Landgericht Braunschweig
Urt. v. 24.08.2012, Az.: 7 S 240/12

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
24.08.2012
Aktenzeichen
7 S 240/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44367
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 24.02.2016 - AZ: IV ZR 490/14

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.5.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Helmstedt 2 C 28/12 wird auf seine Kosten (§ 97 ZPO) zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der Kläger kann aber eine Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, weil diese Sache mit Blick schon auf die potenzielle Vielzahl ähnlich gelagerter Sachverhalte über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und Anlass besteht, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen.

Zugleich wird beschlossen:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.716,40 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger begehrt Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Nutzungsausgleich.

In dem am 16.05.2012 verkündeten, am 24.05.2012 zugestellten Urteil führt das AG Helmstedt, das auf übereinstimmenden Antrag der Parteien mit Beschluss vom 16.04.2012 das schriftliche Verfahren angeordnet hat, aus:

Der Kläger schloss bei dem Beklagten im Jahre 1998 mit Versicherungsbeginn 01.05.1998 eine Lebensversicherung ab. Versicherte Person war xx.

Zugrunde lag der Versicherungsantrag vom 29.04.1998, den der Beklagte durch Übersendung des Police-Begleitschreibens vom 07.05.1998 annahm. Vereinbart waren u. a. ein Versicherungsbeginn zum 01.05.1998, eine Versicherungssumme von 38.710,00 DM, ein monatlicher Beitrag von 60,00 DM und das Versicherungsende zum 01.05.2031. Vereinbarungsgemäß kam es zu Dynamikerhöhungen. Allein der Dynamisierung zum 01.05.2004 widersprach der Kläger.

Mit Schreiben vom 25.10.2010 erklärte der Kläger die Vertragskündigung. Er bat um Berechnung des Rückkaufswertes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH. Mit Schreiben vom 12.11.2010 übermittelte der Kläger den Originalversicherungsschein. Der Beklagte bestätigte die Kündigung zum 01.12.2010 und zahlte an den Kläger insgesamt 6.076,05 € aus. Mit Anwaltsschreiben vom 03.01.2012 ließ der Kläger dem Vertragsabschluss widersprechen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Schreiben vom 13.01.2012 zurück.

Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass ihm eine Widerspruchsbelehrung zugegangen sei, die dem § 5 a VVG a.F. genügt. Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, dass er auch nach erfolgter Kündigung noch Widerspruch erheben kann. Unter Bezugnahme auf umfangreiche Rechtsprechungshinweise vertritt der Kläger weiter die Ansicht, dass die Jahresfristregelung des § 5 a Abs. 2, 4 VVG a.F. unwirksam sei, da sie europarechtswidrig sei. Der Beklagte habe deshalb die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.

Der Kläger habe monatliche Beitragszahlungen auf die Lebensversicherung in Höhe von zunächst 30,68 € ab 01.05.1998 und dann 36,90 € ab 01.05.2000 erbracht. Die Einzelheiten der Beitragszahlungen ergeben sich aus der Anlage K 30 zur Klageschrift. Insgesamt beliefen sich die Beitragszahlungen auf 6.132,42 €. Abzuziehen sei der Rückkaufswert per 01.12.2010 in Höhe von 6.076,05 €, hinzuzuaddieren die Zinsen in Höhe von 7 % auf die jeweilige monatliche Beitragszahlung, so dass sich ein Betrag in Höhe von 3.660,03 € ergebe.

Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, dass seine Ansprüche auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Beratungsverschulden begründet seien. Der Versicherer und auch dessen Versicherungsagenten hätten ihren Beratungspflichten bei Vertragsabschluss bezogen auf die hier streitgegenständliche Lebensversicherung nicht genüge getan, insbesondere hinsichtlich der Struktur der Anlage, des Verlustrisikos und der Renditeerwartung. Dazu gehöre auch, dass ein wesentlicher Teil der Prämien zur Befriedigung von Provisionsansprüchen der Agenten sowie zur Deckung von Verwaltungs- und sonstigen Abschlusskosten verwendet werde.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.716,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2012 zu zahlen, sowie

