Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.03.1969, Az.: P OVG L 4/68 (Schl.-H.)

Mitwirkungsrechte des Personalrats; Vorlegen der Bewerbungsunterlagen bei Neueinstellungen sämtlicher Bewerber beim Personalrat; Aktivlegitimierung des Personalrats

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.03.1969
Aktenzeichen
P OVG L 4/68 (Schl.-H.)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1969, 11305
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1969:0326.P.OVG.L4.68SCHL.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig-Holstein - 02.07.1968 - AZ: PL 10/68

Fundstelle

  • DVBl 1970, 300 (Kurzinformation)

Verfahrensgegenstand

Vorlage von Bewerbungsunterlagen bei Neueinstellungen.

Redaktioneller Leitsatz

  1. I)

    Zur Mitwirkung bei der Entscheidung einer Dienststelle ist jeweils nur diejenige Personalvertretung (Gruppenvertretung) berufen, die bei dieser Dienststelle gebildet ist. Demzufolge kann eine Stufenvertretung, d.h. ein Bezirks-oder Hauptpersonalrat nur dann zuständig sien, wenn die nachgeordnete Dienststelle, an der ein Personalrat gebildet ist, zur Entscheidung nicht befugt ist oder wenn bei der Dienststelle, deren Entscheidung in Betracht steht, eine Personalvertretung nicht besteht.

    Das Mitwirkungsrecht einer jeden Personal Vertretung geht grundsätzlich nicht weiter als die Entscheidungsbefugnis der Dienststelle, bei der sie besteht.

  2. II)

    Die Vorlage sämtlicher Bewerbungsunterlagen von Bewerbern soll nur insoweit der Personalvertretung vorgelegt werden, soweit sich die Notwendigkeit der Vorlage schon "aus der Sache selbst" ergibt. Zur Vorbereitung von Einstellung, bei denen die Gruppenvertretung mitwirken soll, ergibt es sich aus der Sache, dass der zuständigen Gruppenvertretung ein Überblick über alle Bewerber gegeben wird, die zur Auswahl stehen. Die Gruppenvertretung kann nur dann prüfen, ob durch die beabsichtigte Personalmaßnahme "andere geeignete Bewerber wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationaliät, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechtes benachteiligt werden sollen, wenn er nicht nur die Namen und das Rangdienstalter, sondern auch die Abstammung, Religion usw. in Betracht kommenden Bewerber kennt.

In der Personalvertretungssache
hat der Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land Schleswig-Holstein) beim Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 1969 in Kiel
durch
Senatspräsident Lindner,
die Oberverwaltungsgerichtsräte Dr. Winkelvoß und Neumann sowie
die ehrenamtlichen Beisitzer Meier und Noss
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) - vom 2. Juli 1968 wird wie folgt neu gefaßt:

    Es wird festgestellt, daß der Beklagte bei Neueinstellungen auf Grund von Bewerbungen für zu besetzende Stellen verpflichtet ist, in Fällen, in denen die jeweilige Gruppenvertretung des Klägers nach § 49 i.V.m. § 51 a PersVG (GVOBl. Schl.-H. 1964, 205), mitzuwirken hat, der zuständigen Gruppenvertretung auf Verlangen die von sämtlichen Bewerbern persönlich eingereichten Bewerbungsunterlagen zur Einsicht zur Verfügung zu stellen, soweit, nicht der Bewerber die Weitergabe untersagt hat oder Bewerbungsunterlagen ihrer Natur nach geheim sind.

  2. 2.

    Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

  4. 4.

    Die Revision wird zugelassen.

  5. 5.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

I.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 1966 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten den Anspruch geltend, daß ihm "bei Neueinstellungen Bewerbungsunterlagen vorzulegen" seien. Im Einvernehmen mit dem Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ordnete der Beklagte daraufhin am 7. Juni 1967 an, daß "bei mitwirkungsbedürftigen Einstellungen" nach dem Wunsche des Klägers zu verfahren sei, jedoch mit der Einschränkung, daß nur Unterlagen über diejenigen Bewerber vorzulegen seien, die der Dienstherr einzustellen beabsichtige. Der Kläger erhob hiergegen Gegenvorstellung mit dem Hinweis, sein Antrag sei dahin zu verstehen, daß "alle Bewerbungsunterlagen aller Bewerber dem Hauptpersonalrat vorzulegen seien". Dieses Verlangen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 1967 ab. Nachdem der Versuch einer gütlichen Einigung gescheitert war, erhob der Kläger am 16. April 1968 Klage vor der Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts.

