Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.09.1986, Az.: 1 OVG C 26/85
Auswirkungen des Ausschlusses von Sex-Shops im Kerngebiet eines Bebauungsplans auf dessen Bestandskraft; Abgrenzung der Sex-Kinos sowie Video-Peep-Shows von Sex-Shops bei der baurechtlichen Zulässigkeit; Anforderungen an die allgemeine Zweckbestimmung des Kerngebiets eines Bebauungsplans
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.09.1986
- Aktenzeichen
- 1 OVG C 26/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 20560
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1986:0911.1OVG.C26.85.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 5 BauNVO
- § 1 Abs. 9 BauNVO
Verfahrensgegenstand
Nichtigkeit des Bebauungsplans Nr. 2 (1. Änderung).
Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen- und Schleswig-Holstein hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Pietsch,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bock und Fries sowie
die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Die 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 2 der Antragsgegnerin wird insoweit für nichtig erklärt, als damit im Kerngebiet Verkaufsräume und Verkaufsflächen, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist, ausgeschlossen werden.
Im übrigen wird der Normenkontrollantrag abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 3/4, die Antragsgegnerin zu 1/4.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Mieter der Ladenräume im Erdgeschoß des Hauses xxx a bis xxx in xxx. Die Laufzeit des Mietvertrages beträgt 15 Jahre, die Höhe des monatlichen Mietzinses 4.776,60 DM. Die Räume sind im Jahre 1973 als "Ladenräume" genehmigt worden.
Der Antragsteller beabsichtigt, in den gemieteten Räumen einen Video-Einzelhandelsladen mit Video-Vorführungen einzurichten; das Angebot soll auch Videofilme mit sexuellem Charakter umfassen. Die dafür beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung hat die Antragsgegnerin (in ihrer Eigenschaft als untere Bauaufsichtsbehörde) durch Bescheid vom 7. März 1986 mit der Begründung versagt, die Nutzungsänderung widerspreche den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. xxx (idF der 1. Änderung) und den Bestimmungen der zur Sicherung dieser Planung erlassenen Veränderungssperre. Über die dagegen vom Antragsteller - nach Zurückweisung seines Widerspruchs - erhobene Klage ist noch nicht entschieden.
Der Bebauungsplan Nr. xxx (1. Änderung) setzt das Plangebiet als Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO fest mit folgender Einschränkung:
"Im Kerngebiet sind Spielhallen und ähnliche Unternehmungen im Sinne des § 33 i) der Gewerbeordnung, die der Aufstellung von Spielgeräten mit und ohne Gewinnmöglichkeiten dienen, sowie Verkaufsräume und Verkaufsflächen, Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln, auf Darstellungen oder auf Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist, ausgeschlossen (§ 1 Abs. 5 und 9 BauNVO)".
Entsprechende einschränkende Festsetzungen enthalten die Bebauungspläne Nr. xxx, Nr. 1 (2. Änderung), Nr. xxx (2. Änderung), Nr. xxx (1. Änderung), Nr. xxx (3. Änderung), Nr. xxx (1. Änderung) und Nr. xxx (1. Änderung), die in etwa den Hauptgeschäftsbereich in der Innenstadt von xxx abdecken. Diese Bebauungspläne bzw. die Änderungen wurden von der Ratsversammlung am 10./11. Dezember 1985 als Satzungen beschlossen, am 26. Februar 1986 durch den Innenminister des Landes Schleswig-Holstein genehmigt und die Genehmigungen am 20./26. April 1986 - unter genauer Beschreibung der Plangebiete - im Holsteinischen Courier und in den Kieler Nachrichten bekanntgemacht.
Zur Rechtfertigung des Ausschlusses der genannten Einrichtungen und Geschäfte ist in der Begründung der Bebauungspläne bzw. der Änderungen folgendes ausgeführt:
"Angesichts dieser Bemühungen (um die Abstellung struktureller und gestalterischer Mängel im innerstädtischen Einkaufsbereich) ist eine Entwicklung festzustellen, die den Entwicklungszielen zuwiderläuft. Diese Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine übermäßige und besorgniserregende Ausbreitung bestimmter Branchen und Gewerbezweige. Dazu zählen Spielhallen und ähnliche Unternehmungen sowie Einrichtungen, deren ausschließlicher oder überwiegender Geschäftszweck auf den Verkauf von Artikeln, auf Darstellungen oder auf Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist.
