Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.12.1975, Az.: P OVG L 3/75 (Schl.-H.)
Anfechtung einer Personalratswahl; Recht des gewählten Personalrats zur Führung der Geschäfte bis zur Entscheidung über die Wahlanfechtungsklage; Aufschiebende Wirkung einer Wahlanfechtung; Pflicht zum Aushang einer Abschrift oder eines Abdrucks des Wahlausschreibens
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.12.1975
- Aktenzeichen
- P OVG L 3/75 (Schl.-H.)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1975, 14614
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1975:1217.P.OVG.L3.75SCHL.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig-Holstein - 28.05.1975 - AZ: PL 7/75
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Vorläufige Geschäftsführung durch den bisherigen Personalrat
Einstweilige Anordnung
In der Personalvertretungssache
hat der Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Schleswig-Holstein
bei dem Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
am 17. Dezember 1975
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) - vom 28. Mai 1975 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Der Wahlvorstand für die Wahl des Personalrats in der Stadtverwaltung ... erließ am 10. März 1975 das Wahlausschreiben für die Personalratswahlen. Darauf ging für die Gruppe der Arbeiter außer dem Einzelwahlvorschlag des Bewerbers ... am 24. März 1975 ein Wahlvorschlag mit dem Kennwort "ÖTV-Liste" ein, in der die Bewerber ... und die Ersatzbewerber ... aufgeführt waren. Dem Wahlvorschlag waren sieben Unterschriften (...) beigefügt.
Die Personalratswahlen fanden am 14. April 1975 statt. Am 15. April 1975 gab der Wahlvorstand durch Aushang bekannt, daß in der Gruppe der Beamten der Bewerber ... (Ersatzbewerber: ...), in der Gruppe der Angestellten der Bewerber ... (Ersatzbewerber: ...) und in der Gruppe der Arbeiter die Bewerber ... (Ersatzbewerber: ...) gewählt worden seien.
Darauf haben die Antragsteller am 26. April 1975 Wahlanfechtungsklage erhoben. Gleichzeitig haben sie den Erlaß einer einstweiligen Regelung beantragt und vorgetragen: Das Wahlausschreiben sei über die volle Zeit nur an dem Schwarzen Brett im Rathaus ausgehängt worden. Im Bauhof, Wasserwerk, Klärwerk und in den Schulen habe ein ordnungsgemäßer Aushang nicht stattgefunden, wie sich aus den vorgelegten Erklärungen verschiedener Bediensteter ergebe. Der Wahlvorschlag "ÖTV-Liste" sei ohne Kenntnis und Zustimmung der Unterzeichner nachträglich um die Bewerber ... und den Ersatzbewerber ... ergänzt worden. Die eingereichten Unterschriften hätten sich nur auf die Bewerber ... und ... bezogen. Wegen der schwerwiegenden Verfahrensfehler könne dem gewählten Personalrat eine demokratische Legitimation für die vorläufige Geschäftsführung nicht zuerkannt werden.
Die Antragsteller haben beantragt,
eine einstweilige Regelung dahin zu treffen, daß der vorherige Personalrat bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtung der Personalratswahlen vom 14. April 1975 weiter amtiere.
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen, und entgegnet: Die Antragsteller seien nicht aktivlegitimiert. Der Magistrat der Stadt ... habe der Klageerhebung nicht zugestimmt. Der Deutsche Beamtenbund sei in der Stadtverwaltung ... nicht vertreten. Die Wahlausschreiben seien ordnungsgemäß aus gehängt worden. Die Unterzeichner des Wahlvorschlags "ÖTV-Liste" hätten der Kandidatur der Bewerber ... und ... zugestimmt.
Die Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 28. Mai 1975 abgelehnt und in dem Beschluß vom 18. August 1975 über die Nichtabhilfe der Beschwerde zur Begründung ausgeführt: Soweit die Antragsteller geltend machten, das Wahlausschreiben sei nicht über die volle Zeit am Bauhof, Wasserwerk, Klärwerk und in den Schulen ausgehängt worden, sei ein Verfahrensverstoß nicht glaubhaft gemacht.
Nach dem Gesetz reiche die Bekanntmachung am Schwarzen Brett des Rathauses aus. Hinsichtlich der behaupteten nachträglichen Ergänzung des Wahlvorschlags sei der Ausgang des Hauptverfahrens offen. Das öffentliche Interesse gebiete nicht, in der Zeit bis zur Entscheidung des Hauptverfahrens den vorherigen Personalrat weiter amtieren zu lassen, zumal sich der neue Personalrat teilweise so zusammensetze wie der vorherige Personalrat.
Gegen den am 6. Juni 1975 zugestellten Beschluß haben die Antragsteller am 18. Juni 1975 Beschwerde eingelegt, zu deren Rechtfertigung sie vortragen: Wenn auch in der Wahlordnung nicht ausdrücklich vorgeschrieben sei, daß das Wahlausschreiben an mehreren Stellen auszuhängen sei, so sei doch der Aushang im Bauhof, Wasserwerk, Klärwerk und in den Schulen unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles zwingend geboten gewesen. Die Bediensteten seien in der Dienstzeit an ihre Arbeitsplätze gebunden. Da das Rathaus nach Ende der Dienstzeit geschlossen werde, seien sie nicht in der Lage gewesen, von den Aushängen am Schwarzen Brett im Rathaus Kenntnis zu nehmen. Die nachträgliche Ergänzung eines Wahlvorschlags sei ein Verfahrensverstoß von solchem Gewicht, daß die demokratische Legitimation des gewählten Personalrats in ihrem Wesensgehalt berührt sei. Das Personalvertretungsgesetz biete entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen Anhalt dafür, daß es dem Willen des Gesetzgebers in der Regel entspreche, wenn der gewählte Personalrat auch nach einer Anfechtung der Wahl weiter amtiere.
