Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 23.07.2009, Az.: 8 U 158/05

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
23.07.2009
Aktenzeichen
8 U 158/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 41652
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2009:0723.8U158.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 26.07.2005 - AZ: 8 O 486/00

In dem Rechtsstreit

...

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr., die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Landgerichts Göttingen vom 26. Juli 2005 - Az. 8 O 486/00 - wird, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie entschieden worden ist, zurückgewiesen.

  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 11.10.2007 auf die Wertstufe bis 110 000,00 € und für die Zeit danach auf die Wertstufe bis 95 000,00 € festgesetzt.

  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

A.

Die Klägerin macht Ansprüche auf Schadensersatz wegen mangelhafter Leistung des Beklagten geltend.

2

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf das Teilurteil des Senats vom 08.11.2007 (dort I. - Bl. 225 - 228 Band IV d.A.) Bezug genommen.

3

Mit Schlussurteil vom 26.07.2005 hat das Landgericht der Klage i.H.v. 144 000,00 € nebst Zinsen sowie einem weitergehenden Feststellungsantrag stattgegeben. In Höhe eines Teilbetrages von 51 129,15 € (100 000,00 DM) hat der Beklagte das landgerichtliche Urteil nicht angegriffen. Hinsichtlich der darauf entfallenden Zinsen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend im Berufungsverfahren für erledigt erklärt. Bezüglich des Feststellungsausspruchs hat der Beklagte die Berufung zurückgenommen. Mit Teilurteil des Senates vom 08. November 2007 ist die Berufung des Beklagten insoweit zurückgewiesen worden, als er zur Zahlung weiterer 63 072,22 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Durch Beschluss vom 10. Juli 2008 hat der Bundesgerichtshof (Az. VII ZR 215/07) die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

4

Die Parteien streiten noch über die Höhe des weitergehenden Schadensersatzanspruchs.

5

Der Beklagte greift die Feststellungen des Landgerichts zur Höhe des Schadensersatzanspruchs an. Er rügt, dass sich die Vorinstanz den nicht nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. R. zu den Kosten für die Beseitigung bereits bestehender Risse i.H.v. ca. 37 000,00 € angeschlossen hat. Dieser hatte sich auf den Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.- Ing. U. vom 10.02.2000 gestützt. Dort seien die Kosten aber nicht ausreichend vereinzelt worden. Ebenso seien die Ausführungen in dem vom erkennenden Senat inzwischen eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. U. vom 04. Mai 2007 nicht nachvollziehbar. Die Kostenschätzung für die bereits eingetretenen alten Schäden sei zu pauschal. Die in dem Gutachten angeführten Risse hätten nichts mit den Setzungsrissen zu tun, für die der Beklagte hafte. Der Sachverständige Dipl.-Ing. U. habe daher auch in seinem Erstgutachten vom 10.02.2000 nur geringe Risse vor Ort festgestellt. Weiter fehle es an der Vereinzelung der vorliegenden Schäden. Der Kostenschätzung des Sachverständigen Dipl.-Ing. U. bezüglich der bei der Hebung des Gebäudes auftretenden Schäden könne mangels Nachvollziehbarkeit nicht gefolgt werden.

6

Der Beklagte beantragt,

  1. das Schlussurteil des Landgerichts Göttingen vom 26.07.2005 - Az. 8 O 486/00 - zu Ziffer 1. mit der Maßgabe abzuändern, dass der Beklagte zur Zahlung von nicht mehr als 114 201,41 € nebst 4 % Zinsen seit dem 14.11.2000 verurteilt wird.

7

Die Klägerin beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

8

Unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils führt sie aus, dass im Falle der hier vorzunehmenden Gebäudeanhebung nach dem Inhalt des Erstgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. U. ein Schaden einschließlich eines merkantilen Minderwerts von insgesamt 188 660,00 € vorliege. Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. R. habe in seinem Gutachten den Betrag von 188 660,70 € als Schaden bestätigt. Die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U. zu den Kosten zur Beseitigung der Schäden i.H.v. ca. 37 500,00 € (74 000,00 DM) seien zutreffend. Die Angriffe des Beklagten gegen das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. U. vom 04. Mai 2007 seien unberechtigt. Insgesamt errechne sich ein Anspruch i.H.v. 156 836,30 €, der damit noch höher liege als der erstinstanzlich ausgeurteilte Betrag i.H.v. 144 000,00 €.

