Landgericht Oldenburg
Urt. v. 20.05.2009, Az.: 5 Ks 8/08
Anforderungen an die Vernehmung einer drogenabhängigen Person als Zeuge und als Beschuldigter; Medizinische Feststellung der Vernehmungsfähigkeit i.S.e. geistigen Leistungsfähigkeit eines Beschuldigten und kontrollierte Verabreichung von Methadon zur Verhinderung von Entzugserscheinungen; Verstoß gegen verbotene Vernehmungsmethoden durch Vorenthaltung eines Anwaltes i.F.d. Verzichts des Vernommenen auf die Hinzuziehung eines Anwalts trotz erfolgter Belehrung; Beurteilung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers bei der Vernehmung; Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Geständnisses; Auswertung von Beweismitteln in Form von Gegenständen, Funkzellenauswertung und Zeugenaussagen; Indizwirkung einer als besonders gefährlich erkannten Gewalteinwirkung für die Annahme einer billigenden Inkaufnahme des Todeserfolges; Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit i.R.d. Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit; Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke i.F.d. Werfens eines Holzklotzes von einer Autobahnbrücke auf die Fahrbahn bei Dunkelheit; Wurf eines Holzklotzes als gemeingefährliches Mittel aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Anzahl und Identität der Opfer der infolge des Zusammenpralls mit dem Klotz enstehenden Unfälle und Folgeunfälle; Vorsätzlicher Eingriff in den Straßenverkehr aufgrund der Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs durch den Wurf eines schweren Gegenstands von einer Autobahnbrücke bei Dunkelheit; Schuldverringernde verminderte Einsichtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit eines Drogenabhängigen zum Zeitpunkt der Tat; Beurteilung des Intelligenzniveaus als Indiz für die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 20.05.2009
- Aktenzeichen
- 5 Ks 8/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 31802
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2009:0520.5KS8.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 55 StPO
- § 100a StPO
- § 100b StPO
- § 100g StPO
- § 136a StPO
- § 259 StPO
- § 267 Abs. 1 S. 3 StPO
- § 185 GVG
- Art. 6 EMRK
- § 21 StGB
- § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB
- § 52 StGB
- § 211 Abs. 2 StGB
- § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB
- § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB
- § 315b Abs. 3 StGB
Verfahrensgegenstand
Mord
In der Schwurgerichtssache
...
hat die 5. große Strafkammer des Landgerichts in O...
in der Sitzung vom 20.05.2009,
an der teilgenommen haben: ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes in tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie hierzu tateinheitlich wegen vorsätzlich gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Er trägt die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklage einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
A.
I.
Der Angeklagte ist deutscher Staatangehöriger, ledig und hat keine Kinder. Er wurde am ... in P... geboren und wuchs mit seinen zwei älteren Schwestern V... und I... im Haushalt seiner Eltern auf. Seine Mutter war Floristin, sein Vater Tischler von Beruf.
Der Angeklagte wurde nach dem Besuch des Kindergartens mit sechs Jahren eingeschult.
Im Jahr 1994 siedelte er mit 16 Jahren gemeinsam mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland über und lebte für kurze Zeit im Übergangslager F... und anschließend für ein halbes Jahr in S..., bevor die Familie dann für zwei Jahre nach B... zog. Hier besuchte er die Hauptschule, wobei er die 7. Klasse zweimal wiederholen und auch die Schule aus disziplinarischen Gründen zweimal wechseln musste. Nach seinem Schulabgang brach er das sich hieran anschließende Berufsvorbereitungsjahr nach sechs Monaten ab. Zu dieser Zeit begann er zunehmend Weichdrogen und Alkohol zu konsumieren.
Im Jahr 1997 zog er zunächst allein zu seiner Schwester nach W..., die restliche Familie folgte etwas später. Nach dem Umzug baute er -mit Ausnahme des, nachfolgend noch näher beschriebenen, A... I...- in den kommenden Jahren keine näheren Freundschaften auf und hielt lieber telefonischen Kontakt zu seinen in B... lebenden Freunden. Ab 1997 begann der Angeklagte verstärkt Drogen zu konsumieren, zunächst typische Einstiegsdrogen, später dann Heroin, was zu einer schnellen Abhängigkeit führte, die seit nunmehr über 10 Jahren besteht.
Im Jahr 1998 ereignete sich ein schwerer Verkehrsunfall, bei dem der Angeklagte in stark alkoholisiertem Zustand als Mitinsasse sowie sein ebenfalls stark alkoholisierter Schwagers A... B... beteiligt waren. Am 29.03.1998 verunglückte das von seinem Schwager geführte Fahrzeug auf der K...straße ... aus R... kommend in den frühen Morgenstunden. Hierbei wurden der Schwager und der 15jährige Mitinsasse E... A... getötet. Aus familiärer Verbundenheit heraus versprach der Angeklagte seinem Schwager noch am Unfallort gegenüber der Polizei anzugeben, dass er selbst das Fahrzeug geführt habe, um seinen Schwager, der Vater eines kleinen Kindes war, in W... ein eigenes Haus gebaut hatte und sich in Arbeit befand, Schwierigkeiten zu ersparen. Dieses Versprechen löste er auch ein und gab auf Nachfrage der den Unfallort untersuchenden Polizeibeamten an, der Fahrer des verunfallten Fahrzeuges gewesen zu sein. Als der Schwager jedoch infolge seiner schweren Verletzungen noch am Unfalltag verstarb, revidierte der Angeklagte seine Darstellung aus eigenem Antrieb umgehend.
Nach diesem Ereignis steigerte sich der Drogen- und Alkoholkonsum des Angeklagten. Es fanden keine ernsthaften Versuche statt, eine Ausbildung zu beginnen oder einem Beruf nachzugehen. Kurzfristig, maximal für einige Monate, arbeitete er inoffiziell als Heizungsbauer - so auch nach eigenen Angaben gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen - in den letzten sechs Wochen vor der Tat.
Innerhalb seiner Familie entwickelte sich der Angeklagte zunehmend zum Außenseiter, denn er war das einzige Familienmitglied, das über viele Jahre keine Bemühungen hinsichtlich einer positiven Entwicklung anstellte.
Die folgenden Jahre waren u.a. davon gekennzeichnet, dass der Angeklagte zahlreiche Therapiemaßnahmen durchlief und sich auch zuweilen mit Methadon substituieren ließ. Die erste Entgiftung fand im Jahr 2001 im Landeskrankenhaus W... statt, die letzte im Jahr 2003. Alle Entgiftungen brach er vorzeitig ab. Die einzige Langzeitentwöhnungstherapie fand vom 28.05. bis zum 18.07.2004 in K... statt und wurde aus der damaligen Haft heraus organisiert. In der Behandlungsphase hatte der Angeklagte indes mehrere Rückfälle und wurde deshalb entlassen.
Die vergangenen Lebensjahre des Angeklagten vor dem Zeitpunkt seiner aktuellen Inhaftierung waren gekennzeichnet von einem gleichförmigen Lebensstil, der bestimmt war von Geld- und Drogenbeschaffung und Drogenkonsum. Versuche, die Lebensperspektive zu verändern, wurden nicht ernsthaft unternommen. Der Angeklagte wohnte seit 2003 in der Wohnsiedlung T... in W.... Er konnte sich dort mit den eher kargen Wohn- und Lebensbedingungen arrangieren, ohne dass Verwahrlosungstendenzen auftraten.
II.
Strafrechtlich ist der Angeklagte ausweislich des Auszuges aus dem Bundeszentralregister vom 06.10.2008 mehrfach in Erscheinung getreten:
- 1.
Am 06.08.1999 verurteilte ihn das Amtsgericht O... wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30,00 DM (Az.: 46 Cs 321 Js 32512/99/41 VRS).
- 2.
Am 10.04.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Westerstede wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30,00 DM (Az.: 45 Cs 153 Js 129041/00/VRS).
- 3.
Am 08.02.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht O... wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in sechzig Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 Euro (Az.: 41 Ds 115 Js 51081/01 VRS).
- 4.
Am 20.06.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Leer wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,00 Euro (Az.: 6 Ds 112/02 122 Js 3710/02). Hierzu hat das Amtsgericht u.a. folgende Feststellungen getroffen:
Dem eintreffenden Polizeikommissar D..., der ihn nach den Personalien fragte, antwortete er: "Das weiß ich nicht Du Bullenarsch". Er redete PK D... ferner mit "Bullenschwein", "Votzenbulle", "Bullenarsch" an. Er wehrte sich gegen eine angekündigte Untersuchung seitens PK D... und des POM R..., indem er sich wegdrehte und loszureißen versuchte. Dabei sagte er zu PK D... "Willst Du meine Eier kraulen, Du schwule Bullensau, " Willst Du mich ficken, Du Faschistenschwein? Wir Russen hätten Euch Faschistenschweine 1941 umbringen sollen!"
- 5.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Leer vom 25.10.2002 wurde unter Einbeziehung und Auflösung der Geldstrafen aus den Urteilen vom 08.02.2002 und 20.06.2002 eine nachträgliche Gesamtgeldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 10,00 Euro gegen den Angeklagten verhängt.
- 6.
Am 12.11.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht O... wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10,00 Euro (Az.: 46 Cs 320 Js 35803/02).
- 7.
Am 27.02.2003 verurteilte ihn das Amtsgericht O... wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az.: 46 Ds 150 Js 59159/02).
- 8.
Am 25.02.2003 verurteilte ihn das Amtsgericht O... wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az.: 46 Ds 118 Js 52697/02).
- 9.
Am 09.10.2003 verurteilte ihn das Amtsgericht O... wegen gemeinschaftlichen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten (Az.: 24 Ls 150 Js 35818/03). Hierzu hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
Mit drei unbekannt gebliebenen Mittätern kam der Angeklagte am 05.07.2003 in den Mittagsstunden im Schlossgarten in O... überein, sich zur Finanzierung der Drogensucht fremden Geldes zu bemächtigen. In Ausführung dieses Tatplanes ergriffen die drei Mittäter im Bereich des R... den dort entlang laufenden H... P... R..., nahmen diesen in den Schwitzkasten und drückten den Geschädigten auf den Boden. Zur Absicherung der Tat stand der Angeklagte Schmiere, während seine Mittäter entsprechend vorgefassten Tatplanes dem Geschädigten aus dem Portemonnaie einen 50-Euro-Schein entnahmen. Gemeinsam suchten der Angeklagte und seine Mittäter sodann das Weite, um die Tatbeute untereinander aufzuteilen.
- 10.
Am 23.04.2004 bildete das Amtsgericht O... unter Einbeziehung der unter 1. und 2. aufgeführten Verurteilungen sowie eines Strafbefehls vom 12.11.2002 (Az.: 46 Cs 320 Js 35803/02) eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az.: 46 Ds 150 Js 59159/02).
- 11.
Am 23.11.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht O... wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr als Radfahrer zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro (Az.: 46 Ds 335 Js 51300/05 (144/05)).
- 12.
Am 17.01.2006 verurteilte ihn das Amtsgericht Westerstede wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 Euro (Az.: 46 Cs 153 Js 64383/05 (8/06)).
Der Angeklagte wurde am 21.05.2008 festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts O... vom 20.05.2008 (Az.: 28 Gs 521 Js 17070/08 (1854/08) ununterbrochen in der Justizvollzugsanstalt O....
B. Sachverhalt
Am Ostersonntag, 23.03.2008, stand der Angeklagte wie üblich in den späten Vormittagsstunden in seiner Wohnung in der T...straße ... in W.../ R... auf. Der Angeklagte lebte gewöhnlich in den Tag hinein, wobei die Beschaffung und der Konsum von Drogen im Zentrum seines Tagesablaufs standen. Der seit über 10 Jahren hartdrogenabhängige Angeklagte konsumierte dabei gewöhnlich morgens und nachmittags Heroin, üblicherweise zwischen 0,5- 1,0 g, höchstens 2 g je Dosis pro Tag.
Er spritzte sich am Vormittag, wie üblich, Heroin in nicht festgestellter Menge. Diesen Schluss zieht die Kammer aus dem Umstand, dass der Angeklagte noch um 17.00 Uhr ohne Anzeichen von Entzugserscheinungen bei Verwandten, den Eheleuten B..., erscheinen konnte und er selbst um Mitternacht noch in der Lage war, mit dem Rad nach O... zu fahren, um sich dort Drogen zu beschaffen.
Am Nachmittag des 23.03.2008 hatte der Angeklagte indes kein Heroin zur Verfügung und stand wegen möglicher Beschaffungsquellen in telefonischem Kontakt zu J... W..., der den Angeklagten auf dessen Handy ab 15.52 Uhr wiederholt anrief. Der Angeklagte hingegen war nicht in der Lage, von seinem Mobiltelefon von sich aus anzurufen, da die Pre-Paid-Card kein Guthaben mehr aufwies.
Der Angeklagte entschloss sich sodann Drogen in O... zu beschaffen und begab sich gegen 17.00 Uhr mit seinem Fahrrad unter dem Vorwand, Benzingeld für das Fahrzeug eines Bekannten bekommen zu können, zu den Eltern seines Schwagers, den Eheleuten V... und G... B..., in die B... Straße ... nach O.../ E..., die dem Angeklagten 20,00 Euro gaben. Zu diesem Zeitpunkt wies der Angeklagte keine Entzugssymptome oder andere Auffälligkeiten auf. Er befand sich nach Einschätzung der Eheleute B... in einem normalen Zustand.
Der Angeklagte begab sich sodann nach O..., um -wie üblich- in der Nähe des TÜV Nord in der N... Straße von einem ihm bekannten Lieferanten Heroin zu bekommen, was aber scheiterte. Auch weitere Bemühungen zur Beschaffung von Drogen scheiterten, weil dem Angeklagten seine üblichen Bezugsquellen am Feiertag nicht zur Verfügung standen.
Gegen 18.30 fuhr der Angeklagte sodann mit seinem Fahrrad wieder über die Autobahnbahnbrücke A ..., Kilometer ... / B... Straße. Aus Wut und Verärgerung über die bizarre Situation, trotz des vorhandenen Geldes keine Drogen bekommen zu können, nahm er einen Ast, von nicht näher feststellbarer Größe und Dicke und stellte sich an das Brückengeländer neben sein Fahrrad über die Hauptfahrspur mit Blick in Richtung der ihm entgegenkommenden Fahrzeuge aus W.... Er warf sodann den Ast in Richtung eines herannahenden unbekannt gebliebenen BMW, ohne diesen jedoch zu treffen. Um 18.34 Uhr wurde er erneut von J... W... auf seinem Mobiltelefon angerufen, als er sich noch im Funkzellenbereich der Brücke befand.
Anschließend begab sich der Angeklagte in seine Wohnung. Um 19.17 Uhr rief J... W... abermals beim Angeklagten auf dessen Handy an, das nun im Funkzellenbereich seiner Wohnung eingeloggt war. Weil es ihm immer noch nicht gelungen war, sich Drogen zu beschaffen, fasste er den Entschluss, einen hinter einem Schuppen bei seiner Wohnung liegenden Klotz aus Weidenholz von 5,9 kg Gewicht und einer Höhe von 24 cm und einem Durchmesser von 18 cm sowie eine, an der Seite dieses Schuppens lehnende Hinterrad-Fahrradfelge ohne Bereifung an sich zu nehmen, um diese von der Autobahnbrücke zu werfen. Der Schuppen befindet sich von der Eingangstür der Wohnung des Angeklagten aus gesehen wenige Meter schräg links gegenüber. Mit dem Holzklotz auf dem Gepäckträger sowie der Felge in der Hand fuhr der Angeklagte auf dem Fahrrad wieder direkt zur Autobahnbrücke B... Straße auf der rechten Seite Richtung O.../ E.... Dort stieg er vom Rad und stellte dieses ab. Anschließend stellte er zunächst die Felge zur Seite und nahm den Holzklotz vom Gepäckträger, um diesen auf den Radweg zu stellen. Für eine kurze Zeit beobachtete er den geringen Verkehr auf die Autobahn. Es war bereits dunkel und die Straßenverhältnisse waren trocken.
Aus weiterhin bestehender Wut und Frustration über seine Situation, trotz Geld noch immer keine Drogen bekommen zu haben, nahm er kurz vor 20.00 Uhr den Holzklotz, stellte sich an das Brückengeländer über die Hauptfahrspur W... - O..., hielt diesen mit leicht angewinkelten Armen über das Geländer und ließ den Klotz in Richtung des mit einer Geschwindigkeit von ca. 130 - 140 km/h fahrenden Pkw der Familie K... fallen. Das Fahrzeug, ein BMW mit dem amtlichen Kennzeichen ..., war mit W... K... als Fahrer, O... K... als Beifahrerin und den Kindern E... (7 Jahre) und K... (9 Jahre) auf den Rücksitzen besetzt. Zu diesem Zeitpunkt waren keine weiteren Fahrzeuge in der Nähe des BMW. Das Fahrzeug fuhr auf der Hauptfahrspur.
Der Angeklagte, der sich zur Tatzeit im Zustand voll erhaltender Schuldfähigkeit befand, wollte das Fahrzeug treffen. Gleichzeitig nahm er billigend in Kauf, die sich im Fahrzeug befindlichen Insassen damit töten zu können. In Anbetracht der für den Angeklagten nicht beherrschbaren, ihm aber bekannten, Umstände war eine genaue Zielbestimmung für ihn nicht möglich. Zu nennen sind insoweit die hohe Geschwindigkeit des Fahrzeugs auf der Autobahn, die aufgrund der eingeschränkten Lichtverhältnisse eingeschränkte Sicht, die beträchtliche Wurfhöhe von mehreren Metern, sie betrug nach Messungen des Institutes der Universität O... (Bl. 214, Bd. IX) 7,9 Meter, den massiven Holzklotz von erheblichem Gewicht und Größe sowie die für den Angeklagten nur grob schätzbare Fallgeschwindigkeit und Flugbahn. Er wollte den Holzklotz so vor das Fahrzeug werfen, dass er gegen die Stoßstange oder das Licht fliegt.
Der Holzklotz durchschlug linksseitig die Windschutzscheibe des Pkw der Familie K... und prallte auf die Beifahrerin O... K....
Der Angeklagte wechselte nach dem für ihn wahrnehmbaren lauten Aufprall die Brückenseite der B... Straße und beobachtete, wie das Fahrzeug ca. 150-200 Meter hinter der Brücke zu stehen kam. W... K... war es gelungen, sein Fahrzeug trotz des ihn völlig überraschenden Ereignisses, der Sichtbehinderung, der herumfliegender Glassplitter und seiner vor Schreck schreienden Kinder, die Kontrolle über sein Fahrzeug zu behalten und auf dem rechten Pannenstreifen anzuhalten.
Nach dem Einschalten der Warnblinkanlage öffnete er sodann die Fahrertür einen Spalt, um die Innenbeleuchtung des Fahrzeugs zu aktivieren und sah den Klotz auf dem Schoss seiner Frau. Gleichzeitig sah er ihren nach Vorne gebeugten Kopf mit blutenden Verletzungen im Halsbereich. W... K... stieg aus dem Pkw aus, ging hinten um das Fahrzeug herum und versuchte, die schreienden Kinder zu beruhigen und seiner Frau zu helfen. Um 20.02 Uhr wählte er die Notrufnummer 110, was er um 20.11 Uhr wiederholte.
Der Angeklagte bekam es nach dem 1. Telefonat des W... K... nunmehr mit der Angst zu tun und verließ die Brücke, wobei er die mitgeführte Fahrradfelge seitlich etwa 2 Meter links neben das in Richtung O... auf der rechten Seite endende Brückengeländer hinter die dortige Leitplanke abstellte. Um 20.06 Uhr wurde der Angeklagte erneut von J... W... auf dem Mobiltelefon angerufen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte noch im Funkzellenbereich der Brücke. Der Angeklagte begab sich sodann in seine Wohnung in der T.... Ein weiteres Telefonat mit J... W... fand um 20.26 Uhr statt. Zu diesem Zeitpunkt war das Mobiltelefon im Funkzellbereich der Wohnung des Angeklagten eingeloggt.
Gegen 00.00 Uhr fuhr er wieder mit dem Rad nach O..., wo er sich im Bereich des TÜV-Nord schließlich Drogen besorgen konnte.
O... K... erlitt durch den Aufprall des Klotzes einen Riss der Halsschlagader und der großen Körperschlagader sowie einen Schädelbasisbruch. Sie verstarb noch an der Unfallstelle um 20.31 Uhr durch Herzversagen bei Herzruptur auf gewaltsame Weise.
C. Beweiswürdigung
I. Persönliche Verhältnisse
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf den gutachterlichen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. K..., die dieser im Rahmen der Explorationen gewinnen konnte. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung erklärt, dass diese Ausführungen zutreffend seien und er sich diese zueigen mache. Zu den sozialen Kontakten hat der Zeuge A... I... bekundet, dass er den Angeklagten als "Einsiedlertyp" beschreiben würde, mit wenigen Kontakten zur Nachbarschaft und zu einigen Jugendlichen in W.... Der Zeuge kennt den Angeklagten seit 7-8 Jahren und hat ihn als "besseren Freund beschrieben", den er öfter als zweimal im Monat gesehen habe. Zur Vorbereitung auf sein Fachabitur 2008 habe er, der Zeuge I..., im letzten Sommer mehrere Wochen in der Wohnung des Angeklagten in der T... für die Prüfungen gelernt. Der Angeklagte habe in recht ärmlichen Verhältnissen gelebt. Der Zustand der Wohnung sei aber stets sauber gewesen. Er könne sich nicht erinnern, dass der Angeklagte einmal "abgerissen" herum gelaufen sei.
Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Voreintragungen beruhen auf dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 06.10.2008. Die Kammer hat die Vorstrafen des Weiteren durch auszugsweise Verlesung der jeweils wesentlichen Urteilsgründe festgestellt.
II. Geschehen im Fahrzeug K...
1.
Die Feststellungen zu den objektiven Umständen des Holzklotzaufpralls beruhen auf den Bekundungen des Fahrzeugführers W... K....
Der Zeuge hat bekundet, dass er mit seiner Frau O... und den Kindern K... und E... über Ostern 2008 in W... bei Freunden gewesen sei und man sich gegen 19.30 Uhr auf den Heimweg nach Telgte begeben hätte. Auf der Autobahn ... in Richtung O... sei er mit seinem Fahrzeug auf der rechten Fahrspur mit einer Geschwindigkeit von ca. 130-140 km/h gefahren. Die Autobahn sei zu dieser Zeit nicht stark befahren gewesen. Es sei trocken und dunkel gewesen. Seine Frau habe kurz vor dem Aufprall noch mit seinem Schwager und anschließend mit einer Tante telefoniert. Im Fahrzeug sei es ruhig gewesen, sie hätten kein Radio gehört, da das Bedienungsteil noch im Kofferraum gelegen habe. Die Brücke habe er in der Dunkelheit während der Fahrt nicht wahrgenommen.
