Arbeitsgericht Osnabrück
Urt. v. 03.07.2007, Az.: 3 Ca 199/07
Überprüfung der bei einer betriebsbedingten Kündigung getroffenen Sozialauswahl bei Bestehen eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans; Wirksamkeit einer Sozialauswahl bei Verstoß der kollektiven Regelung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG); Vorliegen einer Diskriminierung von älteren Arbeitnehmern durch eine bestimmte Altersgruppenbildung bei der Sozialauswahl
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Osnabrück
- Datum
- 03.07.2007
- Aktenzeichen
- 3 Ca 199/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 55674
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGOSN:2007:0703.3CA199.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 3 KSchG
- § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG
Fundstellen
- AUR 2007, 321-322 (Volltext mit amtl. LS)
- AuR 2007, 321-322 (Volltext mit amtl. LS)
- BB 2008, 667 (Kurzinformation)
- DVP 2008, 391
- EzA-SD 23/2007, 5
- NJW 2007, XII Heft 36 (amtl. Leitsatz)
- NZA 2007, 982-986 (Volltext mit amtl. LS)
- NZA-RR 2007, VI Heft 10 (amtl. Leitsatz)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2007
durch
die Richterin... als Vorsitzende,
die ehrenamtliche Richterin...
den ehrenamtlichen Richter...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.01.2007 aufgelöst worden ist.
- 2.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschlusses Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen als... weiter zu beschäftigen.
- 3.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 4.
Der Wert des Streitgegenstandes ist auf 10.326,20 EUR festzusetzen.
- 5.
Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von der Beklagten aufgrund des am 12.1.2007 geschlossenen Interessenausgleichs und Sozialplans ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung vom 24.1.2007.
Die Klagepartei ist seit dem 05.03.1990 bei der Beklagten als... beschäftigt. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt beträgt. ...
Laut Angaben zur Massenentlassungsanzeige (Anlage 27 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007) waren bei der Beklagten im Januar 2007 insgesamt 4.646 Arbeitnehmer beschäftigt. Im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung der Klagepartei (der so genannten Stufe II der Betriebsvereinbarung 17/06) kündigte die Beklagte weiteren 140 Beschäftigten betriebsbedingt.
Beginnend ab dem 1.6.2006 fanden zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat Gespräche zur Vorbereitung eines Interessenausgleichs nebst Sozialplan statt. Auf der Grundlage dieser Gespräche und nach einer Betriebsversammlung am 16.8.2006 wurde der vereinbarte Sozialplan und Interessenausgleich Nr. 17/06 am 8.9.2006 vom Betriebsratsvorsitzenden mit Wirkung für den Betriebsrat für Kündigungen der Stufe I unterzeichnet. In der Präambel des Sozialplans und Interessenausgleichs Nr. 17/06 ist vereinbart, dass aufgrund einer gemeinsamen unternehmerischen Entscheidung Kündigungen in zwei Stufen ausgesprochen werden sollen. Danach wurden in der ersten Stufe 619 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, die Arbeitnehmer im Produktionsbereich betrafen. Die gegenüber der Klagepartei ausgesprochene Kündigung fällt in die dort bezeichnete Stufe II, für Kündigungen von Tätigkeiten im "Fixkostenbereich" des Unternehmens, die nicht direkt im Produktionsbereich liegen.
In dem Sozialplan und Interessenausgleich Nr. 17/06 haben die Betriebsparteien unter III 2 a) für die in der Stufe II beabsichtigten Kündigungen folgendes zur Sozialauswahl vereinbart:
"Die Sozialauswahl erfolgt entsprechend der Vorschriften gem. Ziff. 2 dieses Interessenausgleichs. Die Betriebsparteien einigen sich darüber, ob eine Auswahl auf der Grundlage von Altersgruppen zu erfolgen hat."
In der den Sozialplan/Interessenausgleich ergänzenden Betriebsvereinbarung BV 29/06 vom 21.12.2006 (Anlage 22 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007) vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat, dass bei der Sozialauswahl keine Altersgruppen gebildet werden und imÜbrigen die Regelungen der Sozialauswahl nach A II 2 angewendet werden sollten. Für die Gruppe der über 55jährigen vereinbarten sie zudem die Geltung der Regelungen unter A II 2 c), 4. Absatz des Sozialplans und Interessenausgleichs Nr. 17/06.
Für die Sozialauswahl ist unter AII 2 Folgendes bestimmt:
"b)
Für die Sozialauswahl der von Beendigungskündigungen betroffenen Belegschaftsmitglieder werden folgende Auswahlrichtlinien zu Grunde gelegt und mit Punkten zueinander gewichtet (Stichtag 31.07.2006):
Kriterien Punkte 1. Lebensalter für jedes vollendete Jahr nach dem 18.Lbensjahr 1,0 Punkte je Lebensalter 2. Dauer der Betriebszugehörigkeit für jedes Beschäftigungsjahr 1,5 Punkte 3. Unterhaltspflichten Ehegatte/eingetragener Lebenspartner 5,0 Punkte Je Kind 7 Punkte 4. Schwerbehinderte 11 Punkte oder Gleichgestellte 9,0 Punkte d)
...Nach erfolgter Beurteilung entsprechend diesem Punktesystem ist ggf. eine Betrachtung einzelner persönlicher, sozialer Härtefälle zu berücksichtigen (wie z.B. doppelte Betroffenheit von Ehepartnern oder ungeborenes Kind mit nachgewiesener Vaterschaftsanerkennung).
Abschließend ist in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung aller Gesamtumstände durchzuführen."