Die Ausbreitung der angesprochenen Branchen und Gewerbezweige, die sich vornehmlich auf die innerstädtischen Hauptgeschäftsbereiche konzentriert, stellt viele Städte in der Bundesrepublik vor ähnliche Probleme. Es wird befürchtet, daß der begonnene Attraktivitätsverlust weiter fortschreitet. Eine Umfrage und Veröffentlichungen des Deutschen Städtetages und anderer Institutionen bestätigen dies.
Die übermäßige Ausbreitung der beschriebenen Branchen und Gewerbezweige hat eine Verdrängung anderer Kerngebietsnutzungen zur Folge und führt damit zu einer Veränderung der Nutzungsstruktur. In den überwiegenden Fällen beanspruchen die beschriebenen Branchen und Gewerbezweige Räumlichkeiten, die vorher von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben genutzt worden sind. Die Verdrängung bisheriger Nutzungen ist zumindest für den Bereich der Spielhallen auf ein Mißverhältnis bezüglich der Wettbewerbschancen zurückzuführen. Durch den Betrieb einer Spielhalle läßt sich in der Regel ein wesentlich höherer Flächenumsatz erzielen, als beispielsweise durch den Betrieb eines Fachgeschäftes. Betreiber von Spielhallen sind daher in der Lage, einen wesentlich höheren Mietzins zu zahlen als andere Nutzer.
Neben der nachteiligen Strukturveränderung stellen sich die beschriebenen Einrichtungen als Störfaktor im Erscheinungsbild eines Hauptgeschäftsbereiches dar. Der Zusammenhang von Einkaufsstraßen wird durch diese Einrichtung unterbrochen. Die Präsentation von Spiel hallen hat für den Käufer- und Passantenstrom keinen Verweil Charakter. Die Präsentation von Sex-Shops, Sex-Kinos und dergleichen wirkt sich auf die Präsentation und das Image benachbarter Nutzungen in der Regel abträglich aus. In den Auswirkungen führt das letztlich zu einem Absinken des Niveaus und einem Verlust an Attraktivität bezogen auf die umliegenden Geschäfts- und Dienstleistungsbetriebe und in Einzelfällen zu einem verminderten Lagewert von Immobilien.
Stellt man die beschriebenen Auswirkungen und die anfangs geschilderte Situation im Hauptgeschäftsbereich der Stadt Neumünster sowie die Bemühungen um den Abbau von Mängeln und schrittweise Verbesserungen in einen Zusammenhang, so wird deutlich, daß eine geordnete und planvolle städtebauliche Entwicklung ohne Anwendung planungsrechtlicher Instrumente nicht gewährleistet ist. Durch die Aufstellung eines Bebauungsplanes und die Änderung bestehender Bebauungspläne soll die Zulässigkeit der beschriebenen Einrichtungen im Hauptgeschäftsbereich der Stadt Neumünster ausgeschlossen werden. Eine weitere Verbreitung dieser Einrichtungen und die damit einhergehenden negativen Auswirkungen werden damit unterbunden. Bestehende Einrichtungen werden durch die Regelung nicht betroffen.
Der Ausschluß derart differenzierter Nutzungsmöglichkeiten bedarf gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO einer Rechtfertigung durch besondere städtebauliche Gründe. Die Voraussetzungen sind eindeutig gegeben. Bei einem Verzicht auf planungsrechtliche Regelungen besteht keine Möglichkeit, einer Fortsetzung der negativen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Der mit dieser Regelung verbundene Eingriff in private Belange ist unter gegenseitiger Abwägung mit den öffentlichen Belangen als zumutbar anzusehen. Einerseits sind bestehende Anlagen von der Regelung nicht betroffen, andererseits sind einzelne Anlagen in bestimmten Baugebieten außerhalb des Geltungsbereiches des Bebauungsplans weiterhin allgemein oder ausnahmsweise zulässig."
