Amtsgericht Celle
Urt. v. 29.06.2005, Az.: 16 C 1309/05 (9a)
Auswirkungen der Beteiligung an der Ordungswidrigkeit eines anderen durch Beauftragung des Beitreibens vonF orderungen trotz fehlender Erlaubnis im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes; Nötigenden Charakter von Handlungen mit dem Ziel des zum Unterdrucksetzens eines Schuldners; Zwangsmittel durch Verfolgung und öffentliche Bloßstellung sowie soziale Ächtung in der Nachbarschaft; Anspruch auf Achtung der Individualsphäre und des Ansehens in der Öffentlichkeit; Forderungseinzug als Missachtung des staatlichen Gewalt- und Zwangsvollstreckungsmonopols
Bibliographie
- Gericht
- AG Celle
- Datum
- 29.06.2005
- Aktenzeichen
- 16 C 1309/05 (9a)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32478
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGCELLE:2005:0629.16C1309.05.9A.0A
Rechtsgrundlagen
- § 14 OwiG
- Art. 1 § 1 Nr. 5 RBerG
- Art. 1 § 8 RBerG
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 823 Abs. 2 BGB
- § 240 StGB
- § 241 StGB
- Art. 2 Abs. 1 GG
Fundstelle
- ZVI 2005, 550-551 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 29.06.2005
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
für Rechterkannt:
Tenor:
- 1.)
Dem Antragsgegner wird verboten, Angestellte der ... an deren Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, Schuldner unter Ausnutzung der persönlichen und wirtschaftlichen Lage unter Druck zu setzen, auf den Antragsteller anzusetzen, mit dem Ziel, ihn in der Nachbarschaft und im Bekanntenkreis in Misskredit zu bringen.
- 2.)
Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das in Ziffer 1) ausgesprochene Verbot ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
- 3.)
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
- 4.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- 5.)
Der Streitwert wird festgesetzt auf 400,00 EUR.
- 6.)
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner auf Unterlassung einer Handlung in Anspruch.
Der Antragsgegner hat gegen den Antragsteller einen rechtskräftigen Titel (Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Celle) über 1.028,88 EUR. Eine Vollstreckung ist bisher nicht erfolgt.
Im Mai 2005 haben vor dem Haus des Antragstellers mehrere Pkw angehalten, wobei drei dunkel gekleidete Gestalten und ein Fernsehteam ausgestiegen sind. Diese Personen haben die Nachbarn über die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers befragt, das Fernsehteam hat Aufnahmen gemacht. Der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause.
Am 16.06.2005 erhielt der Antragsteller einen Brief der Firma ... in dem er hinsichtlich der Verbindlichkeiten aus dem Vollstreckungsbescheid um Stellungnahme bis zum 23.06.2005 gebeten wurde. Wegen des Aufbaus und der Einzelheiten des Schreibens wird auf die Fotokopie des Schreibens auf Bl. 5 d.A. Bezug genommen.
Der Antragsteller behauptet, durch die Firma ... . die der Antragsgegner beauftragt hat, in seinen Rechten beeinträchtigt zu sein. Er habe sich bedroht gefühlt, insbesondere nachdem er in den Medien Berichte über die Firma gesehen habe, aus denen sich ergeben habe, dass die Firma ... Vörderungen nicht beitreiben dürfe und auch nicht davor zurückschrecken würde, "ungewöhnliche" Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Damit würden sie auch im Internet werben, durch das Schreiben vom 16.06.2005 würde er sich im Übrigen auch bedroht fühlen, weshalb er auch bereits eine Woche krankgeschrieben worden sei.