9

Durch Beschluss vom 17.11.2006 hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. U. eingeholt. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 04. Mai 2007 (Band III Bl. 124 ff.d. A) sowie die ergänzende Stellungnahme vom 01.10.2007 (Band III Bl. 192 ff.d.A.) und auf die Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2007 (Band III Bl. 208 ff.d.A.) wird Bezug genommen. Weiter wird auf den Beweisbeschluss vom 08.11.2007 (Band IV Bl. 233 f.d.A.) verwiesen. Auf den Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. vom 18.02.2009 wird Bezug genommen.

10

B.

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung und der fehlenden Begründetheit in Höhe des Betrages von 63 072,22 € wird auf Ziffer II. des Teilurteils des Senates vom 08. November 2007 (Band IV Bl. 228 ff.d.A.) Bezug genommen.

11

I.

Die Berufung ist auch im Übrigen unbegründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz über den bereits rechtskräftig zuerkannten Betrag von 114 201,41€ hinaus von weiteren 29 798,59 €, insgesamt also 144 000,00 €, zusteht.

12

1.

Der Beklagte haftet nach dem rechtskräftigen Teil-, Grund- und Endurteil des Landgerichts Göttingen vom 22.10.2002 dem Grunde nach auf Schadensersatz gem. § 635 BGB. Die Klägerin ist daher so zu stellen, als ob der Beklagte gehörig erfüllt hätte. Der Anspruch richtet sich auf den Betrag, der für die Beseitigung des Mangels erforderlich ist (vgl. BGH BauR 2007, 1567, 1568). Er umfasst im Rahmen des hier geltend gemachten "kleinen" Schadensersatzes aber auch den merkantilen Minderwert, d.h. den Wertverlust, der trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb besteht (vgl. BGH BauR 1991, 744, 745).

13

2.

Der Klägerin stehen über die bereits ausgeurteilten Beträge i.H.v. 114 201,41 € (vgl. Ziffer II. 2. des Teilurteils des Senats vom 08. November 2007) hinaus nach den Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. U. und Dipl.-Ing. N. noch folgende Schadenspositionen zu:

(1) Sanierung des Außengeländes:

2 500,00 €

(2) Vordach:

800,00 €

(3) Wandfliesen:

0,00 €

(4) Beseitigung von Rissen und Funktionsstörungen:

4 629,34 €

Zwischensumme netto:

7 929,34 €

+ 19 % MwSt

1 506,57 €

Zwischensumme brutto

9 435,91 €

(5) Merkantiler Minderwert:

23 406,94 €

Gesamtsumme:

32 842,85 €

14

Zu den einzelnen Positionen (entsprechend obiger Nummerierung):

15

(1)

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Kosten für die Raseneinsaat und Gartenarbeiten i.H.v. 2 500,00 € netto unstreitig gestellt.

16

(2)

Der Sachverständige Dipl.- Ing. U. hat - für das Gericht nachvollziehbar - in seiner Anhörung vom 11.10.2007 ausgeführt, dass bei der Anhebung des Gebäudes zur Vermeidung von Schäden das Vordach abgebaut, zwischengelagert und anschließend wieder angebracht werden müsse. Hierdurch fallen Kosten i.H.v. 800,00 € netto an.

17

(3)

Hinsichtlich der Risse an den Wandfliesen kann nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U. in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2007 nicht festgestellt werden, dass diese auf eine Setzung oder Schiefstellung des Gebäudes zurückzuführen sind. Insoweit fallen zu Lasten des Beklagten keine Kosten zur Beseitigung eines Schadens an.

18

(4)

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. belaufen sich die Kosten für die Instandsetzung bereits vorhandener Schäden und Funktionsstörungen aufgrund von Setzungen auf insgesamt 4 629,34 € netto. Dies ist von den Parteien nicht angegriffen worden.

19

Weitere im Rahmen der Hebung noch entstehende Schäden können nicht sicher festgestellt werden. Zwar können solche Schäden nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. nicht vollends ausgeschlossen werden, der Eintritt sei aber nicht wahrscheinlich. Über den Betrag von 4 629,34 € netto hinaus scheidet daher ein bezifferbarer Schadensersatzanspruch innerhalb dieser Position aus.

20

(5)

Die Klägerin hat weiter einen Anspruch auf Zahlung eines merkantilen Minderwertes i.H.v. 23 406,94 €.