2

Zur Klagebegründung hat der Kläger geltend gemacht. Im Rahmen seines Mitwirkungsrechtes obliege es ihm insbesondere dafür zu sorgen, daß bei Einstellungen jede unterschiedliche Behandlung von Bewerbern wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechtes unterbleibt (§ 50 Abs. 2 Buchst. c des Gesetzes über die Personalvertretungen in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben in Schleswig-Holstein in der Fassung vom 21. Oktober 1964, GVOBl. Schl.-H. S. 205; nachfolgend mit PersVG abgek. - SaBl - 1964, 1738). Diese Pflicht könne er aber nur erfüllen, wenn er auch die Bewerbungsunterlagen derjenigen Bewerber sehen könne, die nicht in die engere Wahl gezogen worden sind. Im übrigen widerspreche die Einstellung der Beklagten dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Dienststelle und Personalrat (§ 42 PersVG). Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß der Beklagte ihm bei Neueinstellungen die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber vorzulegen hat.

3

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

4

Er hat vorgetragen, sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch der Wille des Gesetzgebers spreche gegen die Ansicht des Klägers. Letzteres sei insbesondere deutlich geworden bei der Beratung des Schleswig-Holsteinischen Richtergesetzes vom 27. Juni 1966 durch den Landtag, wobei sogar die bloße Bekanntgabe von Namen und Amtsbezeichnung derjenigen Bewerber ausdrücklich abgelehnt worden sei, die bei der Besetzung einer ausgeschriebenen Richterstelle nicht berücksichtigt werden sollten. Damals sei diese Stellungnahme im Landtage mit der Erwägung begründet worden, der Präsidialrat habe nur eine Kontrollfunktion, solle aber nicht selbst Personalpolitik treiben. Das müsse auch für die Personalräte gelten.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und in den Gründen, seines Urteils ausgeführt: Die Klage sei zulässig, da, der Verwaltungsrechtsweg in § 53 Abs. 1 Nr. 1 c PersVG für alle Zweifelsfragen aus diesem Gesetz gegeben sei. Begründet sei die Klage deswegen, weil das Gesetz eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalrat fordere (§ 42 Abs. 1 Satz 1) und aus diesem Grunde jede Maßnahme, an der der Personalrat mitzuwirken habe, mit dem Ziele einer Verständigung mit ihm rechtzeitig und eingehend zu erörtern sei (§ 45 Abs. 1 PersVG). Auch das Bundesverwaltungsgericht habe in seinen. Beschlüssen vom 13. Mai 1960 und 12. Januar 1962 (ZBR 1960, 269 und BVerwGE 13, 291) eine gleiche Rechtsauffassung erkennen lassen. Zwingend ergebe sich aber die Berechtigung des vom Kläger erhobenen Anspruches aus der Überlegung, daß der Personalrat eine etwaige Verletzung des Gleichheitssatzes nicht einmal argwöhnen könne, wenn er lediglich die Bewerbungsunterlagen des für die Einstellung vorgesehenen Bewerbers zu sehen bekomme. Gerade die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes sei ihm aber in § 50 Abs. 2 PersVG ausdrücklich zur gesetzlichen Pflicht gemacht. Auf eine etwaige abweichende Ansicht des Landtages könne sich der Beklagte nicht berufen, da das Gesetz verfassungskonform auszulegen und im übrigen auch die rahmenrechtliche Bestimmung des § 91 des Bundespersonalvertretungsgesetzes - BPersVG - zu beachten sei. Aus diesem Grunde könne sich der Beklagte auch nicht etwa auf § 49 Abs. 2 Satz 2 PersVG berufen, jedenfalls nicht für die hier allein zu entscheidende Frage der Mitwirkung des Personalrats bei Einstellungen.

