Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.05.2000, Az.: 5 W 84 / 00

Voraussetzungen für eine entgeltliche Betreuung; Bemessung der Vergütung bei mittelosem Pflegling; Zur Frage der Verfassungsgemäßheit von § 1 Abs. 1 Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern (BVormVG)

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.05.2000
Aktenzeichen
5 W 84 / 00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 23079
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2000:0519.5W84.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 06.04.2000 - AZ: 7 T 154/00

Fundstellen

  • FamRZ 2000, 1534 (Volltext mit red. LS)
  • Rpfleger 2000, 456-457

In der Pflegschaftssache
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
die unterzeichnenden Richter...
am 19. Mai 2000
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beschwerdegegners wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 06.04.2000 aufgehoben und die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens über die weitere Beschwerde trägt die Beschwerdeführerin; im übrigen ist das Verfahren über die weitere Beschwerde gerichtskostenfrei.

Beschwerdewert: 296,69 DM

Gründe

1

Wegen des Sachverhalts wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

2

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 28, 29, 22 Abs. 1 S. 1, 56g Abs. 5 FGG zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss hält der im Rahmen der weiteren Beschwerde vorzunehmenden rechtlichen Überprüfung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO) nicht stand.

3

Die Betreuung wird grundsätzlich unentgeltlich geführt (§§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie wird ausnahmsweise entgeltlich geführt, wenn das Gericht - wie hier durch Beschluss vom 29.02.1996 unter Bezugnahme auf die Berufsbezeichnung der Beschwerdeführerin - bei der Bestellung des Pflegers feststellt, dass die Vormundschaft berufsmäßig geführt wird (§§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 S. 2 BGB). In diesem Fall bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach den für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der vormundschaftlichen Geschäfte (§§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 2 S. 2 BGB). Schuldner der Vergütung ist grundsätzlich der Pflegling. Ist dieser mittellos, kann der Pfleger die nach §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 2 BGB zu bewilligende Vergütung nach Maßgabe des § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern (BVormVG) aus der Staatskasse verlangen (§ 1836a BGB).

4

Unzweifelhaft war die Minderjährige P...-D... A... zum Zeitpunkt der Antragstellung mittellos. Dieser Zustand dauert auch noch an, da - wie die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 15.05.2000 mitgeteilt hat - der Nachlass offensichtlich noch nicht auseinandersetzungsfähig ist. Nur deshalb kann die Beschwerdeführerin ihren Vergütungsanspruch überhaupt gegen die Staatskasse geltend machen. Infolgedessen spielt es entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts keine Rolle, ob die Pflegschaft ein erhebliches Vermögen umfasst. Ist nämlich der Pflegling mittellos, wird bei der Bemessung des für die Vergütung festzusetzenden Stundensatzes gerade nicht mehr auf die Schwierigkeit der jeweiligen Pflegschaft (Betreuung, Vormundschaft) abgestellt (vgl. Palandt-Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 59. A., § 1836a Rn. 1). Umgekehrt kann aus dem Umstand, dass es um die Realisierung erheblicher Vermögenswerte geht, nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, die Minderjährige sei nicht mittellos, so dass - so aber das Beschwerdegericht - eine die dem Vorlagebeschluss vom 15.12.1999 des Bayerischen Obersten Landesgerichts (FamRZ 2000, 318) vergleichbare Rechtsfrage gegeben sei. Bei dem dem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Problem ging es nämlich im Gegensatz zu der hier zu entscheidenden Frage darum, ob der Berufsbetreuer aus dem Vermögen des Betroffenen zu vergüten und ob dabei auch ein höherer Stundensatz zuzubilligen sei. Es war demnach von einem bemittelten Betreuten auszugehen. Nur für diesen Fall stellte sich die vom OLG Zweibrücken (FamRZ 2000, 180) aufgeworfene - und verneinte - Frage, ob § 1 Abs. 1 BVormVG auf bemittelte Betreute anzuwenden sei, also auch in Bezug auf diese Höchstsätze enthalte. Dieser Sachverhalt liegt indessen hier nicht vor, so dass es auch nicht auf die Entscheidung dieser Frage ankommt. Maßgeblich ist allein der Umstand der Mittellosigkeit, der zur Anwendung von § 1 Abs. 1 BVormVG führt.

