Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.08.2011, Az.: 7 A 243/11

Alttextilcontainer; Dienstleistungskonzession; Geschäft der laufenden Verwaltung; Kündigung; öffentlich-rechtlicher Vertrag; Sondernutzungserlaubnis; Transparenzgebot

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.08.2011
Aktenzeichen
7 A 243/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45269
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Treten mehrere Antragsteller in Konkurrenz um die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von 500 Alttextilcontainern im öffentlichen Straßenraum, hat die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung das Transparenzgebot zu beachten.
Die interne Zuständigkeit hierfür liegt auch in einer Großstadt beim Rat, weil es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt.

Tenor:

Die den Beigeladenen als Alttextilverbund Nord von der Beklagten am 08. Dezember 2010 erteilte Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von bis zu 500 Alttextilsammelbehältern im öffentlichen Straßenraum im Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2011 wird aufgehoben.

Der an den Kläger gerichtete Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 08. Dezember 2010 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger auf seinen Antrag vom 15. Oktober 2010 auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von bis zu 600 Alttextilsammelbehältern im öffentlichen Straßenraum der Beklagten für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 6/10 und die Beklagte zu 4/10; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis und begehrt die Feststellung, dass er aufgrund eines Vertrages berechtigt sei, weiterhin bis zu 600 Alttextilsammelbehälter im öffentlichen Straßenraum der Beklagten aufzustellen sowie (hilfsweise) die Verpflichtung der Beklagten, ihm eine Sondernutzungserlaubnis hierfür zu erteilen.

Der Kläger ist Mitglied des "Alttextilentsorgungsverbands Hannover und Umgebung"; diesem Verband war auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Vertrags mit der Beklagten gestattet, gegen Zahlung einer pauschalen Sondernutzungsgebühr bis zu 500 Alttextilsammelbehälter auf zugewiesenen Plätzen im öffentlichen Straßenraum aufzustellen. Nach § 10 Nr. 1 des Vertrags verlängert sich der Vertrag um jeweils ein Jahr, wenn er nicht von einer der Vertragsparteien spätestens drei Monate vor Vertragsende durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein gekündigt wird. Die Beklagte hat mit Kündigungsschreiben vom 29. September 2010, durch Boten am 30. September 2010 übergeben, zum 31. Dezember 2010 gekündigt, um zukünftig Sondernutzungserlaubnisse für das Aufstellen von bis zu 500 Alttextilsammelbehältern auf der Grundlage der zum 01. Januar 2009 in Kraft getretenen Sondernutzungssatzung und der Sondernutzungsgebührenordnung, die erstmals einen festen Gebührentatbestand für das Aufstellen von Alttextilsammelbehältern vorsieht, zu erteilen. In der Folge stellten mehrere Unternehmen bei der Beklagten entsprechende Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen, u.a. auch der Kläger und die Beigeladenen, letztere unter dem Dach eines Verbands bzw. Verbunds ("Alttextilverband Nord" bzw. "Alttextilverbund Nord").

Die Beklagte erteilte den Beigeladenen, von denen einige auch schon dem "Alttextilentsorgungsverband Hannover und Umgebung" angehörten, unter dem 08. Dezember 2010 die Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von bis zu 500 Alttextilsammelbehältern auf den bekannten Plätzen im öffentlichen Straßenraum für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2011 und setzte hierfür eine Sondernutzungsgebühr in Höhe von 122.318,40 EUR fest.

Den Antrag des Klägers vom 15. Oktober 2010, ihm eine Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von bis zu 600 Alttextilcontainern im öffentlichen Straßenraum zu erteilen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. Dezember 2010 u.a. mit der Begründung ab, eine Verbandslösung biete die höchste Gewähr dafür, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs am geringsten beeinträchtigt werde. Die vom Kläger angebotene Verbandslösung sei unklar, weil ein Verbandsmitglied selbst einen Antrag gestellt habe.