Unter A II 2 c), 4. Absatz des Sozialplans und Interessenausgleichs Nr. 17/06 ist zur Sozialauswahl folgendes geregelt:
"Die Betroffenheit der Altersgruppe ab 55 Jahre wird dadurch erreicht, dass aus dieser Altersgruppe im gesamten Unternehmen alle diejenigen Beschäftigten eine Beendigungskündigung erhalten, die beginnend ab dem 1.10.2006 die Möglichkeit haben, nach Ablauf von 30 Monaten (12 Monate Transfergesellschaft und 18 Monate Arbeitslosengeldbezug) eine Altersrente (gekürzt oder ungekürzt) zu beziehen. Aus dieser Altersgruppe wird es im Rahmen dieser Maßnahme keine weiteren Kündigungen geben."
Zur Vorbereitung der Namenslisten forderte die Beklagte alle Mitarbeiter per Aushang vom 12.12.2006 auf, die Sozialdaten zu prüfen und bis einschließlich 18.12.2006 Änderungen unter Vorlage entsprechender Nachweise zu dokumentieren.
Am 12.1.2007 unterzeichneten die Betriebsparteien den Interessenausgleich/Sozialplan 01/07 in Form einer Ergänzungsvereinbarung zum Interessenausgleich/Sozialplan 17/06 und die von ihnen erstellte Namensliste für die auszusprechenden Kündigungen. Die der Sozialauswahl zu Grunde liegenden Erwägungen wurden von den Betriebsparteien für die einzelnen Arbeitnehmer protokolliert (vgl. Anlage 30 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007).
Die Betriebsparteien erstellten die Namenliste nach A II 2 c), 4. Absatz des Sozialplans und Interessenausgleichs Nr. 17/06 dabei so, dass Arbeitnehmer mit einem Lebensalter über 55 Jahre von vornherein aus der Sozialauswahl genommen und gekündigt wurden, wenn sie die Chance hatten, nach 12 Monaten Transfergesellschaft und 18 Monaten Arbeitslosengeldbezug direkt eine Altersrente zu beziehen. Unter diese Regelung fielen 35 Arbeitnehmer, von denen neun gegen die Kündigung klagten. In diesen neun Fällen nahm die Beklagte die Kündigungen zurück.
Mit Anhörungsschreiben vom 15.1.2007 (Anlage 24 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007) wurde der Betriebsrat von der Beklagten aufgefordert, zu den ausgesprochenen Kündigungen der in der Namensliste bezeichneten Mitarbeiter Stellung zu nehmen. Mit Schreiben gleichen Datums, in dem auf beiliegende Anlagen, Namensliste und Anhörung des Betriebsrats Bezug genommen wird, wurde die Schwerbehindertenvertretung zu ihrer Mitwirkung aufgefordert (Anlage 25 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007). Der Betriebsrat hat der Kündigung mit Schreiben vom 17.01.2007 widersprochen. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen.
In einem mit Eingangsstempel der Agentur für Arbeit Osnabrück vom 23.1.2007 versehenen Schreiben zeigt die Beklagte an, dass 140 Mitarbeitern betriebsbedingt gekündigt werden soll (Anlage 27 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007). Mit Schreiben vom 12.2.2007, das den Eingangsstempel "Leitung Personal Werk Osnabrück" vom 14.2.2007 trägt, bestätigte die Bundesagentur für Arbeit, dass die Anzeige wirksam erstattet sei und die Sperrfrist am 23.2.2007 ende (Anlage 29 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007).
Am 17. und 18.1.2007 bestand für die bei der Beklagten Beschäftigten die Möglichkeit, im Rahmen eines dreiseitigen Vertrages (Anlage 7 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007) in die bei der Beklagten gebildete Transfergesellschaft zu wechseln.
Die Klagepartei ist der Ansicht, die Kündigung sei sozialwidrig ausgesprochen worden und damit rechtsunwirksam. Mit der am 13.02.2007 beim Arbeitsgericht Osnabrück erhobenen Kündigungsschutzklage wendet sie sich deshalb gegen die betriebsbedingte Kündigung und beantragt,
- 1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 24.01.2007 nicht aufgelöst wird;
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als... weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Kündigung sei rechtswirksam auf der Grundlage des Interessenausgleichs und Sozialplans ausgesprochen worden. Die kollektiven Vereinbarungen seien erforderlich gewesen, da aufgrund von Absatzschwierigkeiten Personal habe abgebaut werden müssen. Dieser Umstand dokumentiere sich in dem Sozialplan Nr. 12 aus 2005, in dem umfangreiche Kurzarbeit vereinbart worden sei. Aufgrund des wirksamen Interessenausgleichs und Sozialplans sei das Vorliegen eines "dringenden betrieblichen Erfordernisses" gem. § 1 Abs. 5 KSchG zu unterstellen.
Ebenso sei die Sozialauswahl wirksam durchgeführt worden. Nach § 1 Abs. 5 KSchG sei diese ohnehin nur auf "grobe Fehlerhaftigkeit" zu überprüfen.
Es liege keine grobe Fehlerhaftigkeit vor. Dieser Überprüfungsmaßstab gelte, da der Interessenausgleich/Sozialplan insbesondere nicht gegen das AGG verstoße.
