Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.05.1976, Az.: III OVG A 98/75

Anspruch eines erblindeten Anliegers des Großen Plöner Sees auf Genehmigung zum Befahren des Sees mit einem durch einen Explosionsmotor angetriebenen Boot

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.05.1976
Aktenzeichen
III OVG A 98/75
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1976, 16116
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1976:0520.III.OVG.A98.75.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig - 09.12.1974 - AZ: 6 A 28/74

Verfahrensgegenstand

Genehmigung zum Befahren eines Sees

Der III. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 1976
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Eichhorn,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Schoof,
den Richter am Verwaltungsgericht Schnuhr sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der VI. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 1974 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Der Kläger ist Anlieger des Großen ... Sees. Er ist Schwerbeschädigter und zu 100% erblindet. Er begehrt von dem Beklagten die Genehmigung, den See mit einem durch einen Explosionsmotor angetriebenen Boot befahren zu dürfen.

2

Mit Verfügung vom 14. August 1973 untersagte der Beklagte dem Kläger das Befahren des Großen ... Sees und der übrigen Binnenseen im Kreisgebiet mit einem Boot mit Explosionsmotor, nachdem er ihm zuvor Gelegenheit gegeben hatte, seine Berechtigung durch Vorlage einer möglicherweise vorhandenen öffentlich-rechtlichen Genehmigung nachzuweisen. Der Kläger erhob Widerspruch und verwies auf eine ihm vom Wasserwirtschaftsamt Lübeck im Jahre 1967 erteilte, mit einem Widerrufsvorbehalt versehene entgeltliche Genehmigung. Er führte aus, auf Grund dieser Genehmigung habe er sich ein größeres Boot angeschafft; werde ihm die Benutzung untersagt, entstehe ihm ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden. Er benötige das Boot, um zu seinen Angelstellen zu fahren. Einen Unfall habe er bisher nicht verursacht. Er bezweifele ob er neben der im Jahre 1967 erteilten Genehmigung noch eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis benötige. Sollte dies der Fall sein, beantrage er sie hiermit.

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Der Beklagte wies darauf hin, die nach § 8a des Landeswassergesetzes erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung sei bisher nur in beschränktem Umfange (in 11 Fällen für 25 Boote) erteilt worden, soweit sie der Gewässerunterhaltung, der Durchführung des Rettungswesens und der Berufsfischerei dienten. Der Kläger könne allenfalls damit rechnen, daß ihm - wie in einem anderen Fall eines Schwerbeschädigten - das Befahren des Sees mit einem durch einen Elektromotor angetriebenes Boot erlaubt werde. Der Beklagte wandte sich außerdem an das Amt für Land- und Wasserwirtschaft in Kiel und regte den Widerruf der im Jahre 1967 erteilten Genehmigung an. Der Widerruf erfolgte am 21. Dezember 1973. Mit Schreiben vom 7. Januar 1974 sprach der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Schleswig-Holstein den Widerruf erneut aus und forderte den Kläger zur Rückgabe der Genehmigung auf. Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde gegen ihn eine "Vertragsstrafe" von 500,-- DM festgesetzt, die das Amtsgericht ... durch Urteil vom 24. September 1974 - 9 C 545/74 - auf 250,-- DM herabsetzte. Die gegen diese Entscheidung geführte Berufung hat das Landgericht ... am 31. Juli 1975 abgewiesen. Daraufhin hat der Kläger die ihm im Jahre 1967 erteilte Benutzungsgenehmigung zurückgegeben.

4

Durch Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1974 wies der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den gegen die Verfügung vom 14. August 1973 eingelegten Widerspruch mit der Begründung zurück, insbesondere im Interesse der erholungsuchenden Bevölkerung müsse die Lärmbelästigung, die von mit Explosionsmotor betriebenen Booten ausgehe, möglichst gering gehalten werden. Deshalb würden Genehmigungen dieser Art grundsätzlich nicht mehr erteilt. Um dem Erholungsbedürfnis Schwerbeschädigter zu entsprechen, die wegen der besonderen Art ihrer Verletzungen nicht in der Lage seien, auf Seen zu rudern, könnten Genehmigungen zum Befahren von Gewässern mit einem durch Elektromotor betriebenen Boot erteilt werden.

