Landgericht Lüneburg
Urt. v. 01.04.1993, Az.: 1 S 244/92

Rechtmäßigkeit der Abtretung von Honoraransprüchen eines Tierarztes gem. § 134 BGB wegen Verstoßes gegen die Verletzung von Privatgeheimnissen

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
01.04.1993
Aktenzeichen
1 S 244/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 23497
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:1993:0401.1S244.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Winsen (Luhe) - 21.09.1992 - AZ: 4 b C 630/91

Fundstelle

  • NJW 1993, 2994 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 1993
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
die Richterin am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des klagenden Vereins wird das am 21. September 1992 verkündete Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht Winsen/Luhe zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung des klagenden Vereins führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Winsen/Luhe.

2

Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung des Honorars für tierärztliche Leistungen des Tierarztes ... abgewiesen und hat sich zur Begründung auf den Standpunkt gestellt, daß die Abtretung der Honororansprüche des Tierarztes ... an den klagenden Verein die Bestimmungen des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB verletze, so daß die Abtretung gemäß § 134 BGB nichtig sei. Diese Auffassung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben; die Sache ist gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu weiterer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Winsen/Luhe zurückzuverweisen.

3

Die Abtretung der Honoraransprüche des Tierarztes ... an den klagenden Verein ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen die Bestimmungen des § 203 StGB, Allerdings kann ein Tierarzt gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu Strafe verurteilt werden, wenn er unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Tierarzt anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. Diese Voraussetzungen Liegen hier aber nicht vor. Die Weitergabe der Unterlagen über die durchgeführten tierärztlichen Behandlungen an den klagenden Verein ist nicht als Verletzung eines Privatgeheimnisses der Beklagten zu werten. Der klagende Verein ist eine berufsständische Organisation, deren Rufgabe darin besteht, die Honoraransprüche ihrer Mitglieder, Tierärzte wie der Kläger, zu verwirklichen. Mit der Erfüllung dieser Aufgabe ist naturgemäß verbunden, daß die Verrechnungsstelle je nach den Umständen auch Kenntnis von Art, Umfang und Verlauf der durchgeführten tierärztlichen Behandlungen erhält. Der Gesetzgeber hat diesen Zusammenhang erkannt und hat ihm Rechnung getragen, in dem er in § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB auch die privatärztlichen Verrechnungsstellen in den Kreis derer aufgenommen hat, die im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung fremde Geheimnisse erfahren, aber nicht unbefugt offenbaren dürfen. Daraus folgt, daß der Tatbestand der Verletzung eines Privatgeheimnisses nicht schon dadurch erfüllt werden kann, daß ein Arzt seiner ärztlichen Verrechnungsstelle die erforderlichen Informationen zukommen läßt (vgl. Dreher-Tröndle, StGB, 45. Auflage, § 203, Rdnr. 11, 20, 28, 31 m.w.N.). Demgemäß begegnet auch die Abtretung im vorliegenden Fall keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4

Dessen ungeachtet kann sich die Beklagte aus einem weiteren Gesichtspunkt nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der Tierarzt ... unbefugt fremde Geheimnisse offenbart habe. Die Beklagte hat die durch den klagenden Verein geltend gemachten Honoraransprüche des Tierarztes ... unstreitig zum Teil erfüllt. Sie hat darüber hinaus mit Schriftsatz vom 25. Juni 1991 (Bl. 35 d.A.) folgendes erklären lassen:

"Herr ... wird auf diesem Wege aufgefordert, insoweit wird davon ausgegangen, daß sich die Klägerin direkt mit diesem in Verbindung setzt, seine Haftpflichtversicherung zu benachrichtigen, damit der vorstehende Schaden in Höhe von 11.000,00 DM zum Ausgleich kommt. Sobald dieser Betrag gezahlt ist, sollen auch die Rechnungen beglichen werden."

5

Damit hat sich die Beklagte des Einwandes der Nichtigkeit der Abtretung in jedem Fall begeben.

6

Da bisher nicht geklärt ist, ob die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche gegen den Tierarzt ... begründet sind, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu weiterer Verhandlung an das Amtsgericht Winsen/Luhe zurückzuverweisen.