Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 08.06.2000, Az.: 8 U 241/99
Ungerechtfertigte Bereicherung; Kaufpreis; Werklohn; Mehrwertsteuer; Umsatzsteuer; Rechtsgrund; Notarieller Vertrag; Vertragsauslegung; Grundstück; Notar
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 08.06.2000
- Aktenzeichen
- 8 U 241/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 19819
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2000:0608.8U241.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 543 Abs. 1 ZPO
- § 240 S. 2 ZPO
- § 92 Abs. 1 ZPO
- § 97 Abs. 1 ZPO
- § 100 Abs. 1 ZPO
- § 708 Nr. 10 ZPO
- § 713 ZPO
- § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO
- § 86 InsO
- § 4 Nr. 9a UStG
- § 14 Abs. 2 S. 1 UStG
- § 17 Abs. 1 UStG
- § 29 Abs. 1 UStG
- § 133 BGB
- § 157 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 421 BGB
- § 284 Abs. 1 BGB
- § 285 BGB
- § 288 Abs. 1 S. 2 BGB
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2001, 145-147
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09. Juli 1999 - 5 O 597/99 (85) - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 8. 572, 44 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Februar 1999 zu zahlen.
Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 47. 488, 41 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Februar 1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten dieses Rechtsstreits tragen die Kläger jeweils zu 25 %, der Beklagte zu 1 zu 8 % und die Beklagte zu 2 zu 42 %.
Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 jeweils zu 42 % und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 jeweils zu 8 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen der Beklagte zu 1 8 % und die Beklagte zu 2 42 %.
Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer für die Kläger: 47. 488, 41 DM im Verhältnis zum den Beklagten zu 8. 572, 44 DM im Verhältnis zur Beklagten zu 2,
Wert der Beschwer für den Beklagten zu 1: 8. 572, 44 DM
Wert der Beschwer für die Beklagte zu 2: 47. 488, 41 DM.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.
Den Klägern stehen gegen die Beklagten Ansprüche auf Rückzahlung des für das Objekt in geleisteten Kaufpreises/Werklohnes in Höhe der darin enthaltenen Mehrwertsteuer zu (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB), denn, der notarielle Vertrag vom 02. Apri1 1996 stellt nach ergänzender Vertragsauslegung keinen Rechtsgrund für die geleistete Umsatzsteuer dar. Allerdings haften die Beklagten insoweit nicht als Gesamtschuldner, sondern nur in Höhe der Umsatzsteuer, die die Kläger an jeden von ihnen mit dem Kaufpreis für das Grundstück bzw. der Vergütung für die Errichtung des Hauses erbracht haben. Demgemäß haben der Beklagte zu 1 für den Gemeinschuldner als Verkäufer des Grundstücks an die Kläger einen Betrag von 8. 572, 44 DM und die Beklagte zu 2 als Bauträgerin einen Betrag von 47. 488, 41 DM zurückzuzahlen.
Im Einzelnen:
I. Gemäß § 86 InsO hat der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des früheren Beklagten zu 1. den Rechtsstreit aufgenommen und ist nunmehr Partei.
Eine Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 2 ist bislang noch nicht getroffen worden. Die Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters hat nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 S. 2 ZPO geführt, denn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Beklagten zu 2 ist nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen, wie es gemäß § 240 S. 2 ZPO vorausgesetzt ist (BGH NJW 1999, 2822; Zöller - Greger, ZPO, 21. Aufl. , § 240 Rdnr. 5; 8 W 57/99 OLG Braunschweig). Vielmehr kann die Beklagte zu 2 grundsätzlich weiter über ihr Vermögen verfügen, allerdings nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters.
II. Die Beklagten sind zur Rückzahlung der von den Klägern entsprechend dem notariellen Vertrag vom 02. April 1996 (UR Nr. 427/96 des Notars) an sie geleisteten Umsatzsteuer verpflichtet, weil ein Rechtsgrund für diese Zahlung nicht besteht.
1. Die Parteien haben in § 5 des genannten Vertrages für den Kauf des Grundstücks und die Errichtung des Reihenhauses einen Preis von insgesamt 429. 800, 00 DM vereinbart. Gemäß § 5 Nr. 9 dieses Vertrages handelt es sich hierbei um einen Festpreis, der unter anderem die gesetzliche Mehrwertsteuer enthält. Daraus folgt, dass der Preis für den Erwerb des Grundstücks und die Vergütung für das Bauvorhaben vereinbarungsgemäß die damals gültige Umsatzsteuer beinhaltet.