Insbesondere verstoße die Kündigung der über 55jährigen Arbeitnehmer, die unter die so genannte "12 + 18-Regelung" fallen, nicht gegen § 7 Abs. 2 AGG. Die Regelung bezwecke zum einen den sozialen Schutz dieser älteren Arbeitnehmer, da ihnen die Möglichkeit geboten worden sei, auf sozialverträglichen Weg die Zeit bis zum Bezug einer Altersrente zu überbrücken. Im Übrigen seien die Kündigungen zurückgenommen worden, wie im Vorfeld mit dem Betriebsrat abgesprochen worden sei. Zum anderen werde durch die Kündigung dieser Gruppe von Beschäftigten erreicht, dass letztlich in dieser Gruppe so viele Arbeitnehmer gekündigt worden seien, wie dies bei einer Sozialauswahl aufgrund der im Interessenausgleich/Sozialplan für die erste Stufe vorgesehenen Altergruppenbildung der Fall gewesen wäre (vgl. S. 25 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007). Da aber diese Altergruppenbildung nach dem AGG gerechtfertigt sei, gelte dies auch für die in der zweiten Stufe ausgesprochenen Kündigungen.
Die Bildung von Altersgruppen hätte nämlich grundsätzlich gerechtfertigt werden können. So habe sich die Altersstruktur durch die vorangegangenen Sozialpläne bereits verschlechtert, wie die von der Beklagten als Anlagen 5 a) bis m) zum Schriftsatz vom 14.5.2007 beigefügten Übersichten zeigten. Die Verschlechterung sei darin zu sehen, dass der Altersdurchschnitt von Juni 2004 (37 Jahre) über Februar 2005 (Altersdurchschnitt 41 Jahre) über Juli 2005 (Altersdurchschnitt 42 Jahre) bis Januar (Altersdurchschnitt 43 Jahre) insgesamt um 6 Jahre gestiegen sei. Hätte die Beklagte - wie sie in ihrerÜbersicht (Anlage 4 des Schriftsatzes vom 14.5.2007) zeigt - die betriebsbedingten Kündigungen und die Sozialauswahl zwischen den zu kündigenden Arbeitnehmer ohne Altersgruppen vorgenommen, hätte sich der Altersdurchschnitt um weitere vier Jahre erhöht. Bei Mitbewerbern - die Beklagte nennt... und... als Vergleich - sei der Altersdurchschnitt erheblich niedriger (Zahlen für 2005... und... Jahre).
Die Bildung von Altersgruppen widerspreche nicht den Regelungen des AGG, wenn man das Gesetz trotz der Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 4 AGG auf Kündigungen anwenden wolle. In § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG sei ausdrücklich geregelt, dass eine ausgewogene Personalstruktur des Betriebs, die im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen ist. Es sei ständige Rechtsprechung, dass Altergruppen daher so gebildet werden können, dass sich die vorhandene Altersstruktur nicht verschlechtere. Diese Ausnahmeregelung sei notwendig, um die "Lebensfähigkeit des Betriebs zu sichern"
Im Betrieb der Beklagten hätten sich Kündigungen, ohne Berücksichtigung der Altersgruppen so ausgewirkt, dass "insbesondere vor dem Hintergrund der weiteren noch zu erwartenden Entwicklungen fast nur noch ältere Arbeitnehmer im Betrieb gewesen wären und damit die Produktion bereits mittelfristig nicht weiter hätte aufrechterhalten werden können. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der sich aus den... Benchmarkkennziffem ergebenden sehr viel günstigeren Altersstrukturen der Konkurrenzunternehmen in Deutschland würde die Gefahr bestehen, dass die Beklagte keine weiteren Aufträge mehr erlangen würde" (Schriftsatz der Beklagten vom 14.5.2007 dort S. 23).
Ebenso sei hinsichtlich des Alters zu differenzieren, da diese Unterscheidung gerade zu einer auf den Betrieb gesehenen prozentual gleichmäßigen Berücksichtigung der Altersgruppen bei Kündigungen führe. Insoweit verweist die Beklagte auf die Ausführungen ihrer beigefügten Berufungsschrift (Schriftsatz der Beklagten vom 14.5.2007 dort S. 26), in der sie weiter ausführt, dass eine Altersgruppenbildung gerade ein Mittel zur Verhinderung einer Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer sei (Schriftsatz der Beklagten vom 14.5.2007, Anlage 21 dort S. 13 oben) und an ihr ein berechtigtes betriebliches Interesse bestehe, da ältere Arbeitnehmer weniger leistungsfähig seien (Schriftsatz der Beklagten vom 14.5.2007, Anlage 21 dort S. 17) bzw. ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten höher seien (Schriftsatz der Beklagten vom 14.5.2007, Anlage 21 dort S. 21).
Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass selbst bei Annahme eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 AGG, die in Frage stehende Kündigung gerechtfertigt sei, da sich die Klagepartei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG 9.11.2006 - 2 AZR 812/05 - DB 2007, 1087) nicht auf eine Gesamtunwirksamkeit berufen könne, sondern weniger schutzwürdigere Arbeitnehmer konkret benennen müsse (Schriftsatz der Beklagten vom 14.5.2007, Anlage 21 dort S. 8). Das Gericht müsse im Falle einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl ansonsten prüfen, ob der Klagepartei nicht ohnehin hätte gekündigt werden müssen. Die Sozialauswahl sei aber als solche ordnungsgemäß durchgeführt worden, da im Zeitpunkt der Erstellung der Namensliste § 10 Ziff 6 AGG a.F. gegolten habe, nach dem die Sozialauswahl - wie vorgenommen - habe durchgeführt werden können.
Für das übrige Vorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschriften der öffentlichen Sitzungen vom 12.3.2007 und vom 3.7.2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1.
Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Osnabrück ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 29 ZPO.
2.