Kurz nachdem das Gespräch seiner Frau mit der Tante beendet gewesen sei, habe er plötzlich einen lauten Knall gehört und zunächst nicht gewusst, was passiert sei. Er habe umher fliegende Glassplitter im Gesicht und starke Luftverwirbelungen im Fahrzeug gespürt. Die Kinder hätten auf der Rückbank geschrien. Sein erster Gedanke sei gewesen das Fahrzeug anhalten zu müssen, was ihm trotz der widrigen Umstände auch gelungen sei. Nach seiner Einschätzung habe er den Wagen nach ca. 200 Metern auf dem rechten Pannenstreifen zum Stehen bringen können, wobei er keine Vollbremsung eingeleitet habe, da er befürchtet habe, dass andere Fahrzeuge sonst auffahren könnten. Das Antiblockiersystem sei nicht angesprungen. Konkret habe er für diesen Zeitpunkt keine weiteren Fahrzeuge in der Nähe seines Pkw in Erinnerung.
Er habe sodann die Warnblickanlage angeschaltet, sich abgeschnallt und die Fahrertür einen Spalt geöffnet, damit die Innenbeleuchtung des Fahrzeugs eingeschaltet werde. Er habe versucht seine Frau anzusprechen, die aber nicht reagiert habe. Nunmehr habe er erstmals den Holzklotz auf ihrem Schoß bemerkt und gesehen, wie ihr Kopf nach vorne gebeugt gewesen sei. Er habe nun auch eine schwere blutende Verletzung am Hals mit einem Riesenloch bemerkt.
Er sei nun hinten ums Auto herum gegangen und habe die Beifahrertür geöffnet, um seine Frau zu versorgen und versucht die Kinder zu beruhigen. Nach vielleicht einer Minute habe er um 20.02 Uhr über sein Mobiltelefon die Notrufnummer 110 gewählt. Die erste wie auch die Anrufzeit des zweiten Notrufs um 20.11 Uhr habe er später aus dem Anrufspeicher seines Mobiltelefons auslesen können.
Anschließend habe er wieder den Puls seiner Frau gefühlt, jedoch keinen spüren können. Er habe sein Ohr an ihre Brust gelegt, um einen Herzschlag feststellen zu können. Anschließend habe er sofort erste Hilfe durch Mund-zu-Mund-Beatmung geleistet, wobei er bereits Geräusche in der Lunge habe wahrnehmen können, von denen er geglaubt habe, dass diese durch Blutungen verursacht worden seien. Er habe ihren Pulli hochgeschoben und einen Schlüsselbeinbruch gesehen. Bei der anschließenden Herzdruckmassage habe er bemerkt, dass etwas gebrochen gewesen sein musste. Er habe nochmals den Notruf 110 gewählt und seine Position durchgegeben. Dabei habe er vor sich im Scheinwerferlicht seines eigenen und der vorbeifahrenden Fahrzeuge ein Verkehrsschild "Parkplatz" erblickt und nun erst beim Umschauen die Brücke erstmals wahrgenommen. Auf der Brücke habe er niemanden gesehen. Der Zeuge KHK S... hat bekundet, dass der erste Notruf von W... K... exakt um 20.02,48 Uhr in der Einsatzzentrale eingegangen sei.
2.
Die weiteren Feststellungen zum Tatort beruhen auf den Ausführungen von PK'in F... sowie auf den mit den Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen von der Polizei gefertigten Lichtbildern.
Die Zeugin PK'in F... war als erste Einsatzbeamtin der Polizei um 20.14 Uhr am Tatort auf der Autobahn A ..., Kilometer ..., wobei nach ihren Bekundungen die Rettungskräfte bereits vor Ort gewesen seien. Es sei bereits dunkel, die Straßenverhältnisse seien trocken gewesen. Das Fahrzeug der Familie K... habe nach Vermessen der Örtlichkeit 205 m von der Brücke entfernt gestanden.
Wegen der örtlichen Gegebenheiten des Tatortes im Einzelnen wird auf die mit den Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommenen Bildmappe III, Lichtbilder 1-4 (Luftaufnahmen von der Brücke); Lichtbild Bl. 172 Bd. VIII (Luftaufnahme von der Brücke); Kartenausschnitt W... Bl. 173, 174 Bd. VIII; Lichtbilderfolge des Verlaufs der B... Straße im Bereich Brücke, Bl. 181 - 191 Bd. VIII; Bildmappe III, Lichtbilder 1-20 (Lichtbilder von der Brücke) gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.
Ausweislich der in der Hauptverhandlung verlesenen Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes, Wetterwarte O..., (Bl. 159 - 164 Bd. VI) war für den 23.03.2008, 20.00 Uhr, kein Niederschlag bei einer Temperatur von 2,2 Grad, bei schwacher Brise zu verzeichnen.
3.
Der Zeuge POK B... hat den im Fahrzeug der K...s verbliebenen Holzklotz am 24.03.2008 sichergestellt. Er hat seinen in der Hauptverhandlung verlesenen Spurensicherungsbericht vom 08.05.2008 (Bl. 114-123 Bd. VII) dargestellt, erläutert und Ausführungen zu Größe, Gewicht und Beschaffenheit entsprechend den aufgeführten Feststellungen gemacht. Der Zeuge hat bekundet, dass er am Tattag gegen 20.45 Uhr an der Unfallstelle eingetroffen und das Fahrzeug nicht mehr vor Ort gewesen sei. Er habe den Klotz erstmals, so wie auf Lichtbild 29 in Bildmappe III, das u. a mit den Beteiligten in der Hauptverhandlung gemeinsam in Augenschein genommen wurde, beim Abschleppunternehmen W... am Ostermontag sichergestellt. Der Klotz habe in der Mittelkonsole des BMW gestanden. Diese Position zeigen auch verschiedene an der Unfallstelle gefertigte Lichtbilder (Bildmappe I), welche von den Beteiligten gemeinsam in Augenschein genommen wurden.
Der Zeuge hat weiter ausgeführt, er habe den Klotz bei seiner Sicherstellung in einen blauen Plastiksack verpackt und bis zum 26.03.2008 im kriminaltechnischen Untersuchungsraum verwahrt. Anschließend sei dieser zur weiteren Untersuchung ins Landeskriminalamt, Abt. 51, nach Hannover gebracht worden.
Die Kammer hat den Holzklotz im Rahmen der Hauptverhandlung mit den Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen.
Hinsichtlich der Fotografien wird wegen der Einzelheiten auf die Bildmappen I und III gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. Die Bildmappe I zeigt den beschädigten Pkw am Tatort, den Innenraum des Fahrzeuges mit den Schadensspuren sowie die Position des dort liegenden Holzklotzes. Der auf den Lichtbildern vermittelte Eindruck entspricht dem, den die Zeugin PK'in F... bei ihrem Eintreffen hatte.
Die Bildmappe III, Lichtbilder 1 - 15 zeigen den Bereich der Brücke aus verschiedenen Perspektiven, Lichtbilder 16 - 20 zeigen Detailaufnahmen der Brücke und Lichtbilder 21 - 45 zeigen das beschädigte Fahrzeug bei Tageslicht mit der zerstörten Windschutzscheibe, den Glassplittern im Fahrer-, Beifahrer- und Fondbereich sowie dem auf der Mittelkonsole liegenden Holzklotz mit angelegter Messlatte. Beide Bildmappen wurden mit den Beteiligten gemeinsam in Augenschein genommen.
4.
Die Feststellungen zur Todesursache und zum konkreten Todeszeitpunkt der O... K... fußt auf der verlesenen Todesbescheinigung der Rettungsärztin Dr. T... vom 23.03. 2008 und den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen A.... Dieser hat die Verletzungsbilder und die Todesursache erläutert und entsprechend den getroffenen Feststellungen dargestellt. Dabei hat die Kammer mit dem Sachverständigen und den übrigen Verfahrensbeteiligten Bildmappe III Lichtbilder 46-83 (Obduktionsbilder) in Augenschein genommen, auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ebenfalls Bezug genommen wird.
III. Wegräumversion des Angeklagten
1.
Aussage bei Familie W... am 04.04.2008
Der Angeklagte hat sich zur Überzeugung der Kammer erstmals am Abend des 04.04.2008 bei einem Treffen im Hause seines Bekannten F... W... diesem gegenüber sowie dessen Mutter B... W... und den außerdem anwesenden Bekannten A... I... und H... W... geäußert. Er hat dabei erklärt, dass er den Holzklotz, eine Fahrradfelge und einen Ast am Tattag nachmittags beim Überqueren der Brücke angefasst und beiseite gelegt haben will.
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben der Zeugen F... und B... W..., A... I... und H... W..., die dazu folgendes bekundet haben:
Die Zeugen B... und F... W... haben erklärt, dass der Angeklagte gemeinsam mit A... I... und H... W... am 04.04.2008 bei ihnen zu Hause gewesen sei und man zusammen Alkohol konsumiert habe. Keiner der Anwesenden sei dabei aber betrunken gewesen.F... W... hat bekundet, dass man zunächst in seinem Zimmer gesessen habe, wobei auch über den Holzklotz gesprochen worden sei, beispielsweise wer die Täter sein könnten und warum der Klotz geworfen worden sei. Der Angeklagte habe anfangs nur wenig dazu gesagt. Man habe sich wie immer auf Deutsch unterhalten, was gut funktioniert habe. Im Verlaufe des Gesprächs habe der Angeklagte dann plötzlich erzählt, dass er spät am Nachmittag des Tattages mit dem Fahrrad auf der Brücke gewesen sei und dort einen Holzklotz, eine Fahrradfelge und einen Holzknüppel gesehen habe, die er zur Seite geräumt haben will. Ob der Angeklagte nun genau die Begriffe "Reifen" oder "Felge" benutzt habe, konnte der Zeuge W... nicht mehr genau erinnern. Sicher war er sich aber, dass der Angeklagte die Begriffe "Klotz" und "Knüppel" verwandt habe. Der Angeklagte habe dann geäußert, dass er vorbestraft sei und dass seine Fingerabdrücke nun auf den Gegenständen sein könnten. Er, der Zeuge W..., sei daraufhin aus seinem Zimmer in die Küche zu seiner Mutter B... gegangen und habe ihr von der Schilderung des Angeklagten erzählt, was diese bestätigen konnte.
Die Zeugen A... I... und H... W... haben übereinstimmend erklärt, dass der Angeklagte auch in ihrer Gegenwart in der Küche bekundet habe, dass er am Ostersonntag mit dem Fahrrad über die Brücke gefahren sei und einen Holzklotz dort habe liegen sehen, den er beiseite geräumt haben will. Der Zeuge I... hat bekundet, dass er sich sicher sei, dass der Angeklagte zudem auch noch von einer "Felge" gesprochen habe. Beide Zeugen haben weiter übereinstimmend bekundet, der Angeklagte habe erklärt, dass er Angst habe, dass an dem Klotz nun seine körperlichen Spuren gefunden würden und er in Verdacht geraten könne.
Die Zeugin B... W... hat weiter ausgeführt, dass sie dem Angeklagten geraten habe, mit diesen Informationen zur Polizei zu gehen. Der Angeklagte habe zunächst gezögert und diesen Vorschlag erst mit seinen Eltern erörtern wollen. Sie habe dem Angeklagten angeboten, ihn am nächsten Tag zur Polizei zu fahren, was sie am 05.04.2008 gegen 10.00 Uhr auch getan habe.
2. Polizeilicher Hinweis am 05.04.2008
Der Angeklagte ist sodann am 05.04.2008 unaufgefordert als Hinweisgeber bei der Polizei erschienen und hat gegenüber der Zeugin KOK'in G... erklärt, er sei am Ostersamstag oder Ostersonntag nachmittags über die Brücke nach O... gefahren. Entsprechend der glaubhaften Angaben der Zeugin, die den Angeklagten in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat, hatte er ihr gegenüber erklärt, dass er auf dem Radweg einen Holzklotz, einen ca. 80 cm langen Stock und einen Fahrradreifen habe liegen sehen. Er habe deshalb angehalten und die Gegenstände vom Radweg an den Brückenzaun geschoben und sei dann weitergefahren.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte aus Furcht vor einem in den Medien angekündigten "Massengentest" die "Flucht nach vorne" ergriffen hat. Nach den Bekundungen der Zeugen F... und B... W..., A... I... und H... W... steht fest, dass der Angeklagte Angst bekommen hatte, dass auf dem Klotz körperlichen Spuren von ihm gefunden werden könnten und er somit in Verdacht geraten könnte. Der Zeuge EKHK G..., Hauptermittlungsführer der Mordkommission "Brücke", hat in diesem Zusammenhang bekundet, dass die Polizei die Durchführung einer molekulargenetischen Reihenuntersuchung (Massengentest) in Erwägung gezogen habe. Diese Erwägung sei dann in der Nord-West-Zeitung vom 03.04.2008 als Meldung veröffentlicht worden. Auch der Zeuge H... W... hat bekundet, dass am 04.04.2008 über den in der Zeitung angekündigten Massengentest gesprochen worden sei.
3. Zeugenvernehmung am 07.04.2008
a) Inhalt
Der Angeklagte ist sodann am 07.04.2008 von den Zeugen KHK S... und KOK S... als Zeuge vernommen worden.
Die Vernehmungsbeamten haben diesbezüglich übereinstimmend bekundet, der Angeklagte habe ihnen gegenüber erläutert, weshalb er am 05.04.2008 den besagten Hinweis bei der Polizei gegeben habe. Es habe tags zuvor am 04.04.2008 bei Familie W... ein Gespräch gegeben, in dem er vom Kontakt mit dem Holzklotz berichtet habe. B... W... habe ihn dann zur polizeilichen Aussage bewegt. Er habe auf diese Art eventuelle Spuren am Klotz durch das Beiseiteräumen erklären wollen.
Die Vernehmungsbeamten haben dann übereinstimmend bekundet, der Angeklagte habe berichtet, dass er am 23.03.2008 zwischen 16.00 Uhr und 16.30 Uhr von W... in Richtung O... auf dem rechten Radweg über die Brücke mit dem Fahrrad gefahren sei, weil er gegen 17.00 Uhr einen Termin in O... gehabt habe. Als er die Brücke schon fast passiert hatte, habe er dort eine silberfarbene Felge, den Holzklotz und einen Ast liegen sehen, die er beiseite geräumt habe, damit niemand gestört werde oder darüber falle. Der Begriff Felge, in Abgrenzung zu einem Reifen, sei mit ihm erörtert worden. Er habe den Klotz, der etwas nass und glitschig gewesen sei, angefasst und rechts an den Zaun gestellt. Den Ast habe er ins Gebüsch geworfen. Er habe überlegt, ob er den Reifen noch gebrauchen könne, da dieser aber verbogen gewesen sei, habe er ihn hinter die Leitplanke gelehnt, möglicherweise habe er ihn auch an einen dahinter stehenden Baum angelehnt. Die Länge des Astes habe der Angeklagte mit auseinandergebreiteten Armen dargestellt, man habe diesen auf 70 - 80 cm geschätzt.
Der Angeklagte habe zudem bekundet, dass er bei seiner Weiterfahrt Richtung O... drei Jugendliche gesehen habe, die offensichtlich alkoholisiert gewesen seien und Bier getrunken hätten. Anschließend sei er zur Familie B... gefahren und habe sich dort, unter dem Vorwand Geld für Benzin zu benötigen, 20,00 Euro geliehen. Gegen 17.30 Uhr und 17.45 Uhr sei er wieder zu Hause in seiner Wohnung gewesen, wobei er den Rückweg aus O... nicht über die Brücke B... Straße genommen habe, sondern über die W... H...straße. Er habe sich zu Hause dann einen Schuss gesetzt, habe wahrscheinlich Fernsehen geschaut und die Wohnung an diesem Tag nicht mehr verlassen.
Der Angeklagte habe zur besseren Erläuterung die Fundstellen der Gegenstände auf einer Skizze eingezeichnet. Der Zeuge KHK S... hat bekundet, dass er die Beschriftung der vom Angeklagten gezeichneten Gegenstände vorgenommen habe. Die Kammer hat die Skizze mit den Beteiligten in Augenschein genommen. Auf die Einzelheiten der Handskizze, Bl. 10, Bd. VIII, wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. Die Kammer hat keinen Anlass, die Richtigkeit dieser Aussagen zu bezweifeln. Auch seitens der Verteidigung ist nicht vorgebracht worden, dass sich der Ablauf der Zeugenvernehmung anders dargestellt hat, als von den Zeugen geschildert.
b) Verwertbarkeit
Die Zeugenaussage des Angeklagten ist uneingeschränkt verwertbar. Eine verbotene Vernehmungsmethode im Sinn des § 136 a StPO ist nicht zu erkennen.
aa)
Der Angeklagte ist am 07.04.2008 als Zeuge vernommen worden und nach den Bekundungen der Zeugen KOK S... und KHK S... nach§ 55 StPO über sein Auskunftsverweigerungsrecht als Zeuge belehrt worden. Der Angeklagte wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Beschuldigter geführt.
Das Vorgehen, den Angeklagten am 07.04.2008 als Zeugen zu belehren und zu vernehmen -wobei er außerdem auch darauf hingewiesen worden ist, dass er keine Angaben zu Dingen zu machen braucht, die ihn selbst belasten- ist unter Berücksichtigung des damaligen Erkenntnisstandes nicht zu beanstanden.
Für die Frage, wann von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung überzugehen ist, kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Dabei unterliegt es der pflichtgemäßen Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde, ob sie einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie die betreffende Person als Beschuldigte verfolgt und als solche vernimmt. Es muss grundsätzlich der pflichtgemäßen Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde überlassen bleiben, ob sie gegen jemanden einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie ihn als Beschuldigten verfolgt. Denn sie ist "Herrin des Ermittlungsverfahrens". Dem liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass jemand in einem Strafverfahren, einerlei wieweit es gediehen ist, die Stellung eines Beschuldigten mit der Folge seiner Ungeeignetheit als Zeuge nur dann inne hat, wenn das Strafrechtspflegeorgan, welches das Verfahren in seinem jeweiligen Abschnitt maßgeblich gestaltet, es gegen ihn gerade als Beschuldigten betreibt (BGHSt 10, 8 ff.).
Die Grenzen des der Strafverfolgungsbehörde im Rahmen dieser Beurteilung eingeräumten Ermessensspielraumes sind hier jedenfalls nicht überschritten. Ausgehend von dem am 05.04.2008 gegebenen Hinweis musste, auch in Kenntnis von polizeilichen Vorerkenntnissen, -nach Angaben des Zeugen KHK S... im Bereich der Betäubungsmittel- bzw. Beschaffungskriminalität inklusive eines Raubdeliktes- noch nicht von einem Tatverdacht gegen den Angeklagten ausgegangen werden. Dass dieser Tatverdacht sich, entsprechend den Angaben der Zeugen EKHK G... und KHK S..., erst nach Abschluss der Zeugenvernehmung bei einer gedanklichen Überprüfung der Plausibilität der bislang gemachten zeugenschaftlichen Angaben des Angeklagten herausbildete, erscheint nachvollziehbar, ist zumindest nicht unvertretbar. Dies belegt auch die Angabe des Zeugen KHK S..., der nach eigenen Bekundungen sogar noch zu dieser Zeit von den von EKHK G... geäußerten Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen H... nicht überzeugt gewesen war.
Eine wie auch immer geartete Täuschung während der Zeugenvernehmung am 07.04.2008 liegt damit nicht vor.
bb)
Der Angeklagte konnte der Zeugenvernehmung uneingeschränkt folgen.
Beide Vernehmungsbeamten haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Angeklagte der deutschen Sprache mächtig war und selbst keinen Dolmetscher für erforderlich erachtet habe. Der Angeklagte habe mit Akzent gesprochen, mit der Verständigung habe es insgesamt aber keine Probleme gegeben. Bestimmte Begriffe, die er im Rahmen der Vernehmung nicht auf Anhieb verstanden habe oder von denen die Vernehmungsbeamten den Eindruck gehabt hätten, er habe den Wortsinn nicht ausreichend erfasst, seien dem Angeklagten auf Deutsch umschrieben worden. So sei ihm der Begriff "Nabe" zum Verständnis erläutert worden oder der Begriff "Rinde" sei mit Haut des Baumes umschrieben worden. Für das Brückengeländer habe der Angeklagte den Begriff "Zaun" verwandt.
cc)
Der Angeklagte litt bei seiner Zeugenvernehmung am 07.04.2008 auch nicht unter Entzugserscheinungen. KOK S... hat diesbezüglich angegeben, der Angeklagte habe von sich aus vor der Vernehmung erklärt, dass er heroinabhängig sei. Den letzten Druck habe er sich am Morgen gegen 10.00 Uhr gesetzt. Einen weiteren benötige er gegen 16.00 Uhr. Die Vernehmung sei um 14.30 Uhr beendet worden, während der Vernehmung habe es keine Anzeichen für eine den Angeklagten beeinträchtigenden Entzügigkeit gegeben. KHK S..., ein erfahrener Polizeibeamter mit 30 Jahren Berufserfahrung, hat bekundet, dass er zu keinem Zeitpunkt den Eindruck gehabt habe, dass der Angeklagte der Vernehmung nicht habe folgen können. Er habe während der Vernehmung einen ruhigen Eindruck gemacht und vor dem Hintergrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit sogar "adrett" gewirkt.
dd)
Auch der Umstand, dass die Vernehmung am 07.04.2008 entsprechend den Angaben der Zeugen KHK S... und KHK S... von ihnen gemeinsam geführt worden war, das Vernehmungsprotokoll hingegen nur den KHK S... aufführt, begründet keine Unverwertbarkeit der Erkenntnisse. Die Zeugen haben beide glaubhaft bekundet, dass dies nur versehentlich geschehen sei. Sie haben von sich aus den Sachverhalt wie festgestellt geschildert.
4. Beschuldigtenvernehmung am 21.04.2008
a) Inhalt
Der Angeklagte ist am 21.04.2008 sodann von den Vernehmungsbeamten KOK S... und KHK S... erstmals als Beschuldiger vernommen worden und hat seine als Zeuge bekundete Wegräumversion bestätigt.
Der Vernehmungsbeamte KOK S... hat bekundet, dass seit dem 07.04.2008, nach der ersten zeugenschaftlichen Einvernahme des Angeklagten, und der jetzt ersten Beschuldigtenvernehmung neue Ermittlungsergebnisse zu Tage getreten seien, die zum Teil im Widerspruch mit den zeugenschaftlichen Angaben des Angeklagten gestanden hätten. So hätten sich nach einem Aufruf der Polizei mehrere Zeugen gemeldet, die in der vom Angeklagten genannten Zeit zwischen 16.00 und 16.30 Uhr keine der von ihm beschriebenen Gegenstände auf der Brücke gesehen hätten. Auch habe die Auswertung der Verkehrsdaten des Mobiltelefons des Angeklagten ergeben, dass dieses um 20.06 Uhr im Tatortbereich Brücke eingeloggt gewesen sei und nicht für den Bereich seiner Wohnung, in der er sich laut Aussage am 07.04.2008 ab 18.00 Uhr aufgehalten haben will.