Der Kläger hat am 03. Januar 2011 Feststellungs- und Verpflichtungsklage erhoben und im Laufe des Klageverfahrens auch die den Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis angefochten. Er rügt im Rahmen der Feststellungsklage, der Vertrag über die Aufstellung von Alttextil- und Schuhbehältern auf öffentlichen Straßen und städtischen Grundstücken in der Landeshauptstadt Hannover zwischen dem Alttextilentsorgungsverband Hannover und Umgebung und der Beklagten vom 04. Juli 2006 sei nicht wirksam gekündigt worden. Zur Begründung der Drittanfechtungsklage trägt er vor, die Auswahlentscheidung beruhe auf einem unfairen und untransparenten Verfahren.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass der Kläger aufgrund des Vertrages mit dem "Alttextilentsorgungs-Verband Hannover und Umgebung" vom 04. Juli 2006 berechtigt ist, weiter bis zu 500 Alttextil-Sammelcontainer im öffentlichen Straßenraum der Beklagten an den bisher von ihm genutzten Standorten aufzustellen,

2. die den Beigeladenen als Alttextilverbund Nord von der Beklagten unter dem 08. Dezember 2010 erteilte Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von bis zu 500 Alttextilsammelbehältern aufzuheben,

hilfsweise

den an den Kläger gerichteten Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 08. Dezember 2010 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger auf seinen Antrag vom 15. Oktober 2010 eine Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von bis zu 600 Alttextilsammelbehältern im öffentlichen Straßenraum der Beklagten an den bisher von ihm genutzten Standorten für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2011 zu erteilen,

weiter hilfsweise

den an den Kläger gerichteten Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 08. Dezember 2010 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Kläger auf seinen Antrag vom 15. Oktober 2010 auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von bis zu 600 Alttextilsammelbehältern im öffentlichen Straßenraum der Beklagten für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert, dass der Vertrag vom 04. Juli 2006 entgegen der klägerischen Ansicht wirksam gekündigt worden sei. Die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen sei ermessensfehlerfrei.

Die Beigeladenen sind zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und haben keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte forderte den Kläger mit Bescheid vom 01.Februar 2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die ihm gehörenden und auf Grund des bis zum 31. Dezember 2010 laufenden Vertrages im öffentlichen Straßenraum aufgestellten Alttextilsammelbehälter zu entfernen. Die Beklagte hob diesen Bescheid wieder auf, nachdem die Kammer im Verfahren 7 B 605/11 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Beseitigungsverfügung wiederhergestellt hatte (Beschluss vom 16. März 2011).

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Gerichtsakte, die Akten zu dem Verfahren 7 B 605/11 [Beseitigungsanordnung] und dem Parallelverfahren 7 A 5683/10 sowie die beigezogenen unpaginierten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat nur zum Teil Erfolg.

1. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg.

1.1 Die Kammer bejaht das nach § 43 Abs. 1 VwVfG erforderliche Feststellungsinteresse jedenfalls insoweit, als der Kläger befürchten muss, dass die Beklagte ihn erneut zur Beseitigung der von ihm im Straßenraum der Beklagten aufgestellten Alttextilsammelbehälter (das mögen etwa 300 Stück sein) auffordert, wenn seine Drittanfechtungs- und Verpflichtungsklage abgewiesen werden sollte. Die Subsidiarität der Feststellungsklage steht dem ausnahmsweise nicht entgegen, weil es dem Kläger nicht zuzumuten ist, den Erlass einer (zweiten) Beseitigungsanordnung abzuwarten. Im Übrigen ist es auch aus prozessökonomischen Gründen sinnvoll, die Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Vertrages der Beklagten mit dem "Alttextilentsorgungsverband Hannover und Umgebung" vorab zu prüfen, weil alle Beteiligten des Verfahrens ein Interesse hieran haben.

1.2 Die Klage ist aber unbegründet, weil der Vertrag zwischen der Beklagten und dem "Alttextilentsorgungs-Verband Hannover und Umgebung" vom 04. Juli 2006 wirksam zum 31. Dezember 2010 gekündigt worden ist. Ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Empfangsbekenntnisses ist die Kündigung seitens der Beklagten per Boten am 30. September 2010 in den Räumen der Geschäftsstelle des "Alttextilentsorgungs-Verbands Hannover und Umgebung", E.-straße 52, in F., übergeben worden und damit in dessen Herrschaftsbereich gelangt. Hiervon ist im Übrigen auch der Kläger in seinem Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis vom 15. Oktober 2010 ausgegangen; denn im ersten Satz seines Antragsschreibens nimmt der Kläger Bezug auf die "von Herrn {G.} am 30.09.2010 eingereichte Kündigung…".

Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Bestimmung in § 10 Nr. 1 S. 2 des Vertrags, wonach dieser durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein gekündigt werden müsse, nach der Rechtsprechung des BGH dahingehend zu verstehen sei, dass lediglich die Schriftform konstitutive Bedeutung habe, während die Versendung als Einschreibebrief nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern solle (Urt. v. 21.01.2004 - XII ZR 214/00 -, NJW 2004, 1320). Entgegen der klägerischen Ansicht musste die Kündigung auch nicht gegenüber allen einzelnen Mitgliedern des Verbands ausgesprochen werden, weil es sich bei dem Verband um einen nicht rechtsfähigen Verein handelt, der sowohl aktiv wie passiv parteifähig ist. Die Kündigung ist daher zutreffend allein gegenüber dem Verband ausgesprochen worden. Ohne Erfolg bleibt ferner die Rüge des Klägers, wonach die Kündigung durch den Bürgermeister der Beklagten hätte unterschrieben werden müssen. Nach § 8 Abs. 2 und 3 der Hauptsatzung der Beklagten sind die Beamten auf Zeit mit der allgemeinen Vertretung des Bürgermeisters beauftragt, sodass der Stadtbaurat den Vertrag in Vertretung des Bürgermeisters unterzeichnen durfte.

Offen bleiben kann, ob der Bürgermeister als Organ der Beklagten intern im Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis berechtigt war, die Kündigung auszusprechen; denn nach § 63 Abs. 1 NGO vertritt der Bürgermeister bzw. sein nach der Hauptsatzung bestimmbarer Vertreter die Beklagte in Verwaltungsgeschäften nach außen. Seine Willenserklärungen sind selbst dann wirksam, wenn der Rat als intern zuständiges Organ über die Kündigung des Vertrags hätte entscheiden müssen (Blum in: KVR-NGO, Stand: November 2010, § 63 Rn. 10 ff.; Thiele, NGO, 5. Aufl., § 63 Rn. 1).

2. Die Drittanfechtungsklage ist zulässig und begründet.

2.1 Sie ist statthaft und nach der Rechtsprechung des 7. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts auch geboten, weil der nichtberücksichtigte Kläger seine Zulassung innerhalb der festgelegten Kapazität von max. 500 aufzustellenden Alttextilsammelbehältern unter Verdrängung des berücksichtigten Mitbewerbers (Beigeladene) erstreiten will (Beschl. v. 17.11.2009 - 7 ME 116/09 -, NdsVBl. 2010, 81).

Die Anfechtungsklage ist auch nach wie vor zulässig, weil die Kammer nach dem Vortrag der Beigeladenen und der Beklagten davon ausgehen muss, dass der Alttextilverbund Nord, dem die Sondernutzungserlaubnis erteilt worden ist, nach wie vor Inhaberin dieser Erlaubnis ist, auch wenn die Mitglieder des Verbunds zwischenzeitlich eine GmbH gegründet haben; dafür spricht auch, dass die Beklagte die Sondernutzungserlaubnis bislang nicht auf die GmbH übergeleitet hat. Eine weitere Aufklärung dieser Frage war der Kammer nicht möglich, da die Beigeladenen zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind.

Die Drittanfechtungsklage ist auch fristgerecht erhoben worden, weil die Beklagte die den Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis dem Kläger nicht bekanntgegeben hat und die Rechtsbehelfsfrist deshalb nicht vor der am 19. Januar 2011 erfolgten Einbeziehung in das laufende Klageverfahren geendet hat.

2.2 Die Drittanfechtungsklage hat auch in der Sache Erfolg. Die den Beigeladenen als Alttextilverbund Nord von der Beklagten unter dem 08. Dezember 2010 erteilte Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von bis zu 500 Alttextilsammelbehältern ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Die Erteilung einer gemäß § 18 Abs. 1 des Niedersächsischen Straßengesetzes - NStrG - iVm § 4 Abs. 1 und Nr. 12 der Anlage I der Sondernutzungssatzung der Beklagten vom 13.11.2008 (Gem. Amtsblatt für die Region und die Landeshauptstadt Hannover, Nr. 49 vom 18.12.2009 S. 467) erforderlichen Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von bis zu 500 Alttextilsammelbehältern steht im Ermessen der Beklagten. Dieses Ermessen ist entsprechend dem Zweck des § 18 NStrG und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen auszuüben (§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG iVm § 40 VwVfG). Da hier mehrere Interessenten einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gestellt hatten und die Beklagte die Anzahl der aufzustellenden Behälter auf maximal 500 begrenzt hatte, musste die Beklagte eine Auswahlentscheidung treffen. Diese hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht Stand, § 114 Satz 1 VwGO:

2.2.1 Die Auswahlentscheidung hätte nicht der Stadtbaurat ohne Beteiligung des Rats der Beklagten treffen dürfen, weil es sich dabei nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung nach § 62 Abs. 1 Nr. 6 NGO gehandelt hat. Geschäfte der laufenden Verwaltung sind Angelegenheiten, die mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrend nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind, deren Wahrnehmung also nach feststehenden Grundsätzen „in eingefahrenen Gleisen“ erfolgt (Wefelmeier in: KVR-NGO, Stand: November 2010, § 62 Rn. 35). Zweck von § 62 Abs. 1 Nr. 6 NGO ist es, die Beschlussgremien der Gemeinde von Alltagsgeschäften zu entlasten (Wefelmeier, aaO).