Die Beklagten können sich nicht reit Erfolg darauf berufen, die Kläger hätten sich für den Erwerb des Stadthauses aufgrund eines Vertriebsprospektes des Immobilienservices entschieden, in dem der vereinbarte Kaufpreis ohne Hinweis auf die Mehrwertsteuer enthalten gewesen sei; daher habe für ihre Entscheidung keine Rolle gespielt, ob dieser Preis die Mehrwertsteuer enthalten habe oder nicht. Selbst wenn diese Vermutung zuträfe, kommt es auf etwaige Vorstellungen der Parteien vor dem Vertragsabschluß am 02. April 19196 nicht an. In dem notariellen Vertrag vom 02. April 1996 ist nämlich ausdrücklich die Vereinbarung der Parteien enthalten, dass der zu zahlende Kaufpreis bzw. Werklohn die gesetzliche Mehrwertsteuer beinhaltet. Dann aber handelt es sich bei dem vereinbarten Preis von 429. 800, 00 DM um einen Bruttopreis. Dementsprechend hat die Beklagte zu 2 in ihren jeweiligen Abschlagsrechnungen die Mehrwertsteuer gesondert ausgewiesen.
2. Tatsächlich unterlag dieses Rechtsgeschäft als ein einheitliches auf den Erwerb eines Grundstücks mit Gebäude gerichtetes Vertragswerk gemäß § 4 Nr. 9 a UStG nicht der Umsatzsteuer, weil es bereits unter das Grunderwerbssteuergesetz fiel. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig und ergibt sich im Übrigen aus dem Bericht des Finanzamtes vom 02. Oktober 1998 über die bei dem Gemeinschuldner durchgeführte Außenprüfung. Die Beklagten können daher grundsätzlich von dem Finanzamt die Rückzahlung der auf diesen Umsatz geleisteten Mehrwertsteuer verlangen. Ob eine derartige Rückzahlung bereits erfolgt ist, haben die Beklagten allerdings nicht vorgetragen. Hierauf kommt es aber im Ergebnis nicht an, weil die Geltendmachung dieses Anspruchs allein in der Risikosphäre der Beklagten liegt und deren etwaige Untätigkeit keine Auswirkungen auf die geltend gemachten Ansprüche der Kläger hat.
Den Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass eine - nicht angefallene - Umsatzsteuer dann geschuldet wird, wenn sie in der Rechnung gesondert ausgewiesen ist. Das ergibt sich aus § 14 Abs. 2 S. 1 UStG, der auf diesen Sachverhalt entsprechend anzuwenden ist (Sölch - Ringleb - List, "Umsatzsteuer", Rdnr. 117 c zu § 14).
Eine Rechnung des früheren Beklagten zu 1 und jetzigen Gemeinschuldners über den Kaufpreis für den Grund und Boden liegt nicht vor.
Dagegen hat die Beklagte zu 2 über die einzelnen Hausraten Abschlagsrechnungen erteilt (Bl. 29, 32, 34, 36, 38 d. A. ), die die Mehrwertsteuer ausweisen. Nach § 14 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG kann die Beklagte zu 2 als leistende Unternehmerin jedoch ihre Rechnungen nachträglich berichtigen mit der Folge, dass der Umsatz steuerfrei wird und der Rückforderungsanspruch gegenüber dem Finanzamt entsteht. Ob die von der Beklagten zu 2 an die Kläger mit Anschreiben vom 31. Juli 1998 übersandten berichtigten Rechnungen (Bl. 28, 31, 33, 35, 37, 39 d. A. ), die zwar die Mehrwertsteuer nicht gesondert ausweisen, jedoch den vertraglich vereinbarten Brutto - als Nettopreis enthalten, ausreichen, um den Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt zu begründen und/oder ob es insoweit hinsichtlich beider Beklagter noch der Abänderung des notariellen Vertrages vom 02. April 1996 auf den Nettopreis bedarf, kann hier dahingestellt bleiben. Das Herbeiführen der Voraussetzungen für die Nichterhebung der nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldeten Umsatzsteuer liegt allein in der Sphäre der Beklagten. Der Beklagten zu 2 obliegt die ggfs. erforderliche Berichtigung der Rechnungen auf die Nettopreise, beide Beklagte haben bei der ggfs. erforderlichen Abänderung des notariellen Kaufvertrages mitzuwirken. Dass sich die Kläger dem berechtigten Anspruch der Beklagten auf Abänderung des Vertrages in Bezug auf den Nettopreis verschließen, ist weder dargetan noch ersichtlich.