Der Antragsteller beantragt, wie erkannt.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Firma ... sei ein Inkassounternehmen, das lediglich seine Forderungen beitreiben sollte. So heißt es in dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 27.06.2005 auf Seite 2 wörtlich: "Die offen stehenden Rechnungen der Firma wurden an ein Inkassounternehmen, darunter auch das Inkassounternehmen weitergegeben". Das Inkassounternehmen MP sei bundesweit tätig und gewerberechtlich zugelassen, auch als Inkassounternehmen. Eine Untersagung, dieses Unternehmen zu beauftragen, käme daher nicht in Frage. Dieses Unternehmen sei offiziell mit der weiteren Geltendmachung der Forderung beauftragt worden. Der Antragsgegner habe auch nicht die Geltendmachung mit rechtswidrigen Maßnahmen beauftragt. Immerhin sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seine Forderung nicht begleiche, sodass auch ein Gerichtsvollzieher beauftragt werden könne. Der Antragsgegner sei darüber hinaus berechtigt, Konten zu pfänden ebenso wie ein etwaiges Gehalt. Auch diese Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden, die müsse er allerdings hinnehmen. Ein unrechtmäßiges Verhalten sei insoweit nicht ansatzweise erkennbar.
Wegen des Weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Antragsgegner ist verpflichtet, die Beauftragung der Firma ... hinsichtlich der Eintreibung seiner Forderungen zu unterlassen.
Die Firma ... ist ein nach dem Rechtsberatungsgesetz zugelassenes Inkassountemehmen. Dies ergibt sich bereits aus der Internetseite, auf der die Firma ... gerade damit wirbt: "Wir sind kein herkömmliches, normales, zugelassenes Inkassounternehmen! und wollen es auch nicht sein". Im übrigen ist gerichtsbekannt, dass die Firma mmm keine Erlaubnis i.S. des Artikels 1 § 1 Nr. 5 Rechtsberatungsgesetz inne hat. Wenn die Firma mmmm trotzdem im Auftrag des Antragsgegners Forderungen beitreibt, liegt hier ein Verstoß gegen Artikel 1 § 8 Rechtsberatungsgesetz vor mit der Folge, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und verfolgt werden muss.
Der Einwand des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung, dass die Firma HBF MHHHF nicht mit der Beitreibung der Forderung, sondern nur mit Ermittlungen beauftragt war, erfolgte erst, nachdem das Gericht einen diesbezüglichen Hinweis erteilt hatte.
Dieses Vorbringen steht im Widerspruch zu dem Vorbringen im Schriftsatz vom 27.06.2005, aus dem sich wörtlich ergibt: "Die offen stehenden Rechnungen der B 'wurden an ein Inkassounternehmen, darunter auch das Inkassounternehmen 'weitergegeben". Dem Gericht ist nicht ersichtlich, wieso zunächst vorgetragen wird, dass die offen stehenden Rechnungen weitergegeben werden, wenn auf der anderen Seite aber nur Detektivarbeit geleistet werden sollte. Das Vorbringen des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung ist insoweit unglaubwürdig, und ist nur erklärlich durch den in der mündlichen Verhandlung erteilten rechtlichen Hinweis.
Der Antragsgegner muss sich insoweit auch darauf hinweisen lassen, dass er selbst möglicherweise ordnungswidrig gemäß § 14 OwiG handelt. Eine "Anstiftung" i.S. des Strafgesetzbuches ist im Ordnungswidrigkeitengesetz nicht vorgesehen, aber derjenige, der an einer Ordnungswidrigkeit eines anderen beteiligt ist, handelt selbst ordnungswidrig und wird als "Täter" verfolgt. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Beauftragung der Firma 0flHHHHWm't der Beitreibung von Geldforderungen bereits eine eigene Ordnungswidrigkeit darstellt. Der Antragsgegner hat sich also selbst ordnungswidrig verhalten, hieraus ergibt sich bereits der Anspruch auf Unterlassung des Antragstellers, der dadurch in seinen Rechten beeinträchtigt wird.
Das Auftreten der Firma ... stellt auch eine versuchte Nötigung (§ 240 StGB), möglicherweise sogar eine Bedrohung (§ 241 StGB) dar.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass das Auftreten der Mitarbeiter der Firma MflF in Mai 2005 äußerlich den Anschein erweckt, völlig harmlos zu sein. Es wurden lediglich Befragungen in der Nachbarschaft unternommen, darüber hinaus wurden Filmaufnahmen gemacht. Auch die Aufforderung aus dem Schreiben vom 16.06.2005, eine Stellungnahme hinsichtlich der Verbindlichkeiten abzugeben, ist auf den ersten Blick nicht zu beanstanden.