Nach diesen Maßstäben ist die Zuständigkeit des Tiefbauamtes der Beklagten nicht gegeben, weil die Beklagte nicht nur über den Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung eines (Hervorhebung durch das Gericht) Alttextilsammelbehälters, sondern über die gesamte Anzahl der im Stadtgebiet von gewerblichen Unternehmern aufzustellenden 500 Behälter zu entscheiden hatte. Diese Entscheidung ist sowohl für die Beklagte als auch für die um eine Sondernutzung nachsuchenden Bewerber finanziell und wirtschaftlich von großer Bedeutung. Die Beklagte hat für die von ihr erteilte Sondernutzung eine Jahresgebühr in Höhe von rd. 122.000,00 EUR festgesetzt, während Mitbewerber bis zu rd. 240.000,00 EUR geboten hatten. Der Einwand der Beklagten, die Höhe der Sondernutzungsgebühr sei in der Gebührenordnung festgeschrieben, greift bei der Frage, ob ein Geschäft der laufenden Verwaltung vorliegt, zu kurz; denn die von einigen Antragstellern gebotenen Summen können ein Indiz dafür sein, dass die vom Rat der Beklagten beschlossenen Gebührensätze für das Aufstellen von Alttextilsammelbehältern erheblich zu niedrig kalkuliert worden sind. Schon dies spricht dafür, den Rat entscheiden zu lassen. Erst Recht gilt dies dann, wenn der Rat - wie vorliegend - bereits mit der Sache befasst war. Im Jahr 2006 hatte die Verwaltung der Beklagten es für erforderlich gehalten, den Rat über die Neufassung des Vertrages zwischen der Beklagten und dem "Alttextil-entsorgungs-Verband Hannover und Umgebung" beschließen zu lassen, weil es sich dabei nicht (Hervorhebung durch das Gericht) um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handele (vgl. Ratsdrucksache 0543/2006). Nichts anderes gilt, wenn dieser Vertrag gekündigt wird und die Beklagte vor der Frage steht, wie sie zukünftig - vor allem angesichts zahlreicher neuer Bewerber um die Standplätze - die Alttextilentsorgung in ihrem Stadtgebiet organisieren will; die 500 Alttextilsammelbehälter machen einen nicht unerheblichen Anteil des Mobiliars im öffentlichen Straßenraum aus, sodass der Rat auch in einer Großstadt wie Hannover zumindest Richtlinien erlassen muss, um der Verwaltung mit Art. 3 GG zu vereinbarende Ermessensleitlinien an die Hand zu geben (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/98 -, NVwZ-RR 2000, 837 [BVerwG 09.06.2000 - BVerwG 4 B 34.00]; Urt. v. 01.08.1996 - 5 S 3300/95 - NVwZ-RR 1997, 677 [OLG Oldenburg 07.02.1996 - 5 W 5/96]). Derartige Richtlinien lassen sich auch weder der im Jahre 2008 in Kraft getretenen Sondernutzungssatzung noch der Sondernutzungsgebührenordnung der Beklagten entnehmen; auch die Materialien hierzu enthalten lediglich den Hinweis, dass die Alttextilentsorgung im Stadtgebiet in der Vergangenheit vertraglich geregelt worden sei.

Die Frage ist schließlich auch politisch hochbedeutsam, weil es u.a. um die Frage geht, ob vor allem den privaten Sammlern das Geschäft mit den Alttextilien überlassen werden soll. Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund des Entwurfs zur Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (www.bmu.de/krwg) und der geplanten Einführung der Wertstofftonne (sogenannte O-Tonne) im Stadtgebiet von Hannover ("AHA will allen Bürgern in der Region Wertstofftonne anbieten", HAZ v. 28.04.2011).