5

Diese Bestimmung ist nicht verfassungswidrig (OLG Hamm BtPrax 2000, 37; OLG Köln, JurBüro 2000, 26, 28; OLG Dresden, Rpfleger 1999, 539, 540). Zwar kann nicht übersehen werden, dass die Änderung des Betreuungsrechts und die Anwendung von § 1 BVormVG regelmäßig zu einer niedrigeren Vergütung als bisher für die zu Verfahrenspflegern bestellten Rechtsanwälte führen wird. Allerdings wurde dieses vom Gesetzgeber auch gesehen und sogar berücksichtigt (OLG Hamm a.a.O. m.w.N.). Allein das führt jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit der hier zur Anwendung gelangenden Bestimmungen. Zwar gebietet Art. 12 Abs. 1 GG, dass der Staat dann, wenn er für Aufgaben, deren Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, Staatsbürger beruflich in Anspruch nimmt, diese angemessen entschädigt. Die Sätze des § 1 BVormVG sind jedoch - soweit sie eine Tätigkeit als Verfahrenspfleger abdecken sollen - nicht unangemessen niedrig. Es mag zutreffen, dass sie für denjenigen, der sich allein als Verfahrenspfleger betätigt und aus ihnen deshalb nicht nur eine Vergütung für eine Nebentätigkeit im Einzelfall bezieht, sondern neben seinem Lebensunterhalt auch seine Bürokosten zu bestreiten hat, nicht kostendeckend sind. Das führt jedoch nicht dazu, dass deshalb die gesetzliche Vergütungsregelung verfassungswidrig ist. Denn anders als etwa das Führen von Betreuungen hat sich das Führen von Verfahrenspflegschaften (noch) nicht zu einem eigenständigen Beruf entwickelt. Verfassungsrechtliche Bedenken ergäben sich erst, wenn die gesetzliche Regelung den von ihr betroffenen Rechtsanwalt übermäßig belastete (OLG Köln a.a.O.; OLG Dresden a.a.O.).

6

Feststellungen dieser Art haben die Vorinstanzen jedoch nicht getroffenen. Das Unterlassen dieser Feststellungen, insbesondere zum Umfang der beruflichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin erweist sich allerdings nicht als fehlerhaft, da die Beschwerdeführerin hierzu in den Tatsacheninstanzen nicht substantiiert vorgetragen, sondern lediglich dargetan hat, eine angemessene Vergütung ihrer Tätigkeit sei nicht gewährleistet.

7

Hält die genannte Vergütungsregelung somit einer verfassungsmäßigen Überprüfung gemäß Art 12. Abs. 1 GG stand, so gilt dieses auch im Hinblick auf Art. 3 GG. Der Einwand der Antragstellerin, die Tätigkeit der Sozialpädagogen sei auf 60,00 DM aufgewertet während die der Anwälte auf 60,00 DM abgewertet worden sei, vermag einen Verstoß gegen Artikel 3 GG nicht zu begründen. Denn in der Entscheidung, welche differenzierenden Regelungen der Gesetzgeber für geboten oder nicht für geboten hält, ist er frei. Der Gleichheitsgrundsatz wäre erst dann verletzt, wenn sich kein sachlich vertretbarer Grund für eine gleiche Behandlung nur teilweise gleicher, in anderer Hinsicht aber unterschiedlich gelagerter Fälle finden ließe. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt, da der sachlich vertretbare Grund für die Gleichbehandlung von Sozialpädagogen und Rechtsanwälten gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 BVormVG in den "durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung" erworbenen Kenntnissen zu erblicken ist.

8

Ist somit davon auszugehen, dass die Bestimmungen des § 1 BVormVG verfassungsgemäß sind und hier gemäß § 1836a BGB zur Anwendung zu gelangen hatten, ist das Vormundschaftsgericht in dem Beschluss vom 09.02.2000 beanstandungsfrei von dem von § 1 Nr. 2 BVormVG vorgesehenen Stundensatz in Höhe von 60,00 DM ausgegangen, infolgedessen der diese Entscheidung aufhebende Beschluss des Beschwerdegerichts vom 06.04.2000 aufzuheben und damit die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts wieder herzustellen war

9

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 KostO, 13a Abs. 1 S. 1 und 2 FGG.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 296,69 DM