Seinen gegen den Bebauungsplan Nr. xxx (1. Änderung) gerichteten Normenkontrollantrag begründet der Antragsteller wie folgt: Die Festsetzung, durch die die Ansiedlung von Verkaufsräumen und Verkaufsflächen, Vorführ- und Geschäftsräumen ausgeschlossen worden sei, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln, auf Darstellungen oder auf Handlungen mit sexuellem Chrakter ausgerichtet sei, sei nichtig. Sie sei nicht bestimmt genug, weil - wie von Psychologen und Sexualwissenschaftlern festgestellt worden sei - nahezu alle Vergnügungs- und Kulturprodukte wie Musik und klassische Literatur, aber auch Kleidung einen sexuellen Bezug hätten. Es sei kaum anzunehmen, daß den Mitgliedern der Ratsversammlung dies bei der Beschlußfassung über die Festsetzung bewußt gewesen sei. Es gebe ferner keine besonderen städtebaulichen Gründe, die den Ausschluß der auf Sexdarbietungen ausgerichteten Betriebe bzw. des entsprechenden Warensortiments rechtfertigten. Störungen für die Nachbarschaft gingen von diesen Betrieben nicht aus. Die Kunden verhielten sich ausgesprochenen zurückhaltend und auch das äußere Erscheinungsbild der Betriebe sei so, daß nur Eingeweihte von außen erkennen könnten, welche Produkte dort angeboten würden. Die Werbung erfolge ausschließlich über Zeitungsanzeigen. Der Antragsgegnerin gehe es mit der angegriffenen Festsetzung in Wirklichkeit nur darum, Rechtsanwalts- und Arztpraxen, Apotheken, Sparkassen, Banken u.a. von den fraglichen Betrieben abzuschirmen und sie nicht - was die Höhe des Mietzinses angehe - der Konkurrenz dieser Betriebe auszusetzen. Diese Erwägungen seien angesichts des bodenrechtlichen Charakters der Bauleitplanung unzulässig. Schließlich verstoße die Festsetzung gegen das Übermaßverbot. Sie sei nämlich nicht nur für das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. xxx in dem die von ihm gemieteten Räume lägen, sondern für fast den gesamten Innenstadtbereich von Neumünster beschlossen worden.
Der Antragsteller beantragt,
die Festsetzung des Bebauungsplanes Nr. xxx (1. Änderung), nach der im Kerngebiet Verkaufsräume und Verkaufsflächen, Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln, auf Darstellungen oder auf Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist, ausgeschlossen sind, für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft die Ausführungen, mit denen sie in der Planbegründung die in Frage stehende Festsetzung gerechtfertigt hat. Sie betont, daß es ihr- mit der Festsetzung ausschließlich darum gehe, den sonst zu befürchtenden unmittelbaren und mittelbaren Attraktivitätsverlust des Innenstadt- und Hauptgeschäftsbereichs zu verhindern.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses, der sich am Verfahren beteiligt hat, unterstützt den Standpunkt der Antragsgegnerin.
Der Senat hat sich von dem Bereich der Innenstadt von Neumünster, für den dieselbe Festsetzung wie für den Bebauungsplan Nr. xxx (1. Änderung) beschlossen worden ist, durch Augenscheinseinnahme einen Eindruck verschafft. Wagen des Ergebnisses der Augenscheinseinnahme wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 11. September 1986 Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Vorgänge der Antragsgegnerin über die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 29 sowie die Änderungen der Bebauungspläne Nr. xxx und xxx verwiesen. Deren Inhalt ist - soweit erforderlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller hat durch die angegriffene Festsetzung des Bebauungsplans Nr. xxx (1. Änderung) einen Nachteil erlitten. Die Antragsgegnerin (als untere Bauaufsichtsbehörde) hat seinen Antrag, die gemieteten Räume im Erdgeschoß des Hauses xxx a bis xxx in Neumünster in einen Video-Einzelhandelsladen und ein Video-Kino (mit 25 Einzelkabinen), dessen Angebot Filme mit sexuellem Charakter umfassen soll, umzugestalten, mit der Begründung abgelehnt, die angestrebte Nutzung widerspreche dieser Festsetzung.
Der Antrag ist unbegründet, soweit mit der angegriffenen Festsetzung im Kerngebiet Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf Darstellungen und Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist - darunter fallen nach Auffassung des Senats Sex-(Video)-Kinos und sog. Video-Peep-Shows, aber auch entsprechende Life-Darbietungen -, ausgeschlossen worden sind. Im übrigen - soweit Verkaufsräume und Verkaufsflächen, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter ausgerichtet Ist, also sog. reine Sex-Shops, ausgeschlossen worden sind - ist der Antrag dagegen begründet.