Die Klage ist begründet, da die der Kündigung zu Grunde liegende Sozialauswahl nicht wirksam gemäß § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 S. 2 KSchG vorgenommen wurde.
a)
Die Klage ist innerhalb der Frist des § 4 KSchG erhoben worden.
b)
Die Kündigung ist grundsätzlich am Maßstab des§ 1 Abs. 5 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 KSchG zu messen. Danach wird bei einem wirksamen Interessenausgleich das dringende betriebliche Erfordernis vermutet. Nach§ 1 Abs. 5 S. 2 KSchG kann die Sozialauswahl in diesem Fall nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Interessenausgleich/Sozialplan selbst rechtmäßig abgeschlossen worden ist.
c)
Die gesetzliche Abmilderung des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs auf "grobe Fahrlässigkeit" greift nämlich nur dann, wenn der Interessenausgleich selbst wirksam ist. Verstößt die kollektive Regelung selbst gegen ein gesetzliches Verbot oder widerspricht sie den Vorgaben des KSchG ist die Sozialauswahl unwirksam, ohne dass die Maßstabsbeschränkung greift (zuletzt ArbG Essen 30.8.2005 - 2 Ca 670/05 - NZA-RR 2006, 77). Vereinbaren die Betriebsparteien eine Namensliste, ist die Überprüfung der Kündigungsentscheidung auf eine Altersdiskriminierung nicht ausgeschlossen (Annuß, BB 2006, 325, 326).
Nach Auffassung der Kammer ist die Sozialauswahl nicht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. Die im Interessenausgleich und Sozialplan Nr. 17/06 unter 2 c) vorgenommene Herausnahme derüber 55jährigen aus der Sozialauswahl ist eine nach dem AGG nicht gerechtfertigte Schlechterstellung älterer Arbeitnehmer. Einen Rechtfertigungsgrund hat die Beklagte nach Ansicht der Kammer trotz ihrer Darlegungslast nicht vorgetragen. Für die Frage, ob der Interessenausgleich/Sozialplan eine nach dem AGG gerechtfertigte Benachteiligung beinhaltet, ist der Arbeitgeber gem. § 22 AGG darlegungsund beweispflichtig, wenn Indizien für eine solche Benachteiligung vorliegen. Zwar führt der Verstoß gegen§ 7 AGG nicht in allen Fällen automatisch zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, da die Klagepartei insbesondere nicht zu der Gruppe der aus der Sozialauswahl herausgenommenen Arbeitnehmer gehört. Im vorliegenden Fall kann auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Abkehr von der "Dominotheorie" (BAG 9.11.2006 - 2 AZR 812/05, DB 2007, 1087) die Kündigung jedoch nicht aufrechterhalten werden (dazu unter cc).
aa)
Die Beklagte hat keinen nach dem AGG zu beachtenden Rechtfertigungsgrund dafür vorgetragen, warum sie über 55jährige Arbeitnehmer von der Sozialauswahl ausgeschlossen und direkt gekündigt hat, die nach 12 Monaten Transfergesellschaft und 18 Monaten Arbeitslosengeld eine Altersrente beziehen können.
(1)
Die Vorschriften des AGG finden auf die Kündigung trotz der in § 2 Abs. 4 AGG geregelten Ausnahme Anwendung. Zunächst ist das AGG auf den am 12.1.2007 zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat abgeschlossenen Interessenausgleich gem. § 33 AGG anwendbar. Danach findet das Gesetz ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 18.8.2006 grundsätzlich ohne Übergangsfristen Anwendung. Zwar heißt es in § 2 Abs. 4 AGG, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten sollen. Nach einhelliger Ansicht in der Literatur (zuletzt zusammenfassend Hamacher/Ulrich, NZA 2007, 657; Bauer, NZA 2007, 675; Sagan, NZA 2006, 1257; Bauer/Preis/Schunder, NZA 2006, 1261; Däubler/Bertzbach-Däubler, HaKo-AGG, § 2 Rn. 262; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 2 Rn. 62; Bayreuther, DB 2006, 1842, 1843; Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887; Wisskirchen, DB 2006, 1495) ist diese Ausnahmevorschrift jedoch in ihrem Wortlaut europarechtswidrig, da sich die Richtlinie 2000/78/EG in ihrem Anwendungsbereich unstrittig auch auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezieht (EuGH 11.7.2006 - Rs. C 13/05, "Navas" NZA 2006, 839).
(2)
Die Reichweite der europarechtskonformen Auslegung der Vorschrift wird allerdings unterschiedlich beurteilt.
Zum Teil wird danach differenziert, ob die Kündigung aus einem diskriminierenden Motiv ausgesprochen worden ist (Hamacher/Ulrich, NZA 2007, 657, Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887, 888). Zum anderen wird§ 2 Abs. 4 AGG als eine eindeutige Grenze einer richtlinienkonformen Auslegung angesehen, so dass Kündigungen grundsätzlich nicht dem AGG unterfallen (Bauer/Krieger, NZA 2007, 675, Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 2 Rn. 66 f.). Dagegen wird vertreten, dass § 2 Abs. 4 AGG als europarechtswidrige Norm von den deutschen Gerichten nicht anzuwenden ist (Däubler/Bertzbach-Däubler, HaKo-AGG, § 2 Rn. 263; Düwell, jurisPRArbR 47/2006; Bayreuther, DB 2006, 1842; Gaul/Naumann, ArbRB 2007, 15; Schleusener/Voigt, AGG, § 10 Rn. 20 ff.).