3. Aus der in dem notariellen Vertrag vom 02. Apri1 1996 enthaltenen Vereinbarung, dass in dem Preis von 429. 800, 00 DM für den Erwerb des Grund und Bodens sowie das zu erstellende Reihenhaus die Mehrwertsteuer enthalten ist, ergibt sich zugleich, dass die Vertragsparteien davon ausgingen, dass die von den Beklagten zu erbringenden Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen, d. h. dass die Beklagten die in dem Kaufpreis bzw. Werklohn enthaltene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen haben.
4. Der beiderseitige Irrtum über den Umstand, dass die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht der Umsatzsteuer unterliegen, fährt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben und der Verkehrssitte und unter angemessener Abwägung der Interessen der Vertragsparteien zu dem Ergebnis, dass die Kläger den Beklagten den vereinbarten Kaufpreis abzüglich der 15 %igen Mehrwertsteuer schulden, mithin den Nettokaufpreis.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW - RR 1990, 601, 602 mit umfangreichen Nachweisen), kommt der ergänzenden Vertragsauslegung bei der Frage der Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die gegebenen tatsächlichen Umstände Vorrang vor der Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu, wenn der Vertrag, dessen Inhalt ggfs. durch Auslegung oder ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln ist, Regeln für, die eingetretene Leistungsstörung enthält.
a. Im Wege der Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB läßt sich den Erklärungen der Parteien in dem notariellen Vertrag vom 02. April 1996 nicht entnehmen, welche Regelung eingreifen soll, wenn die vereinbarten Leistungen der Beklagten nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegen.
Nach diesen Vorschriften sind Verträge, sofern sie keinen eindeutigen Inhalt aufweisen, nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Entscheidend ist, wie die Erklärungen der Vertragsparteien nach ihrem Wortlaut und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände, insbesondere des Gesamtverhaltens der Parteien und der von ihnen verfolgten Zwecke, zu verstehen sind.
Jeder Auslegung vorangehen muß jedoch die Feststellung des Erklärungstatbestandes, d. h. die Ermittlung der für die Auslegung relevanten Tatsachen. Dabei ist zwischen Gegenstand und Mitteln der Auslegung zu unterscheiden. Auslegungsgegenstand ist der konkrete Erklärungsakt, dessen rechtlicher Inhalt festgestellt werden soll. Mittel der Auslegung sind die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Umstände, die einen Schluß auf den Sinn der Erklärung und damit auf ihren rechtlichen Inhalt zulassen (Palandt Heinrichs, BGB, 59. Aufl. , § 133 Rdnr. 5).
Für eine Auslegung ist jedoch dann kein Raum, wenn die Willenserklärungen der Parteien nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt ausweisen. Das ist hier der Fall. Der vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 429. 800, 00 DM sollte einen Festpreis darstellen und die Mehrwertsteuer enthalten, wobei beide Parteien davon ausgegangen sind, dass das Geschäft umsatzsteuerpflichtig ist. Dann aber sind außerhalb des Erklärungsaktes liegende Umstände, die im Rahmen der Auslegung den zwingenden Rückschluß auf die Höhe des Kaufpreises bei Wegfall der Umsatzsteuerpflicht zuließen, nicht mehr zu berücksichtigen.
Auch der Vereinbarung des "Festpreises" ist nicht zu entnehmen, dass die Kläger das Risiko der Umsatzsteuerfreiheit tragen sollten. Zwar bedeutet eine Festpreisvereinbarung in der Regel auch, dass Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen, zu denen auch die Umsatzsteuer gehört, grundsätzlich keine Berücksichtigung finden sollen (BGH BB 1973, 496 f. ; OLG Bremen, BB 1971, 1384 f. ). Von diesem Grundsatz ist vorliegend aber schon deshalb abzuweichen, weil beide Vertragspartner im Zeitpunkt der Preisabsprache irrtümlich von der Umsatzsteuerpflichtigkeit des Geschäftes ausgegangen sind, dieser Umstand nicht in den Risikobereich der Kläger fällt und diesen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Sachlage ein Festhalten an dem vereinbarten Preis nicht zuzumuten ist (Ingenstau/Korbion, VOB/A und B, 13. Aufl. , § 2, VOB/B Rdnr. 162 ff. ). Andernfalls würden die Beklagten über den ihnen nach den vertraglichen Vereinbarungen zustehenden Kaufpreis/Werklohn hinaus eine Gegenleistung von weiteren 15 % erhalten und behalten dürfen, ohne diesen Betrag an das Finanzamt abführen zu müssen, obwohl sich die von ihnen zu erbringenden Leistungen nicht verändert haben. Das aber entsprach weder dem wirklichen noch dem mutmaßlichen Willen der Parteien bei der Vereinbarung des Festpreises.
b. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist zulässig, wenn eine Vereinbarung der Parteien in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt. Dabei ist es unerheblich, aus welchem Grund die Parteien diesen Punkt offen gelassen haben: Ob sie bewußt auf eine ins einzelne gehende Regelung verzichtet haben, ob die "Lücke" von Anfang an bestanden hat oder ob sie sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat. Bei einer erforderlichen Ergänzung des Vertragsinhalts ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH NJW - RR 1999, 923, 924 [BGH 24.11.1998 - X ZR 21/97]; NJW 1982, 2184, 2185 [BGH 29.04.1982 - III ZR 154/80]) [BGH 29.04.1982 - III ZR 154/80].
Zwar haben sich die Parteien in dem Vertrag vom 03. März 1997 über die Höhe des Festpreises einschl. Mehrwertsteuer geeinigt. Diese abschließende Vereinbarung beruhte aber auf dem Irrtum über die Umsatzsteuerpflichtigkeit des Geschäftes. Damit liegt eine Regelungslücke hinsichtlich des tatsächlich gegebenen Umstandes vor, dass die vereinbarten Leistungen der Beklagten nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
Diese Regelungslücke läßt sich durch Heranziehung gesetzlicher Vorschriften nicht schließen. § 29 Abs. 1 UStG betrifft nur den Fall, dass der Vertrag bis 4 Kalendermonate vor In - Kraft - Treten des Umsatzsteuergesetzes abgeschlossen worden ist.
Damit ist die vorliegende Regelungslücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen (BGH WM 1990, 1322, 1323 [BGH 19.06.1990 - XI ZR 280/89]; so auch für den umgekehrten Fall BGH, Urteil vom 14. Januar 2000, Aktenzeichen V ZR 416/97; a. A. OLG Düsseldorf, DB 1990, 39 f.[OLG Düsseldorf 05.10.1989 - 8 U 4/89] , das die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anwendet). Da die ergänzende Vertragsauslegung einen beiden Seiten soweit als möglich gerecht werdenden Ausgleich anstrebt, ist unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu untersuchen, wie die Beteiligten bei redlichem Verhalten den offengebliebenen Punkt geordnet haben würden, wenn sie ihn bedacht hätten. Beide Parteien gingen bei Vertragsschluß davon aus, dass die im Kaufpreis enthaltene Umsatzsteuer keine echte Gegenleistung der Kläger für Grund oder Haus darstellte, sondern von den Beklagten aa das Finanzamt abzuführen war. Der Sinn der Umsatzsteuer, letztlich den Endverbraucher mit dieser Steuer zu belasten, führt bei deren Wegfall zu einer entsprechenden Entlastung der Kläger als Endverbraucher, weil die Beklagten, für die die Umsatzsteuer nur einen durchlaufenden Posten darstellt, diese nicht an das Finanzamt abzuführen brauchen; ihnen entstehen keinerlei wirtschaftliche Nachteile. Dann aber hätten die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner den Kaufpreis als Nettokaufpreis ausgewiesen, d. h. eine Reduzierung um 15 % vorgenommen. Demgemäß schulden die Kläger den vereinbarten Kaufpreis/Werklohn jeweils ohne Umsatzsteuer, so dass ihnen ein Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe der von ihnen gezahlten Umsatzsteuer zusteht. Dieser beträgt nach dem unstreitigen Vorbringen der Kläger insgesamt 56. 060, 85 DM.
II. Entgegen der Auffassung des Landgerichts haften die Beklagten für die geltend gemachte Klagforderung in Höhe von 56. 060, 85 DM nicht als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB, denn dieser Anspruch der Kläger richtet sich ausweislich der im Vertrag vom 02. April 1996 getroffenen Vereinbarungen nicht gegen beide Beklagte.
Nach dem Inhalt dieses Vertrages haben der Gemeinschuldner den Klägern das Grundstück veräußert und die Beklagte zu 2 sich zur Erstellung des Reihenhauses verpflichtet. Der in dem Vertrag ausgewiesene Festpreis beinhaltet den Gesamtkaufpreis für das Grundstück und das zu errichtende Haus, doch ergibt sich aus den in § 5 vereinbarten Zahlungsmodalitäten, dass ein Teilkaufpreis in Höhe von 65. 722, 08 DM (51. 648, 00 DM, Grundstücksanteil und 14. 074, 08 DM Erschließungskosten) an den Grundstücksverkäufer und der Restkaufpreis in Höhe von 364. 077, 92 DM an die zu zahlen waren.