21

Der merkantile Minderwert ist hier zuzusprechen, weil nach allgemeiner Auffassung im Falle mangelhafter Bauwerksgründung trotz anschließender vollständiger Instandsetzung bei einem angenommenen Verkauf des Grundstückes ein Preisabschlag vorzunehmen ist. Der Sachverständige Dipl.- Ing. U. hat dies in seinem Erstgutachten vom 10.02.2000 (dort Bl. 11) bestätigt. Die Höhe des merkantilen Minderwertes hat der Sachverständige auf 57 000,00 DM, mithin 29 143,64 €, geschätzt. Der Sachverständige hat sich bei der Berechnung des merkantilen Minderwertes auf das Gesamtminderwertabkommen zwischen dem Verband Bergbaugeschädigter Haus- und Grundstückseigentümer e.V. (VBHG) und der Ruhrkohle AG (RAG) bezogen. Allerdings ist der Sachverständige bei seiner Berechnung unzutreffend von Kosten für die Hebung des Gebäudes i.H.v. 350 000,00 DM ausgegangen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. R. belaufen sich die Kosten für die Hebung des Hauses aber lediglich auf 114 201,41 € (= 223 358,01 DM) und mithin auf ca. 20,5 % des Wertes des Gebäudes i.H.v. 1 090 000,00 DM. Dies führt nach der vom Sachverständigen Dipl.- Ing. U. in Bezug genommenen Berechnungsformel der VBHG/RAG (Bl. 98 des Gutachtens vom 10.02.2000) zu einem dort einzusetzenden Faktor von 0,04 statt, wie vom Gutachter angenommen, von 0,05. Unter Berücksichtigung des weiteren Verkäuflichkeitsfaktors von 1,05 und dem Wert des Gebäudes von 1 090 000,00 DM errechnet sich ein merkantiler Minderwert von 45 780,00 DM, mithin 23 406,94 €. Die Höhe des merkantilen Minderwertes hat der Beklagte in keinem Verfahrensstadium bestritten. Der Sachverständige Prof. Dr. Ing. R. hat in seinem Gutachten vom 05.02.2005 zum merkantilen Minderwert keine Stellung genommen.

22

Der Senat war auch nicht durch die angegriffene Entscheidung des Landgerichts gehindert, der Klägerin diese Schadensposition zuzusprechen. Der Einwand der Rechtskraft steht nicht entgegen. Das Landgericht hat in seinem Schlussurteil vom 26.07.2005 zum merkantilen Minderwert keine Stellung genommen und der Klägerin entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. R. vom 05.02.2005 lediglich Mangelbeseitigungskosten i.H.v. 164 000,00 € abzgl. eines Betrages i.H.v. 20 000,00 € (Sowieso-Kosten) zugesprochen. Dies führt aber nicht dazu, dass insoweit bereits über den merkantilen Minderwert rechtskräftig entschieden worden wäre. Bei dem merkantilen Minderwert handelt es sich um einen dem Bauwerk unmittelbar anhaftenden Mangelschaden (vgl. Siegburg, Handbuch der Gewährleistung, 4. Aufl., Rn. 1193). Dieser ist kein selbständiger und damit in Rechtskraft erwachsener Streitgegenstand, sondern lediglich ein unselbständiger Rechnungsposten in einem einheitlichen Schadensersatzanspruch (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Auflage, 6. Teil Rn. 86). Die Abweisung der Klage hat deshalb hinsichtlich des Minderwertes nicht in Rechtskraft erwachsen können.

23

3.

Insgesamt errechnet sich eine Schadensersatzforderung i.H.v. 147 044,26 €. Da die Klägerin ihrerseits keine (Anschluss-)Berufung eingelegt hat, ist der Senat an einer weitergehenden Verurteilung des Beklagten gehindert.

24

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die teilweise übereinstimmende Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich der Zinsen auf den im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit stehenden Betrag von 51 129,15 € war kostenmäßig nicht zu berücksichtigen.

25

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren bemisst sich nach § 3 ZPO aus der Differenz zwischen der ausgeurteilten Hauptforderung i.H.v. 144 000,00 € und dem nicht angegriffenen Teilbetrag i.H.v. 51 129,19 €. Ferner war bis zur teilweisen Rücknahme der Berufung noch der Wert des Feststellungsantrages hinzuzurechnen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor ( § 543 Abs. 2 ZPO ).