Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.09.1983, Az.: 2 Ss 209/83

Leistungsfähigkeit eines Angeklagten im Falle der Verletzung des Unterhaltsanspruches eines nichtehelichen Kindes; Freiheitsstrafe von 6 Monaten wegen Verletzung der Unterhaltspflicht; Vorenthalten von Kindergeld gegenüber einem nichtehelichen Kind; Höhe des Strafmasses bei der Nichtzahlung des Kindergeldanteiles an das Kind des Angeklagten; Feststellungen im Urteil über die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Angeklagten als Nachteil zu seinen Lasten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.09.1983
Aktenzeichen
2 Ss 209/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 18753
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1983:0926.2SS209.83.0A

Fundstellen

  • MDR 1984, 248-249 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1984, 317 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Verletzung der Unterhaltspflicht

In der Strafsache
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Revision des Angeklagten gegen
das Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts ... vom 17. Mai 1983
in der Sitzung vom 26. September 1983,
an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht ... als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht ..., Richter am Oberlandesgericht ... als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin ... als Beamtin der Staatsanwaltschaft,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle - während der Verhandlung -
Justizamtsinspektor ... - während der Verkündung -
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe

1

I.

Das Schöffengericht hatte den Angeklagten wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt und deren Vollzug zur Bewährung ausgesetzt.

2

Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer verworfen.

3

Sie hat im wesentlichen folgendes festgestellt:

4

Der Angeklagte, dessen Vaterschaft für den am 8. Januar 1969 nichtehelich geborenen ... durch Urteil des Amtsgerichts ... (4 C 790/70) rechtskräftig festgestellt ist, leistete in der Zeit von November 1981 bis Januar 1983 keinerlei Unterhaltszahlungen für ..., obwohl - das lassen die Feststellungen der Kammer im Zusammenhang erkennen - das Sozialamt für den Unterhalt des Kindes aufkommen mußte und den Angeklagten wiederholt zur Zahlung des Regelunterhalts und zur Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert hatte. In dem dem Angeklagten bis Januar 1983 monatlich ausgezahlten Kindergeldbetrag von 320 DM war auch das Kind ... zum Teil berücksichtigt (einen Anteil des Kindergeldes von 50 DM erhielt die Kindesmutter, bei der ... wohnt). Der Regelunterhaltssatz für ... ist am 1. Januar 1982 auf monatlich 297 DM festgesetzt worden.

5

Der Angeklagte hat außerdem zwei eheliche Kinder im Alter von 7 und 12 Jahren und seine Ehefrau zu unterhalten, die seit Anfang 1982 340 DM monatlich (netto?) verdient. Das Einkommen des Angeklagten, der als Händler auf Märkten tätig ist, lag Ende 1981 und im Jahre 1982 durchschnittlich bei 1.200 DM netto monatlich.

6

Die Strafkammer ist der Einlassung des Angeklagten gefolgt, wonach er ab Oktober 1981 in Schulden geraten sei, weil er seinen alten, für die berufliche Tätigkeit unentbehrlichen Pkw durch einen neuen habe ersetzen müssen, wodurch er mit Darlehnsraten belastet worden sei. Außerdem habe er durch die Sonderbehandlung eines seiner ehelichen Kinder, das behindert sei, zusätzliche Aufwendungen gehabt. Er zahle monatlich 600 DM Miete.

7

Die Strafkammer ist unter Berücksichtigung dieser Umstände zu der Überzeugung gelangt, daß der Angeklagte trotz seiner sonstigen finanziellen Verpflichtungen - weil er Kindergeld für ... empfangen habe - monatliche Unterhaltsbeträge von 50 bis 100 DM für seinen Sohn ... habe aufbringen können und müssen.

8

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

9

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

10

Das angefochtene Urteil hält in vollem Umfange rechtlicher Nachprüfung stand.

11

1.

