Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.09.2007, Az.: 1 V 129/07
Grundsteuerpflicht für Grundstücke einer islamischen Kultusgemeinde; Freistellung von der Grundsteuer für Religionsgesellschaften mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts; Jüdische Kultusgemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 04.09.2007
- Aktenzeichen
- 1 V 129/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 39123
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2007:0904.1V129.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrdStG
- § 19 Abs. 4 BewG
- Art. 3 GG
Fundstellen
- DStR 2007, XI Heft 50 (Kurzinformation)
- DStRE 2008, 365-366 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2007, 1980-1981 (Volltext mit red. LS)
- FStBW 2008, 190-192
- FStHe 2008, 389-390
- GV/RP 2008, 283-285
- NWB direkt 2007, 11
- Jurion-Abstract 2007, 228712 (Zusammenfassung)
Amtlicher Leitsatz
Bei summarischer Prüfung sind Grundstücke einer islamischen Kultusgemeinde grundsteuerpflichtig
Gründe
I.
Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Reichweite der Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Grundsteuergesetz (GrdStG).
Der Antragsteller ist ein bundesweit operierender islamischer Dachverband. Nach § 3 seiner Satzung bietet er den in Europa lebenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit an, ihre Religion auszuüben. Er unterhält u.a. Gemeinden im Rahmen religiöser und kultureller Aktivitäten, unterweist im islamischen Glauben und Lehre und in der Wahrung islamischer kultureller Werte, fördert muslimische Jugendliche und widmet sich dem moralischen Schutz der Menschen islamischen Glaubens. Eigenen Bekundungen zufolge hat er etwa 10.000 Mitglieder und ist damit der zweitgrößte islamische Dachverband in Deutschland.
Der Antragsteller war zunächst durch Bescheid des Finanzamts Köln-Nord vom ............. unter Widerruf als gemeinnützig anerkannt. Der Inneminister des Landes Nordrhein-Westfalen schätzt ihn als Religionsgemeinschaft nach den Art. 140 Grundgesetz (GG), 137 WRV ein.
Im Jahre 1995 erwarb der Antragsteller das bebaute Grundstück B. Str. 95 in D. Das Finanzamt führte daraufhin eine Art- und Zurechnungsfortschreibung auf den Antragsteller durch. Nach dem dagegen erhobenen Einspruch, mit dem der Antragsteller auf seinen gemeinnützigen Status hinwies, hob das Finanzamt den Einheitswert auf den 1.1.1996 auf.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt Köln-Nord die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 ab. Als der Antragsgegner davon erfuhr, führte er mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 eine Nachfeststellung auf den 1. Januar 1998 durch. Der Bescheid enthält einen Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO.
Dagegen hat der Antragsteller nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er die Aufhebung des Nachfeststellungsbescheides erstrebt. Er ist der Auffassung, dass er weiterhin von der Grundsteuer befreit sei. Nachdem ihm der gemeinnützige Status aberkannt worden sei, liege der Befreiungsgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrdStG vor. Nach dieser Norm sei Grundbesitz einer Religionsgesellschaft, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes sei, von der Grundsteuer befreit. Nach Satz 2 der Norm stünden diesen Religionsgesellschaften jüdische Kultusgemeinden gleich, auch wenn sie nicht Körperschaften des öffentlichen Rechtes seien. Die Erweiterung der Steuerbefreiung auf jüdische Kultusgemeinden sei verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass sie auch auf ihn, den Anstragsteller, anzuwenden sei. Eine Beschränkung der Steuerbefreiung lediglich auf jüdische Kultusgemeinden verstoße gegen das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 GG. Erst unlängst habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss zur Erbschaft- und Schenkungsteuer erkannt, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Steuertatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne dieser Belastungsgleichheit umzusetzen habe. Daran fehle es, wenn nur jüdische Kultusgemeinden von der Grundsteuer verschont blieben, vergleichbare Einrichtungen islamischer Gläubiger jedoch nicht. Außerdem sei der Staat zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet. Es sei ihm untersagt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren und andere auszugrenzen. Die benachteiligende Ungleichbehandlung einer Glaubensgemeinschaft im Vergleich zu einer anderen verletzte zudem sein Grundrecht aus Art. 4 GG.
Die Klage ist unter dem Aktenzeichen 1 K 128/07 vor dem Senat anhängig. Zeitgleich mit der Klage hat der Antragsteller darüber hinaus die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheides beantragt, nachdem ein entsprechender Antrag durch das Finanzamt abschlägig beschieden worden war. Beide Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters erklärt.