Die in der Hauptsatzung der Beklagten enthaltenen Wertgrenzen rechtfertigen vorliegend keine andere Beurteilung. Diese Wertgrenzen haben lediglich den Charakter von "Entscheidungshilfen" bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Geschäfte der laufenden Verwaltung" (Wefelmeier, aaO, § 62 Rn. 36 mwN) und helfen hier im Ergebnis nicht weiter. Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von 500 Alttextilsammelbehältern läst sich sowohl unter die Rubrik "Verträge über Lieferungen und Leistungen" [Wertgrenze: 244.000,- EUR] als auch unter die Rubrik "Abschluss von Miet- und Pachtverträgen (Jahresbeträge)" [Wertgrenze: 81.000,- EUR] fassen. Ob hier möglicherweise sogar die sehr viel niedrigeren Wertgrenzen des 6 Abs. 2 der Hauptsatzung entsprechend anzuwenden waren, hatte die Kammer danach nicht mehr zu entscheiden.

Die fehlende Befassung durch den Rat der Beklagten führt auch zur Aufhebung der den Beigeladenen als Alttextilverbund Nord von der Beklagten unter dem 08. Dezember 2010 erteilten Sondernutzungserlaubnis, §§ 44 Abs. 3 Nr. 3 und 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG (so OVG Greifswald, Urt. v. 21.03.2007 - 3 L 159/03 -, juris; VGH München, Urt. v. 31.03.2003 - 4 B 00.2823 -, NVwZ-RR 2003, 819 [OVG Nordrhein-Westfalen 25.02.2003 - 7 B 2374/02]; VG Braunschweig, Urt. v. 10.02.2009 - 6 A 240/07 -, NdsVBl. 2009, 176 = Datenbank OVG; a.A. wohl Nds. OVG, Urt. v. 16.06.2005 - 7 LC 201/03 -, NVwZ-RR 2006, 177). Dieser Fehler ist auch nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG geheilt worden, da der Rat der Beklagten einen nachträglichen Beschluss ersichtlich nicht gefasst hat. Die bloße Information des Rates im Laufe des gerichtlichen Verfahrens (Informationsdrucksache 0232/2011) über die Kündigung des Vertrages ersetzt einen förmlichen Beschluss nicht.

Die fehlende Befassung durch den Rat der Beklagten ist auch nicht etwa unbeachtlich im Sinne von § 46 VwVfG, weil die Erteilung der angefochtenen Sondernutzungserlaubnis eine Ermessensentscheidung darstellt und es nicht offensichtlich ist, dass die Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeit der Organe der Gemeinde die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die bloße Information des Rates lässt schon deshalb keinen sicheren Rückschluss darauf zu, dass der Rat ebenfalls zu Gunsten der Beigeladenen entschieden hätte, weil der Rat nicht darüber informiert wurde, dass auch andere Bewerber bereit waren, einen Verband zu gründen.

2.2.2 Die den Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis vom 08. Dezember 2010 unterliegt auch deshalb der Aufhebung, weil die zu Grunde liegende Auswahlentscheidung unter Verstoß gegen das Transparenzgebot zustande gekommen ist und den Anspruch des Klägers auf Einhaltung eines fairen Verfahrens verletzt. Die Kammer kann im Ergebnis offen lassen, ob in der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von 500 Alttextilsammelbehältern eine Dienstleistungskonzession liegt, die zwar nach h.M. nicht unter das Vergaberecht fällt, bei der aber gleichwohl die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts (Diskriminierungsverbot, Transparenzgebot und Gleichbehandlungsgebot) beachtet werden müssen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.03.2011 - C-274/09 - Rettungsdienst Stadler ./. Zweckverband Rettungsdienst Passau, VR 2011, 212; VG Mainz, Beschl. v. 30.08.2010 - 6 L 849/10.MZ -, juris; VG Köln, Urt. v. 16.10.2008 - 1 K 4507/08 -, NVwZ-RR 2009, 327; OLG München Vergabesenat, Beschl. v. 25.03.2011 - Verg 4/11 -, juris); denn zu einer den Grundrechtsschutz (Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) sichernden Verfahrensgestaltung gehört, dass behördliche Auswahlkriterien transparent sind und den Bewerbern so rechtzeitig bekannt gegeben werden, dass sie sich darauf einstellen können und Chancengleichheit gewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.12.2007 - 1 BvR 2177/07 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 17.11.2009, aaO).