5

Mit der Klage hat der Kläger vorgetragen: Die Anschaffung eines Elektromotores sei ihm nicht zuzumuten. Ein seetüchtiger Motor dieser Art koste mit Zubehör etwa 3.200,-- DM. Da zusätzlich zwei Batterien von etwa 160 kg Gewicht mitgeführt werden müßten, sei außerdem die Anschaffung eines neuen, größeren Bootes erforderlich. Eine weitere Folge wäre, daß eine Bootsschutzstelle am Ufer errichtet werden müsse. Deren Genehmigung hätten die zuständigen Stellen bereits jetzt abgelehnt. Der Beklagte habe seine, des Klägers, besonderen Umstände nicht hinreichend gewürdigt. In anderen Fällen, so im Falle des Fischereiberechtigten ... und des Fischereimeisters ..., habe er die Genehmigung zum Befahren des Sees mit einem Motorboot erteilt.

6

Der Kläger hat beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 14. August 1973 und den Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1974 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm die Genehmigung zum Befahren des Großen ... Sees mit einem Boot mit Explosionsmotor zu erteilen.

7

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

8

und erwidert: Er habe bisher nur Anträge von Einrichtungen genehmigt, die ein über das Einzelinteresse hinausgehendes Sonderinteresse nachgewiesen hätten. Es handele sich dabei um folgende Genehmigungen: Für die Personenschiffahrt (5 Boote), die Standortverwaltung (6 Boote), die DLRG Hutzfeld (1 Boot), den Campingplatz Spitzenort (1 Boot zu Rettungszwecken), den Wassersportverein des Internatsgymnasiums ... (1 Boot, Rettungszwecke, Sicherungs- und Begleitfahrten), den Seglerverein ... (5 Boote, Rettungszwecke, Sicherungs- und Begleitfahrten), den Bund für Vogelschutz (1 Boot), den Anglerverein ... (1 Boot, Aufsicht), die Universität ..., Sonderforschungsbereich Nr. ... (1 Boot), die ...universität (1 Boot, befristet auf die Zeit einer einmaligen Segelausbildung zu Rettungszwecken), den Kapitän ... (1 Boot, befristet auf die Zeit einer einmaligen Segelausbildung zu Rettungszwecken). Darüber hinaus habe der Schwerbeschädigte ... zur Ausübung des Angelsports die Genehmigung für die Benutzung eines Elektromotors erhalten. Andere Genehmigungen seien nicht erteilt worden.

9

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. Dezember 1974 mit der Begründung abgewiesen, die Anfechtungsklage sei nicht begründet. Da der Kläger nicht im Besitz einer Genehmigung nach § 8a LWG sei, sei die Ordnungsverfügung zu Recht ergangen. Die Verpflichtungsklage könne keinen Erfolg haben, weil der vom Kläger gestellte Antrag, den See mit einem motorgetriebenen Boot befahren zu dürfen, mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt worden sei.

10

Gegen diese Entscheidung führt der Kläger Berufung. Er beruft sich in erster Linie darauf, die ihm im Jahre 1967 erteilte Genehmigung des Seeigentümers sei nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur gewesen. Jedenfalls seien die Erwägungen, aus denen sein Antrag abgelehnt worden sei, nicht ermessensfehlerfrei. Der Beklagte habe auch nicht geprüft, ob seinem Antrag unter Auflagen habe entsprochen werden können.

11

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen, notfalls mit der Maßgabe, daß die Genehmigung unter Auflagen zu erteilen sei.

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Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Er hält die angefochtene Verfügung für rechtmäßig. Ergänzend weist er darauf hin, eine Kreisverordnung zur Regelung des Gemeingebrauchs auf den Binnenseen des Kreises Plön befinde sich in der Aufstellung; es sei zu erwarten, daß sie im folgenden Jahr in Kraft gesetzt werde.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Heft) verwiesen.

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II.

Die Berufung bleibt erfolglos. Die angefochtene Verfügung ist rechtmäßig.

16

Die Verfügung des Beklagten vom 14. August 1973, mit der dem Kläger das Befahren des Großen ... Sees und der übrigen Binnenseen im Kreisgebiet mit einem Boot mit Explosionsmotor untersagt worden ist, findet ihre Rechtsgrundlage in § 69b i.V.m. § 17 Abs. 3, § 8a Abs. 1 des Wassergesetzes des Landes Schleswig-Holstein - LWG - i.d.F. des Gesetzes vom 7. Juni 1971 (GVOBl S. 327). Nach § 69b LWG sind die Wasserbehörden befugt, Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz abzuwehren. § 17 Abs. 3 Satz 1 LWG bestimmt, daß "die fließenden Gewässer und die landeseigenen Seen mit kleinen Fahrzeugen ohne Motorkraft befahren werden dürfen". In § 8a Abs. 1 LWG ist festgelegt, daß u.a. derjenige einer Genehmigung der Wasserbehörde bedarf, der "Gewässer zweiter Ordnung mit Motorfahrzeugen befahren will". Nach den landesrechtlichen Bestimmungen ist es mithin nicht erlaubt, einen landeseigenen See - darum handelt es sich bei dem Teil des Großen ... Sees, an dem der Kläger Anlieger ist - bzw. ein Gewässer zweiter Ordnung ohne Genehmigung der Wasserbehörde mit Motorfahrzeugen zu befahren.

