Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 05.06.1998, Az.: 6 A 1511/97
Eintragung in die Handwerksrolle; Selbständige Handwerksrollenpflicht der Zweigniederlassungen einer handwerksfähigen juristischen Person; Zweigniederlassung einer englischen Limited; Sitztheorien ach der das Recht desjenigen Staates maßgeblich ist, in dem die juristische Person ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat; Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 05.06.1998
- Aktenzeichen
- 6 A 1511/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 19449
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:1998:0605.6A1511.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 6 HandwO
- § 7 Abs. 4 HandwO
- Art. 177 Abs. 2 EGV-Vertrag
Fundstelle
- GewArch 1998, 387-389
Verfahrensgegenstand
Eintragung in die Handwerksrolle
Redaktioneller Leitsatz
Ein Unternehmen, das seine Tätigkeit ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland entfalten sollte und auch nur hier tätig war und ist, jedoch seinen Hauptsitz im Ausland hat, ohne dort tatsächlich tätig zu sein, muß, da Gründungsrecht und Sitzort auseinanderfallen, das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht bezüglich seiner Rechtsfähigkeit gegen sich gelten lassen.
In der Verwaltungsrechtssache
hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Stade
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Leiner,
den Richter am Verwaltungsgericht Wermes sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen worden ist.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Eintragung in die Handwerksrolle.
Die von der A. gegründete Klägerin, die in ... seit dem 07. Februar 1997 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ins dortige Handelsregister eingetragen ist, beschäftigt sich seit der Betriebseröffnung am 01. März 1997 von D. aus mit Bedachungen aller Art sowie mit der Bauklempnerei. Nach Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages hat der Betrieb seinen eingetragenen Sitz in England und Wales. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist Frau T.. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 1000 engl. Pfund. Als Firmenadresse gibt die Klägerin ... an, unter der der Bevollmächtigte des ... in C. zu erreichen ist, an dessen Kosten sich die Klägerin mit einer monatlichen Büromiete in Höhe von (anfangs 50 DM und nunmehr) 70 DM beteiligt. Britische Kunden der Klägerin können sich dorthin wenden, wenn sie die Dienste der Klägerin in Anspruch nehmen wollen. Aufträge von deutschen Auftraggebern wickelt die Klägerin ausschließlich über D. ab.
Der Geschäftsführer und Betriebsleiter der Klägerin Herr L. der am 22. April 1977 erfolgreich die Meisterprüfung im Dachdeckerhandwerk abgelegt hat, war bereits bis zum Konkurs seines Betriebes vom 26. April 1977 bis zum 31. Dezember 1996 selbständig in D. ... tätig. Die Klägerin wird ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland steuerlich veranlagt.
Am 19. Februar 1997 meldete der Geschäftsführer der Klägerin die Tätigkeit der Klägerin als Gewerbe im Rahmen einer Zweigniederlassung bei der Gemeinde D. an. Mit Beschluß vom 18. März 1997 verhängte das Amtsgericht Langen im Rahmen des Konkursverfahrens des Geschäftsführers der Klägerin eine Post - und Telegrafensperre u.a. unter Hinweis darauf, daß der Geschäftsführer der Klägerin versuche, seinen bisherigen Gewerbebetrieb, über den die Sequestration angeordnet worden sei, über die Klägerin fortzuführen.
Die Eintragung der Klägerin in die Handwerksrolle beantragte der Geschäftsführer der Klägerin bei der Beklagten am 21. März 1997.
Mit Bescheid vom 19. Juni 1997 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Eintragung in die Handwerksrolle mit der Begründung ab, daß von der Klägerin der Nachweis, daß die Ltd. In Großbritannien tatsächlich als Hauptunternehmen betrieben werde und nicht etwa nur als Briefkastenadresse existiere, nicht erbracht worden sei. Auch sei die beim Handelsregister notwendige Eintragung der selbständigen Zweigniederlassung in D. bisher nicht erfolgt.
