Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 07.11.1996, Az.: 3 A 3016/96

Rechtmäßigkeit einer Kürzung von Sozialleistungen; Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
07.11.1996
Aktenzeichen
3 A 3016/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 22966
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1996:1107.3A3016.96.0A

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
unter Mitwirkung
der Vorsitzenden Richterin am Verwaltungsgericht Zschachlitz
der Richterin am Verwaltungsgericht Schlingmann-Wendenburg und des Richters Dr. Struß sowie
der ehrenamtlichen Richterin Fricke und des ehrenamtlichen Richters Eisenhauer
auf die mündliche Verhandlung vom 07. November 1996
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1

I.

Der ... geborene Kläger wendet sich gegen die Kürzung von Sozialhilfeleistungen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eine Kürzung um 50 % des Regelsatzes mit Bescheid vom 10.02.1995 für die Zeit ab 01.02.1995 bis 31.03.1995.

2

Der Kläger ist geschieden und unterhaltspflichtig für zwei Kinder. Er steht seit 1990 im Sozialhilfebezug beim Beklagten. Nach seinen Angaben hat er nach einer Lehre als Möbeltischler als Zeitsoldat bei der Bundeswehr gedient und danach seit dem Jahre 1980 kurzfristig als Möbeltischler und danach als Kampagnearbeit er in der ... gearbeitet. 1990 wurden die Arbeitslosenhilfezahlungen eingestellt. Vorher hatte der Kläger offenbar im September 1990 eine Fortbildungsmaßnahme des Arbeitsamtes abgebrochen, so daß die Leistungen des Arbeitsamtes eingestellt und eine Rückzahlungsforderung gestellt wurde. Ebenfalls im Jahre 1990 hatte der Beklagte bzw. die Samtgemeinde ... dem Kläger eine Arbeitsgelegenheit als Gemeindearbeiter nach § 19 Abs. 2 BSHG zur Verfügung gestellt. Die Maßnahme nach § 19 BSHG wurde am 18.12.1990 abgebrochen. Für Januar 1991 wurde dann der Regelsatz wegen Abbruchs der Maßnahme um 20 % gekürzt. Ab 01.02.1991 wurde der Regelsatz um 20 % gekürzt. Einem Aktenvermerk vom 15. März 1991 ist zu entnehmen, daß der Kläger von der Samtgemeinde ... an diesem Tage zum wiederholten Male aufgefordert worden war, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Am 03. Juni 1991 legte der Kläger ein Bewerbungsschreiben vom 25.05.1991 für eine Stelle als Möbeltischler vor. Ab Juni 1992 wurde der Regelsatz wieder voll gezahlt.

3

Im März 1993 ist der Kläger erneut für eine Maßnahme nach § 19 BSHG vorgeschlagen worden. Der Akte ist nicht zu entnehmen, ob bzw. weshalb der Kläger nicht an dieser Maßnahme teilgenommen hat.

4

Mit Bescheid vom 16.12.1994 kürzte der Beklagte den Regelsatz für den Kläger ab 01.01.1995 nach § 25 BSHG um 30 % und kündigte an, daß die Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt ganz eingestellt werde, wenn der Kläger sich weiterhin weigere, intensiv einen Arbeitsplatz zu suchen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.

5

Nachdem der Kläger keine Bewerbungen nachgewiesen hat, kürzte der Beklagte mit Bescheid vom 10.02.1995 den Regelsatz des Klägers ab 01.02.1995 um 50 % und kündigte an, daß, wenn der Kläger weiterhin keine Arbeitsbemühungen zeige, ab 01.03.1995 endgültig eingestellt werde. Die endgültige Einstellung der Regelsatzleistungen erfolgte dann mit Bescheid vom 17.03.1995 zum 01.04.1995, ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

6

Mit Schreiben vom 21.02.1995 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.02.1995 ein, mit dem die Hilfe auf 50 % gekürzt worden war. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.1995 zurück. Dagegen hat der Kläger am 11.05.1995 Klage erhoben.

7

Er trägt zur Begründung vor, daß er, da er so lange nicht mehr berufstätig gewesen sei, amts- bzw. vertrauensärztlich untersucht werden müßte und nach der Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt den ihm aufgelegten Verpflichtungen nicht nachkommen könne. Er könne sich damit auch nicht mehr beim Arbeitsamt melden und sich selbständig um Arbeit bemühen. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzantrages trägt der Kläger vor, daß er die Umschulungsmaßnahme des Arbeitsamtes abgebrochen habe, weil er unter starken familiären Problemen gelitten habe, da seine Großmutter, die wesentliche Bezugsperson zu diesem Zeitpunkt, gestorben sei. Er stehe mit dem Arbeitsamt ständig in Kontakt, die Vermittlung sei jedoch schwierig, weil er Rückenprobleme habe. Er stehe deshalb in ärztlicher Behandlung. Ein Attest könne derzeit nicht vorliegen, da der Beklagte ihm Krankenkosten verweigere. Er lese täglich die Zeitung und schaue, ob Hilfsarbeitertätigkeiten angeboten würden. Es kämen für ihn allerdings solche Arbeiten nicht in Betracht, die mit schwerem Heben oder Bücken verbunden sind.