Der Angeklagte habe in seiner Vernehmung am 21.04.2008 wiederholt, dass er alle drei von ihm bereits benannten Gegenstände zur Seite geräumt habe. Dass andere diese dort nicht gesehen hätten, könne er sich nicht erklären.
Der Angeklagte habe am 21.04.2008 weiter auf Nachfrage erklärt, dass er sein Handy zur Tatzeit nicht verliehen habe. Dieses hätte auch keinen Sinn gemacht, da er auf seinem Handy kein Guthaben mehr gehabt habe. Er habe sich die ihm vorgehaltenen Verkehrsdaten nicht erklären können und angegeben, dass er sich nicht erinnern könne, noch mal an der Brücke gewesen zu sein. Nach den übereinstimmenden Bekundungen der Vernehmungsbeamten habe der Angeklagte sich dann, detaillierter als noch in seiner Zeugenvernehmung am 07.04.2008, dahingehend eingelassen, dass er, nachdem er die Gegenstände auf der Brücke zur Seite geräumt habe, mit den von der Familie B... danach erhaltenen 20,00 Euro in die Nähe des TÜV von seinem Dealer Heroin gekauft habe. Er habe wiederholt, dass er auf dem Rückweg nicht über die Brücke, sondern über die N... Straße und W... H...straße gefahren sei.
Die Kammer stellt aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen S... und S... fest, dass die Vernehmung so abgelaufen ist, wie von ihnen dargstellt.
b) Verwertbarkeit
Diese Beschuldigtenangaben des Angeklagten sind ebenfalls uneingeschränkt verwertbar. Es liegt auch hier weder ein Beweiserhebungs- noch ein Beweisverwertungsverbot vor.
aa)
Der Angeklagte war bei seiner Beschuldigtenvernehmung vernehmungsfähig.
Er war bei seinen Angaben am 21.04.2008 nicht entzügig.
Die Vernehmungsbeamten KOK S... und KHK S... haben bezüglich des Zustandekommens des Vernehmungstermins ausgeführt, dass sie seit dem 10.04.2008 wiederholt versucht hätten, den Angeklagten aufzusuchen und zu vernehmen. Mehrmals habe man den Angeklagten, von dem man wusste, dass er heroinabhängig sei, in seiner Wohnung oder auf seinem Mobiltelefon nicht erreichen können, um einen Termin zu vereinbaren. In einem Fall sei der Angeklagte, als man ihn zu Hause angetroffen habe, schon dem äußeren Anschein nach nicht vernehmungsfähig gewesen. Er habe fahrig und nervös gewirkt und auch nach eigenen Angaben gefroren. In diesem Fall habe man bewusst von einer Vernehmung abgesehen.
Am 21.04.2008 habe man den Angeklagten dann gegen Mittag in seiner Wohnung erneut aufgesucht und ihn gebeten mit zur Dienststelle zu kommen. Der Angeklagte habe ihnen mitgeteilt, dass er beginnende Entzugserscheinungen verspüre, weswegen man auf der Dienststelle sogleich Dr. P... hinzugezogen habe, der den Angeklagten von 15.00 - 15.15 Uhr untersucht habe. Ergebnis der Untersuchung sei gewesen, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht vernehmungsfähig gewesen sei. Nach Rücksprache über das weitere Vorgehen mit Staatsanwältin G... habe man den Angeklagten sodann in die K...-Klinik nach W... gefahren, wo er von Dr. D... untersucht und sodann mit Methadon substituiert worden sei.
Der im Auftrag der Ermittlungsbehörden tätige medizinische Sachverständige Dr. D..., seit 25 Jahren Arzt für Neurologie mit Ausbildung im Methadonprogramm und seit 20 Jahren im früheren Landeskrankenhaus tätig, hat in diesem Zusammenhang in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass er sich mit dem Angeklagten problemlos auf Deutsch habe unterhalten können. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass er auch schon zuvor in der K...-Klinik gewesen sei, er üblicherweise morgens und abends Heroin konsumiere, so auch an diesem Tag und am Abend zuvor. Er habe von keinem aktuellen Beigebrauch berichtet. Der Sachverständige habe den Angeklagten als freundlich und kooperativ erlebt, bei diskreter motorischer Unruhe. Eine Nachfrage nach besonderen Entzugserscheinungen wie Schmerzen sei von ihm verneint worden. Der Angeklagte habe keinen Tremor und keine Schweißausbrüche gezeigt.
Der Sachverständige habe sich aufgrund dieser Informationen zu einer Einmalgabe von 7 ml Methadon entschieden, wobei auch 6 ml medizinisch vertretbar gewesen wären. Der Angeklagte habe auch nicht mehr gefordert oder versucht, eine höhere Dosis herauszuhandeln, was bei Schwerstabhängigen sonst häufiger der Fall sei. Nach der oralen Einnahme des Methadons habe er, der Sachverständige, keine besonderen Veränderungen bemerkt. Insbesondere habe der Angeklagte nicht behauptet, dass er Methadon nicht vertragen könne, zumal er dieses selbst verlangt habe und zuvor berichtet hatte, dass er sich bereits früher einmal in einem Methadonprogramm befunden habe. Von einer aktuellen Substitution durch Methadon habe er nichts berichtet.
Die Kammer hat zur Frage der allgemeinen Vernehmungsfähigkeit den psychiatrischen Sachverständigen Dr. K... gehört, der die Vernehmungsfähigkeit des Angeklagten in sämtlichen Vernehmungsterminen bejaht hat, was noch näher ausgeführt wird (vgl. unten Punkt C. IV. 4 c).
bb)
Der Angeklagte konnte auch dieser Vernehmung am 21.04.2008 in deutscher Sprache ausreichend folgen.
Die Vernehmungsbeamten KHK S... und KOK S... haben bekundet, dass sich die Frage eines Dolmetschers nach den Erfahrungen mit dem Angeklagten bei seiner Zeugenvernehmung am 07.04.2008 nicht mehr gestellt habe. Der Ablauf der Vernehmung habe auch keinen Anhalt für die Annahme gegeben, dass der Angeklagte den Vernehmungsinhalten nicht oder auch nur teilweise nicht habe folgen können. Auch der medizinische Sachverständige Dr. D... hatte, wie ausgeführt, keine Probleme bezüglich der Verständigung mit dem Angeklagten in deutscher Sprache feststellen können.
5. Beweiswürdigung der Aussagen betreffend die sogenannte Wegräumversion
Im Rahmen der Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten insgesamt hat die Kammer sodann zunächst geprüft, ob die von ihm zunächst erklärte Wegräumversion nun als völlig wahr, völlig unwahr, oder teilweise wahr einzustufen ist.
a)
Die Beweiswürdigung hat ergeben, dass die diesbezüglichen Angaben nicht vollumfänglich der Wahrheit entsprechen können.
Die vom Angeklagten geschilderte Wegräumversion sowie sein diesbezüglich genanntes Motiv sind schon für sich gesehen nicht nachvollziehbar. Es handelt sich um einen konstruierten Geschehensablauf, der lebensfremd wirkt, wenn der Angeklagte als Hartdrogenabhängiger auf der Suche nach Geld und Heroin mit dem Rad unterwegs ist und sich entschließt, einen Radweg freizuräumen, damit niemand gefährdet werde. Denn der Angeklagte war nach eigenen Angaben erst auf dem Weg zur Familie B... nach O.../ E... und konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, ob er überhaupt Geld von diesen erhalten werde. In dieser ungewissen Erwartung ist es kaum nachvollziehbar, dass sich der Angeklagte, entsprechend seiner Wegräumversion, nicht auf dem direkten Weg zur Familie B... begeben hat, sondern sich zuvor die Zeit genommen haben will, zunächst die benannten Gegenstände beiseite zu räumen, damit die Allgemeinheit nicht durch diese Gegenstände gefährdet werde.
Für die Kammer ist es auch nicht nachvollziehbar, dass und warum gerade diese vom Angeklagten benannten Gegenstände zufällig auf der Brücke herumgelegen haben sollen.
Es soll sich, neben dem Metallteil -der Fahrradfelge- dabei um zwei Holzteile gehandelt haben, davon eines, der Holzklotz durch Absägen oder Abschlagen behandelt, ein anderes, der Ast, unbehandelt. Zöge man in Erwägung, dass diese Gegenstände von einem unbekannten Dritten zum Beispiel im Vorbeifahren verloren gegangen wären, so wäre der Verlust von Holzteilen einerseits oder von Schrott andererseits noch erklärbar. Die drei Gegenstände in ihrer Gesamtheit betrachtet, lassen indes einen Rückschluss auf einen zufälligen Verlust nur schwer zu.
Auch die Erkenntnisse aus der Funkzellenauswertung betreffend die Geodaten des vom Angeklagten genutzten Handys lassen sich mit der Wegräumversion nicht vollständig in Einklang bringen. Hierzu wird auf die nachfolgend zu diesem Bereich noch aufgeführten Feststellungen (V. 2.) verwiesen.
Letztlich entscheidend in der Frage waren aber die übereinstimmenden Bekundungen sämtlicher hierzu vernommener Zeugen, von denen niemand die vom Angeklagten benannten Gegenstände am Nachmittag des Ostersonntags auf der Brücke gesehen hat:
Das Ehepaar B... und U... K... hat übereinstimmend ausgesagt, dass sie am Ostersonntag nach einem Mittagsschlaf gegen 17.20 Uhr von ihrem Haus in W..., A...straße ..., in Richtung P..., W... H...straße, spazieren gegangen seien. Gegen 18.00 Uhr sei man dort angekommen und über den L...weg ca. 15-20 Minuten wieder Richtung W... über die B... Straße gelaufen. Gegen 18.20 Uhr sei man von O... kommend auf der linken Seite Richtung W... über die Brücke gegangen, also auf der Seite, auf der nach Darstellung des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt der Holzklotz von ihm zuvor zur Seite und an das Brückengeländer geschoben worden sein musste. Beide Zeugen konnten ausschließen, dass zu diesem Zeitpunkt irgendwelche Gegenstände auf der Brücke gelegen hätten. Das Ehepaar K... wohnt seit 1974 in W... und ist mit den dortigen Örtlichkeiten gut vertraut. Der Zeuge B... K... hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Brücke auf dem Geh-/ und Radweg stets sauber sei. Die Zeugen waren sich sicher, dass ein Holzklotz eindeutig nicht dort gelegen habe.
Der Zeuge P... A... G... hat ebenfalls keinen Klotz oder andere Gegenstände auf der Brücke gesehen, obgleich er diese sogar intensiv nach einem verlorenen Brief abgesucht hat.
Der in O... wohnende Zeuge hat bekundet, dass er am Ostersonntag gegen 14.30 Uhr mit dem Rad zu seiner Mutter nach I... gefahren sei. Er habe in W... am Kiosk in der S...straße zuvor Briefmarken für einen Umschlag gekauft, denn er habe einen Brief dabei gehabt, der noch am selben Tage nach Berlin zu seinem Verlag versandt werden sollte. Den Brief habe er später zur Hauptpost in O... bringen wollen, da er gewusst habe, dass dort eine Feiertagsentleerung der Briefkästen stattfinde.
Nach dem Besuch seiner Mutter habe er den Brief in seinen Fahrradkorb gelegt und sei zur Hauptpost nach O... gefahren. Gegen 16.30 Uhr oder etwas später habe er die Brücke passiert. Er sei auf der von ihm aus rechten Seite gefahren, also auf der Seite, auf der nach Darstellung des Angeklagten die von ihm genannten Gegenstände gelegen hätten. Dort sei ihm nichts Besonderes aufgefallen. Gegen 16.50 Uhr sei er dann an der Hauptpost in O... angekommen und habe bemerkt, dass er den Brief aus seinem Fahrradkorb verloren habe. Die Uhrzeit erinnere er noch, da er um 16.50 Uhr auf die Bahnhofsuhr geschaut und die Zeit mit der Entleerungszeit des Briefkastens verglichen habe. Er habe dann suchend den Rückweg nach W... angetreten und habe hierfür ca. 25- 30 Minuten benötigt bis er wieder die Brücke erreicht habe. Er sei dann auf der linken Seite aus Richtung O... kommend die Brücke mit dem Rad hinaufgefahren und habe das letzte Drittel geschoben. Auf der Brücke habe er diese komplett abgesucht, jedoch außer leeren Zigarettenschachteln und Werbeflyern nichts finden können. Ein Holzklotz habe dort mit Sicherheit nicht am Geländer gestanden.
Die Eheleute A... und P... C... aus W... haben zunächst bekundet, dass sie am Tattag mit ihren Fahrrädern zwischen 15.00 und 15.15 Uhr von ihrem Haus im H... ... nach O... in die Stadt gefahren seien. Es sei schönes Wetter gewesen und man habe in O... zum Schlossplatz fahren wollen, um sich bei einer Freundin später zum Kaffee anzumelden. Man sei auf der rechten Seite -also auf der Seite auf der die Gegenstände gelegen haben müssten- über die Brücke gefahren und habe dort keine Gegenstände liegen sehen. Gegen 15.45 Uhr habe man die Freundin angerufen. Die Uhrzeit, so der Zeuge A... C..., habe er damals anhand der Telefonrechnung überprüft, bevor er seine polizeiliche Aussage gemacht habe. Auf Vorhalt, dass er bei seiner polizeilichen Vernehmung das Telefonat aber zwischen 16.15 Uhr und 16.20 Uhr erinnert habe, hat sich der Zeuge in der Hauptverhandlung dann korrigiert und ausgeführt, dass die von ihm damals angegebene Zeit die zutreffende sei, da er vor seiner polizeilichen Vernehmung die Uhrzeit anhand seiner Mobilfunkrechnung rekonstruiert habe und auf dieser das besagte Telefonat mit 16.15 Uhr angegeben gewesen wäre. Da man erst nach Ankunft in O... umgehend die Freundin angerufen habe, und er und seine Frau üblicherweise ca. 30 Minuten von W... nach O... mit dem Fahrrad benötigen würden, schätze er nunmehr den Zeitpunkt, an dem sie die Brücke passiert hätten, auf 15.45 Uhr.
Die Zeugen haben dann übereinstimmend erklärt, dass man gemeinsam zwischen 18.30 - 19.00 Uhr wieder über die Brücke nach W... nebeneinander auf der linken Seite, also auf der gleichen wie auf dem Hinweg, gefahren sei und dort keinen Holzklotz gesehen habe. Beide haben ausschließen können, dass dort überhaupt etwas gelegen oder am Geländer gestanden habe. Die Brücke sei leer gewesen.
Der Zeuge G... z.. L... hat ausgesagt, dass er am Ostersonntag zwischen 18.30- 18.45 Uhr mit dem Pkw von seiner Tochter aus der W...straße in W... kommend auf dem Rückweg nach O... gewesen sei und beim Überqueren der Brücke ebenfalls keinen Holzklotz gesehen habe. Er habe selbst 27 Jahre in W... gelebt und kenne die Brücke sehr genau. Er habe an diesem Tag entschieden über die B... Straße nach Hause zu fahren, da seine Frau noch die Serie "Lindenstraße" habe sehen wollen und man deshalb in Eile gewesen sei. Man sei dann zur Sendung etwas verspätet zu Hause angekommen. Auf der Brücke schaue er üblicherweise nach rechts und links auf die Autobahn und habe an diesem Tag in Erinnerung, dass relativ wenig Verkehr auf der A ... geherrscht habe. Es sei noch hell gewesen und er habe niemanden auf der Brücke gesehen. Einen Holzklotz hätte er bemerkt.
Schließlich hat die Kammer den Busfahrer der VWG G... W... vernommen, der am Ostersonntag von 12.40 bis 19.10 Uhr Dienst hatte und bei seinen Fahrten der Linie 10 die Brücke zwischen 6 und 8 Mal überquert hat. Der Zeuge hat bekundet, dass er bei keiner dieser Überquerungen Gegenstände auf der Brücke habe liegen sehen, weder auf dem linken noch auf dem rechten Radweg. Er überquere die Brücke gewöhnlich mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h und schaue dabei auch auf die Autobahn hinunter.
Die Kammer hat mit den Beteiligten und Zeugen jeweils im Anschluss an ihre Vernehmungen die Lichtbilder Bl. 181 - 191 Bd. VIII (B... Straße, Brückenbereich) in Augenschein genommen. Auf den Lichtbildern Bl. 183 - bis 185 hat die Polizei einen vergleichbar großen Holzklotz wie das Tatmittel zu Illustration am Brückengeländer positioniert, so wie der Angeklagte diesen in seiner Wegräumversion beiseite geschoben haben will. Das hat KHK S... in seiner Vernehmung bekundet. Auch nach in Augenscheinnahme dieser Lichtbilder hat keiner der Zeugen erklärt, dass er eine derartige Szenerie erinnern oder wenigstens nicht ausschließen könne. Die Zeugen waren sich vielmehr übereinstimmend sicher, dass keine Gegenstände auf der gut einsehbaren Brücke gelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die genannten Lichtbilder Bezug genommen.
Die Angaben der Zeugen sind auch glaubhaft. Sie konnten sich an den besagten Tag gut erinnern und haben diesen jeweils detailreich geschildert. Die Zeugen sind nach dem polizeilichen Aufruf, ob jemand auf der Brücke am Tattag Gegenstände wahrgenommen habe, mit Ausnahme des Zeugen W..., der erst am 06.02.2009 polizeilich vernommen wurde, aus eigenem Antrieb bei der Polizei erschienen. Ihre dort geäußerten Bekundungen haben sie in der Hauptverhandlung wiederholt, ohne dass die Kammer den Eindruck gewinnen musste, dass die Aussagen untereinander abgesprochen waren. Typische Erinnerungslücken, die Geschehnisse lagen fast ein Jahr zurück, haben sie wie etwa der Zeuge C..., freimütig eingeräumt und korrigiert.
Die Zeugen haben den Umstand, dass keine Gegenstände auf der Brücke lagen auch aus unterschiedlichen Wahrnehmungsperspektiven geschildert. Sie waren zudem zu verschiedenen Uhrzeiten auf der Brücke. So hat das Ehepaar K... aus Richtung O... zu Fuß, dass Ehepaar C... per Fahrrad aus W... und O..., der Zeuge G... mit Rad und zu Fuß, der Zeuge z.. L... mit dem Pkw aus W... kommend und der Busfahrer W... mehrfach mit seinem Bus die Brücke vor und nach der vom Angeklagten bei seiner Wegräumversion genannten Zeitspanne von 16.00 - bis 16.30 Uhr passiert.
Die rein theoretische Möglichkeit, dass die Gegenstände in der Zeit von 16.00 -16.30 Uhr, wie der Angeklagte behauptet hat, zunächst dort gelegen haben könnten, dann zu den Zeiten, zu denen die Zeugen K..., C..., G..., z.. L... und W... diese nicht gesehen haben, wieder verschwunden waren, weil sie etwa zwischenzeitlich ganz von der Brücke geräumt worden waren, um dann den Holzklotz gegen 20.00 Uhr wieder hervorzuholen, um ihn von der Brücke zu werfen, schließt die Kammer aus. Diese Möglichkeit ist lebensfremd, da sie die Positionierung der Gegenstände auf der Brücke zwischen 16.00 - 16.30 Uhr nicht zu erklären vermag, wenn der Täter den Holzklotz erst Stunden später zu verwenden gedenkt. Schließlich gibt es für diese Version auch keine sich aufdrängenden Anhaltspunkte.
Damit kann die vom Angeklagten dargelegte Wegräumversion nicht vollumfänglich zutreffen.
b)
Die Beweiswürdigung hat weiter ergeben, dass die Angaben zur Wegräumversion aber auch nicht vollumfänglich unwahr sein können, d.h. der Angeklagte kann die gesamte Wegräumversion nicht vollständig erfunden haben.
aa)
Zunächst hat die Kammer festgestellt, dass am Holzklotz, der Fahrradfelge und am Tatort selbst keine Spuren des Angeklagten gefunden wurden. Auch an den beim Angeklagten sichergestellten Kleidungsstücken wurden keine Spuren des Holzklotzes gefunden.
Der Sachverständige Dr. I... hat hierzu ausgeführt, dass die textile Untersuchung des Holzklotzes keine Zuordnung von textilen Faserspuren der bei Angeklagten sichergestellten Kleidungsstücke zulassen würde, aber auch kein Ausschluss ergebe.
Auch seien am Holzklotz und an der Fahrradfelge keine vollständige DNA des Angeklagten gefunden worden, wobei der Sachverständige darauf hingewiesen hat, dass am Stammholz die DNA der verstorbenen O... K... dominierend gewesen sei. Des Weiteren hätten sich Mischbefunde einzelner, reproduzierbarer Merkmale wie aus den entsprechenden Systemen des DNA-Profils des W... K..., der Rettungskräfte M... H., F... S., I... T. und N... B., die als Spurenverursacher nicht ausgeschlossen werden könnten, befunden. Letztlich hätten sich auch innerhalb dieser Mischbefunde einzelne, reproduzierbare Merkmale wie aus den entsprechenden Systemen des DNA-Profils des Angeklagten befunden, so dass dieser zwar als Spurenverursacher nicht klar ausgeschlossen werden könne, indes eine Verursachung durch den Angeklagten auch nicht hinreichend belegt sei.
Die daktyloskopische Untersuchung der sichergestellten Fahrradfelge habe keine Spuren erbracht.
Die Kammer hat den Spurensicherungsbericht vom 08.05.2008 (Bl. 114-123, Bd. VII) und den Bericht vom 01.08.2008 nebst Asservatenliste (Bl. 105-113 Bd. XIII) im allseitigen Einverständnis auszugsweise verlesen und mit dem Zeugen POK B... erörtert. POK B... hat im Rahmen der Erläuterung des Spurensicherungsberichtes bekundet, dass keine Spuren des Angeklagten festgestellt werden konnten. Eine Schuhabdruckspur, die an der unteren Querstrebe des Brückengeländers im unmittelbaren Tatortbereich sichergestellt werden konnte, habe ebenfalls keinen Hinweis auf den Angeklagten ergeben.
Aus diesen Feststellungen zieht die Kammer indes nicht den auch nur möglichen, nicht aber zwingenden Schluss, der Angeklagte habe die von ihm benannten Gegenstände nicht berührt oder dass diese sich nicht auf der Brücke befunden hätten.