2. den Beklagten weiter zu verurteilen, an den Kläger weitere 577,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

hilfsweise den Beklagten zu verurteilen,

a) in prüfbarer und soweit für die Prüfung erforderlich belegter Form darüber Auskunft zu erteilen, mit welchen Abschlusskosten der Beklagte den Zeitwert nach § 176 Abs. 3 VVG und welchem Abzug er die Auszahlungsbeträge für den abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag belastet hat,

b) die von dem Beklagten erteilten Auskünfte durch die Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen,

c) gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte an Eides Statt zu versichern,

d) den Beklagten zur Zahlung eines Betrages in einer nach der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.09.2011 zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, der Kläger habe mit Schreiben vom 07.05.1998 eine Widerspruchsbelehrung erhalten, die den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Aus drucktechnischen Gründen könne aktuell eine Hervorhebung der Belehrung nicht dargestellt werden. Die Originalfassung des Schreibens vom 07.05.1998 habe eine äußerlich andere Form als der jetzt vorgelegte Nachdruck (Anlage B 2) gehabt, diese sei identisch mit den als Beispiel vorgelegten Anschreiben im Anlagenkonvolut B 15.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, nach erfolgter Kündigung könne kein Widerspruch eingelegt werden. Im Übrigen gelte § 5 a VVG a.F. abschließend. Ein Widerspruch scheitere an § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. scheitere. EU-Richtlinien komme jedenfalls keine unmittelbare Rechtswirkung zu. Eine etwaige Unwirksamkeit der Belehrungen führe nicht zu einem Schadensersatzanspruch.

Verbraucherkreditrecht sei auf Versicherungsverträge nicht anwendbar.

In dem klageabweisenden Urteil des Amtsgerichts - auf das verwiesen wird und gegen das sich die Berufung richtet - heißt es u.a.:

Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die geltend gemachten Beträge.

Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von 3.716,40 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Lebensversicherungsvertrag ist wirksam zustande gekommen. Der Kläger konnte dem Abschluss des Vertrages auch nicht mehr mit Schreiben vom 03.01.2012 widersprechen. Dabei kann dahinstehen, ob ein Widerspruch nach Kündigung überhaupt wirksam ist. Der Kläger hat jahrelang die Prämien auf die Lebensversicherung gezahlt, so dass der Beklagte nicht damit rechnen musste, dass nach 14 Jahren noch ein Widerspruch gegen den Abschluss des Vertrages erhoben werden soll. Erst recht nicht, nachdem der Kläger im Jahr 2010 den Vertrag bereits gekündigt hatte.

Im Übrigen bestand ein Widerspruchsrecht am 03.01.2012 nicht mehr. Nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 VVG a.F. beträgt die Widerspruchsfrist 14 Tage ab Erhalt des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen in Textform, soweit bei Aushändigung des Versicherungsscheins eine schriftliche und drucktechnisch deutliche Belehrung über das Widerspruchsrecht sowie über Beginn und Dauer der Widerspruchsfrist erfolgt ist.

Bei Lebensversicherungen beträgt die Frist 30 Tage, § 5 a Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. Die entsprechenden Unterlagen einschließlich der notwendigen Belehrungen erhielt der Kläger mit Schreiben vom 07.05.1998. Die Belehrung genügt den inhaltlichen Anforderungen des § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. Insbesondere steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Widerspruchsbelehrung drucktechnisch hervorgehoben worden ist, wie es bei dem beispielhaft eingereichten Schreiben an andere Kunden (Anlage B 15) der Fall ist. Das Bestreiten mit Nichtwissen ist nach Auffassung des Gerichts hier unzulässig. Der Kläger hat die Unterlagen erhalten. Wenn er sich nunmehr nach 12 Jahren entschließt, einen Rechtsstreit zu führen, kann er sich nunmehr nicht darauf berufen, dass er sich nicht erinnern kann, inwieweit vor 12 Jahren die rechtlichen Anforderungen gegeben waren. Dies erachtet das Gericht als rechtsmissbräuchlich.

Die Widerspruchsfrist war daher im Jahre 2012 bereits abgelaufen. Das Widerspruchsrecht bestand auch nicht aufgrund eines etwaigen Verstoßes von § 5 a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. oder von § 5 Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegen eine EU-Richtlinie fort. EU-Richtlinien gelten nämlich nicht unmittelbar, so dass ein Verstoß nicht zur Unwirksamkeit des § 5 a VVG a.F. führen würde. Eine richtlinienkonforme Auslegung dahingehend, dass das Widerspruchsrecht nicht 1 Jahr nach der ersten Prämienzahlung endet, ist angesichts des klaren Wortlauts nicht möglich (…). Aus diesem Grund war der Rechtsstreit auch nicht dem EuGH vorzulegen.

