Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.09.2019, Az.: 2 Ws 281/19

Kein Kostenrisiko des Nebenklägers

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.09.2019
Aktenzeichen
2 Ws 281/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 44557
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 21.02.2019 - AZ: 29 Ns 105/18

Fundstellen

  • JurBüro 2019, 657-658
  • RVGreport 2020, 61-62
  • StraFo 2019, 525-526

Amtlicher Leitsatz

1. Der anwaltliche Gebührenanspruch gemäß § 397a Abs. 1 StPO richtet sich gegen die Staatskasse (§ 45 Abs. 3 RVG) oder den Verurteilten (§ 53 Abs. 2 S. 1 RVG). Ein Gebührenanspruch gegen den Nebenkläger selbst besteht nicht.

2. Im Fall der Bestellung eines Nebenklagevertreters nach § 397a Abs. 1 StPO führt dessen Gebührenanspruch einschließlich der nach § 46 RVG erforderlichen Auslagen und Aufwendungen daher nicht zu einer Beschwer des Nebenklägers im Sinne des § 304 Abs. 3 StPO, selbst wenn das Gericht die Kosten der Nebenklage im Falle der Verurteilung versehentlich nicht dem Angeklagten auferlegt.

3. Auslagen - und damit eine Beschwer - des Nebenklägers können allerdings bestehen, soweit aus einem vor oder neben der Bestellung nach § 397a Abs. 1 StPO begründeten, privatrechtlichen Mandatsverhältnis mit dem Nebenklägervertreter eine höhere als die gesetzlich geschuldete Vergütung geschuldet wird.

Gründe

Nach Beratung weist der Senat auf folgendes hin:

I.

Die sofortige Beschwerde vom 22.02.2019 gegen die Kostenentscheidung des Urteils der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 21.02.2019 dürfte sich als unzulässig erweisen.

Die Beschwerde wäre gemäß §§ 464 Abs. 3 S.1, 311 Abs. 2 StPO zulässig, wenn durch die - versehentlich, vgl. UA S. 4 - unterlassene Entscheidung über die Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin auf den Angeklagten dieser eine Beschwer entstanden ist, die die Beschwerdesumme des § 304 Abs. 3 StPO (200,- EUR) erreicht. Betrifft die Beschwerde - wie hier - nur die Kostengrundentscheidung, ergibt sich der Beschwerdebetrag aus dem voraussichtlich sich ergebenden Kosten- und Auslagenbetrag (MüKoStPO/Neuheuser, 1. Aufl. 2016, StPO § 304 Rn. 44).

1.

Eigene, in der Berufungsinstanz entstandene Auslagen der Nebenklägerin in dieser Höhe sind nicht ersichtlich. Im Antrag werden keine durch das Berufungsverfahren begründeten Auslagen der Nebenklägerin mitgeteilt. Die Nebenklägerin ist zur Berufungshauptverhandlung ausweislich des Protokolls auch nicht erschienen.

2.

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft der Ansicht ist, dass die Zulässigkeitsbeschwer bereits durch die entstandene Verfahrensgebühr der nach § 397a Abs. 1 StPO gerichtlich bestellten Nebenklägervertreterin - für das Berufungsverfahren gemäß Nr. 4124 VV-RVG 256,- EUR - erreicht sei, handelt es sich dabei unter keinen Umständen um Auslagen der Nebenklägerin.