17

Diese Bestimmungen, die den Gemeingebrauch an natürlichen oberirdischen Gewässern regeln, halten sich im Rahmen der übergeordneten bundesrechtlichen Vorschriften. Nach § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushaltes vom 27. Juli 1957 (BGBl. I S. 1110) - WHG - darf jedermann oberirdische Gewässer in einem Umfang benutzen, wie dies nach Landesrecht als Gemeingebrauch gestattet ist. In Ausfüllung dieser Regelung ist § 17 Abs. 3 Satz 1 LWG ergangen. Der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist nach den §§ 18 und 19 LWG ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Gemeingebrauch zu erweitern oder einzuschränken. Soweit - wie im Streitfall - keine derartige Rechtsverordnung ergangen ist, kann auch die Wasserbehörde den Gemeingebrauch durch Verordnung regeln. Da eine Regelung nach dieser Vorschrift bisher ebenfalls nicht vorliegt, verbleibt es für den Großen ... See bei der Bestimmung in § 17 Abs. 3 Satz 1 LWG, wonach landeseigene Seen ohne eine wasserbehördliche Genehmigung nach § 8a LWG nur mit kleinen Fahrzeugen ohne Motorkraft befahren werden dürfen.

18

Dem Kläger ist eine Genehmigung nach dieser Vorschrift bisher nicht erteilt worden. Die Benutzungsgenehmigung die ihm am 27. November 1967 vom Wasserwirtschaftsamt in Lübeck ausgestellt worden ist, ist keine Genehmigung im Sinne dieser Vorschrift. Sie ist, wie sich einmal aus der Kennzeichnung der erteilenden Stelle als der für "Seegrundstücke" zuständigen Behörde und insbesondere aus ihrem Inhalt entnehmen läßt ("auf Ihren Antrag ... wird Ihnen hiermit dieprivatrechtliche Genehmigung erteilt ..."), im Rahmen der fiskalischen Verwaltung des Landes Schleswig-Holstein erteilt worden und daher bürgerlich-rechtlicher Natur. Eine Regelung des Gemeingebrauchs kann in dieser Benutzungsgenehmigung nicht gesehen werden. Dagegen spricht auch die Vereinbarung eines jährlich zu entrichtenden Benutzungsentgeltes. Der Gemeingebrauch ist seinem Wesen nach unentgeltlich, weil der Eigentümer für eine ihm ohnehin obliegende Gestattung keine Gegenleistung verlangen kann (vgl. BGHZ 19, 85, 90; BVerwGE 4, 342, 345). Aus dieser Erwägung hat der Senat in gleicher Weise die widerruflich und gegen Entgelt erteilte Genehmigung zum Befahren des landeseigenen Dieksees als privat-rechtliche Genehmigung angesehen (Urt. v. 18.12.1964 - III OVG A 138/63 -).

19

Der Kläger kann eine Berechtigung zum Befahren des Großen Plöner Sees auch nicht auf das Bestehen eines Anliegergebrauchs stützen. Der sogenannte Anliegergebrauch ist in der verwaltungsrechtlichen Lehre als gesteigerter Gemeingebrauch anerkannt (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I, 8. Aufl. 1971, § 58abschn. III). Er geht nach § 24 Abs. 2 WHG dahin, daß - sofern die Länder dies bestimmen - die Eigentümer der an oberirdische Gewässer angrenzenden Grundstücke und die zur Nutzung dieser Grundstücke Berechtigten (Anlieger) unter bestimmten Voraussetzungen ein Gewässer ohne Erlaubnis oder Bewilligung für den eigenen Bedarf benutzen dürfen. Auf dieser Grundlage ist § 21 LWG erlassen worden, der bestimmt, daß die Anlieger in den Grenzen des Gemeingebrauchs (§ 24 Abs. 1 WHG) ein oberirdisches Gewässer ohne Erlaubnis oder Bewilligung benutzen dürfen. Wenn der Gemeingebrauch an landeseigenen Seen nach Schleswig-Holsteinischem Landesrecht jedoch nur darin besteht, sie mit "kleinen Fahrzeugen ohne Motorkraft" zu befahren, kann nicht angenommen werden, daß den Anliegern weitergehende Rechte in der Form des gesteigerten Gemeingebrauchs zustehen. Auch für sie gilt deshalb, daß ein Befahren von Gewässern mit Motorfahrzeugen nur unter den in § 8a und § 17 Abs. 3 LWG genannten Voraussetzungen zulässig ist. Da die in § 8 Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift genannten Ausnahmen im Falle des Klägers nicht vorliegen - er ist weder Gewässereigentümer noch soll sein Motorboot zum Zwecke der Gewässerunterhaltung, des Rettungswesens oder der Fischerei eingesetzt werden, worunter nur Berufsfischer, nicht Gelegenheitsangler zu verstehen sind -, ist die Anordnung des Beklagten vom 14. August 1973 zu Recht ergangen. Der Aufhebungsantrag konnte infolgedessen keinen Erfolg haben.

