Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.04.1991, Az.: VII - 535/86
Einkommensteuer i.R. von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.04.1991
- Aktenzeichen
- VII - 535/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 21180
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1991:0408.VII535.86.0A
Rechtsgrundlage
- § 11 Abs. 1 EStG
Fundstelle
- EFG 1992, 73-74 (Volltext mit amtl. LS)
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin dadurch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat, daß die G. Grundstücksverwaltungsgesellschaft GbR als Entgelt für die Einräumung eines Erbbaurechts an einem Hausgrundstück eine Darlehnsverbindlichkeit der Klägerin gegenüber dem Bankhaus W. F. und Söhne übernommen hat und ob Zufluß im Streitjahr 1982 erfolgt ist.
Die Klägerin, die Grundstücksgemeinschaft H. und J. G. war im Streitjahr 1982 Eigentümerin des in O. gelegenen Grundstücks F.straße ....
Auf diesem Grundstück befand sich ein im Jahre 1962 errichtetes Druckereigebäude mit Anbau nebst einer daran im Jahre 1969 angebauten Papierlagerhalle sowie ein weiteres im Jahre 1967 errichtetes Druckereigebäude.
Nach Durchführung von Umbauarbeiten in den Jahren 1981 und 1982 wurden diese Gebäude als Büro- und Lagerräume genutzt.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 30.12.1982 bestellte die Klägerin zugunsten der G. Grundstücksverwaltungsgesellschaft GbR ein Erbbaurecht an dem Grundstück F.straße ....
Wegen der Einzelheiten wird auf den notariell beurkundeten Vertrag vom 30.12.1982 Bezug genommen. Dieser Vertrag sah in § 2 vor, daß das Erbbaurecht auf 25 Jahre bestellt wird.
Gemäß § 9 gingen nach Ablauf der vertraglichen Dauer des Erbbaurechtes die auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude und Anlagen in das Eigentum des jeweiligen Grundstückseigentümer über.
Dabei war jegliche Entschädigung für die Baulichkeiten und sonstigen Anlagen, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf dem Grundstück vorhanden sein würden, ausgeschlossen.
Gemäß § 11 zahlten die Erbbauberechtigten an die Eigentümer einen Betrag in Höhe von 800.000 DM für die zur Zeit des Vertragsschlusses auf den Grundstück vorhandenen Bauwerke. Diese Leistung sollte dadurch belegt werden, daß die Erbbauberechtigten anstelle der Klägerin per 31.12.1982 eine durch Grundschulden gesicherte Darlehnsverbindlichkeit gegenüber dem Bankhaus W. F. und Söhne über 387.480 DM übernehmen. Weiter heißt es im Vertrag wörtlich: Es soll versucht werden, daß das Bankhaus W. F. und Söhne die Grundstückseigentümer aus der persönlichen Haft für die in Abt. III Pos. 9 und 10 des Grundbuchs eingetragenen Grundschulden entläßt und dafür die Erbbauberechtigten in die Darlehnsverträge mit Wirkung vom 31.12.1982 eintreten (Auswechselung der Schuldner). Schließlich war vereinbart, daß die Erbbauberechtigten die Klägerin in vollem Umfange von jeglicher Inanspruchnahme durch das Bankhaus W. F. und Söhne hinsichtlich derjenigen Darlehnsverpflichtungen freistellen, die den in Abt. III Pos. 9 und 10 eingetragenen Grundpfandrechten zugrunde liegen, falls das Bankhaus W. F. und Söhne die Klägerin nicht aus der persönlichen Haft entlassen sollte.
Gemäß § 11 Abs. 2 des Vertrages hatten die Erbbauberechtigten innerhalb von einem Monat nach Vertragsschluß einen Betrag in Höhe von 412.520 DM an die Klägerin zu zahlen. Die Zahlung erfolgte im Jahre 1983.
In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für das Streitjahr 1982 erklärte die Klägerin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung lediglich einen Überschußüber die Werbungskosten in Höhe von 19.488 DM. Dabei behandelte sie die Einräumung des Erbbaurechtes als privates Veräußerungsgeschäft.
