Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.07.2020, Az.: 1 A 458/18

Anordnung; persönliche Eignung; Gutachten; waffenrechtliche Unzuverlässigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.07.2020
Aktenzeichen
1 A 458/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71807
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Waffenbehörde hat in der Anordnung nach § 6 Abs. 2 WaffG neben den Tatsachen, die Eignungszweifel begründen, und den von ihr daraus gezogenen Rückschlüssen auf die Art der persönlichen Unzuverlässigkeit im Sinn von § 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG auch die Fachrichtung des Arztes im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 AWaffV zu bezeichnen, der das Gutachten erbringen soll. Die Anforderungen entsprechen denjenigen, die an die Anordnung nach § 11 Abs. 2 FeV gestellt werden.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse.

Der Kläger ist Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis (Waffenbesitzkarte), ausgestellt am 11.09.2013, sowie eines kleinen Waffenscheins, ausgestellt am 13.06.2013. Auf die Waffenbesitzkarte ist ein Revolver eingetragen.

Unter dem Aktenzeichen D. führte die Staatsanwaltschaft Göttingen gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher einfacher Körperverletzung zum Nachteil von E. F. G.. Dem Kläger wurde vorgeworfen, Herrn G. aufgrund einer Streitigkeit gegen den Oberkörper geschlagen zu haben. Der Kläger trug im Ermittlungsverfahren vor, es sei zwar zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen, er habe Herrn G. aber nicht geschlagen, sondern nur versucht, sich dessen Griff zu entziehen. Das Verfahren wurde eingestellt, der Anzeigeerstatter G. auf den Privatklageweg verwiesen.

Unter dem Aktenzeichen H. wurde gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil einer Nachbarin des Klägers, Frau I. J., geführt. Dem Kläger wurde vorgeworfen, Frau J. mit einer Holzlatte geschlagen, ihr sein Knie in den Bauch gerammt und sie mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben. Er verteidigte sich im Ermittlungsverfahren und gab seinerseits an, die Frau J. habe ihn angegriffen, woraufhin er sie abgewehrt und dabei mit der Hand getroffen habe. Nach dem Vorfall hatte der Kläger auch die Frau J. angezeigt. Beide Verfahren wurden mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, weil Aussage gegen Aussage stand.

Frau J. erwirkte im Februar 2015 gegen den Kläger eine befristete Schutzanordnung (AG Göttingen, Az.: K.). Am 17.01.2016 zeigte sie ihn wegen Verstoßes gegen die Schutzanordnung an, woraufhin zwei Polizeibeamte noch am selben Tag – einem Sonntag – eine Gefährderansprache bei ihm durchführten. Aufgrund seines Verhaltens forderten sie die Unterstützung von weiteren vier Polizeibeamten an und durchsuchten das Wohnhaus des Klägers; einen ordnungsgemäß in einem Waffenschrank untergebrachten Revolver, eine (erlaubnisfreie) Schreckschusspistole und die Waffenbesitzkarte sowie den kleinen Waffenschein stellten die Polizeibeamten sicher (Abschlussbericht der PK’in L. vom 14.03.2016, BA 001, Bl. 50). Die sichergestellte Waffenbesitzkarte stellte sich bei Überprüfung als Kopie heraus. Wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung wurde der Kläger später freigesprochen (BA 001, Bl. 106).

Gegenüber den Polizeibeamten soll der Kläger am 17.10.2016 folgendes über seine Nachbarin Frau J. geäußert haben (Vermerk des KHK M. vom 28.01.2016, BA 001, Bl. 2 f.):

„Die werde ich noch fertig machen. Das wird meine Lebensaufgabe. Und wenn ich dafür Jura studieren muss. Wissen Sie, wenn es keine Gesetze geben würde, dann würde ich die töten. Aber nicht einfach abknallen oder abstechen. Nein, ich würde einen Schraubenzieher nehmen und ihr schön langsam in das Kleinhirn rammen, damit sie lange leiden muss und alles mitbekommt.“

In dem wegen Bedrohung zum Nachteil von Frau J. gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren ließ sich der Kläger dahingehend ein, dass er sich in Anbetracht der äußerst angespannten Situation des Polizeieinsatzes zu den unkontrollierten und gleichsam im Affekt getätigten Gedankenäußerungen habe hinreißen lassen, die er unter normalen Umständen so nie getätigt hätte (Einstellungsvermerk der StA Göttingen vom 05.09.2016, BA 001, Bl. 78). Das Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit dem Vermerk vom 28.01.2016 wandte sich der KHK M. an die Beklagte und schloss, dass der Kläger eine bereits herabgesetzte Hemmschwelle gegenüber den Rechtsgütern Dritter habe und in Konflikten schnell die Beherrschung verliere. Er regte an zu prüfen, ob der Kläger über die erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit zum Besitz von Schusswaffen verfüge.