In sämtlichen Schilderungen, hierzu zählen das Gespräch im Hause W... am 04.04.2008, sein polizeilicher Hinweis am 05.04.2008, seine Zeugenaussage am 07.04.2008 und schließlich die erste Beschuldigtenvernehmung am 21.04.2008, hat der Angeklagte nämlich markante Einzelheiten mit zahlreichen Details geschildert, die auf einen tatsächlichen Erlebnisbezug schließen lassen.
bb)
Fest steht, dass der Angeklagte am Ostersonntag, wie von ihm selbst geschildert, tatsächlich vor 17.00 Uhr den Weg über die Brücke genommen hat und gegen 17.00 Uhr bei den Eheleuten B... in der B... Straße in O.../ E... 20,00 Euro erhielt. Die Eheleute G... und V... B... haben den Besuch des Angeklagten übereinstimmend bestätigt. Sie haben in diesem Zusammenhang bekundet, dass der Angeklagte ihnen erklärt habe, dass er das Geld für Benzin benötigen würde. Da er auf sie keinen alkoholisierten Eindruck gemacht habe und er auch sonst keine Auffälligkeiten aufgewiesen, sondern vielmehr normal, entspannt und freundlich gewirkt habe, habe man ihm das Geld gegeben. Die Angaben sind glaubhaft. Die Eheleute haben bei ihrer Schilderung übereinstimmende Angaben gemacht, ohne dass die Kammer davon ausgehen musste, dass die Aussagen abgesprochen gewesen seien oder dass sie den Angeklagten durch aus ihrer Sicht für diesen günstige Angaben unterstützen wollten.
cc)
Für die Kammer steht weiter fest, dass sich auf der Brücke eine silberne Hinterradfelge befand. Denn der Zeuge POK B... hat bekundet, dass eine solche Felge als Spur 350 bereits am 02.04.2008 nach einem Hinweis eines Bürgers neben der Brücke ca. 2 Meter neben dem Brückengeländer auf der rechten Seite Richtung O... hinter der Leitplanke lehnend sichergestellt worden sei. Der Zeuge hat den Standort der Felge durch in Augenscheinnahme der Lichtbilder Bl. 172, 181 - 191 Bd. VIII präzisiert. Bl. 172 Bd. VIII zeigt ein Luftbild der Brücke. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. Diese Örtlichkeit deckt sich mit den Angaben des Angeklagten in seiner Zeugenvernehmung vom 07.04.2008. Der Umstand, dass in Tatortnähe tatsächlich eine silberne Felge gefunden wurde und der Angeklagte eine solche schon im Gespräch im Hause W... am 04.04.2008 und im Hinweis am 05.04.2008 erwähnt hatte, lässt nach Überzeugung der Kammer nur den Rückschluss zu, dass er eine solche tatsächlich dort gesehen hat. Eine andere Kenntnisquelle als die der eigenen Wahrnehmung scheidet aus, denn auch in seiner Zeugenvernehmung am 07.04.2008 schildert der Angeklagte über den bloßen Umstand hinaus, dass eine Felge auf der Brücke gewesen sei, genau die Örtlichkeit, wo er die Felge im Rahmen seiner Wegräumversion dann abgestellt haben will. Diese Schilderung deckt sich mit dem Ort der Sicherstellung, wie ihn POK B... als Fundort beschreiben konnte.
Die Spur 350 hat nach den Bekundungen der Vernehmungsbeamten KHK S... und KOK S... am 07.04.2008 auch noch keine Rolle gespielt, so dass der Angeklagte seine Kenntnis auch nicht im Wege eines möglichen Vorhaltes erhalten hat, was die Vernehmungsbeamten im Übrigen auch nicht bekundet haben. Andere Kenntnisquellen wie beispielsweise aus der Presse scheiden demzufolge ebenfalls aus, da es hierzu seinerzeit keine polizeiliche Mitteilung gab.
dd)
Für die Kammer steht zudem fest, dass der Angeklagte einen Ast, entsprechend seiner geschilderten Wegräumversion, ebenfalls auf der Brücke wahrgenommen hat. Dabei spricht dieser Umstand zunächst vordergründig für ein erdachtes Detail, zumal der Angeklagte später, d.h. in seiner Beschuldigtenvernehmung am 21.05.2008 dieses Detail nicht weiter erwähnt und ein Ast/Stock oder Knüppel zunächst keinen erkennbaren Bezug zur Tat hat und auch von den Vernehmungsbeamten am 21.05.2008 nicht weiter erfragt worden ist.
Das Detail gewinnt jedoch Bedeutung, als die Eheleute M..., die am Tattag gegen 18.30 Uhr die Brücke auf der A ... mit ihrem Pkw unterquerten, von einer Person berichten konnten, die einen Ast von der Brücke auf das ihnen vorausfahrende Fahrzeug geworfen habe. Diese Person ist nach Überzeugung der Kammer ebenfalls der Angeklagte gewesen. Die Kammer schließt unter Berücksichtigung der Angaben der Eheleute M... und der zeitlichen und örtlichen Nähe aus, dass die Gegenstände gegen 18.30 Uhr und gegen 20.00 Uhr von verschiedenen Personen auf die Autobahn geworfen bzw. fallengelassen worden sind.
Der Zeuge A... M... hat bekundet, dass er am Ostersonntag zu Besuch in B... gewesen sei und gegen 18.00 Uhr mit seiner Frau und dem Sohn des Lebensgefährten seiner Mutter wieder nach M... fahren wollte. Er sei beim Autobahnkreuz Nord auf die A ... aufgefahren. Auf der Autobahn sei er mit einer Geschwindigkeit von ca. 120-130 km/h gefahren. Er habe seinen Tempomaten aktiviert und sei im Bereich der ersten Brücke zwischen 18.30 und 18.45 Uhr gewesen. Als er einen langsameren BMW habe überholen wollen, habe er eine männliche Person auf der Brücke am Geländer über der Hauptfahrspur stehen sehen, die ein Fahrrad dabei gehabt habe. Die Kammer hat mit dem Zeugen und den Beteiligten die von diesem diesbezüglich gefertigte Handskizze (Bl. 11 Spurenordner 707) zu den Positionen der Fahrzeuge und der Person samt Fahrrad auf der Brücke in Augenschein genommen. Daraus ergibt sich, dass sich das Fahrzeug der Eheleute M..., wie von diesen geschildert, leicht versetzt auf der Überholspur hinter dem auf der Hauptfahrspur fahrenden BMW befand und der Täter über der Hauptfahrspur stand. Wegen der Einzelheiten wird gemäߧ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.
Der Zeuge hat sodann diese Person als keinen Jugendlichen, eher zwischen 27-35 Jahren geschätzt, bei einer Größe von 1,70 - 1,75 m, mit dunklen Haaren, die sich im Wind bewegt hätten. Die Größe des Mannes habe er an der Höhe des Brückengeländers festgemacht, das er auf 1,20 Meter schätze und das dem Mann bis zum Bauchansatz gegangen sei. Diese Person habe plötzlich unvermittelt einen dicken Knüppel von der Brücke geworfen, dessen Größe er auf 30-40 cm und dessen Dicke er auf 6-8 cm schätze. Der Knüppel sei hinter dem BMW aufgeschlagen.
Der Zeuge M... hat weiter ausgesagt, dass er am nächsten Morgen im Internet unter "bild.de" von dem Holzklotzwurf das erste Mal Kenntnis erlangt habe und er sich daraufhin bei der Kripo in M... gemeldet habe, die sich mit der Kripo in O... in Verbindung setzten wollte. Die Polizei in O... habe sich dann indes nicht gemeldet. Erst als er mitbekommen habe, dass mittlerweile eine Einzelperson als mutmaßlicher Täter festgenommen worden sei, habe er am 22.05.2008 erneut bei der Polizei in O... nachgefragt, was denn aus seinem Hinweis geworden sei. Die Polizei habe ihm zu seiner Verwunderung mitgeteilt, dass sie keine Informationen hiervon hätten. Man habe dann am 27.07.2008 einen Ortstermin vereinbart, in dem die Polizei mit ihm und seiner Frau die A ... zwei- oder dreimal abgefahren sei, um sicherzustellen, bezüglich welcher Brücke er seine Beobachtungen gemacht habe. Die Polizei habe ihm diesbezüglich keine Vorgaben gemacht. Er sei der Meinung gewesen, dass es die für ihn auf der Autobahn ... erste Brücke gewesen sei.
Die Kammer hat mit den Beteiligten und dem Zeugen aus der Spurenakte 707, Bl. 17 (Kartenausschnitt A .../ Bereich W...), Bl. 26 - 28 (Überquerungen der A ... ab ABK Nord/ Bereich W.../ E...), Bl. 33-35 (Lichtbilder Tatortbrücke B... Str. aus Sicht A ... Fahrtrichtung O...), Bl. 36-37 (Kartenausschnitt A .../ Bereich R..., W..., O...) in Augenschein genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. Die erste Überführung nach der Auffahrt ABK O... Nord Richtung O... zeigt die Überquerung der B... Straße, somit die Tatortbrücke.
Die Zeugin D... M..., die Ehefrau des Zeugen A... M... und Beifahrerin, hat die Angaben ihres Mannes insoweit bestätigt, als dass sie eine männliche Person auf der Brücke über der A ... gesehen habe, bekleidet mit einer dunklen Hose und einer beigen Jacke, die etwas über die Hüfte gegangen sei. Der Mann habe über der Hauptspur gestanden. Das Alter habe sie auf ca. 30-35 Jahre geschätzt, die Größe auf ca. 1,70 m, da sie selbst nur 1,64 m groß sei und sein Oberkörper über dem Brückengeländer zu sehen gewesen sei. Die Haare seien eher kurz gewesen. Sie habe ein Teil von seinem Fahrrad erkennen können. Sie habe den Mann schon zeitig auf der Brücke stehen gesehen, da ihr Mann sie auf diesen aufmerksam gemacht habe. Den Grund hierfür konnte die Zeugin nicht mehr erinnern. Sie konnte auch keine Angaben zu Entfernungen und Dauer der Wahrnehmung machen. Die Person habe dann einen dickeren Ast, von dem sie schätze, dass er vielleicht 50 cm lang gewesen wäre, hinunter geworfen und ein neben ihnen fahrendes Fahrzeug nur knapp verfehlt. Entgegen den Bekundungen ihres Mannes konnte die Zeugin die Brücke nicht eindeutig identifizieren.
Die Kammer hält die Angaben der Eheleute M... hinsichtlich des Umstandes, dass ein Ast am Tattag von der Brücke B... Straße zwischen 18.30 und 18.45 Uhr auf die A ... geworfen wurde, für glaubhaft. Die Angaben sind hinsichtlich der Umstände sehr detailreich und lassen auf tatsächlichen Erlebnisbezug schließen. Hinsichtlich Astlänge und Dicke des Stockes haben die Zeugen freimütig eingeräumt, dass es sich hierbei um bloße Schätzungen handelt. Indes lässt sich hieraus auch wiederum der Schluss ziehen, dass es sich bei dem geworfenen Objekt nach Bekundungen der Zeugen nicht um einen mannshohen Stamm oder ein kleines Stöckchen gehandelt habe.
Die von den Zeugen dargestellte Personenbeschreibung ist ebenfalls glaubhaft. Sie ist konkret, was nachvollzogen werden kann, da beide Zeugen frontal auf die Person auf der Brücke, wenn auch nur für kurze Zeit, schauen konnten. Die Sichtverhältnisse seien klar gewesen. Die Größe der Person wurde plausibel an der geschätzten Höhe des Brückengeländers festgemacht. Die Angaben zum geschätzten Alter waren ähnlich, ebenso zur Haarfarbe. Der Zeuge A... M... konnte sich auch noch an das markante Detail erinnern, dass die Haare im Wind geweht hätten.
Die Zeugen waren schließlich auch in der Lage, das Geschehen nach fast einem Jahr gut zu erinnern, wobei sie, wie die Zeugin D... M... hinsichtlich der Identifizierung der Brücke, Erinnerungslücken oder Unsicherheiten auch eingeräumt haben. Die Zeugen haben ihre Beobachtungen wiederholt der Polizei geschildert. Es ist nachvollziehbar, wenn sie ihre damaligen Beobachtungen gut entsinnen können, denn ihr Hinweis am 24.03.2008 war zunächst von den Ermittlungsbehörden nicht weiter verfolgt worden und erst auf eigenes Betreiben der Zeugen kam es später, nämlich im Juli 2008, zu einer intensiveren Vernehmung nebst Rekonstruktion der Fahrt auf der A .... Diese hat der hierzu vernommene Zeuge KHK S... bekundet.
Die Täterbeschreibung passt auf den zur Tatzeit 30-jährigen Angeklagten, der nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. K..., der den Angeklagten auch medizinisch untersucht hat, 1,69 Meter groß ist. Die im April und Mai 2008 mit dem Angeklagten auf der Brücke geführten Interviews zeigen, dass seine dunklen Haare mittelkurz geschnitten waren, so dass sie sich im Wind bewegen konnten. Folglich konnten die Haare zum Tatzeitpunkt nur unwesentlich kürzer gewesen sein, jedenfalls nicht derart kurz rasiert, wie der Angeklagte sie in der Hauptverhandlung getragen hat.
Der Umstand, dass von der selben Brücke, von der gegen 20.00 Uhr der Holzklotz fallen gelassen wurde, ca. 90 Minuten zuvor ein Ast auf die Autobahn geworfen wurde und der Angeklagte einen Ast/ Stock schon im Gespräch im Hause W... am 04.04.2008 und als Hinweis am 05.04.2008 erwähnt hat, belegt mithin ein tatsächliches Erleben des Angeklagten und ist nicht etwa ein Hinweis auf eine Fiktion. Eine andere Kenntnisquelle als die eigene Wahrnehmung scheidet nach Überzeugung der Kammer aus, denn in der polizeilichen Ermittlung spielte der besagte Ast erst ab Juli 2008, mithin weit nach Festnahme des Angeklagten am 21.05.2008, eine Rolle.
6. Zwischenfazit
Es bleibt somit festzuhalten, dass schon die Wegräumversion entscheidende vom Angeklagten erlebte Details aufweist, so dass diese Version als teilweise wahr und teilsweise unwahr zu bewerten ist. Vor diesem Hintergrund erlangt das vom Angeklagten am 21.05.2009 abgegebene und später widerrufene Geständnis (Wurfversion) sodann besondere Bedeutung.
IV. Wurfversion des Angeklagten
1. Geständnis in Beschuldigtenvernehmung am 21.05.2008
Die zum Geschehen am 21.05.2008 getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben der Zeugen KHK H..., POK B..., KK'in H..., RiAG G... und OStA'in G.... Diese haben das festgestellte Geschehen, soweit es sich jeweils in ihrem Wahrnehmungsbereich abgespielt hat, wie folgt dargestellt:
a) Ablauf der Festnahme
Der Angeklagte wurde am Morgen um 08.52 Uhr in seiner Wohnung aufgesucht und festgenommen. KHK H... und POK B... haben bekundet, dass der Angeklagte verschlafen, aber freundlich gewirkt habe. Ihm sei dort der Haftbefehl ausgehändigt und kurz erläutert worden. Anschließend sei er belehrt worden. Zur Vernehmung sei man zur Dienststelle nach W... gefahren. Der Angeklagte habe sich kooperativ gezeigt, Verständigungsprobleme habe es nicht gegeben. Er sei in seiner Wohnung und auf der Fahrt nach W... ohne erkennbare Ausfall- oder Entzugserscheinungen gewesen. Wegen des zu erwartenden medialen Interesses habe KHK H... schon im Vorfeld entschieden, die anstehende Vernehmung nicht in O... sondern in W... durchzuführen, womit der Angeklagte einverstanden gewesen sei. Gegen 09.20 Uhr sei man in W... angekommen, wo es ein Vorgespräch gegeben habe. KHK H... hat weiter bekundet, dass er das Vorgespräch mit dem Angeklagten ab 09.40 Uhr alleine weitergeführt habe und der Angeklagte dabei Angaben zu seinen familiären Verhältnissen sowie seinem Werdegang gemacht habe und auch seine gesundheitliche Situation erörtert worden sei. Dem Angeklagten sei mitgeteilt worden, dass ein Polizeiarzt vor seiner Vernehmung zur Frage der Vernehmungsfähigkeit hinzugezogen werden würde, was in der Person des Dr. B... um 10.00 Uhr auch geschehen sei. Im Rahmen des Vorgespräches habe der Angeklagte sich sehr für die Opferfamilie K... interessiert und u.a. wissen wollen, ob diese, wie er, tatsächlich aus Kasachstan kommen würde und wie es ihr jetzt ginge.
b) Erste geständige Bemerkung
Der Zeuge POK B... hat weiter bekundet, dass der Angeklagte ihm während einer Rauchpause gegen 10.00 Uhr im Innenhof der Polizeiinspektion W... unvermittelt gesagt habe, " dass er nicht 15 Jahre in den Knast gehen wolle, nicht lebenslänglich wolle." Zu dieser Zeit habe der Kollege KHK H... gerade Dr. B..., der den Angeklagten untersucht und die Vernehmungsfähigkeit für 3-4 Stunden attestiert habe, zum Ausgang begleitet. Während der Zeuge POK B... dem Angeklagten bei diesem Gespräch von seinen allgemeinen Erfahrungen mit Beschuldigten bei Vernehmungen berichtet habe, ohne konkret auf den im Raum stehenden Tatvorwurf gegen den Angeklagten einzugehen, habe dieser nach einigen Minuten plötzlich erklärt, dass er den Klotz von der Brücke geworfen habe, aber nicht wüsste warum.
Der Zeuge POK B... sei von dieser für ihn gänzlich unvermittelt kommenden Einlassung überrascht gewesen und habe ohne größeres Überlegen nachgefragt, wie der Angeklagte das denn "hinbekommen habe". Der Angeklagte habe daraufhin spontan geantwortet "auf seinem Gepäckträger".
Als der Kollege KHK H... nun zurück gekommen sei, habe er, der Zeuge POK B..., diesem von der Einlassung des Angeklagten berichtet, worauf man sich entschlossen habe, das Büro zu wechseln, da in dem zunächst vorgesehenen Dienstzimmer der Computer nicht funktioniert habe. Die anschließende Vernehmung habe dann erneut mit einer Belehrung begonnen. Der Angeklagte habe in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Hinzuziehung eines Anwalts verzichtet.
c) Geständnisinhalt
Die Vernehmungsbeamten POK B..., KHK H... und KK'in H... haben dann übereinstimmend den vom Angeklagten geschilderten Tatablauf bekundet.
Der Angeklagte habe erklärt, dass er allein den Holzklotz von der Brücke geworfen habe. Er sei kurz vorher zwischen 19.00 und 19.30 Uhr zu Hause gewesen. Vorher sei er in O... gewesen und habe sich Drogen besorgen wollen, die er jedoch nicht bekommen habe. Er sei für kurze Zeit, 10 - 15 Minuten, zu Hause gewesen und habe links neben dem Haus, hinter einem Schuppen einen Holzklotz genommen. Er sei sauer gewesen, dass er keine Drogen bekommen habe. Er habe dann noch einen Reifen mitgenommen. Der Zeuge B... hat diesbezüglich ausgesagt, dass KK'in H... den Begriff nachgefragt habe, ob es sich um einen Reifen oder eine Felge gehandelt habe. Der Angeklagte habe geantwortet, dass es eine Felge ohne Reifen gewesen sei.
Der Angeklagte habe dann eine erste Skizze gefertigt, auf der er den Reifen (Felge) und den Klotz eingezeichnet habe, so, wie der Angeklagte sie vor Mitnahme vor seiner Wohnung in der T... aufgefunden habe. Mit den Beteiligten wurde in diesem Zusammenhang Bl. 43 Bd. IX in Augenschein genommen. Die Skizze zeigt, wie von POK B... in der Hauptverhandlung erläutert, auf der linken Seite die Zuwegung, von der nach rechts um das Haus, dessen zwei Eingänge mit Dreiecken markiert sind, ein kleinerer Weg zu den Hauseingängen abgeht. Vor der Hausfront, auf deren Seite sich die Eingänge befinden, liegen zwei Schuppen bzw. Verschläge, die aber nicht maßstabsgetreu eingezeichnet seien. Hinter dem, vom Eingang aus gesehen, linken Schuppen ist durch einen Kreis der Holzklotz vermerkt, an der Seite des Schuppens durch mehrere Striche gekennzeichnet, der Reifen. Auf die Einzelheiten der Skizze wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.
Der Zeuge POK B... hat hierzu weiter bekundet, dass der Angeklagte neben der Skizze das Datum, die Uhrzeit und seine Unterschrift gesetzt habe. Er, der Zeuge, habe die vom Angeklagten eingezeichneten Gegenstände beschriftet.
Der Angeklagte habe den Tatverlauf dann weiter geschildert, als dass er den Holzklotz auf den Gepäckträger seines Fahrrades gepackt habe und mit der Felge in der Hand direkt zur Brücke gefahren sei. Er sei auf der rechten Seite von W... kommend die Brücke hinaufgefahren und habe sein Fahrrad dort auf der rechten Seite abgestellt. Er habe zu diesem Zeitpunkt keine Personen auf der Brücke gesehen. Nachdem er abgestiegen sei, habe er den Reifen (Felge) zur Seite gestellt, den Holzklotz vom Gepäckträger genommen und diesen auf den Radweg gestellt. Anschließend habe er eine kurze Zeit auf die Autobahn geschaut, wo nicht viele Autos gewesen seien.
Der Angeklagte habe dann den Holzklotz wieder aufgenommen und sich damit direkt an das Brückengeländer gestellt. Er habe den Klotz festgehalten, die Arme etwas von sich gestreckt und den Klotz über die Fahrbahn gehalten. Er habe auf der Brücke über der Fahrspur von W... nach O... über der von ihm aus gesehen linken Spur gestanden.
Der Angeklagte habe sodann eine zweite Skizze gefertigt, auf der er seine Position auf der Brücke eingezeichnet habe. Mit den Beteiligten wurde in diesem Zusammenhang Bl. 44 Bd. IX in Augenschein genommen. Auf die Einzelheiten der Skizze wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. Der Zeuge B... hat in diesem Zusammenhang bekundet, dass er, der Zeuge, die Kürzel "WHV" für W... zunächst versehentlich fälschlich über die linke Fahrbahn geschrieben habe, was der Angeklagte dann selbst korrigierend durchgestrichen habe. Der Angeklagte habe ferner seinen Standort auf der Brücke mit einem Kringel markiert sowie wieder Datum, die Uhrzeit und seine Unterschrift unter die Skizze gesetzt.
Der Angeklagte habe dann weiter erklärt, dass er den Klotz, als ein Auto angekommen sei, einfach habe fallen lassen und dabei nicht weiter überlegt habe.
Er habe einen Knall gehört und sich umgedreht und gesehen, dass das Auto etwa 100 m bis 150 m weiter auf dem Standstreifen angehalten habe und das Warnblicklicht eingeschaltet worden sei. Ein paar Sekunden später sei ein Mann auf der Fahrerseite ausgestiegen und um sein Auto herumgegangen. Er, der Angeklagte sei auf sein Fahrrad gestiegen und aus Angst, jemand könnte ihn auf der Brücke entdecken, nach Hause gefahren. Um die Felge habe sich der Angeklagte nicht mehr gekümmert.