Auf der Grundlage der vom EuGH in der Mangoldentscheidung (EuGH 22.11.2005 - C 144/04 - NZA 2005, 1345; folgend BAG 26.4.2006 - 7 AZR 500/04 - DB 2006, 1734) vertretenen Rechtsauffassung kann die Vorschrift europarechtskonform ausgelegt werden (so schon ArbG Osnabrück 5.2.2007, NZA 2007, 626). Die erst genannte Ansicht, nach er die Motivation des Arbeitgebers eine Rolle spielen soll, berücksichtigt nicht, dass es für das Vorliegen einer Diskriminierung gerade nicht auf die subjektive Motivation des Arbeitgebers ankommt. Allein die Verwirklichung des objektiven Tatbestands reicht aus, damit die Maßnahme unwirksam ist. Gegen die Ansicht, dass der eindeutige Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG eine Auslegung sperre, spricht die vom EuGH in der Mangoldentscheidung (EuGH 22.11.2005 - C 144/04 - NZA 2005, 1345; BAG 26.4.2006 - 7 AZR 500/04 - DB 2006, 1734) vertretene Auffassung. Gerade wegen seines eindeutigen - und europarechtswidrigen - Wortlauts war § 14 Abs. 3 TzBfG nicht mehr anzuwenden. Nähme man einen wirksamen Ausschluss der europarechtskonformen Auslegung durch § 2 Abs. 4 AGG an, so unterstellte man bereits die Wirksamkeit der am höherrangigem europäischen Recht noch zu überprüfenden Regelung. Dies ist ein Zirkelschluß.
Der europarechtskonformen Auslegung des § 2 Abs. 4 AGG ist letztlich die vom EuGH in der Mangoldentscheidung (EuGH 22.11.2005 - C 144/04 - NZA 2005, 1345; folgend BAG 26.4.2006 - 7 AZR 500/04 - DB 2006, 1734) vertretene Sichtweise zu Grunde zu legen. Verstößt die Vorschrift als Umsetzungsnorm gegen das europäische Recht, ist sie von den Gerichten nicht anzuwenden. Ging es in der Mangoldentscheidung um § 14 Abs. 3 TzBfG, so ist hier zu prüfen, ob die Umsetzungsnorm des § 2 Abs. 4 AGG den Regelungszwecken der Richtlinie 2000/78/EG entgegenläuft (so auch Sagan, NZA 2006, 1257). Da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Diskriminierungsverboten der Richtlinie 2000/78/EG unterliegt, wäre eine Bereichsausnahme des Kündigungsschutzes nur dann zulässig, wenn die nationalen Schutznormen die Diskriminierungsverbote bereits selbst umfassen und deshalb als nationale Umsetzungsnormen somit schon den europäischen Standards genügen würden. Das bedeutet aber, dass die Regelungen desKSchG nicht automatisch von dem Anwendungsbereich des AGG ausgenommen sind, sondern nur dann, wenn die einzelne Vorschrift den europäischen Diskriminierungsverbot entspricht.
bb)
Mit der Herausnahme der über 55jährigen von der Sozialauswahl aufgrund der "12 + 18-Regelung" werden ältere Arbeitnehmer entgegen § 7 Abs. 1 AGG gegenüber jüngeren Arbeitnehmern benachteiligt, die an der Sozialauswahl teilnehmen. Eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters liegt vor, wenn der Arbeitnehmer wegen seines Alters weniger günstig behandelt wird als ein vergleichbarer Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach-Däubler, Hako-AGG, § 1 Rn. 83; Runggaldier, FS Doralt (2004), S. 511, 526; für dieösterreichische Umsetzung Windisch-Graetz in Rebhahn/GIBG § 17 Rn. 36). Da die Arbeitnehmer dieser Gruppe ohne Sozialauswahl gekündigt worden sind, liegt eine Schlechterstellung vor. Ob die Beklagte die Kündigungen nach Erhebung der Klage zurückgenommen hat, spielt schon deshalb keine Rolle, da die Betriebsparteien den Arbeitnehmern keinen Anspruch auf eine derartige Rücknahme zuerkannt haben. Die Zulässigkeit der "Rentennähe" als zulässiges Kriterium innerhalb der Sozialauswahl war auch vor Inkrafttreten des AG umstritten (bejahend LAG Niedersachsen 23.5.2005 - 5 Sa 198/05 -; dagegen LAG Köln 2.2.2006 - 6 Sa 1287/05 - und LAG Düsseldorf 21.4.2004 - 12 Sa 1188/03). Nach Inkrafttreten des AGG hat sich diese Rechtslage dahingehend geändert, dass für die getroffene Differenzierung ein Rechtfertigungsgrund nach dem AGG vorliegen muss.
(1)
Die Herausnahme der älteren Arbeitnehmer ist nach Erlass desAGG nicht mehr durch ihre soziale Absicherung infolge ihrer Rentennähe gerechtfertigt. Als Rechtfertigungsgrund für die Anknüpfung an das Alter kommt grundsätzlich § 10 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 Abs. 3 KSchG in Betracht. Eine Differenzierung wegen des Alters ist nach § 10 S. 1 AGG als Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG zulässig, wenn sie "objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist." Weiterhin wird in § 10 AGG verlangt (vgl. auch Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG), dass die Mittel zur Umsetzung dieses legitimen Ziels verhältnismäßig sind. Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG werden zur Rechtfertigung insbesondere Ziele aus dem Bereich Arbeitsmarkt, Beschäftigungspolitik und berufliche Bildung genannt. Die Aufzählung ist nicht abschließend, setzt aber voraus, dass es sich um Ziele des Allgemeinwohls handelt, die in Form eines Gesetzes vorliegen (Däubler/Bertzbach-Brors, Hako-AGG, § 10 Rn. 109 ff; Thüsing, ZfA 2001, 397, 408; Wiedemann/Thüsing, NZA 2002, 1234, 1237; Kummer, S. 59; wohl auch Boecken, NZS 2005, 393, 395; Kuras, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, 11, 15; Hahn, S. 123; Lüderitz, S 89). Individuelle Zwecksetzungen reichen wegen der eindeutigen europäischen Vorgaben nicht aus (a.A. Linsenmeier, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, 22, 26; König, ZESAR 2005, 218, 220).
In § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG kommt das allgemeinwohlbezogene Ziel zum Ausdruck, ältere Arbeitnehmer wegen ihrer schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt gegenüber jüngeren in der Sozialauswahl zu bevorzugen (Kittner in: Kittner/Däubler/Zwanziger,§ 1 KSchG Rn. 480; Schmidt/Senne, RdA 2002, 80, 84). Dieses Ziel ist vor dem Hintergrund der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt, da es die Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen soll.
Dagegen bewirkt die Berücksichtigung des Alters im vorliegenden Sozialplan das Gegenteil. Durch die Kündigung der über 55jährigen ohne Sozialauswahl, werden diese Arbeitnehmer aufgrund ihrer schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt von einer weiteren Tätigkeit nahezu ausgeschlossen. Auch wenn die Rentennähe die wirtschaftliche Absicherung der Arbeitnehmer nahe legt, ist ein vollständiger Ausschluss von der Teilhabe am Arbeitsmarkt dadurch nicht gerechtfertigt. Eine solche Regelung ist gegenüber demjenigen Arbeitnehmer unverhältnismäßig, der weiter arbeiten möchte und insoweit auch eine höhere Alterssicherung erzielen möchte. Insoweit ist eine Differenzierung nach der Rentennähe nicht gerechtfertigt.
(2)
Die Herausnahme der Gruppe ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil nach Auffassung der Beklagten auf diese Weise ein ähnlicher Alterdurchschnitt im Betrieb gehalten werden kann, wie es bei der nach Ansicht der Beklagten zulässigen Altersgruppenbildung der Fall gewesen wäre.
Will man der Argumentation der Beklagten insoweit folgen, fehlt es auch insoweit an einem Rechtfertigungsgrund.
Die bei einer solchen nach Ansicht der Beklagten zulässigen Sozialauswahl zugrunde gelegten Altergruppen würden nach eigenem Vortrag der Beklagten zu einer unmittelbar an das Alter an knüpfenden Schlechterstellung der älteren Arbeitnehmer führen. Hätte sie den Kündigungen eine Sozialauswahl ohne eine entsprechende Altergruppenbildung zugrunde gelegt, "hätte sich die Altersstruktur... dramatisch weiter verschlechtert, mit der Folge, dass fast nur noch ältere Arbeitnehmer im Betrieb gewesen wären..." (vgl. S. 23 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007). Es liegt damit eine Diskriminierung älterer Arbeitnehmer vor, da die Altersgruppenbildung dazu führt, dass mehr ältere Arbeitnehmer gekündigt worden sind als dies ohne die Altersgruppenbildung geschehen wäre.
Nach Auffassung der Kammer kann der kündigende Arbeitgeber seiner Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 5 S. 1, Abs. 3 S. 2 AGG grundsätzlich Altergruppen zugrunde legen, wenn er ein an den Zwecken des Diskriminierungsschutzes gemessenes betriebliches berechtigtes Interesse an der Alterszusammensetzung konkret darlegt (Hamacher/Ulrich, NZA 2007, 657; KR-Griebeling § 1 KSchG Rn. 645 a). Dabei reicht nicht jegliches Interesse aus, selbst wenn darauf abgestellt wird, dass es sich bei der Altersgruppenbildung um die Rücknahme des nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG gewährten Schutzes handelt. Der gewährte Schutz darf nicht willkürlich, sondern nur berechtigt zurückgenommen werden, da die verschlechternde Anknüpfung an das Alter nach § 7 Abs. 1 AGG stets eine Diskriminierung ist. Diese Umstände hat der Arbeitgeber auch bei einer Massenentlassung gem. § 22 AGG vorzutragen, da es sich um die Rechtfertigung einer Benachteilung handelt. Die zuvor zur Begründung der Altersgruppenbildung ergangene Rechtsprechung (BAG 6.7.2006 - 2 AZR 442/05 - NZA 2007, 139) musste diese aufgrund Art. 10 der Richtlinie 2000/78/EG zwingend in § 22 AGG umgesetzte Darlegungs- und Beweislastverteilung noch nicht berücksichtigen.
Ein solches berechtigtes Interesse hat die dafür darlegungspflichtige Beklagte (vgl. schon zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AGG: BAG 20.4.2005 - 2 AZR 201/04 - NZA 2005, 877; Brors, ArbuR 2005, 41; KR/Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 655; Fischermeier NZA 1997, 1093; BBDW-Bram § 1 KSchG Rn. 323 e; Bütefisch, Die Sozialauswahl, S. 328 f.; KR/Etzel a.a.O. § 1 KSchG Rn. 655; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis Rn. 1140; BBDW-Bram § 1 KSchG Rn. 323 e; Quecke RdA 2004, 89) nicht vorgetragen. Für die berechtigte Bildung von Altersgruppen genügt nicht jedes wirtschaftliche Interesse. Das berechtigte Interesse muss im Lichte des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes gerechtfertigt sein.
Eine § 7 AGG widersprechende Diskriminierung ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein gesetzlicher Rechtfertigungsgrund, wie ihn der deutsche Gesetzgeber in § § 5, 8 und 10 AGG umgesetzt hat, erfüllt ist. Nur wenn diese Rechfertigungsgründe das geltend gemachte betriebliche Interesse umfassen, kann der kündigende Arbeitgeber an bestimmten Altersstrukturen festhalten.