Die Antragsteller beantragen,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze und wegen des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber nicht begründet.
1.
Die Antragsteller sind befugt, bei dem Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen Regelung zu stellen. Nach § 20 Abs. 2 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein - PersVG - vom 17. Januar 1974 (GVOBl S. 3) können jeder Wahlberechtigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft und die Dienststelle selbst die Personalratswahlen durch Klage gegen den Personalrat anfechten. Die Stadtverwaltung ... ist eine Dienstelle im Sinne des Personalvertretungsgesetzes (§ 8 Abs. 1 PersVG). Für die Dienststelle handelt ihr Leiter (§ 8 Abs. 5 PersVG). Leiter der Stadtverwaltung ist der Magistrat (§ 7 Abs. 2, § 60 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein - GO - in der Fassung vom 6.4.1973 - GVOBl S. 90 -). Der Magistrat, der auch der gesetzliche Vertreter der Stadt ist, hat den Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1) mit der Führung des Rechtsstreits beauftragt. Die vorliegende Prozeßvollmacht weist die Unterschrift des Bürgermeisters und eines weiteren Magistratsmitgliedes aus und ist mit dem Stadtsiegel versehen (§ 61 Abs. 3 GO). Damit ist gegenüber dem Gericht nachgewiesen, daß der Magistrat den Auftrag zur Antragstellung erteilt hat. Der Antragsteller zu 2) kann die Wahl als Gewerkschaft ebenfalls anfechten. Er hat wiederholt versichert, daß ihm Beamte der Stadtverwaltung angehörten. Da in dem vorliegenden summarischen Verfahren eine Glaubhaftmachung ausreicht, ist der Senat davon ausgegangen, daß der Antragsteller zu 2) in der Stadtverwaltung vertreten ist.
2.
Die Beschwerde muß indes erfolglos bleiben.
Nach § 20 Abs. 3 PersVG führt der gewählte Personalrat bis zur Entscheidung über die Wahlanfechtungsklage die Geschäfte, es sei denn, daß das Verwaltungsgericht auf Antrag einstweilig eine andere Regelung trifft. Aus dieser Fassung der Vorschrift hat die Fachkammer mit Recht gefolgert, es entspreche den Intentionen des Gesetzgebers, daß der gewählte Personalrat grundsätzlich bis zur Entscheidung über die Wahlanfechtungsklage im Amt bleiben solle. Bei der Wahlanfechtungsklage des § 20 PersVG handelt es sich nicht um eine Anfechtungsklage im Sinne des § 80 VwGO. Wahlen sind keine Verwaltungsakte. Die Wahlprüfungsklage vermag daher grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung auszulösen. Der neugewählte Personalrat kann vielmehr zusammentreten und die Geschäfte führen. Da der Suspensiveffekt und das mit ihm verbundene Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80 VwGO) nur der Anfechtungsklage im Sinne des § 80 Abs. 1 VwGO zugeordnet sind, muß sich der vorläufige Rechtsschutz im vorliegenden Falle nach den Grundsätzen über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung richten.
Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Bereits in diesem Verfahren läßt sich übersehen, daß die Antragsteller mit dem Anfechtungsgrund des mangelnden Aushangs nicht durchdringen werden. Nach § 8 Abs. 3 der Wahlordnung zum Personalvertretungsgesetz vom 17. Oktober 1974 (GVOBl S. 402) ist eine Abschrift oder ein Abdruck des Wahlausschreibens an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen auszuhängen. Der Aushang an mehreren Stellen mag zwar zweckmäßig sein; er ist aber nicht zwingend vorgeschrieben. Deshalb kann dem Wahlvorstand ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren nicht vorgeworfen werden. Was die Gültigkeit des Wahlvorschlags mit dem Kennwort "ÖTV-Liste" betrifft, so muß die endgültige Klärung dem Hauptverfahren vorbehalten bleiben. Dessen Ausgang ist offen. Insoweit kann aber allenfalls eine Ungültigerklärung der Wahl in der Gruppe der Arbeiter und eine Neuwahl der Gruppenvertretung der Arbeiter in Betracht kommen (vgl. § 20 Abs. 4 Satz 1 PersVG). Wird von vornherein nur die Wahl in einer bestimmten Gruppe angefochten, so hat die Klage keinen Einfluß auf die Tätigkeit des gewählten Personalrats; er nimmt die Aufgaben der Gruppe nicht nur bis zur Entscheidung des Gerichts, sondern bis zur Neuwahl der Gruppenvertretung wahr (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 und § 20 Abs. 4 Satz 2 PersVG). Deshalb erscheint es auch im vorliegenden Verfahren nicht geboten, dem Personalrat die Geschäftsführung zu nehmen und einem anderen Gremium zu übertragen. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, daß der Personalrat in jedem Falle weiterbestehen bleiben wird, soweit er sich aus Beamten und Angestellten zusammensetzt, und die Geschäftsführung ihrer Gruppenvertretungen wahrnehmen wird. Bei dieser Sachlage ist es, nicht nötig, die Führung der Geschäfte dem früheren Personalrat zu überlassen.
Die Beschwerde der Antragsteller war daher mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).