Landgericht Hannover
Beschl. v. 24.02.2016, Az.: 40 Qs 18/16
Unverhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem Zeitablauf von einem Jahr und 4 Monaten seit Anordnung dieser Maßnahme; Verletzung des Beschleunigungsgebots
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 24.02.2016
- Aktenzeichen
- 40 Qs 18/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 12324
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2016:0224.40QS18.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 12.11.2014 - AZ: 210 Gs 153/14
Rechtsgrundlagen
- § 111a StPO
- § 52 Abs. 3 WaffG
Fundstellen
- StV 2018, 403
- VRA 2016, 101
- ZAP EN-Nr. 476/2016
- ZAP 2016, 672
- zfs 2016, 469
Amtlicher Leitsatz
Bei einem Zeitablauf von einem Jahr und 4 Monaten seit Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist die weitere Aufrechterhaltung der Maßnahme als unverhältnismäßig anzusehen.
In der Strafsache gegen pp.
wegen Vergehen nach § 52 Abs. 3 WaffG
hat die - 2. große Strafkammer - des Landgerichts Hannover auf die Beschwerde d. Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 12.11.2014 (210 Gs 153/14) nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 24.02.2016 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die d. Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe
Unbeschadet des fortbestehenden dringenden Tatverdachts und unabhängig von der Frage, ob der mutmaßliche Eignungsmangel im Sinne des § 69 StGB weiter besteht und deshalb gemäß § 111 a StPO dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen sein wird, erscheint die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegend wegen auf einer sachwidrigen Behandlung unter Verletzung des Beschleunigungsgebots beruhenden Verzögerung des Verfahrens unverhältnismäßig (vgl. dazu OLG Karlsruhe, NStZ 2005, 402 f. [OLG Karlsruhe 09.02.2005 - 2 Ws 15/05]).
Der verfahrensgegenständliche Vorfall datiert vom 27.10.2014. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.11.2014 wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Am 17.04.2015 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zum Strafrichter. Eine auf den 12.10.2015 terminierte Hauptverhandlung wurde wegen Abwesenheit eines Zeugen ausgesetzt. Am 13.10.2015 wurde Termin für die neue Hauptverhandlung auf den 10.03.2016 bestimmt.
Den Angeklagten auf geraume Zeit auf der Grundlage vorläufiger Erkenntnisse ohne Fahrerlaubnis zu belassen, widerspricht vor dem Hintergrund dieser zögerlichen Sachbehandlung dem Rechtsstaatsgebot. Die Belastung aus einem Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich muss in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen stehen. Das gilt sowohl hinsichtlich der Anordnung und der Vollziehung als auch hinsichtlich der Fortdauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 13. März 2013 — 18 Qs 14/13 —, ). Bei einem Zeitablauf von einem Jahr und 4 Monaten seit Anordnung der Maßnahme bis zur Hauptverhandlung ist ein solches vernünftiges Verhältnis im vorliegenden Fall nicht mehr gegeben. Aus diesem Grunde ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis als unverhältnismäßig aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467, 473 StPO.
Gegen diesen Beschluss ist eine weitere Beschwerde nicht zulässig (§ 310 Abs. 2 StPO).