Eine solche Rechtfertigung wird zum Teil darin gesehen, dass sich über § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG ein legitimes Beschäftigungsziel verwirklichen kann (Bertelsmann, ZESAR 2005, 242, 249). Weiter wird ein Rechtfertigungsgrund anzunehmen sein, wenn - wie es schon in der Rechtsprechung vor Erlass des AGG - die Altersstruktur eine wesentliche Voraussetzung für die berufliche Tätigkeit selbst ist (Däubler/Bertzbach-Brors, HaKo-AGG, § 10 Rn. 112).
(a)
Solche Gründe hat die Beklagte nicht vorgetragen. Wenn sie mit dem Argument, mittelfristig sei die Produktion mit älteren Arbeitnehmern nicht mehr aufrecht zu erhalten gewesen, meint, dass ältere Arbeitnehmer an sich weniger leistungsfähig seien, so greift sie damit ein Vorurteil auf, dem das AGG gerade entgegengesetzt ist. Es existieren keine empirischen Belege, dass die Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter generell schwindet (vgl. zuletzt zusammenfassend Hahn, Auswirkungen der europäischen Regelung zur Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht, 2006, S. 25). Darüber hinaus führt die Beklagte solche Belege gerade nicht auf. Vielmehr ist ihr Vortrag insoweit widersprüchlich, da sie in der in Bezug genommenen Berufungsschrift (Anlage 21 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.5.2007) auf mögliche Leistungsmängel bei älteren Produktionsarbeitern eingeht; bei den in Stufe II ausgesprochenen Kündigungen jedoch keine Produktionsarbeiter betroffen sind.
(b)
Falls sich die Beklagte darauf berufen will, dass ältere Arbeitnehmer aufgrund des arbeitsrechtlichen Senioritätsschutzes oftmals kostenintensiver sind, so ist dieses Argument ebenso nicht tragfähig. Den Lohnkosten liegen eigene privatautonom getroffene Vereinbarungen der Beklagten, bzw. der für sie handelnden kollektiven Interessen Vertreter zu Grunde. Auf derartige finanzielle Nachteile kann sich die Beklagte nicht berufen, da sie diese selbst verursacht hat. Sie ist an diese abgegebenen Versprechen gebunden.
Eine derartige Argumentation - sollte sie denn gemeint sein - ist selbstwidersprüchlich. Einen erhöhten Krankenstand älterer Arbeitnehmer - sollte eine solche Argumentation zulässig sein (ablehnendArbG Frankfurt 25.06.2007 - Az. 11 Ca 8952/06 - n.v.) - hat die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert vorgetragen. Eine pauschale Behauptung reicht dazu nicht. Darüber hinaus trägt die Beklagte dies mit ihrer Verweisung auf die Berufsbegründung für eine andere Gruppe von Arbeitnehmern (Produktion) vor, die von den vorliegenden Kündigungen nicht betroffen sind.
(c)
Ebenso ist die Differenzierung nach Auffassung der Kammer nicht dadurch gerechtfertigt, dass durch eine Altersgruppenbildung Arbeitnehmer aus allen Altersstufen gleichmäßig betroffen werden und diese Maßnahme gerade einer Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer entgegenwirkt (vgl. zur Annahme eines solchen Rechtfertigungsgrundes auch Thüsing, BB 2007, 1506; Bauer/Krieger, NZA 2007, 674; Nupnau, Anm. zu ArbG Osnabrück, DB 2007, 1200).
Eine solche auf eine generelle auf den Betrieb bezogene Gleichstellung kann allerdings grundsätzlich über§ 5 AGG als positive Maßnahme gerechtfertigt sein. Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht vorgetragen. Eine solche Maßnahme wäre nach dem AGG nämlich nur dann zulässig, wenn es tatsächlich Ziel des Arbeitgebers ist, durch die Altersgruppenbildung jüngere Arbeitnehmer als unterrepräsentierte Gruppe besser zu stellen. Zum einen ist jedoch diese Unterrepräsentation nicht vorgetragen worden. Zum anderen greift § 5 AGG nur dann als Rechtfertigung ein, wenn diese Intention die Maßnahme bestimmt, da es nach dem Wortlaut der Vorschrift erforderlich ist, dass die Maßnahme eben solche Nachteile verhindern soll (Däubler/Bertzbach-Hinrichs, AGG, § 5 Rn. 19). Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH zu positiven Maßnahmen (EuGH 25.10.1988 Rs 312/86, NJW 1989, 3086) Nach dem eigenen Vortrag soll durch die Altersgruppenbildung jedoch das Unternehmen marktfähig gehalten werden. Eine Rechtfertigung über§ 5 AGG scheidet deshalb nach dem eigenen Vorbringen schon aus.
cc)
Die Unwirksamkeit des Ausschlusses der Arbeitnehmer von der Sozialauswahl führt grundsätzlich nicht automatisch dazu, dass die Kündigung unwirksam ist (vgl. KR-Griebeling, § 1 Rn. 700; APS-Kiel, § 1 Rn. 777). Hat der Arbeitgeber eine fehlerhafte Sozialauswahl getroffen, so können sich nicht beliebig viele Arbeitnehmer auf diesen Umstand berufen, sondern es kann im Einzelfall zu prüfen sein, ob die Klagepartei bei einer ansonsten fehlerfreien Sozialauswahl ohnehin hätte gekündigt werden können (BAG 9.11.2006 - 2 AZR 812/05 - DB 2007, 1087). Ob die Grundsätze auf den vorliegenden Fall anwendbar sind, da nicht nur in einem Einzelfall eine falsche Punktzahl vergeben wurde, sondern eine ganze Gruppe von Arbeitnehmern unberechtigt aus der Sozialauswahl genommen wurden, kann die Kammer offen lassen. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist, dass der Arbeitgeber ein fehlerfreies Punktesystem zu Grunde gelegt hat, da das Gericht nicht berechtigt ist, von sich aus eine Reihenfolge aufzustellen (BAG 9.11.2006 - 2 AZR 812/05 - DB 2007, 1087). Das Punktesystem selbst darf danach rechtlich nicht zu beanstanden sein (APS-Kiel § 1 Rn. 777).