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Gegen dieses ihm am 31. Oktober 1968 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26. September 1968 Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung trägt er vor: Zweifelhaft sei es schon, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Feststellungsklage gegeben seien, da der Kläger in jedem konkreten Fall Leistungsklage auf Vorlage bestimmter Unterlagen erheben könne. Jedenfalls sei die Klage aber nicht begründet. Um dem Personalrat die sinnvolle Ausübung seines Mitwirkungsrechts zu ermöglichen, genüge es, wenn ihm von der Dienststelle die Unterlagen der für die Einstellung vorgesehenen Bewerber vorgelegt würden. Die Personalvertretung habe, sich nur dazu zu äußern, ob sie mit den von der Dienststelle ausgesuchten Bewerbern einverstanden ist. Dazu sei die Kenntnis der Unterlagen aller Bewerber nicht erforderlich. Habe die Personalvertretung Bedenken gegen den von der Dienststelle vorgesehenen Bewerber, so könne sie in der anschließenden Erörterung um Aufklärung über die Gründe bitten, die für die Einstellung gerade dieses Bewerbers und für die Ablehnung der etwa weiter eingegangenen Bewerbungen sprächen. Nach §§ 42 Abs. 1 und 45 Abs. 1 PersVG wäre der Dienststellenleiter dann verpflichtet, in Zweifelsfällen zu erläutern, weshalb die Wahl auf den vorgeschlagenen Bewerber gefallen ist. Wieweit er dabei, ohne hierzu verpflichtet zu sein, Unterlagen anderer Bewerber vorlege, bleibe ihm anheimgestellt. Dabei müsse auch bedacht werden, daß diese Bewerber einen Anspruch auf Geheimhaltung ihrer der persönlichen Sphäre angehörenden Bewerbungsunterlagen und -angaben hätten. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts stünden dieser Auffassung nicht entgegen. Ihnen lägen Fälle von Beförderungen und Versetzungen zugrunde, nicht aber Fälle von Neueinstellungen. Im übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht bei Beförderungen nur die Unterrichtung des Personalrats über die. Beförderungssituation (Beschluß vom 13. Mai 1960) und bei einer Versetzung nur die bloße Bekanntgabe von Namen, Rang und Dienstalter (Beschluß vom 12. Januar 1962) für erforderlich erklärt. Das weitergehende Verlangen des Klägers lasse sich mithin mit den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtfertigen. Es stehe auch im Gegensatz zu § 49 Abs. 2 PersVG, wonach dem Personalrat bei Beförderungen nur ein zahlenmäßiger Überblick über die Beförderungssituation zu geben sei; bei Neueinstellungen sei nicht einmal die Gewährung eines solchen Überblicks vorgeschrieben,

7

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Er hat in der mündlichen Verhandlung vor, dem Senat im Einverständnis mit dem Beklagten seinen Klageantrag dahin neu gefaßt, daß festgestellt werden möge,

10

daß der Beklagte bei Neueinstellungen auf Grund von Bewerbungen für zu besetzende Stellen verpflichtet ist, in Fällen, in denen die jeweilige Gruppenvertretung des Klägers nach § 49 i.V.m. § 51 a PersVG (GVOBl. Schl.-H. 1964 S. 205) mitzuwirken hat, der jeweiligen Gruppenvertretung auf Verlangen die von sämtlichen Bewerbern persönlich eingereichten Bewerbungsunterlagen zur Einsicht zur Verfügung zu stellen, soweit nicht der Bewerber die Weitergabe untersagt hat oder Bewerbungsunterlagen ihrer Natur nach geheim sind.

11

Im übrigen hat der Kläger seinen bisherigen Rechtsstandpunkt aufrechterhalten und das angefochtene Urteil verteidigt.

12

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 26. März 1969 Bezug genommen.

13

Dem Senat liegen die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vor, in denen der über die streitige Frage mit dem Kläger geführte Schriftwechsel enthalten ist.