Trotzdem haben diese Vorfälle und das Schreiben vom 16.06.2005 insbesondere in der Gesamtschau der Begleitumstände (Werbung, Verbreitung, Internetauftritte, Berichte in den Medien) nötigenden Charakter i. S. des § 240 StGB. Dies ist geradezu Ziel der Schreiben, nicht zahlende Schuldner unter Druck zu setzen.
Diese Art des Forderungseinzuges stellt eine Missachtung des staatlichen Gewalt- und Zwangsvollstreckungsmonopols war. Dieser Eindruck wird auch bewusst erweckt, indem die FirmaHB Tauf ihrer Internetseite ihre Werbung gerade darauf abstellt, dass sie nicht herkömmlich und normal handelt. Die Firma flBP erfolgt ihre Zwecke - so das eigene Firmenprofil und die "Unternehmensphilosophie", offensichtlich unter Missachtung dieses Gewalt- und Vollstreckungsmonopols, indem sie Forderungen ihrer Mitglieder durch psychischen bis in das Privatleben hineinreichenden Zwang gegenüber den Schuldnern durch die Verwendung so genannter "schwarzer Männer" (vgl. auch das Firmenlogo) betreibt. Weiter gebraucht wird das Mittel der Bedrohung, indem den Schuldnern ein Besuch des "Einsatzteams ... in Aussicht gestellt wird.
Dieser Schritt ist in dem Aufforderungsschreiben vom 16.06.2003 zwar noch nicht angekreuzt, ergibt sich aber ebenfalls aus dem Gesamtzusammenhang der Gesamtschau dieses Schreibens. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Infoanfrage (Stellungnahme) nicht bloß um ein harmloses Aufforderungsschreiben zur Abgabe einer erbetenen Stellungnahme, die formularmäßig - jedoch nach Bestimmung einer Individuellen Frist - nach dem Ausdruck angekreuzt ist (was nicht nachvollziehbar ist). Denn wenn nur eine Stellungnahme gewünscht wäre, hätte es der Übersendung der weiteren Schritte, die der Schuldner gerade sehen soll - nicht bedurft.
Die Zwangsmittel der Verfolgung, öffentlichen Bloßstellung und sozialen Ächtung (Nachbarschaft) greifen nachhaltig in das gemäß Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz gestützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Schuldners ein. Sein Anspruch auf Achtung seiner Individualsphäre und seines Ansehens in der Öffentlichkeit wird missachtet und der Schuldner zum Objekt öffentlicher Zurschaustellung gemacht. Durch Verfolgung auf Schritt und Tritt soll er in Bedrängnis gebracht werden. Außerdem wird dieser mit der drohenden Ankündigung persönlicher Besuche auch mit der Erwartung möglicherweise körperlicher Beeinträchtigung durchaus konfrontiert. Insoweit wird gerade mit einer aggressiven und aktiven Auftragsdurchführung um Mitglieder geworben. Dabei werden Recherchen im privaten Umfeld direkt angekündigt.
Die Ankündigung "eines Besuches des AMBl' und des Aufsuchens des Schuldners in seinem Privatbereich lassen allein den Schluss zu, dass die Schulden unter Missachtung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Bedrohung ihrer körperlichen Unversehrtheit zur Zahlung bewogen werden sollen.
Der Anspruch des Antragstellers ergibt sich somit nicht nur aus § 823 I BGB, sondern auch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 240 StGB.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Antragsgegner auch weiterhin der Hilfe der Firma ... der Durchsetzung seiner zugegebenermaßen berechtigten Forderungen bedient, war die beantragte einstweilige Verfügung auch zu erlassen. Die Wiederholungsabsicht ergibt sich insoweit bereits aus den Umständen, denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsgegner zukünftig auf die Beitreibung seiner Forderungen verzichten wird. Allerdings hat er sich dazu auf die staatlich zugelassenen Zwangsmittel zu beschränken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird festgesetzt auf 400,00 EUR.