Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 07.08.2009, Az.: 2 UF 61/06; 2 UF 62/06
Höhe der Entschädigung des Sachverständigen bei Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 07.08.2009
- Aktenzeichen
- 2 UF 61/06; 2 UF 62/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 34804
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2009:0807.2UF61.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Helmstedt - AZ: 5 F 119/01
Rechtsgrundlage
- § 4 Abs. 1 JVEG
Fundstelle
- DS 2010, 198-199
Redaktioneller Leitsatz
1. Hat ein Sachverständiger die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit einer Partei zu ermitteln und dabei zu prüfen, ob die Aufgabe, der Verkauf, die Schließung und/oder die Zusammenlegung einzelner Firmen/Gesellschaften einer Unternehmensgruppe aus unternehmerischer Sicht gerechtfertigt waren oder nur zur Reduzierung der Unterhaltsansprüche vorgenommen wurden, so ist er aus der Honorargruppe C (Unternehmensbewertung) zu entschädigen.
2. Die Kosten des Sachverständigen für die Beschäftigung einer Hilfskraft für das Korrekturenlesen des Gutachtens sind erstattungsfähig.
Tenor:
Die dem Sachverständigen Dipl. Kaufmann Wolfgang D für die Erstellung des Gutachtens in den Verfahren 2 UF 61/06 und 2 UF 62/06 zustehende Vergütung wird auf 95,00 Euro je Stunde und auf 60,00 Euro je Stunde für die von ihm eingesetzten Hilfskräfte, den Steuerberater F und den Dipl. Kaufmann P, festgesetzt.
Die von dem Sachverständigen D für die Vorbereitung und Ausarbeitung des Gutachtens mit insgesamt 90 Stunden angesetzte Bearbeitungszeit ist als gerechtfertigt anzusehen, ebenso der in Rechnung gestellte zeitliche Aufwand der herangezogenen Hilfskräfte.
Das Festsetzungsverfahren ist gebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
Auf Antrag der Staatskasse ist die dem Sachverständigen D für die auftragsgemäße Erstellung des Gutachtens zu zahlende Vergütung festzusetzen. Die Bezirksrevisorin hat in ihrer Stellungnahme vom 28. Juli 2009 Bedenken gegen die Höhe des Stundensatzes und die Anzahl der vom Sachverständigen in Ansatz gebrachten und abgerechneten Stunden erhoben. Insoweit ist gemäß § 4 Abs. 1 JVEG die Vergütung durch Beschluss festzusetzen.
Der Sachverständige D ist aus der Honorargruppe 10 (Unternehmensbewertung) zu entschädigen. Vorliegend war, wie sich dem Akteninhalt unschwer entnehmen lies, vordergründig die Frage nach der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten aufgrund seiner Tätigkeit in Unternehmen der sogenannten S-Gruppe, aber auch aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter aufgrund rechtlicher Beteiligungen an einigen der Unternehmen der S-Gruppe zu beurteilen. Dabei ging es auch um die Frage, ob die Aufgabe, der Verkauf, die Schließung und/oder die Zusammenlegung einzelner Firmen/Gesellschaften aus unternehmerischer Sicht gerechtfertigt war oder im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsansprüche vorgenommen worden sein könnte.
Diese Problematik so wie die Frage, ob sich aus dem Firmenkonstrukt die vom Amtsgericht - dem erstinstanzlichen Gutachten folgend - angenommene Stellung des Beklagten als beherrschender Gesellschafter folgern lässt, lag ersichtlich dem Gutachtenauftrag zugrunde.
Der Gutachtenauftrag setzte deshalb mehr als die Qualifikation eines Steuerberaters voraus, denn er verlangte u. a. die Bewertung und Beurteilung der wirtschaftlichen Perspektiven der einzelnen Gesellschaften der S-Gruppe. Insoweit enthält der Beweisbeschluss unter Ziffer 2. einen ausdrücklichen Auftrag, indem nach einer Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung der S-Gruppe und damit des künftigen Einkommens des Beklagten gefragt worden ist.
Eine Vergütung, die über die Honorarsätze derSteuerberatergebührenverordnung mit 46,00 Euro je halber Stunde hinausgeht, ist deshalb vorliegend gerechtfertigt.
Soweit der Sachverständige sich mit obergerichtlicher Rechtsprechung zum unterhaltsrechtlichen und steuerrechtlichen Einkommensbegriff auseinandergesetzt hat, war dies unentbehrlich, um die Frage des Senats nach dem "unterhaltsrechtlich relevanten Gesamteinkommen des Beklagten" zu beantworten. Die kaufmännischen, steuerrechtlich erforderlichen und die buchhalterischen Belege enthalten insoweit zahlreiche Positionen und Wertungen, die unterhaltsrechtlich unbeachtlich oder mit den dort angenommenen Beträgen nicht zu übernehmen sind. Zur Erstellung eines Gutachtens gehört auch, dass der Sachverständige dem Gericht erläutert, warum - aus seiner Sicht - kaufmännisch und steuerrechtlich gerechtfertigte Ansätze unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig sind, weil die Wertungen und Bewertungen des Sachverständigen für das Gericht sonst nicht nachvollziehbar sind. Dies ändert nichts daran, dass es letztlich Sache des Gerichts ist, zu entscheiden, ob die vom Sachverständigen vorgenommenen Differenzierungen zwischen steuerrechtlicher und unterhaltsrechtlicher Beurteilung zutreffend sind.
Soweit es um die Berechtigung der Abrechnung der Mitarbeiterstunden, insbesondere die Abrechnung von 5 Stunden a 60,00 Euro für eine Hilfskraft für das Korrekturlesen, geht, bestehen gegen die Berechtigung dieser Positionen keine Bedenken. Die Beschäftigung von Hilfskräften bei der Erstellung von Sachverständigengutachten istüblich und - wegen der in der Regel niedrigeren Honorarsätze der Hilfskräfte - aus Kostengesichtspunkten wünschenswert.
Soweit es um die Beschäftigung einer Hilfskraft für das Korrekturlesen geht, gilt folgendes:
Zum einen ist es gerechtfertigt, mit dem Korrekturlesen - also der Suche nach Tippfehlern und fehlerhaften oder missverständlichen Darstellungen oder Formulierungen, was mit der "Feststellung der schlussendlichen Richtigkeit des Gutachtens" nichts zu tun hat - einen Dritten zu beauftragen, dem erfahrungsgemäß Fehler und Missverständlichkeiten eher auffallen als dem Verfasser des Gutachtens selbst. Zum anderen liegt es im Kosteninteresse der Parteien, wenn der Sachverständige nicht selbst zu dem hohen ihm zustehenden Honorarsatz das Korrekturlesen vornimmt.
Dass es dabei - entgegen der Annahme der Bezirksrevisorin - nicht um die Feststellung der Richtigkeit des gutachtlich gefundenen Ergebnisses, sondern nur um dessen nachvollziehbare Darstellung und die Korrektur offenbarer Unrichtigkeiten geht, ergibt sich bereits aus der mit nur 5 Stunden angesetzten Dauer des Korrekturlesens.
Die Kostenentscheidung für das Festsetzungsverfahren beruht auf der Regelung aus § 4 Abs. 8 JVEG.