Im September 2016 zeigte der Kläger den KHK M. sowie die PK’in L. wegen Verleumdung und Beleidigung bei der Staatsanwaltschaft Göttingen an (BA 001, Bl. 129 ff.), woraufhin er seinerseits wegen falscher Verdächtigung angezeigt wurde. Das gegen ihn geführte Verfahren wurde nach § 153a StPO eingestellt (BA 001, Bl. 171).

Unter dem 24.10.2016 hörte die Beklagte den Kläger zum beabsichtigten Widerruf des Waffenscheins sowie der Waffenbesitzkarte an, wies auf die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und Urkundenfälschung sowie die Einschätzung der Polizeibeamten hin und folgerte daraus, dass der Kläger nicht die erforderliche Zuverlässigkeit „nach § 5 Absatz 1 Nr. 2a) WaffNeuRegG“ besitze.

Nachdem der Sachbearbeiter der Beklagten die Ermittlungsakte wegen falscher Verdächtigung eingesehen hatte, wies er den damaligen Bevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass es an der persönlichen Eignung des Klägers nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG fehlen könne und beabsichtigt sei, ihm die Beibringung eines Gutachtens aufzugeben (Email vom 13.01.2017, BA 001, Bl. 89).

Unter dem 08.03.2017 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sie aufgrund der Vorkommnisse und der Art seiner verschiedenen Äußerungen zum Schluss komme, dass bei ihm die persönliche Eignung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG nicht gegeben sei, und kündigte den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse an. Weiter heißt es in dem Schreiben:

„Nach § 6 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 4 Allg. WaffV können Bedenken gegen die persönliche Eignung durch aussagekräftige Bescheinigungen/Erklärungen bzw. durch Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung beseitigt werden.

Bitte legen Sie mir innerhalb der nächsten 2 Monate ein entsprechendes Gutachten/Zeugnis vor, um ein Widerrufsverfahren zu vermeiden.“

Dem Kläger gab die Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme und wies auf die Rechtsfolge des § 45 Abs. 4 WaffG hin.

In der Folge erklärte der damalige Bevollmächtigte des Klägers, dieser habe von möglichen Gutachtern den Hinweis erhalten, dass eine genaue Fragestellung fehle (BA 001, Bl. 105, 107).

Unter dem 11.06.2018 wiederholte die Beklagte das Schreiben vom 08.03.2017 im Wesentlichen, wies darauf hin, dass sie davon ausgehe, dass beim Kläger „die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2, 3 WaffG nicht gegeben“ sei und forderte ihm mit dem Wortlaut des Schreibens vom 08.03.2017 und erneuter Fristsetzung zur Vorlage eines Gutachtens/Zeugnisses (BA 001, Bl. 118). Daraufhin teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass dieser kein Gutachten vorlegen werde, weil der Gutachterauftrag unbestimmt sei und keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Klägers vorlägen.

Mit Bescheid vom 19.07.2018 widerrief die Beklagte die Waffenbesitzkarte vom 11.09.2013 sowie den Kleinen Waffenschein vom 13.06.2019 und gab dem Kläger auf, die durch die Polizei am 17.01.2016 sichergestellte Waffe (Revolver) und evtl. vorhandene Munition bis zum 31.08.2016 an Berechtigte abzugeben oder unbrauchbar zu machen sowie die Waffenbesitzkarte zurückzugeben. Zur Begründung verwies die Beklagte im Wesentlichen darauf, dass mit den Ermittlungsverfahren, den Äußerungen gegenüber der Polizei am 17.01.2016, zwei Beschwerdeschreiben vom 25.11.2016 und ß1.12.2015 sowie den Strafanzeigen gegen KHK M. und PK’in L. Tatsachen vorlägen, die gegen seine persönliche Eignung „nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 WaffG“ sprächen. Ein Gutachten über seine geistige oder körperliche Eignung habe er trotz Aufforderung und Fristsetzung nicht vorgelegt. Deshalb sei gemäß § 45 Abs. 4 WaffG seine Nichteignung zu vermuten.