Im Bescheid vom 23.02.1984 stellte das Finanzamt (FA) die Einkünfte entsprechend der abgegebenen Erklärung fest. Im Jahre 1985 wurde bei der Klägerin eine Außenprüfung durchgeführt. Dabei vertrat das FA die Auffassung, daß durch die Einräumung des Erbbaurechtes nicht das wirtschaftliche Eigentum an den auf dem Grundstück befindlichen Gebäuden auf die Erbbauberechtigten übergegangen sei, da die Gebäude nach Beendigung des Erbbaurechtsvertrages entschädigungslos an die Klägerin zurückfielen, die diese noch etliche Jahre wirtschaftlich nutzen könne.
Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der H. und J. G. Grundstücksgemeinschaft, datierend vom 05.03.1986, wurden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom FA zunächst mit 727.452 DM festgestellt.
Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Unter Hinweis auf ein zwischenzeitlich durch einen Bausachverständigen des FA erstattetes, der Klägerin bekanntgemachtes Gutachten vertrat das FA weiterhin die Auffassung, daß das wirtschaftliche Eigentum an den Gebäuden nicht auf die Erbbauberechtigte übergegangen sei.
Von einer 39jährigen wirtschaftlichen Restnutzungsdauer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entfielen lediglich 25 Jahre auf die Dauer des Erbbaurechtsvertrages. Nach Ablauf des Vertrages bestehe für die Klägerin noch mindestens 14 Jahre die Möglichkeit, die Gebäude wirtschaftlich zu nutzen oder zu vermieten.
Gegen diesen Einspruchsbescheid hat die Klägerin Klage erhoben.
Während des Klageverfahrens erging am 13.06.1990 ein geänderter Bescheid des FA über die gesonderte und einheitliche Feststellung für 1982 in dem die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Klägerin auf 406.968 DM festgesetzt wurden.
Dieser Betrag ergab sich daraus, daß das FA neben den von der Klägerin erklärten Einkünften in Höhe von 19.488 DM den Betrag in Höhe von 387.460 DM erfaßte, der sich das auf Einnahme der Darlehnsverbindlichkeiten der Klägerin gegenüber dem Bankhaus W. F. und Söhne durch die G. Grundstücksverwaltung GbR zum 31.12.1982 ergab.
Die Klägerin, die diesen Bescheid gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, trägt zum einen vor, die wirtschaftliche Nutzungsdauer von Gebäuden sei generell mit lediglich 25 Jahren anzunehmen. Zudem könne die wirtschaftliche Nutzungsdauer nicht, wie vom Bausachverständigen zugrunde gelegt, anhand der technischen Nutzungsdauer der Gebäude ermittelt werden.
Weiter weist sie darauf hin, daß das Bankhaus W. F. und Söhne die übernähme der Darlehnsverpflichtung durch die G. Grundstücksverwaltungs GbR erst mit Schreiben vom 24.02.1983 genehmigt habe.
Die Klägerin vertritt dazu die Auffassung, diese Genehmigung wirke zwar zivilrechtlich auf den 31.12.1982 zurück, im Streitjahr 1982 seien ihr jedoch wegen des Verbotes der steuerlichen Rückwirkung keine Einnahmen zugeflossen.
Die Klägerin beantragt,
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr 1982 auf 19.488 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertritt die Auffassung, der Klägerin sei im Streitjahr deshalb ein Betrag in Höhe von 387.480 DM zugeflossen, weil die mit der G. Grundstücksverwaltungsgesellschaft GbR vereinbarte Schuldübernahme rückwirkend auf den 31.12.1982 Wirksamkeit erlangt habe.
Als wirtschaftlicher Zufluß sei auch die in § 11 des Erbbaurechts Vertrages vereinbarte Freistellung der Klägerin von jeglicher Inanspruchnahme durch das Bankhaus W. und Söhne anzusehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat im Streitjahr 1982 lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 19.488 DM erzielt.
Dadurch, daß die G. Grundstücksverwaltungs GbR als Teil des Entgeltes für die Einräumung des Erbbaurechtes eine Darlehnsverbindlichkeit der Klägerin gegenüber dem Bankhaus W. F. und Söhne übernommen hat, sind der Klägerin im Streitjahr keine Einnahmen zugeflossen.