Gegen diese Ablehnung legte die Klägerin am 10. Juli 1997 Widerspruch ein, den sie damit begründete, daß sie in Großbritannien ordnungsgemäß angemeldet und in das britische Handelsregister eingetragen worden sei. Nach den europarechtlichen Vorschriften sei die Beklagte verpflichtet, die durch die britischen Behörden erfolgte Anerkennung und Eintragung der Ltd. zu respektieren und anzuerkennen. Nach der EG-Richtlinie zur Ausübung des Handwerksberufs sei die Beklagte verpflichtet, die Eintragung der Klägerin in die Handwerksrolle vorzunehmen, da Herr L. eine mindestens sechsjährige Tätigkeit in seinem Beruf nachgewiesen habe. Im Hinblick auf die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei maßgeblich auf den Ort der Gründung abzustellen und nicht auf den Ort, wo die Gesellschaft ihren Sitz hat. Die Gründungstheorie komme der im EG-Vertrag verbrieften Niederlassungsfreiheit am nächsten und sei mit dem unmittelbar und mittelbar gegen jedermann geltenden EGV-Vertragsrecht unvereinbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, daß eine englische Ltd. als Zweigniederlassung nur eingetragen werden könne, wenn in England tatsächlich eine Hauptniederlassung bestehe und die Voraussetzungen für eine Eintragung ins deutsche Handelsregister vorlägen. Da diese Voraussetzungen für die Klägerin nicht nachgewiesen worden seien, könne eine Eintragung zur Zeit nicht erfolgen. Im übrigen gehe die Begründung der Klägerin, daß der Geschäftsführer Herr L. eine mindestens 6 Jahre dauernde ununterbrochene Tätigkeit in seinem Beruf nachgewiesen habe fehl, da dies auf einen Antrag auf Ausnahmebewilligung abziele, der gar nicht gestellt worden sei.
Unter dem 02. September 1997 meldete die Klägerin die "L." Zweigniederlassung ... zur Eintragung ins Handelsregister beim Amtsgericht Langen an. Das Amtsgericht Langen - Registergericht - hat diesem Antrag bislang ausweislich der Gerichtsakten - 8 AR 79/97 - nicht entsprochen.
Mit einem am 12. September 1997 beim Verwaltungsgericht Stade eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie unter Vertiefung ihres Vorbringens im Widerspruchsverfahren ergänzend geltend macht, daß sog. Briefkastenfirmen in Großbritannien eine Registereintragung nicht erlangen könnten, da diese Frage im Rahmen des Verwaltungsverfahrens in Großbritannien geprüft werde. Grund der Eintragung in Großbritannien sei das ordnungsgemäße Bestehen des Hauptsitzes in Großbritannien. Man beabsichtige, auch in Großbritannien tätig zu werden. Geschäftliche Kontakte müßten jedoch noch erst aufgebaut werden. Zudem seien nach § 7 Abs. 4 S. 1 HandwO juristische Personen in die Handwerksrolle einzutragen, wenn der Betriebsleiter - wie hier - die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfülle. Im Rahmen des geltenden europäischen Gemeinschaftsrechts habe die Beklagte nicht die Befugnis, die ordnungsgemäße Gründung des Hauptsitzes und die Ausübung der Tätigkeit an diesem Hauptsitz anzuzweifeln und dafür Belege zu fordern. Dies käme einer Gründungskontrolle gleich, die im Rahmen der europäischen Rechtsordnung nicht mehr zulässig sei. Daß die Handelsregistereintragung noch nicht erfolgt sei, berechtige die Beklagte ebenfalls nicht, die Eintragung in die Handwerksrolle abzulehnen, da die Eintragung ins Handelsregister einen anderen Zweck verfolge als die Eintragung in die Handwerksrolle.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 1997 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. August 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin mit einer Zweigniederlassung in D. die Handwerksrolle einzutragen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist weiter darauf, daß die Klägerin weder durch Vorlage von Rechnungen noch durch Auftragsschreiben nachgewiesen habe, daß sie in England tatsächlich tätig gewesen sei. Zudem könne die Klägerin nur dann in die Handwerksrolle eingetragen werden, wenn sie zuvor durch Eintragung ins Handelsregister überhaupt existent geworden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Register- und Gerichtsakten des Amtsgerichts Langen und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 1997 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. August 1997 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle nicht.
Der Beteiligungsfähigkeit der Klägerin gem. § 61 Nr. 1 VwGO steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, daß sie - mit Geschäftssitz in Großbritannien - nach ihrem Klagebegehren nicht selbst in die Handwerksrolle eingetragen werden will, sondern ihre Zweigniederlassung in D. in die Handwerksrolle eingetragen haben möchte. Für die Annahme einer Beteiligungsfähigkeit ist entscheidend, daß das betroffene Rechtssubjekt innerhalb des streitbefangenen Rechtsgebietes Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Diese Voraussetzung erfüllt die Zweigniederlassung der Klägerin, denn Zweigniederlassungen einer handwerksfähigen juristischen Person unterliegen unabhängig davon, ob ihr Hauptsitz sich im Ausland befindet einer selbständigen Handwerksrollenpflicht (OVG Lüneburg, Urt. v. 24. Juni 1994 - 8 L 1824/93 m.w.N.) und sind insoweit beschränkt auf den Bereich der Handwerksordnung Träger von Rechten und Pflichten.
