäß Art. 34 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission mitgeteilt.

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Entgegen der Auffassung des Klägers richtet sich der Bescheid des Beklagten vom 12. April 1999 an den richtigen Adressaten. Die Entziehung von Prämienrechten richtet sich an denjenigen, dem mit Zuteilungsbescheid diese Prämienrechte zugeteilt wurden. Vorliegend verfügte ausschließlich der Kläger über die verbliebenen 8,0 Mutterkuhprämien. Eine wirksame Übertragung der Prämienansprüche auf den Nachfolgepächter im Zusammenhang mit der Übergabe des Betriebes ist nicht erfolgt. Zwar sieht Art. 4 e Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates ausdrücklich vor, dass der Erzeuger alle Mutterkuhprämienansprüche auf seinen Nachfolger übertragen kann, wenn er seinen landwirtschaftlichen Betrieb verkauft oder auf andere Art veräußert. Indes wird eine Übertragung nach Art. 4 e Abs. 5 der vorgenannten Verordnung in Verbindung mit Art. 34 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission erst wirksam, wenn sowohl der Erzeuger als auch derjenige, der die Prämienansprüche erhält, dies den zuständigen Behörden innerhalb einer bestimmten Frist mitgeteilt haben. Gemäß § 9 Abs. 2 RSVO kann diese Mitteilung in Form eines Antrages auf Übertragung der Mutterkuhprämien jährlich bis zum 15. Mai, spätestens jedoch zum Zeitpunkt, an dem der neue Erzeuger seinen Prämienantrag stellt, eingereicht werden. Dies ist vorliegend nicht geschehen und kann infolge des Ablaufes der Antragsfrist für das Jahr 1998 nicht mehr nachgeholt werden. Zudem bezweifelt die Kammer, dass der Kläger mit der Übertragung des Betriebes an den Nachfolgepächter zum 01. Januar 1997 zugleich die Mutterkuhprämienrechte übertragen hat. Noch zwei Jahre nach der Betriebsübergabe bekundete der Kläger unter dem 16. Januar 1999 seine Absicht, die Mutterkuhprämien zu übertragen zu wollen und dass er mehrere Interessenten hierfür habe.