8

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Bescheid des Beklagten vom 10.02.1995 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 12.04.1995 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 01.02.1995 bis 31.03.1995 ohne Kürzung des Regelsatzes zu zahlen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er wiederholt die Gründe von Bescheid und Widerspruchsbescheid.

11

Gegen die vollständige Einstellung der Regelsatzleistungen ab dem 01.04.1995 hat der Kläger Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (4 B 4272/95). Die 4. Kammer des erkennenden Gerichts hat mit Beschluß vom 17.08.1995 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückgewiesen, nachdem der damalige Berichterstatter dem Kläger ausdrücklich die Möglichkeit gegeben hatte, Ausführungen über Art und Weise seiner Arbeitssuche zu machen. In einem Erörterungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg haben sich die Beteiligten dann dahingehend verglichen, daß der Beklagte ab 01.10.1995 die Zahlungen bis zum 31.01.1996 zunächst einmal wieder aufnimmt und danach über weitere Maßnahmen nach § 25 BSHG entschieden wird.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Gerichtsakte im Verfahren 3 B 3255/96, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

13

II.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 VwGO.

14

Nach § 25 Abs. 1 BSHG hat derjenige, der sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten oder eine zumutbare Arbeitsgelegenheit anzunehmen, keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Eine Arbeitsverweigerung im Sinne des § 25 Abs. 1 BSHG ist nicht nur eine vorwerfbare Ablehnung eines angebotenen Arbeitsplatzes, sondern auch das vorwerfbare Unterlassen von Bemühungen um eine solche Arbeit. Eine ersichtliche Gleichgültigkeit bei der Arbeitssuche führt zum Verlust des Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt, wenn darin zurechenbar die Weigerung hervortritt, zumutbare Arbeit zu leisten (vgl. B. d. erk. Kammer v. 16.07.1996 - 3 B 3255/96 - m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind in dem hier fraglichen Zeitraum gegeben.

15

Nach den im Tatbestand geschilderten Vorgängen hat der Kläger während des laufenden Sozialhilfebezuges sowohl die Maßnahme beim Arbeitsamt als auch die Maßnahme bei der Gemeinde nach § 19 BSHG abgebrochen. Es war bereits in der Vergangenheit (1991) der Regelsatz gekürzt worden. Aus früheren Gesprächsvermerken ergibt sich, daß mit ihm darüber gesprochen worden ist, daß er sich um Arbeit bemühen muß. Mit Bescheid vom 16.12.1994 war die Sozialhilfe ab 01.01.1995 um 30 % gekürzt und der Kläger darauf hingewiesen worden, daß weitere Kürzungen erfolgen würden, wenn er sich weiterhin weigere, intensiv einen Arbeitsplatz zu suchen. Der Kläger hat daraufhin weder Bewerbungsunterlagen vorgelegt, noch sonstige Bemühungen um Arbeit erkennen lassen, noch dem Beklagten bzw. der Samtgemeinde Baddeckenstedt dargelegt, weshalb er dazu nicht in der Lage sein will. Deshalb durfte die Kürzung von 30 % auf 50 % erhöht werden. Zwar begegnet die Kürze der Abfolge der Kürzungen Bedenken, jedoch ist angesichts des Verlaufs dieses speziellen Sozialhilfefalles und vor allem der Tatsache, daß der Kläger auf den Bescheid vom 16.12.1994 hin, mit dem die 30 %ige Kürzung verfügt worden war, keinerlei Reaktion gezeigt hat, dem Beklagten zuzubilligen, bereits nach einem Monat eine weitere Kürzung vorzunehmen. Angesichts des Verhaltens des Klägers bestand für den Beklagten zu diesem Zeitpunkt keine andere Möglichkeit, ihn zur Mitwirkung anzuhalten, als den Regelsatz weiter zu kürzen. Die Frage, ob ohne weitere Hilfestellung des Beklagten die Regelsatzleistungen ganz eingestellt werden durften, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

16

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.

17

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Zschachlitz
Dr. Struß
Schlingmann-Wendenburg