Die Vernehmungsbeamten haben dann weiter ausgesagt, dass die Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten entsprechend der ärztlichen Vorgaben des Dr. B... zur Vernehmungsfähigkeit um 12.10 Uhr unterbrochen worden sei. Der Angeklagte sei dann durch POK B... und KK'in H... in die K...-Klinik nach W... gefahren worden, um dort durch die Ärztin Frau K... mit Methadon substituiert zu werden. Nach Rückkehr zur Dienststelle nach W... habe der Angeklagte mit gutem Appetit zu Mittag gegessen. Das Essen habe ihm sichtlich gut geschmeckt. Anschließend sei die Vernehmung um 14.13 Uhr fortgesetzt worden.
Zur Motivation der Tat habe der Angeklagte in der ab 14.13 Uhr fortgesetzten Vernehmung erklärt, dass er wohl aus Frust darüber, keine Drogen bekommen zu haben, gehandelt habe. Eine andere Begründung habe er im Moment nicht. Er habe schon zum Zeitpunkt, als er den Holzklotz und die Felge von seiner Wohnung mitgenommen habe, gedacht, dass er diese von der Brücke werfen wolle.
Er habe eigentlich nicht die Scheibe des Wagens treffen, sondern den Holzklotz vor das Auto werfen wollen, damit er gegen das Licht oder gegen die Stoßstange fliegen werde. Er habe schon damit gerechnet, dass ein Mensch durch den Klotz verletzt oder getötet werden könnte. Töten habe er aber niemanden wollen. Er habe zu Hause nur den ersten Gedanken gehabt, dass er Teile von der Brücke werfen wolle, ohne weiter darüber nachzudenken.
Nochmals befragt, was er nach dem Knall habe sehen können, habe der Angeklagte wiederholt, dass das Auto auf der Standspur angehalten habe und die Warnblickanlage angemacht worden sei. Ein Mann sei auf der Fahrerseite ausgestiegen und sei vor das Auto gegangen und habe auf die Fahrzeugfront geschaut. Dann sei er zurück zur Fahrertür gegangen und habe mit dem Handy telefoniert. Aus Angst, dass er die Polizei rufe, sei er, der Angeklagte dann nach Hause gefahren.
Auf Frage weshalb er die Fahrradfelge nicht wie geplant auch auf die Autobahn geworfen habe, habe der Angeklagte sich eingelassen, dass er dieses vergessen habe. Er habe auch nicht mehr erinnern können, ob er die Felge noch einmal angerührt habe, habe aber gemeint, dass er sie in den Busch hinter der Leitplanke geworfen habe.
Befragt zu seinem Drogenkonsum am Tattag des 23.03.2008 haben die Vernehmungsbeamten bekundet, dass der Angeklagte ihnen gegenüber erklärt habe, dass er normalerweise morgens und abends jeweils ein halbes Gramm brauche. Morgens benötige er einen Druck, damit er den Tag überstehe und abends damit er schlafen könne. Das dürfte auch Ostersonntag so gewesen sein. Er habe von der Familie B..., den Eltern seines Schwagers, 20,00 Euro bekommen, dann aber nachmittags nichts bekommen. Gegen Mitternacht sei er nochmals nach O... gefahren, jedoch nicht über die Brücke und habe sich dort schätzungsweise 0,3 Gramm Heroin geholt.
2. Haftrichterliche Vernehmung am 21.05.2008
Der Angeklagte hat diese Angaben dann vor dem Haftrichter RiAG G... noch am selben Tag wiederholt.
Der Zeuge G... hat hierzu bekundet, dass er dem Angeklagten die vorausgegangene polizeiliche Vernehmung vom selben Tage Satz für Satz vorgelesen habe und der Angeklagte diese auf Nachfrage bzw. fragendes Anschauen durch ausdrückliche Äußerung bzw. durch Kopfnicken bestätigt habe. Die Kammer hat die Beschuldigtenvernehmung vom 21.05.2008 und die Skizzen (Bl. 43 - 48 Bd. IX) mit den Beteiligten und dem Zeugen G... in Augenschein genommen. Der Zeuge hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass die in der Beschuldigtenvernehmung am Rand zu findenden Haken und Ziffern von ihm stammen. Sie würden bedeuten, dass der Angeklagte seinerzeit die ihm vorgelesenen Passagen ausdrücklich bestätigt habe. Soweit am Rand Zahlen angebracht seien, würden diese sich auf die nachfolgend dann aufgeführten ergänzenden Anmerkungen des Angeklagten zu den jeweils vorgelesenen Textpassagen beziehen. Er habe mit dem Angeklagten ebenfalls die handgefertigten Skizzen Bl. 43 und 44 Bd. IX der Akten gemeinsam in Augenschein genommen. Bei der Haftbefehlsverkündung seien neben ihm und dem Angeklagten auch Oberstaatsanwältin G... und die Justizangestellte H... dabei gewesen.
Der Angeklagte habe die polizeiliche Vernehmung sodann ergänzt. Er habe nachmittags wegen Drogen mit einem "Kollegen" telefoniert. Der Zeuge hat bekundet, dass dieses die Wortwahl des Angeklagten gewesen sei. Er sei in O... am TÜV Nord gewesen , wo er diesen sonst immer treffe. An diesem Nachmittag habe er aber nichts für ihn gehabt, weshalb er wieder nach Hause gefahren sei. Vorher habe er noch nie die Idee gehabt, einen Holzklotz mitzunehmen und diesen von der Brücke zu werfen. Es habe schon vorher Tage gegeben, an denen er keine Drogen bekommen habe. Aber noch nie habe er etwas aus Frust gemacht.
Die Felge habe an der Seite des Schuppens gelehnt. Er habe sein Fahrrad auf der Brücke, wo er später den Holzklotz runtergeworfen habe, an das Geländer abgestellt.
Er habe den Klotz geworfen, als das Auto noch ein bisschen vor der Brücke gewesen sei, einfach ohne zu überlegen. Der Zeuge G... hat hierzu bekundet, dass der Angeklagte ihm dabei spontan und unaufgefordert durch entsprechende Armhaltung auch körperlich dargestellt habe, wie er den Klotz frei mit leicht angewinkelten Armen gehalten habe. Er, der Angeklagte, habe zunächst gedacht, dass er nur die Lampe des Fahrzeugs getroffen habe. Vor einer Woche (Pfingsten), als er auf der Brücke gewesen sei, habe er gesehen, wie schnell die Autos da fahren würden und sich gedacht, dass das schon ein Profi sein müsse, wenn man da ein Auto treffe. Er wisse nicht, wie er das geschafft habe.
Der Angeklagte habe sich nicht erinnern können, ob er nach der Tat unmittelbar Anrufe auf seinem Handy bekommen habe, es könne aber sein. Er selbst habe niemanden anrufen können, weil er kein Geld mehr auf seinem Handy gehabt habe.
Nachdem er den Klotz habe fallen lassen, sei er auf demselben Weg wie er auf die Brücke gefahren sei, zurück nach Hause gefahren. Der Weg verlaufe von der T..., an der nächsten Ecke links ab über einen Schotterweg bis zum nächsten Querweg, dort rechts ab und nach ca. 100 m in die S...straße, wo sich links der NP-Markt befinde. Er sei bis zur Ampelkreuzung gefahren und dann rechts in die B... Straße direkt zur Brücke.
Oberstaatsanwältin i. R. G..., die als Beamtin der Staatsanwaltschaft O... an der Verkündung des Haftbefehls und der richterlichen Vernehmung teilgenommen hat, hat den vom Zeugen G... geschilderten Ablauf bestätigt. Sie konnte sich erinnern, dass der Angeklagte bei der Protokollierung, dass er den Klotz geworfen habe, eingegriffen und demonstriert habe, dass er den Klotz in den Händen mit leicht angewinkelten Armen gefasst und fallen gelassen habe.
3. Beweiswürdigung des Geständnisses
Die Kammer ist von der Glaubhaftigkeit des Geständnisses überzeugt.
a) Geständnisposition
Die Wurfversion fügt sich nach den obigen Ausführungen auch in die vom Angeklagten zuvor in seinen Vernehmungen gemachten Angaben im Rahmen der Wegräumversion ein, denn die dort, auch durch andere Beweismittel, als wahr bewiesenen Details (Drogensuche am Tattag, Erhalt der 20,00 Euro bei Familie B..., Kenntnis der Gegenstände Holzklotz und Fahrradfelge) passen zwanglos auch zu der Wurfversion.
Das Geständnis wird zudem durch weitere Beweismittel wie die Bodenanhaftungen am Holzklotz, die Funkzellenauswertung und die Bekundungen der mit dem Angeklagten inhaftierten Zeugen P... S... und J... R... gestützt, auf die nachfolgend detailliert eingegangen werden wird (Punkt V.3.).
b) Geständnisinhalt
Das Geständnis war reich an Detail- und Täterwissen, die auf tatsächlichen Erlebnisbezug schließen lassen. Der Angeklagte hat in seiner Vernehmung die Situation auf der Brücke nach dem Holzklotzaufprall so detailliert geschildert, wie sie der Zeuge W... K... erlebt und in der Hauptverhandlung dargestellt hat. Der Vernehmungsbeamte POK B... hat hierzu erklärt, dass ihm die Vernehmung K... bei der Vernehmung des Angeklagten bekannt gewesen sei, er dies jedoch nicht offengelegt sondern vielmehr den Angeklagten bewusst nicht mit diesen Angaben konfrontiert und deshalb "offene" Fragen gestellt habe. Der Angeklagte habe von sich aus frei erzählt.
Der Angeklagte war auch in der Lage, dass Nachtatgeschehen auf der Autobahn zu beobachten. Der Zeuge K... hat selbst bekundet, dass er von der Position, an der er sein Fahrzeug zum Stehen bringen konnte, selbst die Brücke sehen konnte. Die Zeugin PK'in F... hat bekundet, dass das Fahrzeug 205 Meter hinter der Brücke gestanden habe. Die Kammer hat mit den Verfahrensbeteiligten auch u.a. Lichtbild 11 der Lichtbildmappe III in Augenschein genommen. Hierauf zu erkennen sind die rechten Begrenzungspfosten auf der A ..., die jeweils in einem Abstand von 50 Metern angeordnet sind. Trotz der leichten Rechtskurve, wie die A ... hinter der Brücke verläuft, ist das Erkennen eines auf dem Pannenstreifen stehenden Pkw nach vier Begrenzungspfosten (200 Meter) von der Brücke aus möglich. Hieran ändert auch die beschriebene Dunkelheit zur Tatzeit nichts, da der Zeuge K... zum einen davon berichtet hat, dass er zur besseren Sicht die Fahrertür öffnete, damit die Innenbeleuchtung angeschaltet werde, sein Fahrzeug außerdem beleuchtet war und außerdem in der Zwischenzeit auch beleuchtete Fahrzeuge an ihm vorbeigefahren seien.
c) Geständniszeitpunkt
Die Entstehung des Geständnisses war spontan, der Zeitpunkt vom Angeklagten frei gewählt. Sie war nicht Ausfluss einer konkreten Vernehmungssituation. Der Zeuge B... hat hierzu bekundet, dass die geständige Einlassung für ihn völlig überraschend gekommen sei und der Tatvorwurf während der Rauchpause am Morgen des 21.05.2008 nicht Thema gewesen sei. Die eigentliche Vernehmung hätte noch gar nicht begonnen gehabt, denn während der Angeklagte erstmals seine Täterschaft eingeräumt habe, sei der ihn zuvor auf die Vernehmungsfähigkeit untersuchende Arzt Dr. B... gerade von KHK H... aus der Polizeiinspektion begleitet worden.
d) Aussagekonstanz
Die Aussage des Angeklagten ist konstant. Die Vernehmungsbeamten haben übereinstimmend ausgesagt, dass er am 21.05.2008 in der Lage gewesen sei, auf Nachfrage flüssig, zusammenhängend und ohne zögern zu berichten. Er hat in drei verschiedenen Vernehmungssituationen an diesem Tag, morgens und nachmittags gegenüber den Vernehmungsbeamten sowie spät nachmittags in seiner haftrichterlichen Vernehmung, sich deckende Angaben gemacht und diese auf Nachfrage erläutert und ergänzt. Er konnte über die gesamte Vernehmungszeit durchgängig einen in sich geschlossenen Sachverhalt darstellen. Er war in der Lage, handschriftliche Skizzen zu fertigen und Eintragungen des POK B... selbstständig zu berichtigen. Er hat, wie beim Haftrichter G..., das Geschehen auch spontan und unaufgefordert mit eigenen Gesten nachgestellt und erläutert.
e) Geständnisgrund
Die Motivation des Angeklagten, sich schließlich geständig zur Sache einzulassen, ist nachvollziehbar und spricht für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben. KHK H... hat ausgesagt, dass der Angeklagte sich im Vorgespräch bereits sehr für das Schicksal der Familie K... interessiert habe. Der Angeklagte hat auf sämtliche bei den Vernehmungen anwesenden Personen bei Abgabe seines Geständnisses dann auch den Eindruck der Erleichterung und Gelöstheit hinterlassen. KK'in H... hat bekundet, dass sich die wie befreit wirkende Art des Angeklagten erst verändert habe, als man ihn abends in die Justizvollzugsanstalt nach O... gebracht habe. RiAG G... hat, wie auch OStA'in i. R. G..., ausgesagt, dass er das Gefühl gehabt habe, dass dem Angeklagten der Hafttermin wichtig gewesen sei, da er die Dinge nach wie vor richtig stellen wollte. Der Angeklagte habe geäußert, dass er erleichtert gewesen sei.
Dieses Verhalten des Angeklagten ist situationsangemessen. Die Kammer ist von der Authentizität dieser Emotionen überzeugt. Andernfalls müsste der Angeklagte diese vorgetäuscht haben, was vor dem Hintergrund der bestehenden Drucksituation durch den massiven Tatvorwurf und vorhandenen intellektuellen Fähigkeiten des Angeklagten fernliegend ist.
4. Verwertbarkeit des Geständnisses
Das Geständnis des Angeklagten vom 21.05.2008 ist uneingeschränkt verwertbar.
a)
Kein Verstoß gegen § 136 a StPO
Verbotene Vernehmungsmethoden im Sinn des § 136 a StPO lagen nicht vor.
aa)
Der Angeklagte war bei der Abgabe seines Geständnisses nicht, zumindest nicht in einem seine Vernehmungsfähigkeit beeinträchtigenden Maße, entzügig. Die spontane Erklärung des Angeklagten gegenüber POK B..., er habe den Holzklotz geworfen, erfolgte schon um 10.15 Uhr, somit unmittelbar nach Feststellung seiner Vernehmungsfähigkeit durch den Sachverständigen Dr. B....
Der Angeklagte hat der Kammer in der Hauptverhandlung am 24.03.2009 über seinen Verteidiger Rechtsanwalt K... vier in Russischer Sprache formulierte Briefe übergeben lassen. Damit verbunden war ein Antrag (Anlage 4 zu Protokoll vom 24.03.2009),
diese vier Schreiben des Angeklagten "schnellstmöglich Herrn Prof. S... durch Übergabe zuzuleiten, damit der dortige Inhalt nach zu erfolgender Übersetzung als weitere Beurteilungsgrundlage hinsichtlich des gerichtsseits in Auftrag gegebenen Glaubwürdigkeitsgutachtens Eingang findet".
Die Kammer hat sodann in den vom Verteidiger überreichten Unterlagen auch Übersetzungen ins Deutsche entdeckt, die sie im Einverständnis des Angeklagten und den Verfahrensbeteiligten verlesen hat.
Die Kammer hat diese Schreiben nicht als Einlassung zur Sache gewertet, denn die Vernehmung erfolgt grundsätzlich mündlich und kann nicht durch die Verlesung einer Erklärung des Angeklagten durch das Gericht ersetzt werden (BGH, NStZ 2000, 439 [BGH 28.03.2000 - 1 StR 637/99]). Sie hat diese Schreiben im Hinblick auf ihre Aufklärungspflicht und auf das in Auftrag gegebene Glaubwürdigkeitsgutachten von Prof. S..., für den die Briefe ausweislich des Antrags der Verteidigung vom 24.03.2009 bestimmt waren, berücksichtigt. Ferner ist die Sachverständige Dolmetscherin M... eingesetzt worden, um die den Schreiben bereits vom Verteidiger Rechtsanwalt K... beigefügte deutsche Übersetzung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass die Übersetzungen, bis auf wenige unwesentliche Details, zutreffend seien.
Der Angeklagte hat in einem dieser Briefe an den Sachverständigen Prof. S... behauptet, dass die Polizei am Morgen des 21.05.2008, als sie ihn festgenommen habe, nicht erlaubt habe, Methadon einzunehmen, das er im Kühlschrank aufbewahrt habe. Man habe ihm gesagt, dass er bei der Polizei Methadon vom Arzt bekommen würde. Unterwegs hätten zwei Beamte ihm erzählt, dass er an diesem Tag von einem Richter festgenommen werden würde und man ihn ins Gefängnis bringen werde. Ihm sei schlecht gewesen, da er seine Morgenration an Drogen nicht eingenommen habe. Die Beamten hätten ihm gesagt, es sei besser für ihn, wenn er der Polizei erzähle, was er über diesen Unfall wisse. Dann würde er mit ihnen in einem Zimmer sitzen und könne Kaffee und Zigaretten bekommen. Wenn er aber nicht mit ihnen reden würde, so würden sie ihn in einen Keller sperren und er müsse bis zum Abend auf den Richter und den Arzt warten und erst dann werde er ins Gefängnis gebracht. Ihm sei schon schlecht gewesen, so dass er gedacht habe, dass wenn sie ihn in den Keller sperren würden, ihm noch schlechter werde und abends ganz schlecht. Er habe Angst vor den Entzugserscheinungen bekommen, die er bekomme, wenn er kein Methadon erhalte und er auch noch allein in einen Keller gesperrt werden würde. Da habe er beschlossen mit der Polizei zu sprechen. Er habe nicht verstanden, dass er eine Aussage gegen sich selbst mache. So sei das alles zustande gekommen. Keiner habe etwas über einen Anwalt gesagt. Aber auch wenn etwas gesagt worden sei, so habe er das nicht verstanden. Die "Bullen" hätten ihm Zigaretten und Kaffee gegeben und hätten die ganze Zeit gesprochen, ohne dass er sie verstanden habe. Er habe sich schlau darstellen wollen, habe sich mit allem einverstanden erklärt und alles, was sie ihm zum Unterschreiben vorgelegt hätten, habe er unterschrieben. Dann sei der Richter gekommen und man habe ihm dort wieder etwas vorgelesen und er habe unterschrieben, weil sie gesagt hätten, dass es besser für ihn sei. Zu dieser Zeit habe er schon sein Methadon bekommen und er habe ihnen geglaubt, weil sie ihr Wort gehalten und ihn nicht in den Keller gesperrt und ihm Zigaretten und Methadon gegeben hätten. Da habe er gemacht, was sie ihm gesagt hätten.
Diese Darstellung des Angeklagten ist eine durch nichts bestätigte Schutzbehauptung, die bezeichnenderweise auch vom Verteidiger im Plädoyer nicht aufgegriffen worden ist. Dort hat der Verteidiger, Rechtsanwalt K..., vielmehr ausgeführt, dass nach der Beweisaufnahme die Vernehmungsfähigkeit des Angeklagten am 21.05.2008 wohl nicht mehr angezweifelt werden könne.
Der medizinische Sachverständige Dr. B... hat, wie ausgeführt, die Vernehmungsfähigkeit des Angeklagten am 21.05.2008 nach vorausgehender Untersuchung und Befragung um 10.00 Uhr für 3-4 Stunden attestiert. Der Sachverständige hat bekundet, der Angeklagte habe ihm bei dieser Untersuchung gegenüber angegeben, am 20.05.2008 letztmalig Drogen genommen zu haben, wobei dieser zur konkreten Uhrzeit und Konsummenge keine näheren Angaben gemacht habe. Mögliche Entzugserscheinungen seien vom Angeklagten zu diesem Zeitpunkt verneint worden und für den langjährig erfahrenen Polizeiarzt auch nicht erkennbar gewesen. Der Angeklagte sei allseits zeitlich und örtlich orientiert gewesen. Er habe mitgeteilt, dass er täglich seit 10 Jahren ca. 1 Gramm konsumiere. Bei der körperlichen Untersuchung sei zwar ein schnellerer Herzrhythmus aufgefallen, der sich allerdings auch situationsbedingt habe erklären lassen. Allein aufgrund der vom Angeklagten gemachten Angabe des langjährig durchgeführten regelmäßigen Heroinkonsums sei der Sachverständige allenfalls von beginnenden Entzugserscheinungen ausgegangen, die jedoch eine Vernehmung von 3-4 Stunden in jedem Fall vertretbar erscheinen ließen.
Die Angaben des Sachverständigen sind glaubhaft und überzeugend. Der Sachverständige ist ein erfahrener Allgemeinmediziner und nach eigenen Angaben seit 1983 bei der Polizei O... im Rahmen von vielen Hafttauglichkeitsprüfungen (1-2 pro Woche) tätig. Auch zur Frage der Vernehmungsfähigkeit werde er konsultiert. Im Vorfeld der Festnahme des Angeklagten sei er bereits am 20.05.2008 durch KHK H... informiert worden, dass eine Festnahme mit der Möglichkeit eines Drogenproblems geplant sei, ohne dass er konkret über die Person des Angeklagten unterrichtet worden sei.
Im weiteren Verlauf der Vernehmung haben weder POK B... noch KHK H... beim Angeklagten Anzeichen einer Entzügigkeit, die die Vernehmungsfähigkeit in Frage stellen könnten, bekundet. Die Vernehmung wurde sodann auch schon um 12.10 Uhr unterbrochen, mithin nach weniger als zwei Stunden nach Feststellung der Vernehmungsfähigkeit. Bereits um 13.14 Uhr wurde dem Angeklagten in der K...-Klinik durch die von den Ermittlungsbehörden beauftragte medizinische Sachverständige Frau K... 6 ml Methadon verabreicht. Die Sachverständige hat hierzu bekundet, dass der Angeklagte bei der Befragung und Untersuchung einen unauffälligen und relaxten Eindruck gemacht habe. Sie, die seit über 20 Jahren als Ärztin tätig sei und seit 2002 in der Forensik der K...-Klinik in W... arbeite, mithin alle Stadien eines Entzugs kenne, habe keinen Hinweis auf eine Entzügigkeit des Angeklagten feststellen können. Er habe weder getrieben noch gehetzt gewirkt. Der Angeklagte habe ihr gegenüber berichtet, dass er bereits im April 2008 einmal mit 7 ml Methadon substituiert worden sei, was nach seiner eigenen Einschätzung gut gewirkt habe. Die Menge sei vom Angeklagten zutreffend wiedergegeben worden, was sie anhand der ihr vorliegenden Krankenunterlagen habe kontrollieren können. Sie habe nach der Untersuchung nicht das Gefühl gehabt, dass der Angeklagte, von dem sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst habe, was ihm vorgeworfen werde, dringend Methadon brauche. Vor dem Hintergrund seines langjährigen regelmäßigen Drogenkonsums habe sie sich dann für die Gabe entschieden, aufgrund seines unauffälligen Zustandes allerdings nur für eine herabgesetzte Dosis von 6 ml.