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Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch darauf, daß ihm auf den zugleich gestellten Verpflichtungsantrag eine Genehmigung zum Befahren des Großen ... Sees mit einem Motorboot - ggf. unter Auflagen - erteilt wird. Das Verwaltungsgericht hat diesem Antrag zu Recht nicht entsprochen.

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Rechtsgrundlage für dieses Begehren ist § 8a LWG. Er lautet:

(1) Wer ... Gewässer zweiter Ordnung mit Motorfahrzeugen befahren will, bedarf der Genehmigung ...

(2) Die Wasserbehörde erteilt die Genehmigung. Sie ist zu versagen oder mit Nebenbestimmungen ... zu versehen, wenn zu erwarten ist, daß durch das Befahren das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, das Erholungsbedürfnis der Bevölkerung sowie Natur oder Landschaft beeinträchtigt werden.

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Zunächst ist der Rechtscharakter dieser "Genehmigung" zu ermitteln. § 8a war in dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landeswassergesetzes noch nicht enthalten (vgl. Drucksache VI/1265 Schl. - Holst. Landtag, 6. WP 1967); der Entwurf enthielt - in anderer Fassung - lediglich die später in § 17 Abs. 3 LWG Gesetz gewordene Regelung. Der Genehmigungsvorbehalt ist erst vom Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingefügt worden (Drucks. VI/ 1624 Schl.-Holst. Landtag, 6. WP. 1967 S. 3). Die Erwägungen, die zu dieser Einführung geführt haben, sind dem Ausschußbericht nicht zu entnehmen. Sie ergeben sich nur mittelbar aus den stenografischen Berichten zur 2. Lesung des Gesetzentwurfs (Verhandlungen des Schl.-Holst. Landtages, 6. WP., Sten. Ber. 85. Sitzung, S. 4144 ff, 4146). Dort heißt es:

"Ich darf Sie zum Abschluß der Ausführungen in diesem Abschnitt des Entwurfs auf eine neu aufgenommene Vorschrift hinweisen, der nach Auffassung des Ausschusses besondere Bedeutung im Interesses des Umweltschutzes zukommt. In § 8a schlägt der Ausschuß eine Formulierung vor, die das Befahren von ... nicht schiffbaren Gewässern erster und Gewässern zweiter Ordnung mit Motorfahrzeugen sowie die Stationierung von Wohnbooten einschränken soll. Wer diese Gewässer mit Motorfahrzeugen befahren oder mit Wohnbooten belegen will, bedarf der Genehmigung durch die Wasserbehörde. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn zu erwarten ist, daß durch das Befahren das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt wird. Von der Genehmigung befreit sind lediglich der Eigentümer des Gewässers sowie Fahrzeuge, die zum Zwecke der Gewässerunterhaltung, des Rettungswesens und der Fischerei verkehren ... Um den Grundsatz des § 8a noch einmal deutlich zu unterstreichen, hat der Ausschuß Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrift in den Ordnungswidrigkeitenkatalog des § 103 als Nr. 1 aufgenommen".