Dem Kläger stand auch kein Widerrufsrecht nach § 499 Abs. 2 BGB zu. Der Kläger hat zunächst die Erhebung von Ratenzahlungszuschlägen bei unterjähriger Beitragszahlung durch die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargelegt, noch ist diese aus den eingereichten Versicherungsunterlagen ersichtlich. Im Übrigen wurde sie von Beklagtenseite bestritten. Ferner ist der Anwendungsbereich des § 499 Abs. 2 BGB schon nicht eröffnet, da es sich bei einem Versicherungsvertrag nicht um ein Teilzahlungsgeschäft handelt. Tarifzuschläge für unterjährigen Zahlungen stellen keinen entgeltlichen Zahlungsaufschub dar (…).

Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Beratungsverschuldens als vorvertragliche Pflichtverletzung. Zum einen hat die Klägerseite zu den Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Die Ausführungen dazu sind lediglich formelhaft und lassen eine Subsumierung der Tatsachen unter die vorgetragenen Voraussetzungen vermissen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit dem Kläger ein Schaden entstanden sein soll. Gerade im Hinblick auf die Struktur der Anlage, das Verlustrisiko oder die Renditeerwartung fehlt es insgesamt an Vortrag. Dass ein Teil der Prämien zur Befriedigung von Provisionsansprüchen der Agenten sowie zur Deckung von Verwaltungs- und sonstigen Abschlusskosten verwendet wird, kann nicht wirklich überraschen. Im Übrigen stünde ein solcher Schadensersatzanspruch im Widerspruch zum Regelungsgehalt des § 5 Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Der Schaden bestünde nämlich ggf. in der Bindung an den Vertrag, die durch Ablauf der Frist des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG eingetreten ist. Die Rechtsfolge, Rückabwicklung des Vertrages, wäre aber identisch mit den Rechtsfolgen eines wirksamen Widerspruches. Die Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG liefe also praktisch leer, wenn der nach dieser Norm eintretende Fristablauf einen auf Rückabwicklung des Vertrages gerichteten Schadensersatzanspruch auslösen würde (..).

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch zum Rückkaufswert besteht ebenfalls nicht. Zutreffend führt die Beklagtenseite aus, dass der Mindestrückkaufswert nie höher sein kann als die Hälfte der eingezahlten Beiträge. Diese beliefen sich auf 5.923,86 €. Die Hälfte von diesem Betrag ist mithin kleiner als der vertragliche Rückkaufswert von 5.702,02 €. Da ein Leistungsantrag dem Grunde nach schon nicht bestünde, besteht auch kein Rechtsschutzinteresse für einen Auskunftsanspruch.

Die Berufung beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten nach Maßgabe der aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ersichtlichen erstinstanzlichen Anträge des Klägers zu verurteilen. Außerdem wird seitens des Klägers an dem Antrag auf Vorlage an den EuGH festgehalten.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Der Kläger bezeichnet § 5a VVG a.F als gemeinschaftsrechtswidrig und wendet sich gegen die Annahme einer Verfristung des Widerspruchs.

Er macht geltend:

Entgegen der Meinung des Amtsgerichtes greife die Widerspruchsfrist des § 5 a I, IIl VVG a.F. nicht, weil die Widerspruchsbelehrung nicht drucktechnisch hervorgehoben war, jedenfalls nicht in den von dem Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen betreffend den streitgegenständlichen Vertrag des Klägers gemäß Anlage B 2 (und nicht irgendwelchen anderen Verträgen anderer Versicherungsnehmer - Anlage B 15).

Das Vorhandensein einer entsprechenden drucktechnischen Hervorhebung in der den Kläger betreffenden Widerspruchsbelehrung (Anlage B 2) dürfe der Kläger mit Nichtwissen bestreiten ebenso wie die Übermittlung der erforderlichen weiteren Unterlagen des § 5 a I VVG a.F., wie im Einzelnen ausführlich im Schriftsatz vom 20.03.2012 vorgetragen. Bei informatorischer Anhörung sei die Einlassung, man erinnere sich nicht mehr, welche Unterlagen früher übersandt wurden, glaubhaft.

Letztlich komme es auf diese Fragen nicht an: Denn - wie vom Amtsgericht nicht erörtert - sei die Widerspruchsbelehrung im Anschreiben (Anlage B 2) inhaltlich anders gefasst als die Widerspruchsbelehrung bei Antragstellung (Anlage B 1), was einen Hinweis des Versicherers darauf verlange, welche Widerspruchsbelehrung maßgeblich sein solle. Auch einen solchen Hinweis habe der Beklagte unterlassen. Die Jahresfrist des § 5 a II 4 VVG a.F. sei wegen Verstoßes gegen Europarecht nicht wirksam. Der EuGH werde die Vorschrift für unwirksam erklären.