Gem. § 6 HandwO in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Dezember 1965 (BGBl. I 1966, S. 1), zuletzt geändert am 25. März 1998 (BGBl I S. 596), muß in die Handwerksrolle eingetragen werden, wer im Bezirk der Handwerkskammer einen selbständigen Handwerksbetrieb beginnen will Dabei übt ein selbständiges Handwerk im Bezirk der Handwerkskammer auch derjenige aus, der dort - wie die Klägerin behauptet - lediglich eine Zweigniederlassung betreibt.
Unter welchen materiellen Voraussetzungen eine Zweigniederlassung einer englischen Limited, die der GmbH vergleichbar ist in die Handwerksrolle eingetragen werden kann, ist in der Handwerksordnung nicht ausdrücklich geregelt.
Dabei ist davon auszugehen, daß einer - auch im Handelsregister eingetragenen - Zweigniederlassung einer juristischen Person wie einer GmbH oder AG zivilrechtlich weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine eigene Rechtsfähigkeit zuzuerkennen ist (vgl. LG Aurich vom 28.01.1997 - 1 T 22/97, OLG Düsseldorf vom 23.05.1996 - 6 U 120/95). Jede Zweigniederlassung entsteht vielmehr mit Aufnahme des Geschäftsbetriebs unabhängig von einer handelsrechtlichen Eintragung (Baumbach/Hopt, Komm. z. HGB, 29. Aufl. § 13 RN 10). Daraus folgt, daß § 7 Abs. 4 HandwO, wonach eine juristische Person in die Handwerksrolle eingetragen wird, wenn der Betriebsleiter die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt, mangels einer in der Zweigniederlassung zu erblickenden eigenen juristischen Person nicht direkt anwendbar ist. Jedoch gelten für die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen GmbH die materiellen Anforderungen des § 7 Abs. 4 Satz 1 HandwO analog, denn die Zweigniederlassung ist gesellschaftsrechtlich ein Teil der Haupt-GmbH; sie teilt deshalb bei selbständiger Ausübung eines Handwerks im Inland die Zulassungs- und Eintragungsvoraussetzungen, die für juristische Personen ihrer Rechtsform im Inland zu beachten sind (OVG Lüneburg, Urt. v. 24. Juni 1994 - 8 L 1824/93). Das setzt jedoch voraus, daß die Klägerin, von der die Zweigniederlassung in D. ihr Bestehen ableitet, ihrerseits nach deutschem internationalen Privatrecht in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähig ist. Beginn und Umfang der Rechtsfähigkeit beurteilt sich im allgemeinen nach dem Personalstatut, d.h. nach den Rechtsverhältnissen der juristischen Person. Die Bestimmung der Rechtsordnung, die für diese Rechtsverhältnisse maßgebend ist, vollzieht sich entsprechend der in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Sitztheorie, der sich die Kammer anschließt und nach der das Recht desjenigen Staates maßgeblich ist, in dem die juristische Person ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat (VG Leipzig, Beschluß vom 22.07.1996 - 5 K 703796 - GewArch. 1997; S. 149; OLG Oldenburg, Urt. vom 04. April 1989 - 12 U 13/89 -, NJW 1990, 1422 f.; BGH, Urt. v. 30.01.1970, NJW 1970, 998 [BGH 30.01.1970 - V ZR 139/68]; Marcks in Landmann/Rohmer § 15 GewO RN 20; Palandt-Heldrich, Komm. z. BGB, 57. Aufl. Anhang zu Art. 12 EGBGB RN 2 ff. m.w.N.; Kaufmann, GewArch 1997, S. 400 m.w.N.).
Dabei ist als effektiver Verwaltungssitz der Ort anzusehen, an dem die laufenden Geschäftsführungsakte im Rahmen des Willensbildungsprozesses zustande kommen und umgesetzt werden; maßgebend ist dabei der Betriebsmittelpunkt.
Konsequenz der Sitztheorie ist es insbesondere, daß eine Gesellschaft beim Auseinanderfallen von Gründungsrecht und Sitzstaat nicht wirksam gegründet ist und das Gebilde somit keine Rechtsfähigkeit erlangt (Palandt-Heldrich a.a.O. RN 6).