Als Rechtsgrundlage der streitigen Festsetzung kommt nur § 1 Abs. 9 i.V.m. Abs. 5 BauNVO In Betracht. Danach kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, daß bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, wenn die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt und besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Unter " bestimmten Arten" sind dabei nicht nur die in den einzelnen Nummern der §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO katalogartig aufgeführten Arten von Nutzungen zu verstehen (beispielsweise: Einzelhandelsbetriebe bzw. Vergnügungsstätten in § 7 Abs. 2 Nr. 2), sondern die Vorschrift ermöglicht eine weitere Untergliederung, d.h. - beispielsweise - nur den Ausschluß bestimmter Arten von Einzelhandelsbetrieben und Vergnügungsstätten (Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zur BauNVO, § 1 RdNr. 33 s und 33 t; Fickert/Fieseler, Kommentar zur BauNVO, 5. Aufl., § 1 RdNr. 126; Dolde/ Schlarmann, Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in beplanten Gebieten, BauR 1984, 121 ff, 130). Der Ausschluß von Spielhallen, Sex-Kinos, Video-Peep-Shows u.Ä. - als Unterarten der nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in Kerngebieten allgemein zulässigen Vergnügungsstätten - und von Verkaufsräumen und Verkaufsflächen, deren Zweck auf den verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist - als Unterart der nach § 7 Abs. 2. Nr. 2 BauNVO in Kerngebieten allgemein zulässigen Einzelhandelsbetriebe - ist nach § 1 Abs. 9 i.V.m. Abs. 5 BauNVO also grundsätzlich möglich. Zulässig ist er jedoch - wie dargelegt - nur, wenn die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt (§ 1 Abs. 5) und ihn besondere städtebauliche Gründe rechtfertigen (§ 1 Abs. 9). Diese Voraussetzungen sind nicht für alle der hier ausgeschlossenen Nutzungsarten erfüllt.
Die allgemeine Zweckbestimmung eines Kerngebiets wird allerdings durch keine der ausgeschlossenen Nutzungsarten in Frage gestellt. Das bedarf angesichts dessen, daß Spielhallen, Sex-Kinos, Video-Peep-Shows, Sex-Shops und andere Betriebe mit Darbietungen sexuellen Charakters nur einen schmalen Ausschnitt aus der Fülle der nach § 7 Abs. 2 BauNVO in einem Kerngebiet allgemein zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen bzw. Nutzungen darstellen, keiner vertiefenden Darlegungen.
Besondere städtebauliche Gründe rechtfertigen den Ausschluß der hier in Frage stehenden Nutzungsarten jedoch nur teilweise. Eine allgemeingültige Definition des Begriffs "besondere städtebauliche Gründe" gibt es nicht. Ob sie vorliegen oder nicht, kann nur aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse und der konkreten städtebaulichen Spannungen beurteilt werden (Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BBauG, § 9 RdNr. 84 c; Dolde/Schlarmann, a.a.O., S. 131). Dabei besteht Einigkeit darüber, daß das allgemeine Bestreben, einen unerwünschten Wirtschaftszweig nicht zur Entfaltung kommen zu lassen oder bestimmte Arten von Vegnügungsstätten einzudämmen, kein besonderer städtebaulicher Grund ist (Dolde/Schlarmann, a.a.O., S. 131). Dieses Bestreben steht jedoch nicht hinter der angegriffenen Festsetzung, jedenfalls Insoweit nicht, als damit "Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf Darstellungen oder auf Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist", also vor allem Sex-Kinos, Video-Peep-Shows und entsprechende Life-Darbietungen, ausgeschlossen worden sind. Mit dem Ausschluß dieser als Vergnügungsstätten einzustufenden Etablissements will die Antragsgegnerin vielmehr verhindern, daß diese Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe aus dem zentralen Innenstadt- und Hauptgeschäftsbereich verdrängen. Diese Gefahr besteht, weil diese Etablissements in der Regel - schon aufgrund dessen, daß sie nicht an Ladenschlußzeiten gebunden sind - in der Lage sind, höhere Mieten zu zahlen als die "normalen" Geschäfte und Betriebe. Auch in Neumünster ist eine solche Gefahr gegeben, wie die Antragsgegnerin während der Begehung des von der Festsetzung betroffenen Bereichs zur Überzeugung des Senats dargelegt hat (weiterer Sex-Shop in unmittelbarer Nähe des Geschäftslokals des Antragstellers; Sex-Kino im xxx; Aufgabe eines weiteren derartigen Betriebs erst, nachdem die Antragsgegnerin das betreffende Gebäude aufgekauft hatte). Der freie Wettbewerb allein ist nicht geeignet, eine starke Ausbreitung der genannten Etablissements zu verhindern. Das macht die große Zahl der im Hauptgeschäftsbereich