Unzutreffend seien die Ausführungen des Amtsgerichtes zum Thema Widerrufsrecht nach Verbraucherkreditrecht: Zwar sei in § 4 der Versicherungsbedingungen (Anlage B 4) nicht ausdrücklich die Erhebung von Ratenzahlungszuschlägen bei monatlicher Zahlweise angegeben. Das bedeute aber nicht, dass solche Ratenzahlungszuschläge nicht in die Beitragskalkulation eingeflossen seien. Der Beklagte habe deshalb substantiiert die Kalkulation der Beiträge darlegen und belegen müssen, was nicht geschehen sei. Das Bestreiten des Beklagten sei deshalb unsubstantiiert und unbeachtlich. Es liege entgegen der Meinung des Amtsgerichtes auch ein entgeltlicher Zahlungsaufschub vor.

Ebenfalls unzutreffend seien die Ausführungen des Amtsgerichtes zum Thema Schadensersatz: Der Schadenersatzanspruch werde auf zwei Standbeine gestützt:

- zum einen die Thematik einer unzureichenden Widerspruchsbelehrung, was gleichzeitig eine Vertragsverletzung darstelle - soweit das Amtsgericht meine, dass § 5 a VVG a.F. insoweit eine lex specialis sei, sei festzuhalten, dass dies weder in den Gesetzesmaterialien noch sonst irgendwo geregelt ist

- zum weiteren sei die Kick-Back-Rechtsprechung auf Lebensversicherungsverträge zu übertragen.

Unzutreffend seien die Ausführungen des Amtsgerichtes zum Hilfsantrag betreffend Auskunft zum Mindestrückkaufswert: Zwar sei der gezahlte Rückkaufswert höher als die Hälfte der Beitragszahlungen. Das ändere aber nichts daran, dass der Kläger Anspruch auf Überprüfung der Berechnung der Versicherung habe, wozu er auf die geltend gemachte Auskunft angewiesen sei.

Die Berufungserwiderung macht geltend:

Wenn der Kläger zum Zeitpunkt des Widerspruchs (aller der von ihm geschlossenen) Verträge (in 2012) nicht mehr sagen könne, welche Unterlagen ihm zugegangen seien, könne er sich nicht auf den Zeitablauf berufen. Angesichts der Vielzahl der Verträge und des unstreitigen Umstandes, dass er bezüglich jedes Vertrages den Original-Versicherungsschein hat vorlegen können, habe er mehr vortragen müssen, namentlich zu Aufbewahrungseinzelheiten, zu vertraglichem Verlauf und Korrespondenz sowie zum Umstand, dass ihm bei Kündigung jeweils noch der Versicherungsschein vorgelegen hat. Allein mit gänzlich fehlender Erinnerung an eine Übersendung des Versicherungsscheins und der übrigen Unterlagen durch den Beklagte sei ein Bestreiten mit Nichtwissen gleichermaßen widersprüchlich wie unglaubwürdig und daher prozessual unzulässig."

Wenn der Kläger jetzt geltend mache, er habe „einen Anspruch auf Überprüfung der Berechnung der Versicherung", verkenne er, was er mit dem Hilfsantrag geltend mache. Ihm gehe es um den „Mindestrückkaufswert" (Klagschrift S. 18 ff.). Soweit er nun eine „Überprüfung der Berechnung" wolle, sei dies nicht Klagegegenstand, denn in der Klage gehe es allein um - Auskunft zu den Abschlusskosten, - Auskunft zu dem (Storno-) Abzug.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Im Übrigen und des Weiteren wird ausdrücklich auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung und die angefochtene Entscheidung insgesamt Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und erfüllt alle formellen Anforderungen. Die Berufung hat aber keinen sachlichen Erfolg. Die Klage ist nicht begründet. Einer Vorlage an den EuGH bedarf es nicht.

Die Kammer folgt den Erwägungen des Amtsgerichts im Ergebnis.

