Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 02.08.1996, Az.: SS 274/96

Beruflich entschuldigtes Ausbleiben in einer Hauptverhandlung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit; Richtige Anwendung des Rechtsbegriffs der genügenden Entschuldigung; Voraussetzungen der genügenden Entschuldigung für das Ausbleiben eines Betroffenen in einer Hauptverhandlung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
02.08.1996
Aktenzeichen
SS 274/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 21442
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0802.SS274.96.0A

Fundstelle

  • zfs 1996, 434 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zum beruflich entschuldigten Ausbleiben in einer Hauptverhandlung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

Gründe

1

Mit Schriftsatz vom 10. Mai 1996 hat der Betroffene gebeten, den Termin zu verlegen. Er sei Berufskraftfahrer und am Terminstage beruflich mit einem Lkw in Spanien unterwegs. Für eine Verhandlung in der Zeit vom 1. bis zum 20. Juli 1996 stehe er zur Verfügung. Das Amtsgericht hat es abgelehnt, den Termin zu verlegen. Zur Hauptverhandlung ist der Betroffene nicht erschienen. Der Verteidiger hat beantragt, die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Betroffenen aufzuheben und ohne diesen zu verhandeln. Er hat erneut auf den Auslandsaufenthalt des Betroffenen hingewiesen.

2

Das Amtsgericht hat den Einspruch des Betroffenen mit der Begründung verworfen, er sei in der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben.

3

Das Urteil war aufzuheben, weil es nicht ausreichend erkennen lässt, ob das Amtsgericht den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung richtig angewendet hat, § 74 Abs. 2 Satz 1 0WiG. Zwar obliegt die Entscheidung, ob das Ausbleiben eines Betroffenen genügend entschuldigt ist, dem Tatrichter. Dem Rechtsbeschwerdegericht muss jedoch die Möglichkeit gegeben sein, diese Entscheidung zu prüfen. Das setzt voraus, dass das Urteil, in dem der Einspruch verworfen wird, die Umstände darlegt und entsprechend würdigt, die eine Entschuldigung der Abwesenheit des Betroffenen begründen könnten. Das ist hier nicht geschehen.

4

Genügend entschuldigt ist das Ausbleiben eines Betroffenen auch dann, wenn ihm das Erscheinen nicht zugemutet und ihm deshalb sein Fernbleiben nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Darüber für ihn ein Fall der Unzumutbarkeit vorliegt, ist durch Abwägung seiner staatsbürgerlichen Pflicht, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, gegenüber dem Grund seines Ausbleibens zu befinden. Bei dieser Abwägung ist zu beachten, dass die Pflicht, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, grundsätzlich privaten und beruflichen Pflichten vorgeht. Jedoch kann der berufliche Einsatz eines Betroffenen in der vorliegenden Art auch angesichts des nicht erheblichen Gewichts der hier zu verhandelnden Ordnungswidrigkeit anzuerkennender Grund sein, der Hauptverhandlung ohne verfahrensrechtlich nachteilige Folgen fernzubleiben. Das gilt umso mehr, wenn wie hier die Abwesenheit befristet ist, rechtzeitig dem Gericht mitgeteilt wird und sich auf den ersten in der Sache anberaumten Termin bezieht, vgl. dazu OLG Oldenburg Nds. Rp 280. Es ist nicht erkennbar, dass das Amtsgericht diese Grundsätze genügend berücksichtigt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil darauf beruht.