Nach den übereinstimmenden und glaubhaften Bekundungen der beteiligten Vernehmungsbeamten konnten auch im weiteren Verlauf der Vernehmung in den Nachmittagsstunden dann keine Entzugserscheinungen, aber auch keine durch die Methadongabe hervorgerufene Beeinträchtigung beim Angeklagten festgestellt werden. RiAG G... und OStA'in i. R. G... haben hierzu ausgesagt, dass der Angeklagte auch bei der haftrichterlichen Vernehmung um 17.00 Uhr keine Auffälligkeit gezeigt habe und angegeben habe, dass es ihm gut ginge.
bb)
Das Geständnis des Angeklagten ist nicht unter der Bedingung zustande gekommen, dass er hierfür Methadon erhalten werde. Eine solche Bedingung ist von den Vernehmungsbeamten eindeutig verneint worden und auch durch den bloßen Ablauf des Geschehens bereits widerlegt.
Die Schilderung des Angeklagten, die festnehmenden Ermittlungsbeamten hätten es ihm nicht erlaubt, sein im Kühlschrank aufbewahrtes Metadon einzunehmen, werden durch die Bekundungen der Zeugen KHK H..., POK B... und KK'in H... widerlegt. Keiner der Vernehmungsbeamten hat bestätigen können, dass der Angeklagte überhaupt die Mitnahme eines im Kühlschrank aufbewahrten Methadonfläschchens verlangt habe. KHK H... hat weiter ausgeführt, dass man gerade vor dem Hintergrund der sich beim Angeklagten stellenden Drogenproblematik frühzeitig, noch vor der Vernehmung, Dr. B... zur Einschätzung der Vernehmungsfähigkeit hinzugezogen habe. POK B... hat ausgeführt, dass der morgendliche Zugriff gegen 08.50 Uhr aus der Erwägung erfolgt sei, genügend Zeit für die anschließende Vernehmung zu haben und nicht, um den Angeklagten zu überrumpeln.
Der Sachverständige Dr. B... hat wie auch die Vernehmungsbeamten erklärt, dass die Planungen hinsichtlich der Methadongabe in der K...-Klinik auch in Gegenwart des Angeklagten getroffen worden seien. Dieser habe die Überlegungen einer Methadongabe am Mittag auch verstanden und sei damit einverstanden gewesen. Hätte er eine frühere Gabe gewünscht, hätte diesem Wunsch auch problemlos entsprochen werden können. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang das ärztliche Attest des Dr. B... vom 12.05.2008 (Bl. 111 Bd. IX) verlesen. Die dort aufgeführten Einschätzungen über den Zustand des Angeklagten decken sich mit denen, die der Sachverständige in der Hauptverhandlung angegeben hat.
Der Angeklagte hat die Tat sodann sowohl vor als auch nach der Methadongabe gestanden. Dass er sein Geständnis aus Kooperationsgründen aufrecht erhalten habe, weil sich die Polizei an vorherige Absprachen gehalten hätte, wie er es in seinen schriftlichen Ausführungen behauptet hat, ist bei dem im Raum stehenden massiven Tatvorwurf eine Schutzbehauptung, die durch die Bekundungen der beteiligten Vernehmungsbeamten widerlegt wird. Sie haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Angeklagte frei und ohne Vorgaben den Sachverhalt zu schildern wusste.
cc)
Auch der harmonische Vernehmungsablauf, wie von der Verteidigung gerügt, stellt keinen, wie auch immer gearteten, Verstoß gegen rechtmäßige Vernehmungsmethoden dar.
Die Auswahl der Vernehmungsörtlichkeit in der Polizeiinspektion W... statt in O..., um dem zu erwartenden massiven Medieninteressen auszuweichen, ist von KHK H... nachvollziehbar begründet worden. Der Wechsel eines Vernehmungsteams von KHK S... und KHK S... zu KHK H..., POK B... und KK'in H... liegt im Ermessen der Ermittlungsbehörde. Das Schaffen einer für den Angeklagten angenehmen und weniger belastenden Vernehmungssituation durch das Anbieten von Getränken und Speisen, das Ermöglichen von Rauchpausen und der Verzicht von Fesselungen kann nicht ernsthaft als verbotene Vernehmungsmethode in Betracht gezogen werden. Diesbezüglich haben die Vernehmungsbeamten übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass es für ein härteres Vorgehen aufgrund der kooperativen Haltung des Angeklagten keinen Anlass gegeben habe.
Schließlich ist der Angeklagte auch nicht von KHK H..., wie die Verteidigung glauben machen wollte, zu seinem Geständnis "überredet" worden. Das Geständnis ist nach den glaubhaften Bekundungen der Vernehmungsbeamten nicht aus dem Angeklagten "herausgeflüstert" worden. Wie ausgeführt, hat sich der Angeklagte zuerst auch nicht KHK H..., sondern POK B... von sich aus und nicht auf Nachfrage oder Vorhalt offenbart.
b) Kein Verstoß durch Vorenthaltung eines Anwaltes
Dem Angeklagten sind zu keiner Phase seine Rechte als Beschuldigter beschnitten worden.
POK B... und KHK H... haben bekundet, dass der Angeklagte vor seiner Vernehmung am 21.05.2008 nach Belehrung ausdrücklich geäußert habe, keinen Anwalt hinzuziehen zu wollen. Das habe er auch am Nachmittag auf Nachfrage am Ende des zweiten Teils seiner Vernehmung wiederholt.
Der Zeuge RiAG G... hat bekundet, dass der Angeklagte auch nach Belehrung im Rahmen seiner haftrichterlichen Vernehmung unter Hinweis auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers keinen Anwalt habe konsultieren wollen. Während der Vernehmung habe sich überraschend ein Anwalt, dessen Namen er nicht mehr erinnere, telefonisch im Gericht gemeldet. Hiervon sei der Angeklagte unterrichtet worden. Dieser habe dann noch einmal erklärt, dass er zur Zeit keinen Anwalt hinzuziehen wolle. POK B... und OStA'in i. R.G... haben dieses bestätigt, letztere hat zudem bekundet, dass der RiAG G... den Angeklagten sogar noch gefragt habe, ob dieser mit dem Anwalt sprechen wolle, was der Angeklagte aber abgelehnt habe.
Die Angaben der Vernehmungsbeteiligten sind glaubhaft. Der Angeklagte hat wiederholt bei sämtlichen Vernehmungspersonen, das gilt im Übrigen auch schon für die erste Beschuldigtenvernehmung am 21.04.2008, wie KHK S... und KHK S... bekundet haben, nach Belehrung eigenständig entschieden, jeweils keinen Anwalt hinzuziehen. Der Angeklagte ist gerichts- und hafterfahren und kennt seine Beschuldigtenrechte. Er ist bereits mehrfach durch einen Rechtsanwalt vertreten worden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Angeklagte in Unkenntnis seiner Rechte oder unter Verweigerung eines Verteidigers am 21.05.2008 wiederholt umfangreiche geständige Angaben gemacht hat.
c) Uneingeschränkte Vernehmungsfähigkeit
Nach den gemachten Ausführungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Angeklagte bei seinem Geständnis am 21.05.2008 uneingeschränkt vernehmungsfähig war. Diese Einschätzung wird gestützt durch die Ausführungen des zu dieser Frage vom Gericht beauftragten medizinisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. K..., der ebenfalls keine Hinweise für eine Vernehmungsunfähigkeit des Angeklagten feststellen konnte.
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass für die Vernehmungsfähigkeit eine geistige Leistungsfähigkeit erforderlich sei, denn der Beschuldigte müsse erfassen können, was der Vernehmende von ihm wolle. Er müsse einen Sachverhalt erfassen können und grundsätzlich in der Lage sein, sich zu erinnern und die Bedeutung seiner Angaben umreißen können.
Die geistige Leistungsfähigkeit sei beim Angeklagten gut erhalten gewesen, die Bedeutung seiner Aussage sei ihm ersichtlich bewusst gewesen. Für somatische Erkrankungen habe es keine Hinweise gegeben. Auch die Heroinabhängigkeit als Einflussfaktor führe zu keiner anderen Bewertung. Dabei sei der regelmäßige jahrelange Heroinkonsum von 0,5 g morgens, 0,5 g abends ohne nennenswerten Beikonsum oder Alkoholgenuss als eine Abhängigkeit im unteren Bereich zu werten. Das schließe der Sachverständige aus den Schilderungen des Angeklagten und dem Umstand, dass der Angeklagte in den letzten Jahren keine massive Dosissteigerung aufzuweisen habe. Selbst bei Annahme eines täglichen Konsums von 2 g, wie vom Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen Dr. K... im Laufe der Hauptverhandlung dann vorgebracht, ergäbe kein anderes Ergebnis.
Die am 21.05.2008 an den Angeklagten verabreichte Menge Methadon von 6 ml korrespondiere mit der Menge des vom Angeklagten eingenommenen Heroins und sei damit als adäquate Substitution anzusehen, die keine Beeinflussung auf die geistigen Fähigkeit und die Konzentrationsleistung habe.
Beim Angeklagten seien auch in Folge des jahrelangen Heroinkonsums keine sog. sekundären Persönlichkeitsveränderungen festzustellen, wie zum Beispiel Verwahrlosungstendenzen. Kein Zeuge aus dem sozialen Umfeld des Angeklagten hat Anhaltspunkte dafür genannt.
Der Angeklagte sei zudem in der Lage gewesen, seinen Zustand noch selbst einschätzen zu können. Die Vernehmungsbeamten S... und S... hätten von Vernehmungsversuchen berichtet, in denen der Angeklagte seine Vernehmungsfähigkeit selbst verneint habe, er mithin selbst noch entschieden habe, wann er mit der Polizei spreche und wann nicht. Sämtliche medizinischen Sachverständigen, die den Angeklagten auf seine Vernehmungsfähigkeit bzw. im Rahmen der Methadonsubstitution untersucht haben, hätten von einer zeitlichen und örtlichen Orientierung des Angeklagten berichtet. Keiner der Vernehmungsbeamten habe von Konzentrationsschwierigkeiten oder Unruhe in den Gesprächen berichten können.
d) Deutschkenntnisse
Der Angeklagte konnte seiner Vernehmung sprachlich ausreichend folgen. Die in der Hauptverhandlung seitens des Angeklagten und seiner Verteidiger aufgestellte Behauptung, der Angeklagte sei der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, ist widerlegt.
Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger, er lebt nach polizeilichen Erkenntnissen seit 14 Jahren in Deutschland.
Verschiedene Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagten, wie J... W..., F... W..., B... W..., A... I... und H... W..., haben in ihren Vernehmungen zum Ausdruck gebracht, dass sie sich ohne größere Probleme mit dem Angeklagten auf Deutsch haben unterhalten können. Auch nach dem Eindruck der vernehmenden Polizeibeamten ist der Angeklagte des Deutschen hinreichend mächtig.
Zudem konnten bereits mehrfach beanstandungsfrei Strafverfahren gegen den Angeklagten ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden:
So ist ausweislich der Akte der Staatsanwaltschaft O... 336 Js 56345/05 gegen den Angeklagten am 08.02.2006 vor dem Amtsgericht W... in Anwesenheit seines auch damals tätigen Verteidigers Rechtsanwalt K... aus Bremen verhandelt worden. Wie das Sitzungsprotokoll ergibt, ist seinerzeit bei der Hauptverhandlung kein Dolmetscher zugegen gewesen. Auch ist von keinem Verfahrensbeteiligten, auch nicht von Rechtsanwalt K..., die Hinzuziehung eines Dolmetschers beantragt worden.
Schon davor ist bereits mehrfach in öffentlicher Sitzung ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers gegen den Angeklagten verhandelt worden, am 23.11.2005 in der Strafsache 335 Js 51300/05, am 27.02.2003 im Verfahren 150 Js 59159/02 und am 08.02.2002 im Verfahren 115 Js 51081/01, jeweils Staatsanwaltschaft O.... Ausweislich der Sitzungsprotokolle und der Urteile hat sich der Angeklagte in den Verfahren 335 Js 51300/05 und 150 Js 59159/02 persönlich substantiiert zur Sache eingelassen.
An einer weiteren Hauptverhandlung ohne Dolmetscher hat außerdem ein beigeordneter Verteidiger, Rechtsanwalt Z..., mitgewirkt, Staatsanwaltschaft O... 150 Js 35818/03. Auch an den dortigen Sitzungen am 07.10. und 09.10.2003 war weder ein Dolmetscher hinzugezogen worden, noch war dies von Seiten des Angeklagten oder seines Verteidigers beantragt worden.
Der Umstand, dass bereits auch in mehreren anderen Hauptverhandlungen gegen den Angeklagten - in einer auch unter Mitwirkung von Rechtsanwalt K... - ohne Dolmetscher verhandelt worden ist, ist durchaus aussagekräftig, da auch in Hauptverhandlungen vor den Amtsgerichten die Grundsätze des Art. 6 MRK bzw. § 185 GVG, § 259 StPO zu beachten sind.
Die Einschätzung der Kammer zu den Sprachkenntnissen des Angeklagten wird im Übrigen auch durch die TV-Berichterstattung gestützt. So hat der Angeklagte in dem ca. 15-minütigen Interview mit der Journalistin R... dieser auf Deutsch Rede und Antwort gestanden. Auch bei diesem Interview war der Angeklagte ohne größere Probleme in der Lage, auf Fragen auch umfassend zu antworten.
Auch der Umstand, dass der Angeklagte in Einzelfällen die Bedeutung eines Wortes nicht unverzüglich erfasst hatte, beispielsweise "Felge", "Rinde", ändert nichts an der vorgenommenen Bewertung. Er war in diesen Situationen ohne weiteres imstande, den bis dahin unbekannten Wortsinn über eine sodann auf Deutsch gegebene Umschreibung bzw. ein sinngleiches deutsches Wort zu erfassen.
Der Umstand, dass der psychiatrische Sachverständige Dr. K... die Explorationen des Angeklagten unter Zurhilfenahme eines Dolmetschers für russische Sprache durchgeführt hat, führt nicht zu einer anderen Bewertung der Deutschkenntnisse des Angeklagten. Die Vorbereitung und Durchführung der Begutachtung mittels eines Dolmetschers steht grundsätzlich im eigenen Ermessen des Gutachters. Der Sachverständige hat hierzu dann auch ausdrücklich ausgeführt, dass der Rückgriff auf einen Dolmetscher aus seiner Sicht die Qualität seines Gutachtens erhöhen würde, da der Angeklagte mit Blick auf die zum Teil sehr detaillierten und umfangreichen Fragen im Rahmen seiner psychiatrischen Untersuchung in seiner Muttersprache gerade innere Vorgänge und Emotionen spontaner werde antworten können.
5. Keine falsche Selbstbelastung
Es ist auch kein Motiv ersichtlich, weshalb der Angeklagte ein falsches Geständnis abgegeben haben könnte.
a) Motiv: Schutz Dritter
Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte durch die Wurfversion jemanden habe schützen wollen. Der Leiter der Mordkommission Brücke, EKHK G..., hat hierzu bekundet, dass man auch nachdem sich die Ermittlungen auf den Angeklagten konzentriert hätten, weiteren Ermittlungsansätzen bezüglich anderer Personen nachgegangen sei. Hinweise auf einen anderen Täter hätten sich nicht ergeben.
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung- wie ausgeführt- nicht zur Sache eingelassen. Er hat seinen gegenüber dem RiAG H... schriftlich erklärten Widerruf vom 09.06.2008 inhaltlich nicht ausgeführt.
In einem der für den Sachverständigen Prof. S... bestimmten Schreiben, mit Datum vom 26.01.2009, hat der Angeklagte ausgeführt, dass er gegenüber der Polizei die Wegräumversion erfunden habe, damit diese von F... W... als Beschuldigten ablassen würden und er durch dieses Verhalten der Mutter B... gefallen könnte. Als die Polizei begonnen habe zur Schule ihres Sohnes zu kommen, um ihren Sohn und dessen Freunde zu vernehmen, habe B... sich zu beschweren begonnen, dass ihr Sohn schon wieder von den "Bullen" belästigt werde. Sie habe gesagt, dass es gut sei, wenn die "Bullen" schnell einen Zeugen finden würden, der gesehen habe, wer es getan habe und ihren Sohn in Ruhe lassen würde. Da habe er, der Angeklagte, sich entschlossen, ihr zu helfen, damit sie nicht so nervös sei. Er habe ihr die Geschichte erzählt, dass ihr Sohn nicht Schuld sein könne, weil er, der Angeklagte, an diesem Tag andere Jungs gesehen habe. Und schließlich habe er sogar den Klotz auf der Brücke gesehen und zur Seite geräumt. Ihr habe seine Geschichte sofort gefallen und sie habe gleich die Polizei rufen wollen. Sie sei an dem Abend ihm gegenüber sehr aufmerksam gewesen und habe ihn überredet am nächsten Tag zur Polizei zu gehen. Dann seien die "Korrespondenten" mit Geld gekommen und B... habe sich ihm gegenüber anders verhalten. So sei die Geschichte zustande gekommen, die er den "Bullen" und Journalisten erzählt habe, obwohl diese Geschichte von ihm von vornherein ausgedacht gewesen sei.
Auch diese Darstellung ist eine nicht den Tatsachen entsprechende Schutzbehauptung. Wie ausgeführt, ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der Angeklagte die Wegräumversion nicht vollständig ausgedacht haben kann. Die Behauptung, er habe den Klotz beiseite geräumt, ist widerlegt. Das Motiv, der Polizei eine Wegräumversion zu präsentieren, um die Ermittlungen vom Zeugen F... W... abzulenken und damit dessen Mutter zu beruhigen und ihr gefallen zu können, ist außerdem fernliegend. Zum einen richteten sich die Verdachtsmomente im Zeitpunkt des Hinweises durch den Angeklagten am 05.04.2008, wie EKHK G... bekundet hat, nicht gegen F... W.... Die Beweisaufnahme durch die Vernehmung der Zeugen B... und F... W..., A... I... und H... W... hat zudem ergeben, dass der Angeklagte sich aus Furcht, seine körperlichen Spuren könnten an dem von ihm angefassten Holzklotz gefunden werden, offenbart hat und schließlich zur Polizei gegangen ist. Diese Motivation ist nachvollziehbar und im Gegensatz zu der im Schreiben vom 26.01.2009 abgegebenen Erklärung auch naheliegend. Schließlich lässt sich das Geständnis des Angeklagten am 21.05.2009 mit dieser im Schreiben behaupteten Motivlage nicht in Einklang bringen. Denn es gibt keine plausiblen Gründe für den Wechsel von der ihn weniger belastenden Wegräumversion hin zur belastenden Wurfversion, wenn er nur Dritte, etwa F... W..., hätte schützen wollen.
b) Verkehrsunfall 1998
Der Einschätzung der Kammer steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Angeklagte am 29.03.1998 im Rahmen eines von seinem Schwager unter Alkohol verursachten schweren Verkehrsunfalls gegenüber der Polizei zunächst wahrheitswidrig die Fahrzeugführerschaft eingeräumt hatte und dieses sodann wenige Stunden widerrufen hat. Die Motivationslage ist mit der hier vom Angeklagten behaupteten in keiner Weise vergleichbar, denn der Angeklagte hatte für seine wahrheitswidrigen Angaben 1998 ein nachvollziehbares Motiv. Er hatte dort noch am Unfallort auf Bitten seines schwer verletzten Schwagers A... B... spontan, ohne nähere Schilderung des Sachverhaltes auf entsprechende Nachfrage gegenüber der Polizei erklärt, er habe das Fahrzeug gefahren. A... B... verstarb wenige Stunden nach dem Unfall, worauf der Angeklagte, gegen den zwischenzeitlich ein Haftbefehl ergangen war, nur kurze Zeit später gegenüber dem Haftrichter RiAG G... die Behauptung widerrufen und umgehend erklärt hatte, dass er das Fahrzeug nicht gefahren habe, sondern hinten gesessen habe. Ein Unfallrekostruktionsgutachten sowie ein medizinisches Gutachten bestätigten diese Angaben.
Die Staatsanwältin G... hat hierzu erklärt, dass die den Verkehrsunfall am 29.03.1998 betreffende Ermittlungsakte (261 Js 41086/98) bei der Staatsanwaltschaft O... bereits vernichtet worden sei. Die Kammer hat die Verkehrsunfallakte sodann über die Landesbrandkasse O..., die mit der Schadensregulierung betraut war, im Dezember 2008 beiziehen können. Sie hat hierzu die damaligen Ermittlungsbeamten POK E..., POK Ö..., PK L... und POK B... vernommen. Mit den Zeugen und den Verfahrensbeteiligten wurden aus dem Sonderband Verkehrsunfall 1998, Bl. 23-26 (Bildmappe mit Bildern des verunfallten Fahrzeuges), 100 ff. (Verkehrsunfallskizze) und der Bericht des POK Ö... in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.
Der damalige Einsatzbeamte PK L..., der den Angeklagten in der Hauptverhandlung wieder erkannt hat, konnte sich erinnern, dass er mit dem Angeklagten am Unfallort, O...er Straße, zwischen R... und W... auf Deutsch gesprochen habe, und dieser sich ihm als Fahrzeugführer vorgestellt habe. Die Unfallbeteiligten seien auf verschiedene Krankenhäuser verteilt worden, so auch der Angeklagte. Am nächsten Tag sei er, der Zeuge, unterrichtet worden, dass der Angeklagte aus dem Krankenhaus gegangen sei und OStA K... von der Staatsanwaltschaft O... die Festnahme angeordnet habe. Auf Vorhalt konnte sich der Zeuge erinnern, dass der von ihm vernommene Zeuge S... H..., Mitinsasse des verunfallten Fahrzeuges, bekundet habe, dass der Angeklagte wahrheitswidrig die Führerschaft des Pkw behauptet habe, um seinen Schwager zu schützen. Der damalige Haftrichter RiAG G... konnte sich auch auf Vorhalt nicht mehr an den Inhalt der richterlichen Vernehmung erinnern. Das Protokoll wurde mit dem Zeugen und den Beteiligten in Augenschein genommen (Bl. 48, 48 R Sonderband Verkehrsunfall 1998). Aus dem Protokoll ergibt sich die vom Angeklagten erklärte Berichtigung, dass nicht er, sondern sein Schwager den Wagen gefahren habe. Der Zeuge G... hat erklärt, dass er diese Einlassung damals so zu Protokoll genommen haben muss, denn er hat die dortige Unterschrift als seine eigene identifiziert.