Die Strafkammer hat im Ergebnis zu Recht bejaht, daß der Angeklagte sich vorsätzlich der ihm gegenüber seinem Sohn Jens obliegenden Unterhaltspflicht entzogen hat, wodurch dessen Unterhalt gefährdet worden ist.

12

Die Vaterschaft des Angeklagten und die daraus folgende Unterhaltspflicht für Jens sind rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Leistungsfähigkeit des Angeklagten, die im Falle der Verletzung des Unterhaltsanspruches eines nichtehelichen Kindes (der Vater bleibt in diesem Falle bis zur Ausübung der Rechte aus § 1615 h BGB zur Bezahlung des Regelunterhalts nach § 1615 f BGB ohne Rücksicht auf seine Leistungsfähigkeit verpflichtet) ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 170 b StGB darstellt (Schönke/Schröder, 21. Aufl. Rdn. 20 zu § 170 b StGB; OLG Köln NJW 1981, 63 [OLG Köln 23.04.1980 - 3 Ss 162/80]), hat die Strafkammer in Ergebnis zu Recht für gegeben erachtet:

13

Leistungsfähig war der Angeklagte ohne Rücksicht auf seine sonstigen finanziellen Verhältnisse jedenfalls insoweit, als ihm für sein nichteheliches Kind anteiliges Kindergeld gewährt wurde. Zwar sind in der Regel die Eltern und nicht das unterhaltsberechtigte Kind hinsichtlich des Kindergeldes anspruchsberechtigt. Das Kindergeld wird seinem Zweck nach aber dem Berechtigten zum. Unterhalt des Kindes gewährt, d.h. es ist vorrangig hierfür zu verwenden. Der Angeklagte war deshalb verpflichtet, das sich nach der Berechnungsweise des § 12 Abs. 4 Satz 2 BKGG ergebende, auf ... entfallende anteilige Kindergeld von 84 DM monatlich (der Angeklagte erhält neben der Kindesmutter, die monatlich 50 DM Kindergeld für ... empfängt, nur Teilkindergeld) seinem nichtehelichen Kind zukommen zu lassen und zwar ungeachtet dessen, ob er im übrigen leistungsfähig war (OLG Celle, GA 1969, 350). Dementsprechend hat die Rechtsprechung einen Verstoß gegen § 170 b StGB sogar dann bejaht, wenn der an sich leistungsunfähige Vater eines nichtehelichen Kindes es unterlassen hat, sich durch Einreichung des Antrages auf Gewährung des ihm an sich zustehenden Kinderzuschlags zur Unterhaltshilfe (§ 269 LAG) in die Lage zu versetzen, diesen Zuschlag an das unterhaltsberechtigte Kind zu zahlen (BayObLG St. 1961, 85).

14

Durch die Handlungsweise des Angeklagten ist der Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten ... gefährdet worden, denn nach den getroffenen Feststellungen konnte die Gefahr für das Kind ersichtlich nur durch öffentliche Hilfe, nämlich das Eingreifen des Sozialamtes, abgewendet werden.

15

Auch die Feststellungen der Kammer zum vorsätzlichen Handeln des Angeklagten begegnen keinen durchgreifenden Bedenken. Danach hat der Angeklagte gewußt, daß er - weil er keinen Unterhalt an das Kind ... leistete - "zuviel Kindergeld" bekam. Daß er die erhaltenen Beträge nicht "nachgerechnet", d.h. den für ... bestimmten Anteil - etwa durch Rückfrage bei der zuständigen Behörde - ermittelt hat, schließt vorsätzliches Handeln nicht aus. Entscheidend ist, daß dem Angeklagten bewußt war, es werde ihm auch für das nichteheliche Kind Kindergeld gezahlt, dessen Weitergabe an das Kind er mit Wissen und Wollen unterließ.

16

2.