Dementsprechend ist in § 6 des Vertrages auch die Zahlung auf verschiedene Konten vorgesehen gewesen. Dass nach dem Inhalt des Außenprüfungsberichtes des Finanzamtes alle Zahlungen der Auftraggeber auf ein Konto auf den Namen beider Beklagter erfolgt sind, führt nicht zu einer Änderung der vertraglichen Vereinbarungen. Zudem ist nicht ersichtlich, ob die Kläger selbst und nicht der Notar den Kaufpreis jedenfalls für das Grundstück auf das genannte Konto gezahlt haben.
Dem Vertrag vom 02. April 1996 ist auch nicht zu entnehmen, dass die Beklagten als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegenüber den Klägern aufgetreten sind. Vielmehr sind gesonderte Verträge zwischen den Klägern einerseits und dem/der jeweiligen Beklagten andererseits geschlossen worden, wenn auch in derselben Vertragsurkunde.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts vermag der Senat eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten für die Rückzahlungsforderung der Kläger auch nicht auf § 16 Abs. 1 S. 1 des notariellen Vertrages zu gründen. Dort heißt es zwar, dass, wenn mehrere Personen aus diesem Vertrag verpflichtet seien, sie auch als Gesamtschuldner hafteten. Aus der Überschrift dieses Paragraphen ergibt sich jedoch, dass dieser sich auf "mehrere Käufer" bezieht. Bei den Beklagten handelt es sich dagegen um die Verkäufer bzw. Werkunternehmer. Darüber hinaus ist auch dem Wortlaut des zitierten Satzes nicht zu entnehmen, dass auch bei der Vereinbarung unterschiedlicher Leistungen die jeweils Verpflichteten bezüglich der vereinbarten Gesamtleistungen als Gesamtschuldner hafteten.
Schließlich folgt auch aus den §§ 5 Nr. 5, 6 und 9, 10 Abs. 3 des notariellen Vertrages keine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten. § 5 Nr. 1 regelt gerade die unterschiedlichen Preise für das Grundstück und das zu errichtende Haus. Die in § 5 Nr. 6 vereinbarte Rückforderung der Bürgschaft sollte von dem früheren Beklagten zu 1) bzw. der Beklagten zu 2) erfolgen. Aus dieser unpräzisen Formulierung des Forderungsberechtigten können aber nicht Rückschlüsse auf eine Gesamtschuldnerschaft der Beklagten in Bezug auf die Rückzahlung überzahlter Kaufpreise bzw. Werklohnforderungen gezogen werden.
Die Vereinbarung des Festpreises für das Grundstück einschl. des Bauwerkes könnte für sich allein zwar eine Gesamtschuldnerschaft der Beklagten begründen, doch wird diese Vereinbarung durch die in der Folge vorgenommene genaue Aufteilung in Teilkaufpreise, die an die jeweiligen Beklagten zu zahlen sind, aufgehoben. Schließlich kann eine gesamtschuldnerische Haftung beider Beklagten auch nicht aus § 10 Abs. 3 des Vertrages entnommen werden, in dem lediglich die Haftung beider Beklagten für den Besitz und lastenfreien Eigentumsübergang geregelt ist.
Soweit sich die Kläger auf eine wirtschaftliche und rechtliche untrennbare Einheit der Beklagten berufen, handelt es sich hierbei entsprechend den Ausführungen in dem Betriebsprüfungsbericht des Finanzamtes allein um eine steuerliche Bewertung, die sich auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien nicht auswirkt.
Schuldeten die Kläger dem ursprünglichen Beklagten zu 1 aber nur den Kaufpreis für das Grundstück und der Beklagten zu 2 den Werklohn für das zu errichtende Reihenhaus, so können sie auch nur die jeweils geleistete Umsatzsteuer bezüglich dieser Teilbeträge von der jeweiligen Vertragspartei zurückfordern. Damit ist ein entsprechender Anspruch der Kläger gegen den Beklagten zu 1 in Höhe von 8. 572, 44 DM und gegen die Beklagte zu 2 in Höhe von 47. 488, 41 DM begründet.
III. Die geltend gemachte Zinsforderung ist aus §§§ 284 Abs. 1, 285, 288 Abs. 1 S. 2 BGB gerechtfertigt.
IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer folgt aus § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.