Gemessen an diesen Maßstäben spricht nach Überzeugung des Gerichts alles dafür, daß die Klägerin nach der Intention der Gründer ihre Tätigkeit ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland entfalten sollte und auch nur hier tätig war und ist. Es fällt bereits auf, daß die Klägerin schon kurze Zeit später, nachdem sie am 07. Februar 1997 als Limited in C. in das dortige Gesellschaftsregister eingetragen worden war, ihre Zweigniederlassung am 19. Februar 1997 bei der Gemeinde D. angemeldet hat. Üblicherweise gehört es aber zu den Gepflogenheiten bei Betriebsgründungen kleiner Handwerksunternehmen, daß zunächst der Hauptsitz des Betriebes gegründet wird und wirtschaftlich ausreichend etabliert sein muß, um eine Zweigniederlassung zu eröffnen, insbesondere wenn es sich um einen Handwerksbetrieb handelt, der im Vergleich zu großen Unternehmen in begrenztem Geschäftsumfang tätig ist. Ferner fällt auf, daß die Klägerin auf dem Briefkopf ihrer Firma allein ihre Geschäftsadresse in D. angibt, ohne daß die Adresse des angeblichen Hauptsitzes des Betriebes in C. bzw. B. auch nur erwähnt wird. Auch unter Berücksichtigung der übrigen Umstände der Gründung der Klägerin drängt sich der Kammer geradezu auf, daß die Klägerin nur gegründet wurde, damit der Geschäftsführer der Klägerin, der den Betrieb seiner vorherigen Firma L.. Bedachungen wegen Konkurses zum 31. Dezember 1996 aufgeben mußte, seine geschäftlichen Aktivitäten in D. auch in Anbetracht dessen fortsetzen konnte, daß ihm für die Gründung einer deutschen GmbH die nötigen Mittel fehlten. Daß es sich bei der Klägerin um eine im Interesse des Geschäftsführers der Klägerin gegründete sogenannte N. Company (VG Leipzig, Beschluß vom 22. Juli 1996, a.a.O.) handelt, deren wirtschaftlicher Mittel- und Schwerpunkt ausschließlich am Wohnsitz des Geschäftsführers in dessen Hand liegt, wird auch daran deutlich, daß die Klägerin nach eigenen Angaben für Büroräume in Großbritannien eine monatliche Miete in Höhe von (anfangs 50 DM und nunmehr) 70 DM entrichtet. Mit einer Monatsmiete in dieser Höhe ist nach Auffassung des Gerichts ein eigenständiger Betriebssitz nicht zu unterhalten. Die Höhe dieser angeblichen Monatsmiete spricht eher dafür, daß es sich dabei um ein Entgelt dafür handelt, daß die Klägerin gegenüber Dritten den Bevollmächtigten des C. das das zentrale Handelsregister für alle in England und Wales ansässigen Gesellschaften darstellt, als Ansprechpartner für an die Klägerin gerichtete Antragen angeben darf und solche Antragen von dem Bevollmächtigten des O. entgegengenommen und weitergeleitet werden bzw. daß die Klägerin mit diesem Entgelt den Nachweis eines "registered office" bekommt, der nach englischem Recht zur Firmengründung erforderlich ist.
Auch die deutsche Namensgebung einer englischen Ltd. deutet daraufhin, daß die Klägerin niemals beabsichtigt hat, geschäftlichen Aktivitäten in Großbritannien nachzugehen, denn mit der Bezeichnung Bedachungen im Firmenname dürften potentielle britische Kunden der Klägerin im Regelfall wenig anzufangen wissen. Auch hat die Klägerin nicht dargelegt oder nachgewiesen, daß sie in Großbritannien überhaupt jemals Aufträge abgewickelt hat. Dafür spricht auch, daß die Klägerin in Großbritannien steuerrechtlich nicht veranlagt wird. Nach Erkenntnissen der Deutsch - Britischen Handelskammer in London verfügt die Klägerin in Großbritannien auch nicht über einen eigenen Telefonanschluß, unter dem sie erreichbar wäre.
Der Geschäftsführer der Klägerin hat zudem in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß er lediglich ein Mal, nämlich bei Gründung der Klägerin, in C. gewesen sei und daß die Klägerin über englische Kunden auch nach über einjähriger Tätigkeit nicht verfüge. Auch hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt des Gerichts, daß es sich bei der Klägerin um eine in der englischen Rechtspraxis nicht unübliche sog. "Shell-Company" handele, die in Großbritannien lediglich über ein "registered office" verfüge, sämtliche Geschäftsaktivitäten außerhalb Großbritanniens abwickle und allein der schnellen Firmengründung diene, nicht widersprochen.