Die Feststellungen zum Strafmaß lassen im Ergebnis ebenfalls keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

17

a)

Das Landgericht geht bei der Strafzumessung davon aus, daß der Angeklagte für das nichteheliche Kind monatlich 50 bis 100 DM hätte zahlen können und müssen, wobei es ersichtlich nicht auf einen festen monatlichen Mindest- oder Höchstbetrag abgestellt, sondern den angegebenen Leistungsbereich seinen Erwägungen zum Strafausspruch zugrundegelegt hat. In diesem Bereich liegt aber der auf das nichteheliche Kind entfallende, vom Angeklagten vorenthaltene Kindergeldanteil von monatlich 84 DM, so daß ersichtlich allein schon die Nichtzahlung des Kindergeldanteiles aus der Sicht der Strafkammer die Verhängung der 6-monatigen Freiheitsstrafe rechtfertigt, ohne daß es darauf ankäme, ob der Angeklagte über den Kindergeldanteil hinaus weitere Unterhaltsbeträge hätte zahlen können und müssen.

18

Allerdings hat die Strafkammer - und zwar unvollständig - auch Erwägungen dazu angestellt, welche Belastungen dem Familieneinkommen des Angeklagten in dem hier interessierenden Zeitraum gegenübergestanden haben. Käme es hierauf entscheidend an, hätte die Kammer die Beurteilungsgrundlagen (tatsächliches oder mögliches Einkommen, Eigenbedarf, zu berücksichtigende Lasten, Umfang und Rangfolge anderer Unterhaltsverpflichtungen) im Urteil im einzelnen darlegen müssen (OLG Celle, NJW 1955, 563 [OLG Celle 08.01.1955 - 2 Ss 330/54]; OLG Hamm NJW 1975, 456 [OLG Hamm 05.12.1974 - 2 Ss 563/74]; OLG Köln FamRZ 1976, 119; Schönke/Schröder, 21. Aufl., Rdn. 22 zu § 170 b StGB). Dem wird das angefochtene Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Das Landgericht hat zwar mit Recht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, daß dieser durch den beruflich notwendig gewordenen Kauf eines neuen Pkws in Schulden geraten ist und für eines seiner ehelichen Kinder, das behindert ist, Sonderausgaben gehabt hat. Um welche Belastungen es sich dabei aber im einzelnen handelt und wie sich die unter Berücksichtigung dieser Belastungen monatlich verbleibenden Beträge auf den Mindestunterhalt des Angeklagten und den angemessenen Unterhalt seiner ehelichen/nichtehelichen Kinder und seiner Ehefrau verteilen, hat die Strafkammer ungeprüft gelassen, jedenfalls aber in den Urteilsgründen nicht erörtert. Außerdem hat die Strafkammer nicht nach Zeitabschnitten unterschieden, in denen die Ehefrau des Angeklagten ein eigenes Einkommen hatte (seit Anfang 1982) und denen, in denen dieses Einkommen nicht zur Verfügung stand (November 1981 bis Anfang 1982).

19

Die Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil werden jedoch hierdurch nicht entscheidend berührt. Die Strafkammmer hat nämlich aus diesen - unzureichenden - Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten keine Nachteile zu seinen Lasten hergeleitet, sondern ist zu dem Ergebnis gelangt, daß sich der Angeklagte "in finanziell schwierigen Verhältnissen befand und deshalb nur bei erheblichen Einschränkungen in seiner Lebensführung in der Lage war, Unterhaltszablungen für seinen Sohn ... aufzubringen". Eine etwa von der Kammer angenommene, über den Kindergeldanteil hinausgehende erweiterte Leistungsfähigkeit des Angeklagten hat sich folglich - im Strafausspruch nicht zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt. Vielmehr stellt die Strafkammer bei der Strafzumessung im Ergebnis ersichtlich allein darauf ab, daß der Angeklagte über einen längeren Zeitraum hinweg den ihm ausgezahlten Kindergeldanteil dem nichtehelichen Kind nicht hat zukommen lassen. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

20

Da auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß die Strafkammer bei der Bemessung der Strafe ihren Ermessensspielraum mißbraucht hat, ist das angefochtene Urteil in vollem Umfange zu bestätigen.

21

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.