Der Kläger fordert 6.132,42 € Beitragszahlungen abzgl. 6.076,05 € Rückkaufswertzahlung per 1.12.2010 zzgl. 3.660,03 € als 7% auf die monatlichen Beiträge, so berechnet 3.716,40 € und Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten, Bl. 19, bei einem Gebührensatz von 1,9. Dabei setzt(e) sich der Rückzahlungs-, Auszahlungsbetrag, den der Kläger Rückkaufswert nennt, zusammen aus dem Rückkaufswert von 5.702,02 Euro zzgl. laufenden Überschussanteile mit 357,76 Euro zzgl. Schlussüberschussanteile mit 16,27 Euro (Anlage 9 im Anlagenband).

Der Kläger hat aber gegen den Beklagten keinen Anspruch auf (weitere) Zahlung gem. §§ 812, 818 BGB oder aus einem anderen Rechtsgrund. Denn er hat kein unbefristetes Widerrufsrecht bzw. Widerspruchsrecht, er hat geleistet, was er vertragsrechtlich für ihn bindend zu leisten gehabt hat, und er hat (zurück-)erhalten, was er wegen der von ihm erklärten Kündigung zu erhalten gehabt hat.

Eine Intransparenz von Versicherungsbedingungen stützt das klägerische Begehren nicht. Eine etwaige Unwirksamkeit einzelner Bedingungen lässt den Versicherungsvertrag nicht insgesamt nichtig sein oder werden. Im Übrigen führt eine etwaige (inhaltliche) Unwirksamkeit von Vertragsklauseln nicht zu einem zeitlich unbefristeten Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers.

Der Kläger hat kein Widerrufsrecht auf der Basis der §§ 488, 495, 355 BGB. Diese Normen gelten hier nicht, auch nicht entsprechend.

Ob Tatbestandsvoraussetzungen des § 5a VVG a.F. gegeben sind oder es auf § 5a VVG a.F. wegen des Vertragsschlusses im Antragsmodell nicht ankommt, kann auf sich beruhen. Auch zu § 8 VVG a.F. bedarf es hier keiner Einzelerwägungen.

Mit der Widerrufserklärung aus 2012 ist der Kläger nicht zu hören. Die Gestaltungserklärung vermag er jedenfalls nicht durchzusetzen, weil Verwirkung entgegensteht.

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde. Die Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, wobei der Verstoß in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung liegt.

Die Verwirkung setzt ein Zeitmoment und ein Umstandsmoment voraus, mit letzterem einen Vertrauenstatbestand dergestalt, dass der Verpflichtete sich aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dieser werde sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen.

Das Zeitmoment ist erfüllt, weil zwischen Vertragsabschluss im Mai 1998 und Widerruf im Januar 2012 rund 14 Jahre liegen und weil zwischen Rücktrittserklärung aus Oktober 2010 mit anschließendem Vollzug des Rücktritts und dem Widerruf dann wieder eine längere Zeitspanne vergangen ist, die diesen Fall von den Fällen unterscheidet, in denen Rücktritt und Widerruf nebeneinander (zeitgleich) erklärt worden sind.

Zugleich ist in der dezidierten Kündigungserklärung vom 25.10.2010 nach der Bitte um Mitteilung zu den einzelnen Daten unter dem 27.2.2010 (Bl. 58 mit Anlage B 12) inhaltlich eine Bestätigung des Vertrages zu sehen, wobei es dem Kläger um die vertraglichen Leistungen gegangen ist, indem er Anspruch auf Nachzahlung eines Stornoabzuges und einen Mindestrückkaufswert erhoben hat und ausdrücklich zur Berechnung des Rückkaufswertes unter Berücksichtigung der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH aufgefordert hat.

Das Umstandsmoment ist gegeben, weil der Beklagte in den Jahren bis zum Rücktritt den begehrten und vereinbarten Versicherungsschutz gewährt hat, auch eine Überschussbeteiligung nach Maßgabe der Vereinbarung der Parteien, d.h. der Beklagte vertragstreu gewesen ist. Der Kläger hat korrespondierend die monatlichen Beiträge gezahlt.

Der Kläger hat gegenüber üblichen alljährlichen Vertragsmitteilungen zudem nicht zu erkennen gegeben, dass er wegen dessen Bestand Bedenken hat oder sich rückwirkend vom Vertrag lösen möchte.

Dementsprechend musste der Beklagte nicht mehr damit rechnen, dass der Kläger nach der Vertragsbeendigung durch Rücktritt und der unbeanstandeten Entgegennahme des Auszahlungs-, Rückgabewerts längere Zeit später den wirksamen Abschluss des Vertrags in Abrede nehmen und nun dessen rückwirkende Rückabwicklung von Anfang an begehren werde bzw. würde, sondern konnte sich auf den ordentlichen Bestand des Vertrags und die ordnungsgemäße Beendigung (durch Rücktritt) verlassen.