14

Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet,

15

1.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage, etwa weil der Klageantrag keinen konkreten Einzelfall betrifft oder weil anstelle der erhobenen Feststellungsklage eine Leistungsklage zu erheben wäre, bestehen nicht. Nach den bisherigen Entscheidungen sowohl des erkennenden Senats als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschlüsse vom 28.4.1967 - VII P 8.66 - ZBR S. 377 - und vom 13.5.1960 - ZBR S. 269; OVG Lüneburg, Beschluß vom 19.6.1959 - ZBR S. 236) sind in Personalvertretungssachen Feststellungsklagen zulässig, die das Ziel haben, Befugnisse und Zuständigkeiten der Personalvertretungen abzugrenzen, auch wenn dem anhängig gemachten Verfahren kein konkreter Fall zu Grunde liegt. Sie betreffen zwar Streitkeiten aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz oder dem Personalvertretungsgesetz für das Land Niedersachsen, die nach den Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes durchzuführen sind (vgl. § 76 BPersVG und § 85 Nds, PersVG). Für den vorliegenden Rechtsstreit gilt dagegen nach § 53 des Schleswig-Holsteinischen Personalvertretungsgesetzes (GVOBl. 1964, 205 = SaBl. 1964, 1738) - PersVG - das allgemeine verwaltungsgerichtliche Verfahren, wie es in der VwGO geregelt ist. Die VwGO gilt jedoch auch für Streitigkeiten aus diesem Personalvertretungsgesetz nicht uneingeschränkt. Vielmehr hat der Schleswig-Holsteinische Landesgesetzgeber in § 53 PersVG in mehrfacher Hinsicht von der Ermächtigung des § 187 Abs. 2 VwGO Gebrauch gemacht und Sonderbestimmungen getroffen, die in Personalvertretungssachen neben der Verwaltungsgerichtsordnung oder anstelle von in dieser enthaltenen Vorschriften anzuwenden sind. Zu diesen Sonderregelungen gehört insbesondere diejenige des § 53 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, wonach der Verwaltungsrechtsweg auch zulässig ist, bei Streitigkeiten über "andere Zweifelsfragen ... nach diesem Gesetz". Hierdurch wird für Personalvertretungssachen im Lande Schleswig-Holstein die Vorschrift des § 43 VwGO dahin modifiziert, daß nicht nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines - bereits konkretisierten - Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden kann, sondern auch die Klärung anderer Zweifelsfragen aus dem PersVG. Zwar kann nicht wegen jeder beim Personalrat bestehenden Zweifelsfrage das Gericht angerufen werden. Der in allen Verfahren und vor allen Gerichten geltende Grundsatz, daß ein Gericht nur angerufen werden kann, wenn hierfür ein - konkretes - Rechtsschutzbedürfnis besteht, verlangt auch in diesem Fall, daß die Zweifelsfrage, deren Klärung mit der Klage begehrt wird, bereits zwischen den Beteiligten tatsächlich ausgetreten ist und voraussichtlich in Zukunft wieder auftreten wird. Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Fall erfüllt, wie sich aus dem Sachverhalt und der Natur der Streitfrage ohne weiteres ergibt.

16

2.

Der Kläger ist für die von ihm erhobene Klage auch aktiv legitimiert. Zwar sind die Unterlagen, deren Vorlage hier im Streite ist, nicht dem Kläger selbst, sondern nur der jeweils in Betracht kommenden Gruppenvertretung zuzuleiten, denn nur diese wirkt bei personellen Angelegenheiten mit (§ 49 PersVG). Die Gruppenvertretungen sind aber ihrerseits nur unselbständige Teile des Personalrats (§§ 10, 21 PersVG) und als solche nicht selbst klageberechtigt (Ballerstedt-Engelhard, RdNr. 39 und 55 zu Art. 76 BayPersVG m.w.H.). Nachdem der Kläger erklärt hat, daß jede der jeweils zuständigen Gruppenvertretungen über die hier vorliegende Klage abgestimmt und den Beschluß gefaßt hat, diese Klage durchzuführen, ferner die Prozeßvollmacht bestätigt hat, bestehen auch keine Bedenken aus § 21 Abs. 4 PersVG, wonach in Angelegenheiten, die lediglich die Angehörigen einer Gruppe (Beamten, Angestellte oder Arbeiter) betreffen, der Vorsitzende des Personalrats und der Gruppensprecher zusammen den Personalrat vertreten.

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3.