Nach Auffassung der Kammer ist jedoch auch die in der Sozialauswahl vorgenommene Punkteverteilung nicht mit § 7 AGG zu vereinbaren, so dass die Kündigung insgesamt nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist, da keine bindende Reihenfolge durch die Punktevergabe und die anschließende Abwägung aufgestellt worden ist. Die Punktevergabe wirkt sich einseitig zu Lasten jüngerer Arbeitnehmer aus, ohne dass in einer Interessenabwägung deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt worden sind und die Schlechterstellung nach§ 10 AGG gerechtfertigt werden kann.
Nach der Punkteverteilung haben die Betriebsparteien ab dem 18. Lebensjahr 1 Punkt pro Lebensalter vergeben und zusätzlich jedes Beschäftigungsjahr mit 1,5 Punkten gewürdigt. Durch diese linear ansteigenden Punktevergabe werden jüngere Arbeitnehmer gegenüberälteren schlechter gestellt, so dass eine Benachteilung der jüngeren Arbeitnehmer wegen ihres Alters gegeben ist (gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer linearen Punktevergabe schon Hamacher/Ulrich, NZA 2007, 657, 662; Bayreuther, DB 2006, 1842, 1845; Meinel/Heyn/Herms § 10 AGG Rn. 32; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2586, Annuß, BB 2006, 326; Schiek § 10 AGG Rn. 38; Berücksichtigung ist ambivalent bis 40 Jahre keine Relevanz Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn. 938). Ob eine lineare Punktevergabe grundsätzlich zulässig ist, muss die Kammer nicht entscheiden. Die lineare Punktevergabe müsste in jedem Fall gem.§ 10 AGG gerechtfertigt werden. Diese grundsätzliche Schlechterstellung der jüngeren Arbeitnehmer kann jedoch nach§ 10 AGG gerechtfertigt sein, wenn die Abwägung im Einzelfall die Chancen der jüngeren Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt, so wie es in der von der Beklagten in Bezug genommenen geänderten Fassung des § 10 Nr. 6 AGG a.F. vorgesehen war (vgl. Schleusener-Voigt, § 10 AGG Rn. 50). Danach war eine Berücksichtigung des Alters in der Sozialauswahl zulässig, wenn
"... dem Alter kein genereller Vorrang gegenüber anderen Auswahlkriterien zukommt, sondern die Besonderheiten des Einzelfalls und die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Beschäftigten, insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden."
Die Betriebsparteien haben zwar in dem Interessenausgleich/Sozialplan eine Einzelabwägung vorgesehen, wonach persönliche und soziale Härtefälle zu berücksichtigen sind. Nach der Formulierung der Betriebsvereinbarung waren die Chancen am Arbeitsmarkt kein ausdrücklich vorgesehenes Abwägungskriterium. In dem von der Beklagten vorgelegten Protokoll der einzelnen Sozialauswahl spielen die Chancen am Arbeitsmarkt ebenfalls keine Rolle und werden nicht genannt. Die möglicherweise schlechten Chancen einzelner jüngerer Arbeitnehmer konnten die Betriebsparteien aber schon deshalb nicht durchgängig berücksichtigen, weil sie diesbezügliche Informationen zuvor nicht eingeholt haben. Freilich wird der Arbeitgeber nicht verpflichtet, in jedem Fall Einzelgespräche zu führen. Dies wäre im Rahmen einer Massenkündigung unpraktikabel. Denkbar wäre jedoch eine Auskunft für bestimmte Gruppen beim zuständigen Arbeitsamt gewesen. Darüber hinaus hätte die Beklagte den Arbeitnehmern die Möglichkeit geben müssen, auf Besonderheiten ihres Einzelfalls hinzuweisen. Dies hat die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag jedoch nicht getan. Die Arbeitnehmer konnten lediglich die vorgegebenen Kriterien der Sozialauswahl überprüfen und korrigieren. Daher fehlte der Beklagten schon die erforderliche Informationsgrundlage. Die Schlechterstellung jüngerer Arbeitnehmer ist daher nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt, da ihre möglicherweise schlechteren Chancen am Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt worden sind.
Da keine rechtmäßige Sozialauswahl getroffen wurde, ist die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt gem. § 1 Abs. 3 KSchG.
3.
Der Klagepartei steht der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch zu, da der Betriebsrat der Kündigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG ordnungsgemäß widersprochen hat. Der vorherige Abschluss des Interessenausgleichs lässt die Voraussetzungen des§ 102 BetrVG weder entfallen noch wirkt er sich inhaltlich auf die Anhörungspflicht aus (Ha-Ko-Griebeling § 102 Rn. 24).
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 Abs. 4 S. 1 GKG festgesetzt worden. Die Berufung ist nach § 64 Abs. 2 c) zulässig. Eine gesonderte Zulassung nach§ 64 Abs. 3 ArbGG war so nicht erforderlich.
Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden.
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