Der Kläger hat am 23.08.2018 Klage erhoben. Er trägt vor, der Bescheid sei ihm am 23.07.2018 zugegangen. Es fehle an Anknüpfungstatsachen für die Annahme seiner persönlichen Eignung. Er sei rechtskräftig vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen worden, die gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren seien nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Drohungen gegenüber Frau J. habe er nicht geäußert. Auch die Strafanzeigen gegen die Polizeibeamten könnten nicht gegen ihn verwendet werden, weil er das Recht habe, seiner Meinung nach strafbares Verhalten zur Anzeige zu bringen. Außerdem habe die Beklagte es versäumt, einen hinreichend bestimmten Gutachterauftrag zu formulieren.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19.07.2018 (Az. N.) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25.06.2020 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb der Monatsfrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben worden. Die Beklagte ist dem Vortrag des Klägers, der mit einfacher Post versandte streitgegenständliche Bescheid sei ihm am 23.07.2018 und damit einen Tag später als von § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG vermutet, nicht entgegengetreten, so dass die Einzelrichterin von der Richtigkeit des Vortrags ausgeht.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 19.07.2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für den unter Ziff. 1 des Bescheids vom 19.07.2018 ausgesprochenen Widerruf der dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse ist § 45 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WaffG. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, wie hier die Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG) und der kleine Waffenschein (§ 10 Abs. 4 WaffG), zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis unter anderem voraussetzt, dass derjenige, der eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt, die hinreichende persönliche Eignung im Sinn von § 6 WaffG besitzt. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche persönliche Eignung nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil sind. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG besitzen Personen die erforderliche persönliche Eignung nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie auf Grund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren können oder dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht. Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung begründen, so hat die zuständige Behörde der betroffenen Person auf Kosten der betroffenen Person die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben, § 6 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 AWaffV. Verweigert eine betroffene Person im Fall der Überprüfung der persönlichen Eignung ihre Mitwirkung, so kann die Behörde deren Wegfall vermuten; die betroffene Person ist hierauf hinzuweisen (§ 45 Abs. 4 WaffG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt des Bescheiderlasses (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 24.06 -, NVwZ 2007, 1201).

Hier hat die Beklagte zu Unrecht den Wegfall der persönlichen Eignung des Klägers vermutet, weil dieser das unter dem 11.06.2018 angeforderte Gutachten nicht innerhalb der gesetzten Frist beigebracht hatte. Aus der Weigerung, ein Gutachten beizubringen, darf nur dann auf die Ungeeignetheit eines Betroffenen geschlossen werden, wenn die Beibringungsanordnung rechtmäßig war.

Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten angeführten Umstände Tatsachen im Sinn von § 6 Abs. 2 WaffG sind und damit die Voraussetzungen für eine Beibringungsanordnung vorlagen. Die Tatsachen müssen sich nach dem Wortlaut der Norm auf Tatsachen beziehen, die Annahmen im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 WaffG begründen. Hier hat die Beklagte weder im streitgegenständlichen Bescheid noch in der Anhörung deutlich gemacht, von welcher Art der persönlichen Unzuverlässigkeit sie ausgeht, ob von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG oder von einer der Alternativen von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG. Die Beklagte geht pauschal davon aus, dass sich der Kläger im Konfliktfall nicht beherrschen kann und mit Einsatz von körperlicher Gewalt und Gegenständen gegen Dritte vorzugehen bereit ist. In Betracht kommen aus Sicht der Einzelrichterin anhand der von der Beklagten herangezogenen Umstände nicht Tatsachen, die sich auf den Umgang mit Waffen oder auf deren Verwahrung beziehen, sondern solche Tatsachen, die für eine konkrete Gefahr (vgl. § 2 Nr. 1 NPOG) der Selbst- oder Fremdgefährdung – hier der Fremdgefährdung – sprechen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG). Gegebenenfalls kommt auch eine psychische Erkrankung in Betracht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Ob zum maßgeblichen Zeitpunkt Tatsachen vorlagen, die dahingehende Bedenken rechtfertigten, ist allerdings fraglich. Die Beklagte hat bei ihrer Bewertung ersichtlich nicht den Umstand bewertet, dass die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind. Ob Äußerungen gegenüber Polizeibeamten über Gewaltphantasien, die in einer Situation nachvollziehbarer Bedrängnis getätigt wurden, solche Tatsachen darstellen, ist zweifelhaft. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dazu erklärt, er sei aus seiner Sicht zu Unrecht mit der Gefährderansprache konfrontiert worden. Das Erscheinen von zwei Polizeibeamten an einem Sonntagnachmittag habe ihn, seine Ehefrau und die beiden Kinder in höchste Aufregung versetzt. Er habe seinen Bevollmächtigten angerufen und auf dessen Rat mit den Beamten kooperiert. Als die Beamten eine auf dem Tisch liegende Schreckschusspistole wahrgenommen hätten, hätten sie weitere Beamte hinzugerufen und unter der Annahme der Gefahr im Verzug sein Haus durchsucht. Er sei stark angespannt gewesen, habe den Beamten aber noch den Waffenschrank gezeigt. Der Kläger hat auch geschildert, dass er aus seiner Sicht durch die Anzeigen seiner Nachbarin J., mit der er im Streit liege, im Jahr 2016 die berufliche Grundlage für seine Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer, nämlich seinen Jagdschein, verloren habe. Diese Zusammenhänge hat die Beklagte nicht gewürdigt.

Die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil sie unbestimmt war. Die Anordnung ist als reine Verfahrenshandlung nicht isoliert angreifbar (§ 44a VwGO), sondern kann nur im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen eine daran anknüpfende waffenrechtliche Maßnahme inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Ihr Adressat hat daher eigenständig zu prüfen, ob sie rechtmäßig und deswegen zu befolgen ist. Die Beibringungsanordnung muss deshalb nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmten formellen Voraussetzungen genügen. Namentlich muss sie aus sich heraus verständlich sein (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 AWaffV). Der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob die in ihr aufgeführten Gründe die behördlichen Eignungszweifel zu rechtfertigen vermögen. Nur auf der Grundlage dieser Information kann er nämlich sachgerecht einschätzen, ob er sich trotz der mit einer Untersuchung verbundenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts und der Kostenbelastung der Begutachtung stellen will oder die mit der Verweigerung der Begutachtung verbundenen Risiken eingeht (OVG NW, Urt. v. 21.02.2014 - 16 A 2367/11 -, juris; Hess. VGH, Beschl. v. 22.11.2016 - 4 B 2306/16 -, BeckRS 2016, 112427 Rn. 12).

Die Anordnung ist hier zum einen unbestimmt, weil – wie ausgeführt – die Beklagte nicht deutlich gemacht hat, welche Rückschlüsse sie aus den von ihr herangezogenen Umständen für die Art der persönlichen Unzuverlässigkeit des Klägers zog. Zum anderen hat sie dem Kläger die Wahl überlassen, welches Gutachten er beibringt.

Zwar gibt die Anordnung aus dem Schreiben der Beklagten vom 11.06.2018 den Wortlaut von § 6 Abs. 2 WaffG wieder. Dies genügt aber nicht (a. A. VG Saarlouis, Urt. v. 25.02.2016 – 1 K 558/15 -, BeckRS 2016, 43388). Die Beklagte hätte in der Anordnung die Art der persönlichen Unzuverlässigkeit des Klägers und darauf aufbauend die Fachrichtung des Arztes bezeichnen müssen, der den Kläger diesbezüglich begutachten kann. Die Einzelrichterin legt hierbei zugrunde, dass der Regelungsmechanismus von §§ 45 Abs. 2, 6 Abs. 2 WaffG mit § 45 Abs. 4 WaffG dem des Fahrerlaubnisrechts entspricht. In beiden Fällen geht es um die Prüfung des Vorliegens der Eignung einer Person für einen erlaubnispflichtigen Umstand. Die Eignung der Person entscheidet mit darüber, ob die Erlaubnis erteilt oder entzogen werden kann. In beiden Rechtsbereichen geht das Gesetz nicht davon aus, dass die Vorlage eines Gutachtens zu erzwingen ist, was für das Vorliegen eines Verwaltungsakts sprechen würde. Vielmehr hat die zuständige Behörde nur die Möglichkeit, aus der Nichtvorlage des Gutachtens Schlüsse zu ziehen (vgl. § 4 Abs. 6 AWaffV bzw. § 11 Abs. 8 FeV) (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 26.04.2006 – 1 K 1331/05 -, juris Rn. 25; zur Vergleichbarkeit der Regime auch VGH BW, Beschl. v. 23.10.2013 - 5 S 855/13 -, BeckRS 2013, 58189; Hess. VGH, Beschl. v. 22.11.2016, a.a.O.).