In der Sache selbst ist das Klagebegehren begründet, nachdem der nur schriftsätzlich formulierte Klageantrag in der mündlichen Verhandlung dem wirklichen Klagebegehren entsprechend - im Einverständnis mit dem Beklagten - vom Kläger neu formuliert worden ist und insbesondere klargestellt ist, daß zur Mitwirkung bei der Entscheidung einer Dienststelle jeweils nur diejenige Personalvertretung (Gruppenvertretung) berufen ist, die bei dieser Dienststelle gebildet ist (§ 51 a Abs. 1 PersVG; vgl. BVerwGE 12, 198; BayVGH, Beschl, v. 2.12.1965 - PV 1966, 90). Demzufolge kann eine Stufenvertretung, d.h. ein Bezirks- oder Hauptpersonalrat wie der Kläger (§ 38 PersVG) nur dann zuständig sein, wenn die nachgeordnete Dienststelle, an der ein Personalrat gebildet ist, zur Entscheidung nicht befugt ist (§ 51 a Abs. 2 a.a.O.) oder wenn bei der Dienststelle, deren Entscheidung in Betracht steht, eine Personalvertretung nicht besteht (BVerwGE 12, 198), Der Kläger als Hauptpersonalrat (bzw. seine Gruppenvertretung) ist also nicht zur Mitwirkung berufen, soweit es sich um Maßnahmen handelt, die Bedienstete des Kultusministeriums selbst betreffen. Denn hierfür ist der Personalrat des Ministeriums zuständig (vgl. BVerwGE 12, 198),

18

Das Mitwirkungsrecht einer jeden Personal Vertretung geht grundsätzlich nicht weiter als die Entscheidungsbefugnis der Dienststelle, bei der sie besteht (BVerwG, Beschl, v. 18. Oktober 1963 - DÖD 1964, 9).

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Der Kläger kann mithin eine Beteiligung der jeweils zuständigen Gruppenvertretung bei Einstellungen auf Grund von Bewerbungen nur dann verlangen, wenn sich diese Maßnahmen beziehen auf Dienstposten bei Dienststellen, die dem Kultusministerium nachgeordnet sind und über deren Besetzung nicht diese Dienststellen selbst entscheiden, sondern entweder der Beklagte oder auf dessen Vorschlag der Ministerpräsident (vgl. Erl. d. Ministerpräsidenten vom 17. Februar 1968 über Ernennung, Einstellung und Entlassung von Beamten, Angestellten und Arbeitern - AmtsBl. Schl.-H. 1968, 105).

20

4.

Soweit er danach zuständig ist, wendet sich der Kläger allerdings zu Recht dagegen, daß der Beklagte der jeweils zuständigen Gruppenvertretung in allen Fällen lediglich die Unterlagen desjenigen Bewerbers vorzulegen bereit ist, dessen Einstellung (§ 49 PersVG) der Minister beabsichtigt oder vorzuschlagen gedenkt. Die gegenteilige Ansicht des OVG Münster (vgl. Beschlüsse vom 5.9.1960 - ZBR 1960, 358 - mit abweichender Anmerkung von Windscheid = PV 1961, 209 - und vom 27.2.1961 - ZBR 1961, 356 [BVerwG 14.04.1961 - BVerwG VII P 8.60]), auf die der Beklagte sich vornehmlich stützt, widerspricht dem Gebot des § 45 Abs. 1 PersVG, die von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahmen vor ihrer Durchführung mit dem Ziele einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Personalrat schriftlich oder mündlich zu erörtern. Sie läßt sich außerdem nicht vereinbaren mit dem weiteren gesetzlichen Gebot, der Personal Vertretung auf Verlangen die zur Durchführung ihrer Aufgabe erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 24 Abs. 6 PersVG). Die zur Rechtfertigung seiner Ansicht vom OVG Münster angeführte Meinung, "beabsichtigte Maßnahme" sei nur die Eingliederung einer bestimmten Person, nicht aber der gesamte Einstellungsvorgang, überzeugt nicht. Wenn die Gruppenvertretung nach § 49 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1 PersVG bei der Einstellung von Beamten mitzuwirken hat und hierbei nach Abs. 2 dieser Vorschrift Einwendungen auf die in § 50 Abs. 2 aufgeführten Gründe (unsachliche Bevorzugung oder Benachteiligung von Bewerbern) stützen kann, so bedeutet das, daß die Gruppenvertretung nicht nur zu prüfen hat, ob gegen den einzustellenden Bewerber keine individuellen Bedenken bestehen, sondern auch, ob bei seiner Auswahl nicht die in § 50 Abs. 2 PersVG genannten Grundsätze verletzt worden sind.

