Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 24.05.2000, Az.: 8 W 23/00
Streitwert; Streitwertbeschluss; Streitwertbeschwerde; Zulässigkeit; Beschwerde; Frist; Verfristung; Selbstständiges Beweisverfahren; Hauptsacheverfahren; Nebenverfahren; Beweissicherungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 24.05.2000
- Aktenzeichen
- 8 W 23/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 19820
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2000:0524.8W23.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs. 3 S. 3 GKG
- § 25 Abs. 2 S. 3 GKG
- § 23 Abs. 1 GKG
- § 25 Abs. 4 GKG
- § 493 ZPO
- § 3 ZPO
Fundstelle
- BauR 2000, 1907-1909 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Streitwertbeschluß des Landgerichts Göttingen vorn 31. 08. 1999 - 2 OH 8/97 - abgeändert.
Der Streitwert für das selbständige Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 50. 000, 00 DM festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückbewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
A. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere nicht verspätet eingelegt, und hat teilweise Erfolg. Der Streitwert war auf den Betrag festzusetzen, den der Antragsteller in seiner Antragsschrift vom 15. 06. 1997 und insbesondere in der Anlage 1 dazu als Aufwand für die Mängelbeseitigung oder als Wertminderung genannt hat, weil sich daraus das für die Streitwertfestsetzung maßgebliche Interesse des Antragstellers ergibt. Dagegen war nicht der Streitwert des Hauptsacheverfahrens 2 O 245/97 LG Göttingen anzunehmen, weil sich dieses Verfahren zum großen Teil auf Punkte erstreckt, die nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gewesen sind.
Dazu im Einzelnen:
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 03. 04. 2000 gegen den Streitwertbeschluß des Landgerichts vom 31. 08. 1999 ist zulässig, insbesondere gemäß § 25 Abs. 3 S. 3, Abs. 2 S. 3 GKG innerhalb einer Frist von 6 Monaten eingelegt worden, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.
Zwar waren bei Eingang der Beschwerde am 05. 04. 2000 mehr als 6 Monate verstrichen, nachdem das Landbericht mit Beschluß vom 31. 08. 1999 den Streitwert festgesetzt hatte und auch nachdem dieser Streitwertbeschluß der Antragsgegnerin zugegangen war.
Dieser Zeitpunkt gilt aber für ein selbständiges Beweisverfahren dann nicht, wenn diesem ein Hauptsacheverfahren nachfolgt oder wenn das Hauptsacheverfahren, zu dem das selbständige Beweisverfahren gehört, noch nicht abgeschlossen ist. In diesem Fall ist auf das Hauptsacheverfahren abzustellen, weil die Feststellungen im selbständigen Beweisverfahren gemäß § 493 ZPO in dem zur Hauptsache geführten Rechtsstreit fortwirken (so Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl. , Rdnr. 48) und weil das selbständige Beweisverfahren regelmäßig dem Hauptsacheverfahren dient und deshalb nur als Nebenverfahren dazu anzusehen ist (so OLG Celle, NdsRpfl. 1993, 298).
Hauptsacheverfahren zu dem Beweissicherungsverfahren ist der zwischen den Parteien geführte Rechtsstreit 2 O 245/97 LG Göttingen, in dem die Antragsgegnerin mit ihrer Klage die Bewilligung der Eintragung einer Sicherungshypothek und Zahlung von Werklohn verlangt, während der Antragsteller im Wege der Widerklage Zahlung u. a. der Kosten des Beweissicherungsverfahrens, Aufhebung der einstweiligen Verfügung des LG Göttingen vom 09. 06. 1997 - 4 O 208/97 - beziehungsweise die Löschung der aufgrund dieses Verfahrens eingetragenen Vormerkung für eine Bauhandwerkersicherungshypothek und die Erteilung einer Gewährleistungsbürgschaft über 35. 000, 00 DM verlangt. In diesem Hauptsacheverfahren hat die Antragsgegnerin ihre ursprüngliche Werklohnforderung aufgrund der in dem selbständigen Beweisverfahren 2 OH 8/97 LG Göttingen festgestellten Mängel ermäßigt.