II.
Der Antrag hat auch bei Gericht keinen Erfolg.
1.
Nach § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die AdV soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl. III 1967, 182;vom 18. Juni 1997 II B 33/97, BStBl. II 1997, 515).
2.
Im Streitfall haften dem angefochtenen Bescheid derartige Zweifel nicht an.
a)
Der Antragsgegner hat für das Grundstück des Antragstellers zutreffend eine Einheitsbewertung durchgeführt. Die Einheitsbewertung ist im Sinne von § 19 Abs. 4 BewG erforderlich, weil das Grundstück des Antragstellers zur Grundsteuer heranzuziehen ist. Die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrdStG greift nicht ein.
b)
Nach dieser Norm ist Grundbesitz von der Steuer befreit, der von einer Religionsgesellschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, u.a. für Zwecke der religiösen Unterweisung benutzt wird. Der Antragsteller ist keine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er gehört daher nicht zu den Anwendungsadressaten dieser Befreiung.
c)
Die begehrte Steuerbefreiung lässt sich auch nicht aus Satz 2 der Norm herleiten. Danach stehen jüdische Kultusgemeinden den begünstigen Religionsgesellschaften auch dann gleich, wenn sie keine Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Der Gesetzgeber hat mit dieser Formulierung den Regelungsbereich der Norm dermaßen präzise umschrieben, dass sie einer Auslegung in der vom Antragsteller begehrten Form, nach der auch er in die Begünstigung einzubeziehen sei, nicht zugänglich ist.
d)
Die ausschließlich auf jüdische Kultusgemeinden beschränkte Norm in § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrdStG verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG. Zutreffend weist der Antragsteller darauf hin, dass der allgemeine Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 GG nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG gebietet, wesentliches Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. z.B. BVerfGE 112, 268, 279). Gleichwohl hat das BVerfG dem Gesetzgeber für den Bereich des Steuerrechts einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes eingeräumt (BVerfGE 93, 121, 135) [BVerfG 22.06.1995 - 2 BvL 37/91]. Der Gesetzgeber darf diejenigen Sachverhalte tatbestandlich frei bestimmen, an die das Gesetz die Steuerpflicht knüpft. Er hat sich dabei allerdings an dem Prinzip der Folgerichtigkeit zu orientieren. Er muss bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsgleichheit folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umsetzen. Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (BVerfGE 99, 88, 95 [BVerfG 30.09.1998 - 2 BvR 1818/91]; 99, 280, 290 [BVerfG 11.11.1998 - 2 BvL 10/95]; 107, 27, 47).
In § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrdStG hat der Gesetzgeber alle Religionsgesellschaften mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unter den weiteren im Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen von der Steuer freigestellt. Damit ist eine verfassungsrechtliche gebotene Belastungsgleichheit hergestellt. Dem Antragsteller ist allerdings einzuräumen, dass der Gesetzgeber mit der Erstreckung der Befreiung auch auf solche jüdische Kultusgemeinden, die keine Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, die folgerichtige Umsetzung der in § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrdStG enthaltenen Regelung über die steuerpflichtigen und steuerbefreiten Grundstücke durchbrochen hat. Nach den vorangestellten verfassungsrechtlichen Erfordernissen ist für diese Durchbrechung deshalb ein besonderer sachlicher Grund erforderlich.
Ein derartiger Grund liegt vor. Er ergibt sich aus dem Unrecht, dass der nationalsozialistische Staat den jüdischen Kultusgemeinden angetan hat. Mit der Einbeziehung jüdischer Kultusgemeinden in den Kreis der Steuerbegünstigungen unternimmt der Gesetzgeber den Versuch, dieses Unrecht zu beseitigen (amtliche Begründung zum Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes vom 10. April 1951, BStBl 1951 I S. 470). Dieser sachliche Grund ist auch heute - noch - nicht weggefallen.
e)
Mit dem Ausschluss des Antragstellers von der Vergünstigung verstößt das Gesetz auch nicht gegen Art. 4 GG. Danach sind die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisse unverletzlich, die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Die Beeinträchtigung, die der Antragsteller durch die Erhebung der Grundsteuer für seine Religionsausübung erfährt, ist dermaßen gering, dass sie die jedem Grundrecht innewohnende immanente Schranke (siehe dazu BVerfGE 3, 248) nicht überschreitet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
IV.
Das Gericht hat die Beschwerde zugelassen. Soweit ersichtlich, liegt höchtsrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrdStG verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügt, noch nicht vor.