Die Kammer hat schließlich das Sicherstellungsprotokoll vom 30.03.1998, die Festnahmeanzeige vom 29.03.1998, die Todesbescheinigungen betreffend A... B... und E... A..., sowie der Obduktionen A... B... und E... A... auszugesweise verlesen. Aus dem ebenfalls auszugsweise verlesenen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) vom 07.08.1998 betreffend die Sitzpositionen der fünf Fahrzeuginsassen geht dann auch hervor, dass der Angeklagte im Fond auf der mittleren Position gesessen habe.
c) Motiv: Geltungssucht/ Geld
Die Kammer schließt auch aus, dass der Angeklagte ein falsches Geständnis aus Geltungssucht oder aus finanziellen Gründen abgeben hat.
In einem Schreiben hat der Angeklagte zwar gegenüber dem Sachverständigen Prof. S... zum Zustandekommen des Interviews mit der Journalistin R... erklärt, dass diese Pfingsten 2008 zu ihm nach Hause gekommen und er nicht dort gewesen sei. Sie habe u. a mit den Nachbarn V... S... gesprochen und auf ihn gewartet. Sie habe ihm ein bezahltes Interview vorgeschlagen und dass dieses im Fernsehen gezeigt werde. Da habe er sich gefreut, dass er berühmt werde und deshalb für 100,00 Euro eingewilligt. Er habe sich umgezogen, um bei dem Interview gut auszusehen. Nachdem er sich umgezogen habe, seien sie zur Brücke gefahren, damit er ihr zeige, wo der Klotz und das Rad gelegen hätten, von denen er bei der Polizei erzählt habe. Das Interview sei auf der Brücke mehr von der Journalistin formuliert worden. Sie habe gesprochen und er habe ihr nachgesprochen und war damit einverstanden, weil er das Interview schneller habe beenden wollen, um Drogen für das Geld besorgen zu können. Er habe nicht klar verstanden, was er dort erzählt habe.
Diese Darstellung hat die Zeugin R... in ihrer Vernehmung nicht bestätigt. Nach ihren glaubhaften Angaben hat der Angeklagte während des Interviews in freier Rede, ohne Vorbereitung oder Soufflieren, auf die zuvor gestellten Fragen geantwortet.
Die Kammer hat das Interview der Zeugin R... von "Hamburg - on - air" mit dem Angeklagten in Augenschein genommen. Die Bekundungen der Zeugin sind glaubhaft, denn beim Betrachten der Filmsequenz hatte die Kammer keinen Anhalt für die Behauptung, dass der Angeklagte bloß etwas nachgesprochen hat. Daneben ist die Filmsequenz ein überzeugender Beweis dafür, dass der Angeklagte der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist.
Die Aufnahmen sind, mit Einschränkung der auch nicht in Augenschein genommenen ersten 2 Minuten und 23 Sekunden, in denen möglicherweise unabsichtlich ohne Wissen und Zustimmung des Angeklagten im Rahmen eines Vorgespräches vor dessen Wohnung gefilmt worden ist, verwertbar. Die Beweisaufnahme hat nicht den Nachweis einer Unverwertbarkeit erbracht. Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass die Zeugin R... bis dato etwa unveröffentlichte Ermittlungserkenntnisse besaß, mit denen sie den Angeklagten im Sinn des§ 136 a StPO verbotenerweise zu öffentlichen Angaben bewegt haben könnte oder dass sie gar im Auftrag der Ermittlungsbehörden tätig war. Die auf derartige Berichterstattungen spezialisierte Journalistin hat in diesem Zusammenhang glaubhaft bekundet, dass sie sich intensiv mit dem Fall beschäftigt und selbst recherchiert habe. Sie habe erst nach dem Interview, in dem sie den Eindruck gewonnen habe, dass der Angeklagte sich verdächtig verhalten habe, beschlossen, mit dem Bildmaterial zur Polizei zu gehen. Sie habe nicht etwa im Auftrag der Polizei gehandelt. Aus einem anderen Verfahren habe sie KOK Kranz gekannt und zu diesem telefonischen Kontakt hergestellt.
KOK Kranz hat diesen Ablauf bestätigt und erklärt, die Zeugin habe ihn am Pfingstmontag 2008 gegen 17.30 Uhr angerufen und angefragt, ob er sich für das Interview interessiere. Die Zeugin habe von sich aus gesagt, dass sie dieses Interview nicht veröffentlichen würde, solange sich der Verdacht gegen den Angeklagten nicht verdichten würde. Er habe der Zeugin weder vor diesem Treffen noch danach Ermittlungsergebnisse mitgeteilt. Die Kammer hat hierzu im Freibeweisverfahren die Ermittlungsakte 521 UJs 32896/08 der Staatsanwaltschaft O... beigezogen und den Bericht der PI O...-Stadt vom 15.05.2008, den Vermerk des PHK Weiß vom 15.05.2008 und des KHK Frerichs vom 26.08.2008 verlesen. (Bl. 3, 4, 6 und 14 der Ermittlungsakte). Es ergaben sich keine Hinweise auf dienstrechtswidrige Preisgabe von Ermittlungsergebnissen jedweder Art oder der Hinweis darauf, dass die Zeugin R... das Interview im Auftrag der Polizei mit dem Angeklagten geführt hat.
Letztlich sind die schriftlichen Ausführungen des Angeklagten ebenfalls nicht geeignet, die Wurfversion zu entkräften, denn auch hier sind keine plausiblen Gründe für den Wechsel von der ihn weniger belastenden Wegräumversion hin zur belastenden Wurfversion zu erkennen. Im Übrigen hat die Zeugen R... das Interview erst am Pfingstmontag, 12.05.2008, mit dem Angeklagten geführt. Die Wegräumversion hatte er zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach wiederholt, sowohl als Zeuge und Beschuldigter bei der Polizei, aber auch öffentlich bei einem Interview gegenüber "BILDTV", das bereits am 08.04.2008 gefertigt wurde. Der Filmbeitrag wurde ab dem 09.04.2008 angeboten.
6. Aussagepsychologe Prof. Dr. S...
Die Überzeugung der Kammer, dass das Geständnis des Angeklagten vom 21.05.2008 richtig ist, findet ihre Stütze auch in der Bewertung durch den Aussagepsychologen Prof. Dr. S....
Der Sachverständige hat keine Hinweise für ein Falschgeständnis finden können. Er hat im Ergebnis festgestellt, dass das Geständnis vom 21.05.2008 tendenziell durch seine gutachterliche Analyse gestützt werden könne. Die Einschränkung "tendenziell" hat der Sachverständige damit begründet, dass das ihm zur Verfügung gestellte Untersuchungsmaterial etwas eingeschränkt gewesen sei, da es keine Wortprotokolle oder persönliche Einlassungen des Angeklagten gegeben habe. Im Rahmen einer Wahrscheinlichkeitsbewertung könne er trotz dieses Umstandes aber zu der Bewertung kommen, dass er sich in Bezug auf die Glaubhaftigkeit des Geständnisses sicher sei.
a)
Zunächst hat der Sachverständige dargestellt und begründet, dass bestimmte Formen von Falschgeständnissen ausgeschlossen werden könnten.
So sei das Geständnis kein freiwilliges, selbständiges Falschgeständnis, da der Angeklagte am 21.05.2008 von der Polizei festgenommen worden sei und erst im Rahmen der dortigen Vernehmung Angaben zur Täterschaft gemacht habe. Eine vom Täter initiierte Selbstbezichtigung wie im bekannten "Linderbergh-Fall" liege damit ersichtlich nicht vor.
Am 05.04.2008 habe der Angeklagte den Kontakt zur Polizei nicht etwa aus Geltungssucht hergestellt, denn er habe selbst eine nachvollziehbare Erklärung für diesen Kontakt geben können, nämlich der aus seiner Sicht drohende DNA-Massengentest.
Es handele sich bei dem Geständnis auch nicht um eine mögliche Scheinerinnerung (sog. internalisierte Erinnerung). Dagegen spreche der zeitnahe Widerruf am 09.06.08. Schon am 22.05.08, einen Tag nach seiner geständigen Einlassung, habe der Angeklagte nicht mehr mit der Polizei reden wollen. Die Hauptverhandlung habe auch keine Hinweise auf in diesem Zusammenhang typische Gedächtnisunsicherheiten bei den jeweiligen Vernehmungen ergeben. Der Zeuge POK B... habe die Spontanität des Geständnisses am 21.05.2008 betont. Der Angeklagte habe sich ohne Grübeleien oder Unsicherheiten erklärt.
Prof. Dr. S... hat weiter festgestellt, dass auch die für den Angeklagten untersuchten Personalbedingungen ein Falschgeständnis nicht haben naheliegen lassen.
Es sei beim Angeklagten keine erhebliche Minderbegabung oder psychotische Auffälligkeiten im pathologischen Sinne (wie Schwachsinn o. ä.) zu finden. Ein allgemeiner Persönlichkeitsabbau sei nicht erkennbar. Auch sämtliche Zeugen aus dem persönlichen Umfeld hätten vom gepflegten ordentlichen Erscheinungsbild des Angeklagten berichtet. Es gäbe keine Hinweise auf eine Deprivation. Der Zeuge I..., der bekundet habe, seit 7-8 Jahre mit dem Angeklagten befreundet zu sein, habe diesen als nicht aggressiv, freundlich und hilfsbereit beschrieben. Auf Nachfrage des Sachverständigen Prof. Dr. S... an den Zeugen, ob die Attribute "weich oder nachgiebig", die in der Geständnisforschung als Warnsignale interpretiert werden, ebenfalls zutreffend seien, habe der Zeuge dieses aber deutlich verneint und den Angeklagten als eher halsstarrig beschrieben. Folgerichtig habe der Angeklagte auch in seiner Beschuldigtenvernehmung am 21.04.2008 den kritischen Fragen des Vernehmungsbeamten S... standgehalten.
b)
Der Sachverständige hat das Geständnis sodann vor dem Hintergrund der festgestellten Vernehmungsbedingungen analysiert und auch unter diesem Gesichtpunkt keine relevanten Hinweise für ein Falschgeständnis feststellen können, denn die geständige Einlassung sei allein auf Initiative des Angeklagten erfolgt.
Der Angeklagte habe in seiner Beschuldigtenvernehmung am 21.04.2008 den kritischen Fragen der Vernehmungsbeamten unter Vorhalt sog. objektiver Merkmale (z.B. Ergebnisse der Funkzellenauswertung, negative Ermittlungsergebnisse zur Wegräumversion des Angeklagten) durchgehend standgehalten und kein Geständnis abgegeben, sondern weiterhin die Wegräumversion aufrecht erhalten. Für den 21.05.2008 habe der Zeuge B... erklärt, dass die geständige Einlassung während einer Rauchpause, noch vor Beginn der eigentlichen Vernehmung, für die Vernehmungsbeamten völlig überraschend gekommen sei.
Der Sachverständige hat auch keine Hinweise, ebenso wie das Gericht, auf eine wie auch immer geartete Beeinträchtigung der Vernehmungsfähigkeit erblicken können.
Auch gebe die Vernehmungstechnik keine Anknüpfungsgesichtspunkte für ein behauptetes Falschgeständnis. Eine den Angeklagten belastende Wechselstrategie "bad guy/ good guy - Strategie" habe es laut den Zeugen KHK Hildebrand und POK B... nicht gegeben.
c)
Inhaltlich habe der Vergleich zwischen der Wegräumversion einerseits und der Wurfversion andererseits ergeben, dass die vom Angeklagten in seinem Geständnis geschilderte Wurfversion qualitativ nicht dürftiger sei, da sie wichtige Realkennzeichen enthalte, die auf einen tatsächlichen Erlebnisbezug schließen lasse.
In der ersten Wegräumversion gegenüber der Polizei am 05.04.2008 seien Gegenstände wie ein Ast und eine Felge enthalten, die noch gar nicht in der Öffentlichkeit bekannt gewesen seien. Der Angeklagte habe hier Dinge genannt, die andere noch nicht gewusst hätten, so dass er involviert gewesen sein müsse. Eine reine Erfindung, um B... W... einen Gefallen zu tun, wie er im Brief vom 26.01.2009 behauptet habe, scheide damit aus.
In der Wurfversion seien wiederum Gegenstände enthalten, die er selbst auf die Brücke mitgebracht haben will und deren Herkunft er nachvollziehbar habe begründen können (Lageskizze der Gegenstände an seinem Wohnort und später auf der Brücke). Es bestünden schon auf Grund der vorhandenen intellektuellen Fähigkeiten des Angeklagten erhebliche Zweifel, ob er überhaupt in der Lage sei, diese plausible Herkunftsversion der Gegenstände zu erfinden.
Die vom Angeklagten in seinem Geständnis geschilderte detailreiche Beschreibung des Wurfes sei indes nachvollziehbar. Inhaltsanalytisch sei dabei von Bedeutung, dass der Angeklagte von sich aus erklärt habe, dass er den Klotz nicht geworfen, sondern mit leicht angewinkelten Armen fallengelassen habe. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang betont, dass die Beschreibung von Nichthandlungen typische Realkennzeichen einer Aussage seien.
d)
Mit Blick auf die inhaltliche Analyse und den Wahrheitsgehalt der Wurfversion hat der Sachverständige sich sodann mit sich aufdrängenden Widersprüchen auseinandergesetzt und ist zum überzeugenden Ergebnis gelangt, dass die Widerspruchsanalyse dem Ergebnis nicht entgegenstehe.
Der Angeklagte habe in seiner Wurfversion detailliert das Nachtatgeschehen geschildert. Hier habe er Täterwissen offenbart, dass in den wesentlichen Punkten im Einklang mit den Bekundungen des Zeugen K... gestanden habe. Dass in diesem Zusammenhang kleine Details vom Angeklagten anders dargestellt oder erinnert würden, wie zum Bespiel das Herumgehen des Zeugen K... vor oder hinter seinem Fahrzeug oder ein Handytelefonat an der Fahrertür oder auf der Beifahrerseite, führe in der Gesamtheit nicht zu einer grundsätzlich anderen Bewertung der Inhaltsanalyse seiner Aussage. Denn der Angeklagte habe sich nach eigenen Bekundungen in seiner Vernehmung am 21.05.2009 auf der Brücke am 23.03.2008 in einem Angstzustand befunden, so dass sich diese unterschiedlichen Nuancen in der Erinnerung dadurch oder durch bloßen Erinnerungsverlust aufgrund Zeitablauf plausibel erklären ließen.
e)
Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass auch die Analyse einer möglichen Motivation des Angeklagten nichts für ein Falschgeständnis am 21.05.2008 hergebe.
Ausgehend von einem entspannten und guten Vernehmungsklima lägen keine Gründe nahe, weshalb der Angeklagte in einer solchen Atmosphäre seine ihn weniger belastende Wegräumversion aufgegeben haben sollte. Es läge auch nach den schriftlichen Erklärungen des Angeklagten kein nachvollziehbares Motiv für eine falsche Selbstbelastung vor. Die Altruismushypothese, dass der Angeklagte das Geständnis zum Schutz eines Dritten abgegeben habe, sei Spekulation, die in der Hauptverhandlung keine Stütze gefunden habe.
Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang auch die falschen Angaben des Angeklagten unmittelbar nach dem Verkehrsunfall 1998 bewertet und dazu folgendes ausgeführt: Die festgestellten Bedingungen von 1998 und dem hier zu beurteilenden Sachverhalt seien sehr unterschiedlich, zumal es sich bei dem Falschgeständnis von 1998 nur um ein sehr unergiebiges Geständnis handele, da der Angeklagte bis auf den Umstand, dass er den Wagen gefahren haben will, keinen ausführlichen Sachverhalt geschildert habe. Vor dem Hintergrund des in dem Verhalten von 1998 zutage getretenen Altruismus des Angeklagten (Verantwortungsübernahme für den Schwager) wäre ein solcher Charakterzug des Angeklagten, würde er dominieren, aus dem Blickwinkel der Geständnisforschung relevant. Hierzu müssten aber zum einen altruistische Züge ein dominierendes Wesensmerkmal des Angeklagten sein, zum anderen müsste der Schutz einer dritten Person naheliegen. Beides hätte die Beweisaufnahme indes nicht gezeigt.
f)
Schließlich hat der Sachverständige erklärt, dass es für die Tat- und Geständnismotivation des Angeklagten nachvollziehbare Anknüpfungstatsachen gebe, für eine Widerrufsmotivation und damit für ein Falschgeständnis dagegen Dunkelheit herrsche. Es sei noch nicht einmal klar, ob es sich um einen selbständigen Widerruf des Angeklagten handele oder um einen unselbständigen, durch seine Anwälte, begründeten.
Die Kammer hat die verständlichen Ausführungen des Sachverständigen gut nachvollziehen können. Die vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen und deren Begründungen decken sich mit denen der Kammer. Sie hat sich deshalb die Ausführungen des Sachverständigen umfänglich zu Eigen gemacht.
V. Weitere Beweismittel
Das glaubhafte Geständnis des Angeklagten fügt sich zudem ein in weitere den Angeklagten belastende Beweismittel, wie die bodenkundlichen Befunde im Holzklotz, die Funkzellenauswertung sowie die belastenden Angaben der mitinhaftierten Zeugen P... S... und J... R....
1. Vergleichshölzer und Bodenanhaftungen
a)
In unmittelbarer Nähe des Wohnortes des Angeklagten konnten Holzklötze sichergestellt werden, die nach Art und Beschaffenheit dem Tatmittel entsprechen.
POK B... hat hierzu bekundet, dass er gemeinsam mit dem Forstbeamten der Landwirtschaftskammer Weser-Ems, Herrn D..., am 22.04.2008 die Wohnung des Angeklagten in der T... in W... aufgesucht habe. Im Bereich neben der von dem Angeklagten bewohnten Wohnung habe sich ein Holzklotzstapel befunden. Die Kammer hat mit dem Zeugen und den Verfahrensbeteiligten zur Erläuterung der Position des beschriebenen Holzklotzstapels Bl. 123 und 124 Bd. VIII (Google-Aufnahme T.../W...), die Lichtbilder Bl. 125 und 126 Bd. VIII (Zufahrt zur T... 45 mit Position des Holzklotzstapels) und die Lichtbilder 6-15 in der Lichtbildmappe II (Nahaufnahmen des Holzklotzstapels) in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. POK B... hat erklärt, dass er die Entfernung des Stapels von der Wohnung des Angeklagten mit 26 Meter bemessen habe und der Stapel frei zugänglich gewesen sei. Er habe am 22.04.2008 bereits zwei Vergleichstammhölzer sichergestellt, die später im Landeskriminalamt untersucht worden seien. Mit dem Zeugen und den Verfahrensbeteiligten wurde in diesem Zusammenhang der Spurenbericht des Zeugen vom 08.05.2008 (Bl. 114 - 123 Bd. VII) erörtert. Ferner wurde mit dem Zeugen B... und allen Verfahrensbeteiligten hierzu die Lichtbildmappe II in Augenschein genommen. Die Lichtbilder 14 und 15 zeigen die Vergleichstammhölzer mit den Kegeltafeln 5 und 6 (Spurenziffer 26 und 26.1). Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.
Der Sachverständige Dr. I..., der das Tatmittel nach Art und Beschaffenheit bestimmt hat, hat ausgeführt, dass der Holzklotz zur Familie der Weidengewächse zu rechnen sei. Die in der Nähe des Wohnortes des Angeklagten am 22.04.2008 vom Zeugen B... sichergestellten Vergleichstücke konnten in zwei Fällen (Spurenziffer 26 und 26.1) ebenfalls als Weidengewächse identifiziert werden, wobei es sich, wie der Sachverständige Dr. I... erklärt hat, wie beim Tatmittel, um zum Teil sehr stark biologisch abgebautes Material gehandelt habe.
KHK S... hat bekundet, dass er am 23.04.2008 gegen 10.00 Uhr die Wohnung des Angeklagten in der T... in W... aufgesucht habe und von dem von POK B... beschriebenen Holzklotzstapel zunächst weitere 20 Holzklötze sichergestellt habe, wobei man sich auf Hölzer gleichen Holzes und ähnlichen Zuschnitts beschränkt habe. Hölzer erkennbar anderer Holzarten seien zurückgelassen worden. Später, nach der zweiten Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten am 21.05.2008, seien dann nochmals 11 weitere Holzklötze dort sichergestellt und zur Untersuchung nach Hamburg zur Prof. K... bzw. Dr. M... gebracht worden.
Der zur Frage der Übereinstimmung zwischen Tatmittel und sichergestellten Vergleichstücken beauftragte Sachverständige Dr. M... hat ausgeführt, dass eine von ihm vorgenommene DNA-Analyse des Holzes der Vergleichsstücke keine Übereinstimmung mit dem Tatmittel ergeben habe. Von den von ihm schließlich untersuchten 21 Hölzern, einschließlich des Tatholzes, habe es sich mit Ausnahme von 3 Hölzern aber auch bei diesen Vergleichsstücken um Weidengewächse gehandelt. Die übrigen Holzklötze seien bereits vorab durch Prof. K... aussortiert worden.
Dieses Ergebnis entlastet den Angeklagten indes nicht, denn zeigt es lediglich, dass keines der sichergestellten Vergleichsstücke vom Stamm des Tatklotzes stammt. Entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen wiesen auch die neben dem Tatholz außerdem untersuchten 20 Vergleichshölzer, soweit DNA-Fragmente angereichert werden konnten, bis auf 2 Klötze keine völlige DNA-Übereinstimmung auf. Sie stammten also, bis auf zwei Klötze, sämtlich nicht vom selben Stamm. Insofern ist der Umstand, der Nichtübereinstimmung der Vergleichshölzer mit dem Tatholz auch nicht der Ausnahmefall. Aus diesem Umstand muss mithin nicht der Schluss dahingehend gezogen werden, dass das Tatholz nicht aus dem Bereich der sichergestellten Vergleichshölzer stammt. Diesen Schluss zieht die Kammer jedenfalls nicht.
b)
Dass der Holzklotz, wie vom Angeklagten geschildert, vom Gelände der T... stammt, wird belegt durch das Ergebnis der bodenkundlichen Untersuchungen des Sachverständigen Dr. I....
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich im Tatmittel ein Loch befunden habe, aus dem er eine für die bodenkundliche Untersuchung ausreichende Menge Bodenantragung (1 g) habe extrahieren können. Die Kammer hat mit dem Sachverständigen und den Verfahrensbeteiligten das Tatmittel in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Der Sachverständige hat das Loch im Holz gezeigt, deren Tiefe von max. 5, 8 cm eindrucksvoll durch Hineinstecken eines Kugelschreibers demonstriert und sein Vorgehen erläutert. Eine zufällige Kontamination während des Tatgeschehens oder danach könne er ausschließen. Die gewonnene Bodenprobe sei mit einer Bodenvergleichsprobe, Nr. 23.10, die auf dem Gelände T... in W... direkt zwischen seinerzeit dort liegenden Holzklötzen entnommen worden sei, wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich identisch. Bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit stünden die Bewertungsgruppen "nicht möglich", "möglich", "wahrscheinlich", "sehr wahrscheinlich" und höchstwahrscheinlich" zur Verfügung.
