Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.08.2014, Az.: 2 Ws 130/14

Überprüfung eines mit Auslieferung oder Ausweisung erlassenen Vollstreckungshaftbefehls im Justizverwaltungsstreitverfahren; Anwendbarkeit der §§ 23 ff EGGVGV zur Überprüfung eines bei Auslieferung oder Ausweisung erlassenen Vollstreckungshaftbefehls

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.08.2014
Aktenzeichen
2 Ws 130/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 23634
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0818.2WS130.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 07.07.2014 - AZ: 1 Qs 97/14

Amtlicher Leitsatz

Die Überprüfung eines mit Auslieferung oder Ausweisung erlassenen Vollstreckungshaftbefehls dürfte nicht der Strafvollstreckungskammer obliegen, sondern dem Oberlandesgericht im Justizverwaltungsstreitverfahren (im Anschluss an OLG Karlsruhe, NStZ 2012, 655 f [OLG Celle 01.06.2012 - 322 SsBs 131/12]; NStZ-RR 2005, 223 [OLG Karlsruhe 14.03.2005 - 3 Ws 82/05][OLG Karlsruhe 14.03.2005 - 3 Ws 82/05] f; KG Berlin, Beschluss vom 4. Juni 2009 - 1 VAs 22/09 -, juris, entgegen OLG Stuttgart, StraFo 2011, 114 [OLG Stuttgart 22.11.2010 - 4 Ws 213/10]).

In der Strafvollstreckungssache
gegen R. D. B.,
geboren am xxxxxx 1974 in S. (Polen),
wohnhaft ul. P., M., Polen
- Verteidiger: Rechtsanwalt H., M. -
wegen schweren Bandendiebstahls u. a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten
gegen den Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Verden vom 07.07.2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Amtsgericht xxxxxx
am 18.08.2014
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Gründe

I.

Der Verurteilte wurde durch Urteil des Landgerichts Verden vom 17.12.2002 wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen, Bandendiebstahls und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Am 20.10.2005 wurde der Beschwerdeführer nach Polen abgeschoben und es wurde gemäß § 456a Abs. 1 StPO von der weiteren Vollstreckung abgesehen. Davor befand er sich zuletzt in der JVA B. (T.). Mit Verfügung vom 27.07.2005 hat die Staatsanwaltschaft Verden für den Fall der Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik die Nachholung der Vollstreckung und zugleich den Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls angeordnet, den sie am 26.10.2005 ausgestellt hat.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Kammer den Antrag des Verurteilten vom 24.02.2014, den Vollstreckungshaftbefehl vom 26.10.2005 aufzuheben bzw. hilfsweise für die Dauer des Verfahrens nach § 454 StPO außer Vollzug zu setzen, abgelehnt.

Hiergegen wendet er sich mit seinem Rechtsmittel.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache zumindest vorläufig Erfolg.

a)

Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, war das Landgericht zu der Entscheidung nicht berufen.

Im Ergebnis kann dafür letztlich dahinstehen, ob der (von der Kammer vertretenen) Rechtsauffassung zu folgen ist, wonach das gemäß § 458 Abs. 2 StPO für gerichtliche Entscheidungen über Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde zuständige Gericht jedenfalls dann auch zur Entscheidung über einen nach Auslieferung oder Ausweisung erlassenen Vollstreckungshaftbefehl berufen ist, wenn der Verurteilte damit auch die Ablehnung einer Aussetzung der Vollstreckung angreifen will (so OLG Stuttgart, StraFo 2011, 114 f. [OLG Stuttgart 22.11.2010 - 4 Ws 213/10][OLG Stuttgart 22.11.2010 - 4 Ws 213/10]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 56. Aufl., § 456a Rn. 9 a. E.).

In diesem Fall wäre nach §§ 462, 462a Abs. 1 S. 1 StPO die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Berlin zu der Entscheidung berufen, da sich der Verurteilte zuletzt in deren Bezirk aufgehalten hat und sie gemäß § 462a Abs. 1 S. 2 StPO auch nach Unterbrechung der Vollstreckung zuständig bleibt. Dies gilt auch dann, wenn von der Vollstreckung gemäß § 456a Abs. 1 StPO abgesehen wurde (vgl. dazu BGH, NStZ 2000, 111 [BGH 08.10.1999 - 2 ARs 408/99]).

Nach anderer Auffassung, der der Senat zuneigt, ist auch bei gleichzeitigen Einwendungen gegen eine Nachholung der Strafvollstreckung und gegen den nach § 456a Abs. 2 S. 3 StPO erlassenen Vollstreckungshaftbefehl für die letztere Entscheidung allein der Rechtsweg gemäß §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (so OLG Karlsruhe, NStZ 2012, 655 f [OLG Celle 01.06.2012 - 322 SsBs 131/12]; NStZ-RR 2005, 223 [OLG Karlsruhe 14.03.2005 - 3 Ws 82/05][OLG Karlsruhe 14.03.2005 - 3 Ws 82/05] f; KG Berlin, Beschluss vom 4. Juni 2009 - 1 VAs 22/09 -, juris). Für diese Meinung spricht, dass der Gesetzgeber in § 458 Abs. 2 StPO eine abschließende Regelung getroffen und dabei gerade nicht angeordnet hat, dass auch eine Anordnung oder Aussetzung von Fahndungsmaßnahmen im Sinne des § 456a Abs. 2 Satz 3 StPO von den Strafvollstreckungskammern zu überprüfen ist. Zudem ist auch gegen einen nach § 457 Abs. 2 StPO erlassenen Vollstreckungshaftbefehl allein der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 457 Rn. 16 m. w. N. und § 458 Rn. 15; KK-Appl, 7. Aufl., § 458 Rn. 14). Dies spricht eher dafür, auch für einen nach Auslieferung oder Ausweisung erlassenen Vollstreckungshaftbefehl den Rechtsweg zur Anfechtung eines Justizverwaltungsaktes zuzulassen.

b)

Auch bei Eröffnung des Rechtsweges nach §§ 23 ff. EGGVG ist der Senat derzeit allerdings nicht berufen, eine Entscheidung in der Sache zu treffen, da es zunächst der Durchführung des Vorschaltbeschwerdeverfahrens nach § 21 Abs. 1 Nds. StVollstrO bedarf und eine Auslegung des Rechtsbehelfs in einen Antrag nach § 23 EGGVG schon deshalb derzeit nicht in Betracht kommt.