23

Das Verhältnis von § 8a zu § 17 Abs. 3 LWG ist nicht eindeutig. Wenn das Gesetz das Befahren fließender Gewässer und landeseigener Seen nur mit "kleinen Fahrzeugen ohne Motorkraft" erlaubt, untersagt es im Umkehrschluß zugleich das Befahren mit motorgetriebenen Fahrzeugen. Gesetzestechnisch hätte es nahegelegen, die Voraussetzungen, unter denen eine Ausnahmebewilligung von diesem repressiven Verbot zu erteilen gewesen wäre, im Anschluß an diese Regelung zu normieren. Wenn der Gesetzgeber die "Genehmigung" zum Befahren natürlicher oberirdischer Gewässer an anderer Stelle (§ 8a) geregelt hat, steht diese Vorschrift gleichwohl in engem Zusammenhang mit § 17 Abs. 3 LWG. Bei der nach § 8a LWG zu erteilenden "Genehmigung" handelt es sich danach nicht um eine behördliche Erlaubnis im engeren Sinne (vgl. dazu Wolff a.a.O., § 48abschn. II), die lediglich formelle Voraussetzung dessen ist, was erlaubt werden soll und nur der präventiven Kontrolle eines an sich zulässigen Verhaltens durch die zuständigen Verwaltungsbehörden dient; sie ist vielmehr ein Befreiungsvorbehalt, der eine Ausnahme von einem generell untersagten Verhalten zuläßt, das der Gesetzgeber im Interesse der Allgemeinheit grundsätzlich als schädlich ansieht (vgl. die Begründung zur 2. Lesung des Gesetzentwurfs).

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Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß diejenigen Erwägungen, mit denen die Beklagte den Antrag des Klägers abgelehnt hat, den Tatbestand des § 8a Abs. 2 Satz 2 LWG erfüllen und die getroffene Entscheidung rechtfertigen. Explosionsmotoren erzeugen nicht nur umweltschädliche Abfälle und Reststoffe, sondern oft auch besonders hohe und störende Geräusche. Wenn diese Beeinträchtigungen im täglichen Verkehr auch nicht ausgeschlossen werden können, dient es doch dem Wohl der Allgemeinheit und dem Erholungsbedürfnis der Bevölkerung, wenn sie von Landschaftsgebieten ferngehalten werden, die - wie der Große ... See - in besonderer Weise dem Erholungsbedürfnis der Allgemeinheit dienen. Der Senat schließt sich hierzu den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung an. Daß der Beklagte in anderen vergleichbaren Fällen eine Ausnahme vom Verbot des § 17 Abs. 3 LWG erteilt hat, hat sich im Berufungsverfahren nicht feststellen lassen. Ob es geboten war, in allen von dem Beklagten genannten Fällen eine "Genehmigung" nach § 8a LWG zu erteilen, kann offenbleiben. Fest steht, daß der Beklagte eine Ausnahme bisher nur gegenüber solchen Stellen erteilt hat, die ein über ein Einzelinteresse hinausgehendes Sonderinteresse nachweisen konnten. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

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Auch die Anerkennung des Klägers als Schwerbeschädigter kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die Erwägungen des Beklagten, in solchen Fällen, in denen das Führen eines Wasserfahrzeuges für die Rehabilitation des Antragstellers dringend wünschenswert ist, nur die Erlaubnis zum Betrieb eines Elektromotors zu erteilen, sind nicht zu beanstanden. Es ist gerichtsbekannt, daß sich nach dem gegenwärtigen Stand der Technik für diesen Personenkreis genügend Möglichkeiten bieten, ein maschinengetriebenes, aber nicht störendes Boot zu führen. Wer als Schwerbeschädigter Erholung oder Genesung auf der offenen Wasserfläche suchen will und nicht in der Lage ist, ein Segel- oder ein Ruder- oder ein Paddelboot zu benutzen, kann sich eines elektrisch angetriebenen Bootes bedienen. Auf die Benutzung eines Bootes mit Verbrennungsmotor sind sonach Kranke oder leidende Personen regelmäßig nicht angewiesen. Der Kläger mag in diesem Zusammenhang auch bedenken, daß es in Schleswig-Holstein 19.000 Schwerbeschädigte mit dem Anspruch auf Versorgung nach demBundesversorgungsgesetz gibt (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1975, S. 389).

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Würden in seinem Fall die Voraussetzungen einer Ausnahme nach § 8a LWG bejaht, wäre die Beklagte kaum in der Lage, in anderen Fällen gleichlautende Anträge abzulehnen. Das würde bei dem Interesse am Befahren von Gewässern mit Motorbooten zunehmend zu einer Beeinträchtigung des Erholungsbedürfnisses der Bevölkerung und gegebenenfalls sogar der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führen.

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Da der Kläger keinen Anspruch auf eine Ausnahme nach § 8a LWG hat, war die Berufung zurückzuweisen.

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Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 7 ZPO.

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Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.

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Rechtsmittelbelehrung

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