Im Fahrerlaubnisrecht sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der Beibringungsanordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht nach in seinem Beschluss vom 05.02.2015 (- 3 B 16/14 -, juris, Rn. 8) ausgeführt:

„Die Anforderungen, die an die Konkretisierung des Untersuchungsthemas bei der Aufforderung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV abstrakt zu stellen sind, erschließen sich unmittelbar aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck von § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV. Der Betroffene soll durch die Mitteilung der zu begutachtenden Fragestellung, die ebenso wie die Angabe der Gründe, die Zweifel an der Fahreignung begründen, sowie der Fachrichtung des zur Begutachtung einzuschaltenden Facharztes bereits in der an ihn gerichteten Beibringungsanordnung zu erfolgen hat, in die Lage versetzt werden, sich innerhalb der nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zu bestimmenden Frist zur Vorlage dieses Gutachtens ein Urteil darüber zu bilden, ob die Aufforderung zu dessen Beibringung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist. Davon hängt es ab, ob sich der Betroffene dieser Aufforderung verweigern kann, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die Fahrerlaubnisbehörde bei nicht fristgerechter Vorlage des Gutachtens unter Berufung auf § 11 Abs. 8 FeV seine Fahrerlaubnis entzieht.“

Entsprechend verhält es sich bei einer Anordnung nach § 6 Abs. 2 WaffG. Zwar kennt die Regelung keine § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV entsprechende Konkretisierung für die Bezeichnung eines Arztes. § 6 Abs. 2 WaffG ist aber einer entsprechenden Auslegung zugänglich. Der Wortlaut der Regelung („eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung“) ist offen; aus ihm ergibt sich nicht für sich genommen schon der Inhalt der Anordnung. Der Sinn und Zweck der Regelung entspricht aber § 11 Abs. 2 Fev: die Behörde soll um die fachliche Beurteilung von Tatsachen, die für das Vorliegen von waffenrechtlich relevanten geistigen oder körperlichen Einschränkungen entlastet werden und dem Betroffenen die Klärung durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens (auf seine Kosten) überlassen können. Da sie – wie die Fahrerlaubnisbehörde – aus der Nichtvorlage eines Gutachtens negative Rückschlüsse ziehen darf, muss der Betroffene seinerseits aus rechtsstaatlichen Gründen in die Lage versetzt werden zu überprüfen, ob die Anordnung rechtmäßig ist und ob er sich dem (auch Kosten-)Risiko der Einholung eines Gutachtens aussetzen möchte. Diese Möglichkeiten werden ihm genommen, wenn er mit einer offenen, allein den Wortlaut von § 6 Abs. 2 WaffG wiederholenden Anordnung, wie sie die Beklagte getroffen hat, konfrontiert wird. Im Übrigen enthält § 4 Abs. 2 Satz 1 AWaffV eine dem § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV entsprechende Auflistung von in Betracht kommenden Fachrichtungen der Gutachter. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung lebhaft seine Probleme geschildert, auf Grundlage der Anordnung eines Sachverständigen zu finden und von diesem auch eine Kostenschätzung zu erhalten.

Da die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtswidrig war, durfte die Beklagte aus der Nichtvorlage des Gutachtens keine Rückschlüsse zu Lasten des Klägers ziehen.

Liegen die Voraussetzungen für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers nicht vor, entfällt auch der Rechtsgrund für die Sicherstellung des Revolvers des Klägers und die unter Ziff. 2 des Bescheids vom 19.07.2018 getroffenen weiteren Anordnungen sowie für die Kostengrundentscheidung unter Ziff. 3 des Bescheids.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.