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Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum wiederholt gefordert worden, der Personalrat müsse dartun, weshalb im konkreten Fall die Vorlage von Unterlagen und welcher von ihm gefordert werde (BayVGH a.a.O.; Windscheid in PV 1961, 121, 124). Mit Recht aber hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, daß von einer solchen Darlegung abzusehen sei, soweit sich 4 die Notwendigkeit der Vorlage schon "aus der Sache selbst" ergibt (BVerwG, Beschl, v. 26.2.1960 = E 10, 196; ebenso Rewolle, RiA 1962, 369 und 1963, 151). Zur Vorbereitung von Einstellungen im Sinne des § 49 PersVG, bei denen die Gruppenvertretung mitwirken soll, ergibt es sich stets aus der Sache, daß der zuständigen Gruppenvertretung ein Überblick über alle Bewerber gegeben wird, die zur Auswahl stehen (ebenso Fitting-Heyer-Lorenzen, Anm. 15 zu § 57 BPersVG). Die Gruppenvertretung kann nur dann prüfen, ob durch die beabsichtigte Personalmaßnahme "andere geeignete Bewerber wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechtes benachteiligt werden sollen" (§ 50 Abs. 2 c i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 PersVG), wenn er nicht nur die Namen und das Rangdienstalter, sondern auch Abstammung, Religion usw. alter in Betracht kommenden Bewerber kennt. Das begründet keine eigene Personalpolitik des Personalrats bzw. der zuständigen Gruppenvertretung, sondern ermöglicht nur sein Mitwirken bei personalpolitischen Entscheidungen, wie es im Personalvertretungsgesetz ausdrücklich im gesetzlichen Rahmen vorgeschrieben ist (§ 49 PersVG).

22

Zu Unrecht schließt der Beklagte demgegenüber aus der Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 2 PersVG, wonach die Gruppenvertretung einen Anspruch darauf hat, daß ihr von der Dienststelle ein zahlenmäßiger Überblick über die Beförderungssituation gegeben wird, diese Vorschrift sei eine Sondervorschrift gegenüber derjenigen des § 24 Abs. 6 PersVG in dem - Sinne, daß bei Beförderungen nur ein solcher allgemeiner Überblick und bei Neueinstellungen nicht einmal dieser zu geben sei. § 49 Abs. 2 schließt § 24 Abs. 6 PersVG nicht aus, sondern steht neben dieser Vorschrift und ergänzt sie. Bei Beförderungen werden im allgemeinen Bewerbungs- oder ähnliche unterlagen wie bei Neueinstellungen nicht vorliegen. Ohne die Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 2 PersVG wäre daher die Gruppenvertretung bei Beförderungen nur auf die Angaben der Dienststelle über den zur Beförderung Ausersehenen angewiesen. Deshalb bedurfte es hier dieser Sondervorschrift. Bei Neueinstellungen - jedenfalls bei solchen, die auf eine Ausschreibung hin erfolgen sollen - liegen aber die Bewerbungsunterlagen vor. Sie fallen unter § 24 Abs. 6 PersVG und sind nach dieser Vorschrift auf Verlangen den Personalvertretungen - nach § 49 PersVG hier den zuständigen Gruppenvertretungen - vorzulegen, weil sie zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich sind.