Diese Umstände führen bei dem Gericht zu der Überzeugung, daß die Geschäftsabwicklung ausschließlich von D. aus erfolgt und in B. lediglich eine Adresse eines Bevollmächtigten existiert, der Post für die Klägerin nach D. weiterleitet.
Daraus folgt, daß das Gründungsrecht und der Sitzort D. auseinanderfallen und die Klägerin daher das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht bezüglich ihrer Rechtsfähigkeit gegen sich gelten lassen muß. Da die Klägerin jedoch die an eine Gründung einer GmbH zu stellenden Anforderungen gerade nicht erfüllt, hat sie eine Rechtsfähigkeit nicht erlangt. Sie kann im Inland eine gesonderte eintragungsfähige Zweigniederlassung nicht gründen; sie müßte vielmehr als GmbH nach deutschem Recht neu gegründet werden (OVG Lüneburg, Urt. v. 24. Juni 1994 - 8 L 1824/93 -).
Der nach alledem fehlenden Eintragungsfähigkeit der Zweigniederlassung in D. kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß das Recht der Europäischen Gemeinschaft verletzt würde und damit für das Gericht Veranlassung bestünde, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof zu einer Vorabentscheidung nach Art. 177 des EG-Vertrages - EGV - vorzulegen.
Nach Art. 177 Abs. 2 EGV-Vertrag kann jedes Gericht eines Mitgliedstaates eine bei der Auslegung des Vertrages sich stellende Frage, deren Entscheidung es zum Erlaß des Urteils für erforderlich hält, dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen. Eine Vorlage des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, weil das Gericht in Übereinstimmung mit dem Niedersächsischen OVG (Urt. v. 24. Juni 1994 - 8 L 1824/93) der Auffassung ist, daß § 7 Abs. 4 HandwO entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen die in Art. 52, 58 EGV verbürgte Niederlassungsfreiheit verstößt. Diese Bestimmungen gewähren das Recht auf Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nicht nur den Gemeinschaftsbürgern unmittelbar, sondern auch den in Art. 58 EGV bezeichneten Gesellschaften, was sich gem. Art. 52 S. 2 EGV ausdrücklich auch auf Zweigniederlassungen bezieht.
Solche Niederlassungsvorgänge werden durch die hier vorgenommene analoge Anwendung des § 7 Abs. 4 HwO nicht behindert. An Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Hauptsitz im Inland wie auch im Ausland werden gewisse Anforderungen gestellt. Davon zu unterscheiden ist jedoch die im vorliegenden Fall entscheidende Frage, nach welcher Rechtsordnung sich die Rechtsfähigkeit des Betriebes mit eingetragenem Sitz im Ausland, der in der Bundesrepublik Deutschland eine Zweigniederlassung gründen will, bemißt. Diese Frage ist jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH vom EGV nicht geregelt und mithin von der Niederlassungsfreiheit nicht umfaßt. Vielmehr hat der EuGH ausgeführt, daß Gesellschaften aufgrund einer Rechtsordnung, mangels ausdrücklicher Regelungen des Gemeinschaftsrechts aufgrund einer nationalen Rechtsordnung, gegründet werden. Jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt, haben sie keine Realität. Der EWG-Vertrag betrachte die Unterschiede, die die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der für ihre Gesellschaften erforderlichen Anknüpfung sowie der Möglichkeit und gegebenenfalls der Modalitäten einer Verlegung des satzungsmäßigen oder wahren Sitzes einer Gesellschaft nationalen Rechts von einem Mitgliedstaat in einen anderen aufweisen, als Probleme, die durch die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst sind, sondern einer Lösung im Wege der Rechtsetzung oder des Vertragsschlusses bedürfen (EuGH, Urt. 27.09.1988 - Rs 81/87 (Daily Mail), NJW 1989, 2186). Eine solche ist jedoch nach dem bisherigen Stand des Gemeinschaftsrechts, was die Klägerin bei ihrem Hinweis auf die allgemeinen Harmonisierungsbemühungen in der Europäischen Union verkennt, noch nicht gefunden. Entgegen der Annahme der Klägerin ist diese Rechtsprechung auch nicht im Zuge der Verwirklichung des EU-Binnenmarktes inzwischen überholt, denn dem steht entgegen, daß es nach wie vor - wie auch zur Zeit des - Daily Mail - Urteils des EuGH - an einer umfassenden europäischen Existenzgrundlage für juristische Personen des Privatrechts mangelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird gem. § 13 Abs. 1 S. 1 GKG auf 20.000,- DM festgesetzt.
Richter am Verwaltungsgericht Leiner hat Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Gärtner
Wermes