Dieses Hauptsacheverfahren ist derzeit noch beim Landgericht Göttingen anhängig, so dass die Frist von 6 Monaten gemäß § 25 Abs. 3 S. 3, Abs. 2 S. 3 GKG auch für das selbständige Beweisverfahren noch nicht abgelaufen ist.
II. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin war der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren auf die Wertstufe bis 50. 000, 00 DM festzusetzen.
1. Ob sich der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren immer nach dem Hauptsachewert richtet oder ob nur ein Bruchteil davon anzusetzen ist, ist umstritten (vgl. zur Darstellung des Sach- und Streitstandes: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. , Anhang zu § 3 Rdnr. 102; Zöller - Herget, ZPO, 21. Aufl. , § 3 Rdnr. 16 "Selbständiges Beweisverfahren"; Schneider/Herget, a. a. O. , "Selbständiges Beweisverfahren"). Der Senat folgt der überwiegenden und auch von anderen Senaten des Oberlandesgerichts Braunschweig jetzt vertretenen Auffassung (5. Zivilsenat OLG Report Braunschweig 1995, 147; 2. Zivilsenat OLG Report Braunschweig 1997, 84), wonach der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens dem Streitwert der Hauptsache entspricht, zu deren Vorbereitung oder Beilegung selbständig Beweis erhoben wird. Denn das selbständige Beweisverfahren ist gleichsam die Vorwegnahme der Beweisaufnahme im Rahmen des in Aussicht genommenen Hauptprozesses (vgl. § 493 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsanwalt erhält dementsprechend im selbständigen Beweisverfahren auch die vollen Gebühren, die allerdings auf die in einem späteren Hauptsacheverfahren entstehenden anzurechnen sind (vgl. §§ 13 Abs. 2, 48, 31, 37 Nr. 3 BRAGO). Schließlich soll das selbständige Beweisverfahren nicht nur der Vorbereitung des Hauptsacheverfahrens dienen, sondern insbesondere dieses möglichst vermeiden (vgl. § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO). Das gilt allerdings nur, wenn und soweit sich die Streitgegenstände des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptprozesses decken (vgl. OLG Braunschweig OLG Report Braunschweig 1995, 147).
Der Streitwert ist danach nach dem materiellen Interesse des Antragstellers, das gemäß § 3 ZPO zu schätzen ist, festzusetzen, so dass es entscheidend auf die Bewertung des zu sichernden Anspruches ankommt und damit in aller Regel der Hauptsachestreitwert zur Zeit der Einreichung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens maßgeblich ist (vgl. § 4 Abs. 1 ZPO) (so Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl. , Rdnr. 145).
Ist ein Hauptsacheprozeß noch nicht anhängig, ist das Interesse des Antragstellers nach dem Umfang der von ihm behaupteten Gewährleistungsansprüche, die es zu sichern gilt, zu bewerten (so Werner/Pastor, a. a. O. , Rdnr. 145; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O. , Anhang § 3 Rdnr. 102). Darauf kommt es hier an, weil bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens ein Hauptsacheverfahren über die in dem selbständigen Beweisverfahren maßgeblichen Streitgegenstände noch nicht anhängig war. Die Antragsgegnerin hatte mit Klage vom 20. 07. 1997 in dem Verfahren 2 O 245/97 LG Göttingen die Zahlung der weiteren Werklohnrate von 40. 000, 00 DM und die Bewilligung einer Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek geltend gemacht. Erst mit Schriftsatz vom 22. 09. 1999 hat die Antragsgegnerin ihre Werklohnforderung mit Rücksicht auf die in dem selbständigen Beweisverfahren 2 OH 8, /97 LG Göttingen erstellten Gutachten ermäßigt, während der Antragsteller in dem Verfahren 2 O 245/97 LG Göttingen am 06. 12. 1999 Widerklage erhoben hat. Dabei hat der Antragsteller seine Widerklage - Forderung unter Berücksichtigung der in 2 OH 8/97 LG Göttingen eingeholten Sachverständigengutachten und der demgemäß von der Antragsgegnerin ermäßigten Klageforderung berechnet.