Für den Zeitpunkt des Zuflusses dieses Entgeltes, das bei der Klägerin als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 04.07.1969 VI R 259/67, BStBl II 1969 S. 724) gilt § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres besagen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.
Ein Zufluß von Einnahmen liegt vor, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat (vgl. BFH-Urteil vom 29.04.1982 IV R 95/79, BStBl II 1982 B. 593).
Der Zufluß von Einnahmen ist als rein tatsächlicher Vorgang anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 26.07.1983 VIII R 30/82, BStBl II 1983 S. 755, 757), er setzt Zahlung oder einen ihr wirtschaftlich vergleichbaren Vorgang voraus (vgl. Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum EStG, § 11, Rdn. 10, 18; Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewien, Kommentar zum EStG, § 11, Rdn. 89).
Soweit die G. Grundstücksverwaltungs GbR die Klägerin gemäß § 11 des Erbbaurechtsvertrages in vollem Umfang von jeglicher Inanspruchnahme durch das Bankhaus W. F. und Sohne aus der Darlehnsverpflichtung freizustellen hatte, war für die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses lediglich ein Freistellungsanspruch begründet worden.
Wirtschaftlich war dieser Anspruch nicht mit einer Zahlung vergleichbar, da eine verfügungsfähige Vermehrung des Vermögens der Klägerin noch nicht eingetreten war.
Bei Forderungen führt nicht deren Fälligkeit, sonder erst der Einzug zur tatsächlichen Verfügungsmacht über die Einnahme und damit zu deren Besteuerung nach § 11 Abs. 1 (vgl. Schmidt/Heinecke, Kommentar zum EStG, § 11, Rdn. 5 "Abtretung").
Die mit Schreiben des Bankhauses W. F. und Söhne vom 24.02.1983 erteilte Genehmigung hatte zwar gemäß § 415 Abs. 1 BGB zur Folge, daß die zwischen der Klägerin und der G. Grundstücksverwaltungs GbR vereinbarte Schuldübernahme zivilrechtlich rückwirkend auf den 31.12.1982 Wirksamkeit erlangte. Dieses führt indes entgegen der Auffassung des FA nicht dazu, daß ein Zufluß von Einnahmen im Streitjahr 1982 anzunehmen ist.
Dem steht entgegen, daß der Zuflußbegriff auf das rein Tatsächliche abstellt (vgl. Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewien, Kommentar zum EStG, § 11, Rdn. 89) und ein tatsächlicher Vorgang nicht mit rückwirkender Kraft gestaltet werden kann (vgl. Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum EStG, S 11, Rdn. 18).
Dieses ergibt sich mittelbar auch aus dem BFH-Urteil vom 29.04.1982 IV R 95/79, BStBl II 1982 S. 593, 594. Dort hat der BFH ausgeführt, daß die Verfügungsmacht, die ein Steuerpflichtiger über einen unter einer auflösenden Bedingung erworbenen Geldbetrag erlangt hat, auch nicht dadurch rückwirkend verlorengeht, daß die Bedingung eintritt und der Steuerpflichtige zu der Rückzahlung verpflichtet ist.
Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß auch ein rückwirkender Erwerb der Verfügungsmacht nicht angenommen werden kann.
Zudem ist der Zufluß von Einnahmen dadurch gekennzeichnet, daß der Leistungsempfänger über die Einnahme wirtschaftlich verfügen kann. Für die Klägerin bestand indes vor dem 24.02.1983 eine solche Verfügungsmöglichkeit hinsichtlich des Betrages in Höhe von 387.480 DM nicht, da sie bis zu diesem Zeitpunkt durch das Bankhaus W. F. und Söhne noch auf Erfüllung der Darlehnsverpflichtung in Anspruch genommen werden konnte.
Erst das aufgrund des Schreibens des Bankhauses W. F. und Söhne von 24.02.1983 erfolgte Freiwerden der Klägerin von der persönlichen Haftung stellt einen der Zahlung wirtschaftlich vergleichbaren Vorgang dar.
Aus diesem Grunde war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 135 Abs. 1, 138 Abs. 5 FGO.