Diesen Grundsätzen wird das Auswahlverfahren vorliegend nicht gerecht, weil die Beklagte nicht allen Bewerbern die zur Abgabe eines chancenreichen Antrags notwendigen Informationen überlassen hatte; insbesondere hatte die Beklagte nicht vorab darüber informiert, dass sie eine "Verbandslösung" mit einer Geschäftsstelle in Hannover - wie bisher - favorisiere. Die Beklagte hat damit dem Kläger und anderen Bewerbern die Möglichkeit genommen, ebenfalls einen Verband zu gründen oder sich einem bereits bestehenden anzuschließen. Entgegen der Ansicht der Beklagten reicht das unter dem 25. November 2010 verfasste Anhörungsschreiben nicht aus, diesen Mangel zu heilen, weil zwischen dem Anhörungsschreiben und der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an die Beigeladenen weniger als 2 Wochen liegen und realistischerweise niemand in der Lage ist, innerhalb dieses kurzen Zeitfensters einen Verband zu gründen oder einem bestehenden beizutreten.

2.2.3 Die Auswahlentscheidung ist darüber hinaus fehlerhaft, weil die Beklagte nicht erkannt hat, dass der Alttextilentsorgungsverband Hannover und Umgebung unter dem 02. Dezember 2010 selbst einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gestellt hatte, der bis heute noch nicht beschieden ist. Hierdurch wäre allerdings nur der Alttextilentsorgungsverband Hannover und Umgebung auch in eigenen Rechten verletzt, nicht jedoch der Kläger, der lediglich Mitglied dieses Verbands ist und in diesem Verfahren nur die Verletzung eigener Rechte geltend machen kann.

2.2.4 Da die Klage schon aus den Gründen zu 2.2.1 und 2.2.2 Erfolg hat, kann dahinstehen, ob die den Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis an weiteren Fehlern leidet, etwa weil der Bescheid nur dem Verbund, nicht aber den einzelnen Mitgliedern bekanntgegeben worden ist, oder weil nur der Alttextilverband Nord, nicht aber der Alttextilverbund Nord einen Antrag gestellt hat; offen bleiben kann auch, ob das von der Beklagten als ausschlaggebend herangezogene Auswahlkriterium "Verbandslösung" überhaupt sachgerecht war, nachdem es gerade mit dem Verband in der Vergangenheit wiederholt Probleme in der Zusammenarbeit gegeben hatte (Schreiben der Beklagten vom 29.10.2007 [Pitsch] sowie Stellungnahme des Rechnungsprüfungsamtes vom 07.12.2010).

2.3 Da die Feststellungsklage keinen Erfolg hat, war von der Kammer über die vom Kläger hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von bis zu 600 Alttextilsammelbehältern im öffentlichen Straßenraum der Beklagten an den bisher von ihm genutzten Standorten für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2011 zu entscheiden; die Kammer geht davon aus, dass der Kläger bis zu 600 - und nicht etwa 1100 - Alttextilbehälter aufstellen will, entweder auf der Grundlage des alten Vertrags oder auf der Basis seines Antrages vom 15. Oktober 2010. Die Verpflichtungsklage hat aber keinen Erfolg, weil § 18 NStrG der Beklagten bei der von ihr zu treffenden Entscheidung Ermessen einräumt und eine Ermessensreduktion auf Null zu Gunsten des Klägers nicht gegeben ist.

2.4 Die weiter hilfsweise erhobene Bescheidungsklage hat hingegen aus den Gründen zu 2.2 Erfolg, weil die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen ermessensfehlerhaft ist und ein erneutes Auswahlverfahren unter Beachtung des Transparenzgebots zu erfolgen hat; dabei geht die Kammer in diesem Verfahren davon aus, dass die Beklagte die Anzahl der im öffentlichen Straßenraum aufzustellenden Alttextilsammelbehälter auf maximal 500 begrenzen darf, wenn diese Begrenzung auf einem schlüssigen Entsorgungskonzept beruht (vgl. VG München, Urt. v. 23.01.2001 - M 2 K 00.1690 -, juris; VG Braunschweig, Urt. v. 10.02.2009, aaO).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 iVm 154 Abs. 3 VwGO. Der Kläger obsiegt lediglich mit seinem Drittanfechtungs- und Bescheidungsantrag, verliert hingegen mit seinem Feststellungs- und Verpflichtungsantrag. Da letzterer auf die Erteilung einer Erlaubnis für das Aufstellen von bis zu 600 Behältern gerichtet ist, haben der Kläger 6/10 und die Beklagte 4/10 der Kosten zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Kammer nicht für erstattungsfähig erklärt, weil diese einen Antrag nicht gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko nicht ausgesetzt haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.