Der anwaltliche Gebührenanspruch gemäß § 397a Abs. 1 StPO richtet sich gegen die Staatskasse (§ 45 Abs. 3 RVG) oder den Verurteilten (§ 53 Abs. 2 S. 1 RVG). Ein Gebührenanspruch gegen den Nebenkläger selbst besteht gerade nicht (KG Berlin, Beschluss vom 13.05.2009, 1 Ws 37/09 Rn. 11 nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 397 a, Rn. 17a). Den Nebenkläger trifft damit kein Kostenrisiko (Wenske in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, § 397a, Rn. 30). Tritt die Staatskasse in Vorleistung, entfällt insoweit der Anspruch gegen den Verurteilten (§ 53 Abs. 2 S. 2 RVG). Der Verurteilte hat die Zahlungen der Staatskasse zu erstatten, soweit diese in Anspruch genommen wird, da die insoweit von der Staatskasse gezahlte Vergütung - entsprechend der Vergütung des gerichtlich bestellten Verteidigers gem. KV GKG Nr. 9007 - zu den Kosten des Strafverfahrens nach § 464a StPO gehört (MüKoStPO/Grommes, 1. Aufl. 2019, StPO § 464a Rn. 11; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl. 2019, StPO § 464a Rn. 4b). Die Kosten der Berufungsinstanz hat der Verurteilte aufgrund der nach § 473 StPO ergangenen Kostentscheidung zu tragen. Zur gesetzlichen Vergütung nach § 45 Abs. 3 RVG gehören schließlich gemäß § 1 RVG außer den Gebühren grundsätzlich auch die nach § 46 RVG erforderlichen Auslagen und Aufwendungen des Rechtsanwalts (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG § 46 Rn. 2).

In Höhe der durch die Bestellung nach § 397a Abs. 1 StPO entstandenen Verfahrensgebühr für die Nebenklägervertreter sowie der nach § 46 RVG notwendigen Auslagen und Aufwendungen ist daher eine eigene Beschwer der Nebenklägerin nicht gegeben.

3.

Auslagen - und damit eine Beschwer - der Nebenklägerin könnten allerdings bestehen, soweit diese aus einem vor oder neben der Bestellung nach § 397a Abs. 1 StPO begründeten, privatrechtlichen Mandatsverhältnis mit der Nebenklägervertreterin eine höhere als die gesetzliche geschuldete Vergütung schuldet. Für die Bestellung nach § 397a Abs. 1 StPO ist es - anders als in § 140 StPO - nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt sein Wahlmandat niederlegt. Durch die (nachträgliche) Einfügung der einschränkenden Worte "aufgrund seiner Bestellung" in § 53 Abs. 2 RVG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass der Rechtsanwalt durch § 53 Abs. 2 RVG nicht gehindert ist, aus einem parallel zur Bestellung bestehenden Wahlanwaltsvertrag seine vertraglich geschuldete Vergütung vom Mandanten zu fordern (Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, RVG § 53 Rn. 3, beck-online).

Insoweit fehlt es aber derzeit ebenfalls an entsprechendem Vortrag.

4.

Für den Fall einer zulässigen Beschwerde meint der Senat mit der Generalstaatsanwaltschaft, dass die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils um die Verpflichtung zur Tragung der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu ergänzen wäre. Der Senat neigt hierbei dazu, aufgrund des nur unwesentlichen Erfolgs, den die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten erbracht hat, das Rechtsmittel insgesamt als erfolglos im Sinne des § 473 Abs. 1 StPO zu betrachten. Einer entsprechenden Anwendung des § 472 Abs. 1 StPO bedarf es in diesem Fall nicht.

Vorliegend beantragte der Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung die Verhängung einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe. Mit dem Berufungsurteil ist die Strafe aus der amtsgerichtlichen Verurteilung zu 2 Jahren und 6 Monaten um zwei Monate auf 2 Jahre und 4 Monate - also um weniger als ein Zehntel - reduziert worden. Im kostenrechtlichen Sinne ist die Berufung damit erfolglos geblieben: Erfolglos ist ein Rechtsmittel, wenn es unzulässig oder unbegründet ist oder nur zu einem ganz unwesentlichen Teil Erfolg hat (BeckOK StPO/Niesler, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 473 Rn. 5). Bei einem erfolglosen Rechtsmittel des Beschuldigten sind diesem auch die Kosten des zu Recht zugelassenen Nebenklägers aufzuerlegen, § 473 Abs. 1 S. 2 StPO, falls der Schuldspruch das Nebenklagedelikt betrifft (BGH NStZ 1997, 74; 2009, 263; BeckOK StPO/Niesler, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 473 Rn. 19). Dies ist der Fall.

II.

Für den Fall, dass sich ein die Beschwerdesumme des § 304 StPO erreichender Betrag nicht durch entsprechenden Vortrag substantiieren lässt, regt der Senat an, aus Kostengründen eine Rücknahme der Beschwerde zu erwägen.

III.

Es wird eine Frist zur Stellungnahme bis zum 18.10.2019 gesetzt.