Auf die Anzahl der vom Kläger ursprünglich abgeschlossenen Verträge, von denen er zurückgetreten ist, kommt es freilich nicht an.

Für die Verwirkung kommt es zudem nicht auf den Willen des Berechtigten an. Verwirkung kann auch gegen den Willen des/der Berechtigten eintreten, da die an Treu und Glauben ausgerichtete objektive Beurteilung, nicht aber der Willensentschluss des/der Berechtigten entscheidend ist. Verwirkung kann daher selbst dann eintreten, wenn die an sich berechtigte Person keine Kenntnis von ihrer Berechtigung hat - die sie inhaltlich und letztlich durch Verwirkung verliert.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung wird nicht verdrängt durch eine Spezialregelung in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. oder andere alte oder neue VVG-Normen.

Ein relevantes Beratungsverschulden gibt es nicht (§§ 280 l, 311 II, 241 II BGB). Der Kläger schildert keine Pflichtverletzung. Welche Informationen er gehabt haben möchte, sagt sie nicht. Der Abschluss des Vertrages für sich gesehen ist kein Beratungsfehler.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Kick-Back-Zahlungen bei Fondsanlagevermittlungen durch Banken ist nicht übertragbar auf den Abschluss fondsgebundener Lebensversicherungen. Denn die tatsächliche und rechtliche Situation der Vermittlung von Bankprodukten oder Medienfonds an einen Kunden ist mit dem Abschluss der Versicherung nicht vergleichbar, weil der Kunde nicht unmittelbar bestimmte Fondsanteile erwirbt, für die er sich aufgrund der Beratung durch die Bank entscheidet und bei deren Auswahl es für ihn von Interesse ist zu erfahren, ob und in welcher Höhe jeweils unterschiedliche Rückflüsse an die Bank erfolgen Es besteht kein entsprechendes Beratungsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Dem Versicherer steht es frei zu entscheiden, ob oder welche Fondsanteile er kauft, ohne dass die Fondsauswahl dem Versicherungsnehmer bekanntgemacht werden muss. Er kann auch auf andere Weise dafür sorgen, dass das Deckungskapital des Vertrages der Entwicklung der zugrundeliegenden Fonds entspricht. Schließlich kommen bei der fondsgebundenen Versicherung Kick-Backs zu wesentlichen Teilen dem Versicherungsnehmer zugute, nicht aber als Gewinn einer anlagevermittelnden Bank, die durch die Höhe der Zahlungen in der Auswahl der Fonds beeinflusst werden könnte.

Die neuen Normen des VVG nehmen auf den beendeten Vertrag und abgeschlossenen Vorgang keinen Einfluss.

Auch für das Hilfsbegehren fehlt es - insgesamt - am Rechtsgrund, d.h. der Hilfsantrag ist unbegründet und zwar zum Stufenbegehren insgesamt.

Einem Versicherungsnehmer steht nach Kündigung des Versicherungsvertrages grundsätzlich ein Auskunftsanspruch über den Rückkaufswert seiner Versicherung zu, der sich grundsätzlich auf Angaben erstreckt, die zur Überprüfung der Richtigkeit einer Primärauskunft erforderlich sind.

Ohne möglichen, denkbaren Leistungsanspruch gibt es aber keinen Auskunftsanspruch. Denn selbst wenn ein Auskunftsanspruch bestehen würde, kann dies nur der Vorbereitung eines Leistungsanspruchs dienen. Nur dann, wenn reale, nachvollziehbare Ansatzpunkte für eine fehlerhafte Berechnung vorgetragen wären, käme ein Auskunftsverlangen in Betracht. Daran fehlt es indessen. Auch trägt der Kläger keinerlei Anhaltspunkte für einen möglichen offenen Zahlungsanspruch vor. Vielmehr ist unstreitig, dass er tatsächlich mehr als den Mindestrückkaufswert erhalten hat, wie vom Beklagten im Einzelnen dargelegt, vom Amtsgericht bestätigt und mit der Berufung nicht in Frage oder Zweifel gestellt oder gezogen. Damit hat der Kläger aber eben das sicher erhalten, was er nach anerkannter obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erhalten hat. Der Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert besteht nur, wenn ein (anderer) Rückkaufswert unter der Hälfte der eingezahlten Beiträge liegt.