von Neumünster vorhandenen Spielhallen deutlich, die vergleichbare Wettbewerbsvorteile gegenüber Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben haben wie Sex-Kinos, Video-Peep-Shows und Betriebe mit entsprechenden Life-Darbietungen. Derartige Etablissements habe - abgesehen davon, daß sie, wie dargelegt, Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe verdrängen - außerdem zur Folge, daß das geschäftliche Niveau in ihrer unmittelbaren Umgebung absinkt. Denn seriöse Einzelhandelsgeschäfte und seriöse Dienstleistungsgewerbe, auch Arzt- und Rechtsanwaltspraxen, werden sich nach anderen Standorten umsehen bzw. eine Ansiedlung an einem solchen Standort gar nicht erst in Erwägung ziehen. Das Bestreben, eine solche Entwicklung zu verhindern, ist ein besonderer städtebaulicher Grund im Sinne des§ 1 Abs. 9 BauNVO, der auch den damit verbundenen Eingriff in xxx Wettbewerb rechtfertigt. Damit wird einer Entwicklung entgegengewirkt, die dazu führen könnte, daß der zentrale Innestadt- und Hauptgeschäftsbereich seine Versorgungsxxx xxx die Umgebung, die ihm - da Neumünster Oberzentrum ist - zukommt, nicht mehr erfüllen kann, daß also ein Zustand eintritt, der nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b StBauFG als städtebaulicher Mißstand zu werten ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin mit dem Ausschluß der Sex-Kinos, Video-Peep-Shows und der Betriebe mit entsprechenden Life-Darbietungen auch in xxx nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Sie hat ihn vielmehr richtigerweise - da nur dort der besondere städtebauliche Grund "greift" - auf einen ca. 40 bis 100 m tiefen Streifen beidseitig des Straßenzuges xxx/xxx und auf Flächen am xxx, d.h. den Hauptgeschäftsbereich von Neumünster, beschränkt. Diese räumliche Beschränkung, die die Ansiedlung der genannten Betriebe in unmittelbar angrenzenden Kerngebieten unbeschränkt (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), in angrenzenden Mischgebieten dann ermöglicht, wenn sie das Wohnen nicht wesentlich stören (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO sowie das Urteil des BVerwG vom 25.11.1983 - 4 C 64.79 -, DVBl 1984, 340), macht gleichzeitig deutlich, daß es der Antragsgegnerin nicht darum geht, diese Betriebe nicht zur Entfaltung kommen zu lassen oder einzudämmen oder gar ganz aus dem Stadtgebiet zu vertreiben, sondern allein darum, die Attraktivität und die Leistungsfähigkeit des Hauptgeschäftsbereichs von Neumünster zu erhalten.
Für den Ausschluß von "Verkaufsräumen und Verkaufsflächen, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist", ist dagegen kein rechtfertigender besonderer städtebaulicher Grund erkennbar. Die Gefahr, daß diese sog. Sex-Shops, die nicht zu den Vergnügungsstätten, sondern zu den Einzelhandelsbetrieben zu zählen sind, seriöse Einzelhandelsgeschäfte und seriöse Dienstleistungsbetriebe verdrängen, und damit die Gefahr eines unmittelbaren und mittelbaren Attraktivitätsverlustes und einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Hauptgeschäftsbereichs ist nicht in gleichem Maß gegeben wie bei Sex-Kinos, Video-Peep-Shows usw. Denn Sex-Shops unterscheiden sich von "normalen" Einzelhandelsgeschäften nur durch die besondere Art des Warensortiments, genießen jedoch im übrigen gegenüber diesen keine Wettbewerbsvorteile. Sie generell in einem Kerngebiet auszuschließen, ist daher nicht gerechtfertigt (Fickert/Fieseler, a.a.O., § 4a RdNr. 22).
Die den Antragsteller im Hinblick auf das laufende Nutzungsänderungsverfahren weiter und vor allem interessierende Frage, in welcher Ausgestaltung im einzelnen er seinen Betrieb als Sex-Shop betreiben kann, konnte der Senat im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht entscheiden, weil Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens nur die Frage der Gültigkeit einer Rechtsnorm sein kann. Im Interesse des Rechtsfriedens zwischen den Partelen sei jedoch angemerkt, daß der Senat der Auffassung zuneigt, daß der Betrieb des Antragstellers noch nicht zum Video-Kino und damit zu einer Vergnügungsstätte xxx, wenn in ihm ein oder zwei Video-Kabinen aufgestellt werden, in denen xxx Käufer die sie interessierenden Filme ansehen können. Für die Benutzung der Kabinen könnte sicher xxx einem Mißbrauch xxx vorzubeugen - ein Entgelt xxx, das dann ggfs. auf den Kaufpreis angerechnet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § xxx Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5xxx.000,--DM festgesetzt.
Dr. Bock
Fries