Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 16.12.1996, Az.: 33 Qs 34/96

Eine die Terminsverlegung ablehnende richterliche Verfügung kann ausnahmsweise angefochten werden bei unschwer vermeidbarer Beeinträchtigung eines Rechts des Angeklagten; Anfechtung einer die Terminsverlegung ablehnenden richterlichen Verfügung bei unschwer vermeidbarer Beeinträchtigung eines Rechts des Angeklagten

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
16.12.1996
Aktenzeichen
33 Qs 34/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 25348
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:1996:1216.33QS34.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wolfenbüttel: - AZ: 11 Ds 601 Js 51012/96

Fundstelle

  • StV 1997, 403-404

Verfahrensgegenstand

Gemeinschaftliche Sachbeschädigung

In der Strafsache
...
wird auf die Beschwerde des Angeklagten
gegen
die Verfügung des Jugendrichters vom 10. Dezember 1996 der Hauptverhandlungstermin vom 17. Dezember 1996
aufgehoben.

Tenor:

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Gründe

1

I.

Nachdem die Anklage am 23. November 1996 zugestellt worden war, eröffnete der Jugendrichter durch Beschluß vom 3. Dezember 1996 das Hauptverfahren und beraumte zugleich Hauptverhandlungstermin auf den 17. Dezember 1996 an.

2

Am 3. Dezember 1996 um 18.53 Uhr ging das Legitimationsschreiben des Verteidigers vom 2. Dezember 1996 per Telefax beim Amtsgericht ein, mit welchem der Verteidiger um Akteneinsicht bat.

3

Gemäß richterlicher Verfügung vom 6. Dezember 1996 wurde das Büro des Verteidigers am 9. Dezember 1996 durch die Geschäftsstelle informiert, daß die Akte zur Einsicht auf der Geschäftsstelle bereit liegt und eine Übersendung wegen der Kürze der Zeit nicht in Betracht kommt; ferner wurde auf den Hauptverhandlungstermin hingewiesen.

4

Mit Schreiben vom 9. Dezember 1996, eingegangen am 10. Dezember 1996, bat der Verteidiger unter Hinweis auf eine Terminskollision (bereits einmal verlegte, sodann fernmündlich mit dem Gericht abgestimmte Haftsache vor einem anderen Amtsgericht mit drei Angeklagten) um Aufhebung des Termins vom 17. Dezember 1996; er wies darauf hin, daß Akteneinsicht bislang noch nicht gewährt war.

5

Mit Verfügung vom 10. Dezember 1996, per Telefax an demselben Tage übermittelt, teilte der Jugendrichter dem Verteidiger mit, in Anbetracht des Umstandes, daß es sich bei den Angeklagten um Jugendliche handelt und die Tat bereits etwas zurückliegt (Tatzeitpunkt laut Anklage 1. Juli 1996), scheide eine weitere Entscheidungsverlagerung nach hinten aus pädagogischen Gründen aus; der Hauptverhandlungstermin werde nicht aufgehoben.

6

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 11. Dezember 1996.

7

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache gerechtfertigt.

8

Allerdings ist die eine Terminsverlegung ablehnende richterliche Verfügung in der Regel unanfechtbar (§ 305 S. 1 StPO). Die Beschwerde ist indes ausnahmsweise statthaft, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für Verfahrensbeteiligte eine besondere selbständige Beschwer bewirkt; das ist beispielsweise der Fall, wenn die Ablehnung der Terminsverlegung unschwer vermeidbar das Recht des Angeklagten beeinträchtigt, sich des Beistandes eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen (OLG München NStZ 1994, 451; ebenso OLG Frankfurt StV 1995, 9; OLG Hamburg StV 1995, 11).

9

So liegt der Fall hier. - Jeder Angeklagte kann erwarten, daß das Gericht den Versuch unternimmt, in Absprache mit dem Verteidiger einen Hauptverhandlungstermin zu finden, in dem der Verteidiger sein Mandat wahrnehmen kann; es muß versucht werden, Terminskollisionen des Verteidigers zu überwinden (OLG Frankfurt a.a.O.). Der allgemeine Grundsatz wirksamer Verteidigung (Art. 6 Abs. III leit. c MRK) und die prozessuale Fürsorgepflicht gebieten es, daß das Gericht sich um Terminsabstimmung ernsthaft bemüht (BGH NJW 1992, 849 [BGH 06.11.1991 - 4 StR 515/91] für den Fall der Abstimmung eines Fortsetzungstermins mit dem Pflichtverteidiger).

10

Der Jugendrichter hat seine ablehnende Entscheidung auf das allgemeine Beschleunigungsgebot in Jugendsachen unter Berücksichtigung des bereits mehr als fünf Monate zurückliegenden Tatzeitpunktes gestützt. Diese Begründung läßt nicht erkennen, daß er sich des Spannungsfeldes zwischen Verfahrensbeschleunigung und dem Verteidigungsrecht des Angeklagten bewußt war. Das Recht des Angeklagten, sich eines Verteidigers seiner Wahl und seines Vertrauens zu bedienen, verdient hier umso mehr Beachtung, als der Tatvorwurf von nicht ganz geringem Gewicht ist (Farbbesprühungen an zwölf Objekten) und immerhin vier Zeugen geladen worden sind, da der Angeklagte den Tatvorwurf bestreitet und geltend macht, zur Tatzeit nicht am Tatort Schöppenstedt, sondern in Helmstedt gewesen zu sein. - Es ist auch nicht ersichtlich, daß eine Terminsverlegung eine ins Gewicht fallende Verzögerung in der Erledigung des Verfahrens mit sich bringen würde.

11

Die Beschwerde ist nach alledem begründet und führt zur Aufhebung des Hauptverhandlungstermins. Die erneute Terminierung ist Sache des Jugendrichters.

Vors. Richter am LG
Richter am LG Richterin