23

Diese Auslegung des Gesetzes wird von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gestützt. Der von den Beteiligten erörterte Beschluß vom 8. November 1957, (BVerwGE 5, 344) ist zwar nicht ganz unmißverständlich. Dementsprechend berufen sich auch im vorliegenden Verfahren beide Seiten auf diese Entscheidung. In seinem späteren Beschluß vom 12. Januar 1962 (BVerwGE 13, 291 = PV 1962, 160) hat das Bundesverwaltungsgericht indessen eindeutig entschieden, daß im. Falle einer vorangegangenen Ausschreibung der Personalvertretung jedenfalls die Erwägungen des Dienststellenleiters mitzuteilen sind, die für die Auswahl des zur Einstellung vorgesehenen Bewerbers geführt haben (ebenso Ballerstedt-Engelhard a.a.O.; Auffahrt in "Die Personalvertretung" 1968, 29). Noch weiter geht das Bundesverwaltungsgericht dann in dem Beschluß vom 28. April 1967 - VII P 8.66 - (= ZBR 1967, 377 [BVerwG 28.04.1967 - BVerwG VII P 8.66] = "Die, Personalvertretung" 1967, 278), in dem es uneingeschränkt dem Personalrat das Recht auf Vorlage von Namen und Unterlagen aller Bewerber zuspricht (ebenso, Magdeburg in "Die Personalvertretung" 1965, 265, 266), und zwar ausdrücklich mit der Begründung, "ohne diese Vorlage wäre der Personalrat zu einer sachgemäßen Wahrnehmung seiner Aufgaben überhaupt nicht in der Lage". Diese Entscheidung betrifft zwar § 57 Abs. 2, des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 23.12.1959 (= SaBl. 1960, 132) und einen Fall der Mitbestimmung gemäß § 64 Hess. PersVG und nicht der Mitwirkung, wie sie im vorliegenden Fall in Frage steht. Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich daraus - auch dem Wortlaut des § 57 Abs. 2 Hess. PersVG und § 24 Abs. 6 Schl.-H. PersVG, nach - aber nicht. Denn auch eine nur zur Mitwirkung berufene Personalvertretung ist zu einer sachgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgabe nur in der Lage, wenn ihr die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber bekannt sind, die der entscheidenden Stelle vorliegen.

24

Die Bedenken des Beklagten, daß die Vorlage der Bewerbungsunterlagen die Individualrechte der Bewerber verletze und schon deshalb rechtswidrig sei, treffen in dieser Allgemeinheit nicht zu. Wer sich unter Einreichung von Bewerbungsunterlagen um eine Einstellung im Sinne des § 49 PersVG bewirbt, muß damit rechnen, daß diese Bewerbungsunterlagen allen Personen zur Kenntnis kommen, die mit der Angelegenheit befaßt werden. Zu diesen gehören die Mitglieder der Gruppenvertretung, die nach §§ 49 und 50 PersVG zur Mitwirkung bei der Einstellung berufen sind. Das vorbehaltlose Einreichen von Bewerbungsunterlagen beinhaltet mithin schon im Zweifel das Einverständnis mit der Vorlage dieser Unterlagen an die Mitglieder der zuständigen Gruppenvertretung (so auch schon BVerwGE 5, 344). Hat der Bewerber eine solche Vorlage dagegen ausdrücklich untersagt oder sind die Unterlagen ihrer Natur nach geheim, dann dürfen sie nicht vorgelegt werden. In diesem Fall hat der Bewerber allerdings auch nicht die Gewähr, daß die Entscheidung des Dienstherrn, von der Gruppenvertretung auf ihre Unparteilichkeit und sachliche Vertretbarkeit geprüft wird.

25

Nach alledem verlangt der Kläger zu Recht, daß der Beklagte bei Neueinstellungen in Fällen, in denen eine der Gruppenvertretungen des Klägers mitzuwirken hat, dieser auf Verlangen Einsicht in die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber gewährt, soweit Bewerber nicht etwa die Vorlage der Unterlagen untersagt oder die Unterlagen - wie z.B. grundsätzlich (vgl. hierzu § 24 Abs. 6 PersVG) alle Personalakten (BVerwG, Beschl. v. 19.8.1964 - PV 1965, 132 -) und dienstlichen Beurteilungen (BVerwGE 8, 219) - ihrer Natur nach geheim sind und soweit es sich nicht um Dienststellenleiter, deren ständige Vertreter oder auch Angehörige des öffentlichen Dienstes handelt, die zur Entscheidung in Personalangelegenheiten berufen sind, oder um Beamte der Besoldungsgruppe A 15 und höher, um Beamte auf Zeit (§ 51 i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 1 PersVG) oder um Beamte der Personalreserve (o.a. Erlaß vom 17.2.1968 - II 2 -). Die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil war daher - nach Neufassung der Urteilsformel - zurückzuweisen.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO.

27

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der durch höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht abschließend geklärten Rechtsfragen war die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO).

28

Die Revision, ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, Uelzener Straße 40, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen.

Lindner
Dr. Winkelvoß
Neumann