Dieses Interesse des Antragstellers ist mit einem Betrag bis zu 50. 000, 00 DM zu bewerten. Es ergibt sich aus den von dem Antragsteller in der Anlage 1 zu seinem Beweissicherungsantrag für die Mängelbeseitigung bzw. für die Wertminderung angeführten Kosten, die zusammengerechnet mehr als 43. 000, 00 DM betragen. Da der Antragsteller zu einigen Punkten noch keinen Betrag hat nennen können und da er überdies mit seinem Schreiben vom 27. 06. 1997 (Bl. 12 f. d. A. ) weitere Mängel angeführt hat, beläuft sich sein Interesse auf einen Betrag bis zu 50. 000, 00 DM.
Soweit der Antragsteller in seinem Antrag vom 15. 06. 1997 (S. 1, Bl. 1 d. A. ) als vorläufigen Streitwert 20. 000, 00 DM genannt hat, ist das ohne Bedeutung. Denn dieser Betrag entspricht nach der Anlage 1 zu dem Antrag vom 15. 06. 1997 ersichtlich nicht dem Interesse des Antragstellers an der Durchführung dieses Beweisverfahrens.
2. Der teilweise vertretenen Ansicht, dass die von dem Antragsteller bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens zum Streitwert gemachten Angaben nach Eingang des Sachverständigengutachtens entsprechend den Ermittlungen des Sachverständigen zu berichtigen seien, weil der Antragsteller sich "verschätzt" habe und nur der objektive Wert maßgeblich sei, die Angaben des Antragstellers dagegen für das Gericht nach § 23 Abs. 1 GKG nicht bindend seien (so Werner/Pastor, a. a. O. , Rdnr. 146; Zöller - Herget, a. a. O. , § 3 Nr. 16 "Selbständiges Beweisverfahren"; so wohl auch OLG Düsseldorf BauR 1999, 788 [OLG Düsseldorf 21.09.1998 - 23 W 44/98] - nur Leitsatz), der auch das Landgericht zu folgen scheint, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn maßgeblich ist das Interesse des Antragstellers an dem selbständigen Beweisverfahren, das sich wiederum nach dem Wert des zu sichernden Anspruchs bemißt. Wenn etwa der Antragsteller aufgrund eines Kostenvoranschlages oder aufgrund einer Berechnung sein Interesse nachvollziehbar darlegt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb der diesem Interesse entsprechende Wert geändert werden soll, wenn ein Sachverständiger etwa zu einem deutlich davon abweichenden Ergebnis kommt. Andernfalls müßte folgerichtig der Streitwert nach Eingang eines Sachverständigengutachtens auf "Null" herabgesetzt werden, wenn sich nach dem Gutachten herausstellt, dass entweder kein Mangel vorliegt oder dass dieser ohne irgendwelche Kosten behoben werden kann. Das wird aber - soweit ersichtlich - nicht vertreten.
Ob das auch zu gelten hat, wenn der Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens ohne tatsächliche Anhaltspunkte durch Kostenvoranschläge oder Schätzungen irgendwelche Beträge "ins Blaue hinein" angibt, kann dahingestellt bleiben, weil der Antragsteller so nicht vorgegangen ist.
3. Dagegen konnte der Streitwert nicht auf 81. 321, 80 DM festgesetzt werden, wie es die Antragsgegnerin mit ihrer Streitwertbeschwerde begehrt. Denn dieser in dem Hauptsacheverfahren 2 O 245/97 LG Göttingen mit Beschluß vom 26. 01. 2000 festgesetzte Wert betrifft ganz überwiegend andere Streitgegenstände als diejenigen des selbständigen Beweisverfahrens. Lediglich die Klage ist entsprechend den in dem selbständigen Beweisverfahren ergangenen Sachverständigengutachten ermäßigt worden, während sich das selbständige Beweisverfahren im Übrigen nicht auf restlichen Werklohn der Antragsgegnerin und auf die von dem Antragsteller im Wege der Widerklage geltend gemachten Ansprüche erstreckt.
B. Die Entscheidung über die Gerichtsgebühren und die außergerichtlichen Auslagen folgt aus § 25 Abs. 4 GKG.