POK B... hat hierzu bekundet, dass die besagte Vergleichsbodenprobe am 29.04.2008 auf dem Grundstück T... in W... von ihm entnommen worden sei. Mit dem Zeugen und den Verfahrensbeteiligten wurde in diesem Zusammenhang der Spurenbericht vom 08.05.2008 (Bl. 114 - 123 Bd. VII) erörtert. Ferner wurde mit dem Zeugen B... und allen Verfahrensbeteiligten die Lichtbildmappe II in Augenschein genommen. Die Lichtbilder 18 - 22 zeigen den bereits beschriebenen frei zugänglichen Holzstapel. Die Kegeltafel 10 zeigt den Ort der Vergleichsprobenentnahme unmittelbar neben diesem Stapel. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.
Das Ergebnis zur bodenkundlichen Untersuchung steht auch nicht im Widerspruch zu den geständigen Angaben des Angeklagten vom 21.05.2008 und dessen Beschreibung zur Lage des Holzklotzes auf seiner Handskizze (Bl. 43 Bd. IX). Dort hat der Angeklagte die Lage des Holzklotzes mit "hinter einem Schuppen, links neben seinem Haus" beschrieben. Die Lichtbilder 23 und 32 der Lichtbildmappe II, die mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen wurden, zeigen Holzreste, auch gespaltene Holzklötze und Holzscheite hinter einem kleinen Schuppen, der sich links neben der Hauseingangstür des Angeklagten befindet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen. Dieser Bereich liegt unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen POK B... und der vorhandenen Lichtbilder um die 20 Meter vom Holzstapel entfernt, wo die Vergleichsprobe entnommen wurde, die mit der im Tatmittel gewonnenen Bodenprobe wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich identisch ist. Dass das Tatmittel damit wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich auf dem besagten Holzstapel gelegen hat und schließlich später in die unmittelbare Nähe der Wohnung des Angeklagten verbracht wurde, um dort, wie vom Angeklagten beschrieben, auf- und mitgenommen zu werden, ist plausibel und naheliegend. Dass der Angeklagte sowie die Bewohner der T... Holz nutzen, um die Öfen ihrer Wohnungen zu heizen, hat der Zeuge B... ebenfalls bekundet.
2. Funkzellenauswertung und Verkehrsdaten
Die Feststellungen zum jeweiligen Aufenthalt des Angeklagten am Tattag stützen sich ferner auf die vorgenommene Funkzellenauswertung in Zusammenhang mit den Verbindungsdaten der vom Angeklagten angenommenen Mobilfunkgespräche. Durch diese Daten finden die geständigen Angaben des Angeklagten zudem eine weitere Stütze.
a)
Der Zeuge KOK U... hat bekundet, dass das Mobiltelefon des Angeklagten mit der Rufnummer ... am Tattag wiederholt verwendet wurde, wobei ganz überwiegend vom Zeugen J... W... (Rufnummer ...) angerufen worden sei. Es habe sich um das Mobilfunknetz ... gehandelt. Vom Gerät des Angeklagten seien dabei keine Anrufe abgegangen. Dieses wird bestätigte durch die eigenen Angaben des Angeklagten, der in seiner Beschuldigtenvernehmung am 21.04.2008 gegenüber dem Vernehmungsbeamten KHK S... in diesem Zusammenhang erklärt hat, dass er sein Telefon an diesem Tag nicht verliehen habe, da dies keinen Sinn gemacht habe, denn wegen des fehlenden Guthabens habe man mit dem Handy nicht anrufen können.
Dies steht in Einklang zu den Angaben des Zeugen J... W..., eines Drogenkumpanen des Angeklagten. Dieser hat glaubhaft bekundet, am Tattag mehrfach den Angeklagten angerufen und mit ihm gesprochen zu haben. Gesprächsthema sei jeweils gewesen, wo man an diesem Tag Drogen bekommen könne; der Angeklagte habe bis zum Abend danach gesucht. Auf Vorhalt hat der Zeuge die Anzahl der Telefonate und die ihm vorgehaltenen Anrufzeiten -15.52 Uhr bis einschließlich 20.26 Uhr- zwar nicht im Einzelnen erinnert, was im Hinblick auf den Zeitablauf aber auch auffällig gewesen wäre, wohl aber als durchaus möglich bezeichnet. Sein für einen Abhängigen durchaus gutes Erinnerungsvermögen hat der Zeuge auch dadurch gezeigt, dass er noch wusste, seinerzeit bis zum Abend im elterlichen Garten in W..., also in der Nähe der Wohnung des Angeklagten, gearbeitet zu haben. Dies steht im Einklang mit der Funkzellenauswertung, wonach der Zeuge in der Zeit von 15.52 Uhr bis einschließlich 18.34 Uhr aus der Funkzelle heraus telefoniert hat, in der auch die Wohnung des Angeklagten H... liegt -Zellkennung: ...
Der Zeuge U... hat zur Funkzellenauswertung ausgeführt, dass am 04.04.2008 vom Zeugen PK B... vom Landeskriminalamt Niedersachsen der Wirkungsbereich des Mobilfunknetzes ... im GSM Bereich W.../ R... um den Tatort einerseits und der Wohnanschrift des Angeklagten in der T... andererseits vermessen worden sei. Der Fernmeldefunkturm in W..., in der Straße ..., erfasse mit der Zellkennung ... die Tatörtlichkeit Brücke, B... Straße, und mit der Zellkennung ... den Wohnort des Angeklagten in der T....
Der Zeuge PK B... hat die von ihm durchgeführte Zellvermessung erläutert und ausgeführt, dass die vom Netzbetreiber übermittelten Daten zum jeweiligen Wirkungsbereich von ihm auf Richtigkeit und Genauigkeit überprüft und die Funkzellen hinsichtlich ihrer jeweiligen tatsächliche Ausbreitung vermessen worden seien. Eine Überlappung der Funkzellen für den Tatortbereich Brücke und dem Wohnort des Angeklagten habe nicht bestanden. Das hat der Sachverständige K... vom Landeskriminalamt Niedersachsen in seinen gutachterlichen Ausführungen bestätigt.
Mit den Zeugen KOK U... und PK B... sowie dem Sachverständigen K... und den Verfahrensbeteiligten wurden Bl. 7-14 und 16, 17 des Sonderheftes "Funkzellen-Datenauswertung" in Augenschein genommen. Der Zeuge PK B... überreichte zur Veranschaulichung seiner Ausführungen eine Übersichtsdarstellung (Anlage I zum Protokoll vom 17.03.2009). Die Übersichtsdarstellung zeigt den Funkzellenbereich um die Wohnung des Angeklagten in gelb unterlegt und um den Tatort in blau unterlegt. Wegen Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.
Der Zeuge KOK U... hat weiter ausgeführt, dass die vom Angeklagten zwischen 15.52 Uhr und 20.26 Uhr mit seinem Handy entgegengenommenen Telefonate mit Blick auf die eingeloggte Funkzelle untersucht worden seien und folgende Daten festgestellt werden konnten:
Im Tatortbereich Brücke sei das Handy des Angeklagten um 18.34, 44 Uhr eingeloggt gewesen. Eingegangen sei ein Anruf vom Handy W..., der 3 Sekunden gedauert habe. Hierbei könne es sich um einen Anwahlversuch gehandelt haben. Das Telefon des Angeklagten sei in dem Zellbereich Tatort ... eingeloggt gewesen. Ein zweiter Anruf vom Handy W... sei um 18.34, 59 Uhr eingegangen. Das Handy des Angeklagten sei noch im selben Zellbereich eingeloggt gewesen. Das Gespräch habe 56 Sekunden gedauert.
Die Kammer ist aufgrund dieser Daten und der sonstigen Erkenntnisse, wie bereits ausgeführt, davon überzeugt, dass der Angeklagte sich zu dieser Zeit bereits schon einmal auf der Brücke B... Straße befunden hat und -wie festgestellt- den von den Zeugen, dem Ehepaar M..., beobachteten Ast von der Brücke geworfen hat. Auch sind damit die Angaben des Angeklagten aus seiner Beschuldigtenvernehmung vom 21.04.2008 widerlegt, in der er behaupt hat, dass er nach 18.00 Uhr seine Wohnung nicht mehr verlassen habe.
Der Zeuge KOK U... hat weiter ausgeführt, dass auf dem Handy des Angeklagten um 19.17, 12 Uhr dann ein weiterer Anruf von J... W... eingegangen sei, ohne dass es zu einem Gespräch gekommen sei. Die Gesprächsdauer sei mit 0 Sekunden festgehalten worden. Allerdings sei das Handy des Angeklagten zu dieser Zeit im Bereich seiner Wohnung (Zellbereich ...) eingeloggt gewesen.
Die Kammer sieht damit die Angaben des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 21.05.2008 bestätigt, wonach er, nachdem er erfolglos in O... nach einer Möglichkeit zur Drogenbeschaffung gesucht habe, zunächst wieder nach Hause gefahren sei und von dort die Gegenstände Holzklotz und Felge zur Brücke mitgenommen habe.
Der Zeuge U... hat dann bekundet, dass auf dem Handy des Angeklagten ein weiterer Anruf vom Handy W... um 20.06,31 Uhr eingegangen sei. Das Gespräch habe 82 Sekunden gedauert. Das Telefon des Angeklagten sei wieder im Zellbereich des Tatortes -Zellkennung ...- eingeloggt gewesen.
Diese Daten stützen ebenfalls die Geständnisversion des Angeklagten und widerlegen seine Wegräumversion, nach der sich der Angeklagte nach seiner Rückkehr nach 18.00 Uhr nicht aus seiner Wohnung wegbegeben haben will.
Zwei letzte Gespräche, so der Zeuge KHK U..., hätten dann um 20.21,28 Uhr und 20.26,30 Uhr abgehend vom Handy des J... W... registriert werden können. Hier sei das Telefon des Angeklagten wieder im Zellbereich seiner Wohnung (...) in der T... eingeloggt gewesen.
Mit dem Zeugen KHK U... und den Verfahrensbeteiligten wurde im Anschluss Bl. 150-155, 158 - 161 Bd. VIII in Augenschein genommen und erörtert. Der Zeuge U... hat auf Vorhalt erklärt, dass es sich in der von ihm erstellen Excel-Tabelle auf Bl. 161 in der vierten Zeile um einen Schreibfehler handeln würde und entsprechend Bl. 14 des Sonderhefts "Funkzellen-Datenauswertung" die Zellkennung richtigerweise ... lauten müsse. Auf Vorhalt hat der Zeuge auch seinen Bericht Bl. 154 Bd. VIII zu den Untersuchungsergebnissen um 20.06,31 Uhr korrigiert. Hier müsse es bei den geografischen Daten des Handys H... bei der Zellkennung statt ... ebenfalls ... heißen. Maßgeblich sei der ausgedruckte Datensatz vom 23.03.2008 (Bl. 158-160 Bd. VIII), von wo er die Daten für seinen Bericht und die Excel-Tabelle übernommen habe. Ein entsprechender Korrekturvermerk des Zeugen (Bl. 160 Bd. XIII) wurde verlesen.
b)
Die Erkenntnisse aus der Funkzellenauswertung sowie den Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sind verwertbar. Der die Maßnahmen anordnende Beschluss des Amtsgerichts O... vom 09.04.2008 (27 Gs 521 Js 17070/08 (189/08)) ist in rechtmäßiger Weise ergangen. Die insoweit getroffenen Anordnungen erscheinen weder objektiv willkürlich, noch grob fehlerhaft.
Der die Maßnahmen anordnende Richter hat bei der Prüfung, ob ein auf bestimmte Tatsachen gestützter Tatverdacht gegeben ist und der Subsidiaritätsgrundsatz nicht entgegensteht, einen Beurteilungsspielraum. Insofern ist die Nachprüfung durch die Kammer, ob die Ergebnisse der Überwachung verwertbar sind, auf den Maßstab der Vertretbarkeit beschränkt. Dabei ist die Anordnung der Überwachungsmaßnahmen zwar, auch soweit es die Voraussetzungen des Tatverdachts und des Fehlens anderer Ermittlungsmöglichkeiten betrifft, nicht jeder Nachprüfung entzogen. Die Nachprüfung ist aber beschränkt. Es kommt nicht darauf an, wie die Kammer auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Anordnung gegebenen Ermittlungsstandes den Tatverdacht und die Möglichkeiten anderweitiger Erforschung des Sachverhalts beurteilen würde. Als rechtswidrig (mit der Folge eines Verwertungsverbots) stellt sich die von dem Ermittlungsrichter oder dem Staatsanwalt angeordnete Maßnahme nur dann dar, wenn deren Entscheidung - was im Ergebnis auf eine Kontrolle nach dem Maßstab (objektiver) Willkür oder grober Fehlbeurteilung hinauslaufen mag - nicht mehr vertretbar ist. Anderenfalls ist im Verfahren von der Kammer von der Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahme und damit von der Verwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen (BGHSt 41, 30ff.). Wird die Rechtmäßigkeit der Maßnahme konkret in Zweifel gezogen, hat der erkennende Richter die Verdachts- und Beweislage, die im Zeitpunkt der Anordnung gegeben war, anhand der Akten zu rekonstruieren und auf dieser Grundlage die Verwertbarkeit zu untersuchen (vgl. BGHSt 47, 362, NStZ 2007, 117)
Die Kammer hat zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen im Freibeweisverfahren in der Hauptverhandlung verschiedene Schriftstücke verlesen. Danach ergab sich folgendes Bild:
Ausweislich der Aussage der Zeugin KOK'in G... erschien der Angeklagte, wie auch im Antrag der Polizei vom 08.04.2008 (Bd. V, Bl. 75-80) dargestellt, am 05.04.2008 unaufgefordert als Hinweisgeber bei der Polizei. Er wurde daraufhin am 07.04.2008 als Zeuge vernommen. Nach Angaben der Zeugen KHK S... und EKHK G... hätten sich nach Abschluss der Zeugenvernehmung bei einer gedanklichen Überprüfung der Plausibilität der bislang gemachten Angaben des Zeugen H... erste Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage ergeben, weswegen N... H... in der Folgezeit als Beschuldigter geführt und u.a. auch ein Antrag nach § 100g StPO gestellt worden sei. Der Tatverdacht habe sich entsprechend den Ausführungen im dann am 08.04.2008 gestellten Antrag (Bd. V, Bl. 75-80) nicht nur auf die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Angaben des Angeklagten, sondern auf weitere Umstände, wie etwa ein fehlendes Alibi zur Tatzeit und den Bekundungen anderer Zeugen/Hinweisgeber, die -widersprechend zu den Angaben des Angeklagten anlässlich seiner polizeilichen Zeugenvernehmung- am Tattag in der Zeit ab 16.00 Uhr keinen Holzklotz auf der Brücke wahrgenommen hatten, begründet. Außerdem sei, entsprechend den Ausführungen im Antrag, aufgefallen, dass der als rauschgiftabhängig bekannte, bereits strafrechtlich aufgefallene und hafterfahrene N... H..., dessen DNA bereits polizeilich gespeichert war, erst bei der Polizei vorstellig wurde, nachdem wenige Tage zuvor am 03.04.2008 erstmalig in der Presse von einem eventuell durchzuführenden Massengentest berichtet worden war.
Diese Umstände sind durchaus geeignet, bereits zur damaligen Zeit einen für die zur Anordnung dieser Maßnahmen ausreichenden Tatverdacht gegen N... H... wegen Mordes zu begründen, so dass der daraufhin am 09.04.2008 ergangene Beschluss des Amtsgerichts O... -27 Gs 189/08- (Bd. V, Bl. 94 f.) nach §§ 100a, 100b, 100g und 100h StPO rechtmäßig erscheint.
An der Rechtsmäßigkeitsbewertung ändert auch nicht der Umstand, dass die hier in Rede stehenden Daten bereits aufgrund des im Übrigen von der Kammer noch rechtmäßig erachteten Beschlusses des Amtsgerichts O... vom 24.03.2008 (28 Gs 1084/08- (Bd. I, Bl. 30) nach §§ 100g, b StPO erhoben wurden.
Der Beschluss des Amtsgericht O... vom 24.03.2008 gemäß §§ 100 g, 100 b StPO, die dort aufgeführten Mobilfunkbetreiber zur Auskunftserteilung über die Verbindungsdaten der den Tatort ... O..., B... Straße, Kreuzungsbereich zur Bundesautobahn A ... betreffende Funkzellen im Zeitraum 23.03.2008, 17.00 - 22.00 Uhr zu verpflichten, ist noch rechtmäßig.
Es bestand bei der heute üblichen und gebräuchlichen Nutzung von Mobiltelefonen ein ausreichender Anhalt, dass der Täter ein Mobiltelefon mit sich führte und nutzte. Die Anordnung war vor dem Hintergrund des erheblichen Tatvorwurfs des Mordes einerseits und dem Eingriff in die Rechte der Betroffenen andererseits verhältnismäßig. Der Erhebungszeitraum war auf wenige Stunden begrenzt. Die erhobenen Daten lassen lediglich einen Schluss auf die Verbindungs- und Geodaten zu und haben keine Gesprächsinhalte zum Gegenstand.
3. Vernehmung S... und R...
Die geständigen Angaben des Angeklagten vom 21.05.2008 finden schließlich eine weitere Stütze in den glaubhaften Bekundungen der Zeugen P... S... und J... R..., die mit dem Angeklagten nach dessen Festnahme gemeinsam in der Justizvollzugsanstalt O... inhaftiert waren. Beide Zeugen haben bekundet, dass der Angeklagte ihnen gegenüber die Tat eingeräumt habe.
a) P... S...
Der Zeuge S... hat bekundet, dass er am 26.05.2008 in die Justizvollzugsanstalt O... gekommen und mit dem Angeklagten ca. drei Monate dort gemeinsam inhaftiert gewesen sei. Er habe anfangs nicht gewusst, wer der Angeklagte sei und was man diesem vorwerfen würde. Nach einigen Tagen auf der Aufnahmestation habe er den Angeklagten im Warteraum der Vorführzelle getroffen. Man sei auf Deutsch ins Gespräch gekommen. Auf die Frage, weshalb er denn hier sei, habe der Angeklagte erklärt, dass er einen Holzklotz von einer Brücke geworfen habe und dadurch eine Frau zu Tode gekommen sei. Der Zeuge hat klar gestellt, dass der Angeklagte eindeutig erklärt habe, dass er die Tat begangen habe und nicht etwa, dass das die Tat sei, die ihm lediglich von der Polizei vorgeworfen werde. Der Zeuge habe den Angeklagten dann damit konfrontiert, dass sich in Holland einmal ein ähnlicher Fall ereignet habe und die Täter zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien. Darauf habe der Angeklagte ihm gegenüber erwidert, dass er sein Geständnis zurückgenommen habe, weil er davon ausginge, dass er dann eine nicht so hohe Strafe bekomme.
Er habe den Angeklagten dann noch ein zweites Mal im Warteraum der Vorführzelle getroffen. Der Angeklagte habe eine Bild-Zeitung in der Hand gehalten mit dem Bild einer Frau. Der Angeklagte habe sich zu ihm gedreht und erklärt, dass er diese Frau ermordet habe.
Der Zeuge S... hat dann von einer dritten Begegnung mit dem Angeklagten berichtet, als er, der Zeuge, sich vom Arzt Dr. D... untersuchen lassen wollte. Der Angeklagte habe von sich aus wieder ein Gespräch begonnen und mitgeteilt, dass er das Bild der toten Frau nicht los werde und deshalb nicht schlafen und arbeiten könne. Er wolle vom Psychiater Medikamente bekommen, die er zerkleinern wollte, um sich diese durch die Nase zu ziehen. Der Zeuge habe ihm gegenüber geäußert, dass er hoffe, dass der Angeklagte keine Medikamente bekommen würde.
Der Zeuge hat dann bekundet, dass er am 21.07.2008 einen Hinweis auf diese Gespräche an die Staatsanwaltschaft O... gesandt habe. Mit den Verfahrensbeteiligten und dem Zeugen wurde das handschriftliche Schreiben vom 21.07.2008 in Augenschein genommen und erörtert. Der Zeuge hat das Schreiben als das von ihm gefertigte bestätigt.
b) J... R...
Der Zeuge J... R... hat bekundet, dass er bis zum 05.09.2008 in der Justizvollzugsanstalt O... inhaftiert gewesen sei und der Angeklagte in seinen Arbeitsbereich im Betrieb 3 gekommen sei. Er, der Zeuge, sei Vorarbeiter von 10-12 Mithäftlingen und für die Produktkontrolle zuständig gewesen. Er habe zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte zu ihm gekommen sei, von anderen Mithäftlingen gewusst, was dem Angeklagten vorgeworfen werde. Das Arbeitsverhalten des Angeklagten sei nicht so gut gewesen, er habe wenig mitgemacht, was er, der Zeuge, zum Anlass eines Gesprächs genommen habe. Man habe sich auf Deutsch unterhalten, was möglich gewesen sei. Der Angeklagte habe erklärt, dass er immer sehr müde sei und dass er die Arbeit langweilig fände. In einem weiteren Gespräch habe der Angeklagte ihm erklärt, dass er darüber nachdenke, wie er schnellstens wieder aus dem Gefängnis herauskommen könne. In diesem Zusammenhang habe er von einem Autounfall berichtet, in den er verwickelt gewesen sei und bei dem zwei Menschen zu Tode gekommen seien. Der Angeklagte habe erklärt, dass er zunächst angegeben habe, dass er das Fahrzeug gefahren habe und er deshalb auch ins Gefängnis gekommen sei. Als er seine Aussage widerrufen habe, sei er freigekommen. Das wolle er in diesem Fall auch wieder versuchen. Der Zeuge habe dann gezielt gefragt, ob der Angeklagte den Holzklotz denn geworfen habe, worauf dieser das bejaht habe.
In weiteren Gesprächen habe sich der Angeklagte dann gegenüber dem Zeugen R... konkreter eingelassen. Er habe den Klotz aus Frust geworfen, weil er keine Drogen bekommen habe. Er habe die Frau nicht töten wollen.
Bei einem weiteren Gespräch bei der Arbeit habe der Zeuge R... den Angeklagten dann gefragt, warum er sein Geständnis zurückgezogen habe. Der Angeklagte habe entgegnet, dass er sein Geständnis gegenüber dem ersten Anwalt wiederholt habe. Der sei aber an die Medien gegangen, so dass er glaube, dass der Anwalt auf Seiten der Polizei stünde. Jetzt habe er neue Anwälte aus Bremen und Berlin, die ihm geraten hätten, sein Geständnis zurückzunehmen. Er hoffe nun, schon nach der Haftprüfung herauszukommen, dass sei vor 10 Jahren auch so gewesen.
Zum Ablauf der Vernehmung habe sich der Angeklagte dann ebenfalls gegenüber dem Zeugen in verschiedenen Gesprächen bei der Arbeit erklärt. Die Vernehmung sei normal verlaufen, er habe auf seinen Wunsch auch Methadon bekommen. Erst später sei ihm bewusst gewesen, dass er mit dem Geständnis einen Fehler gemacht habe. Er habe es dann so gedreht, dass er die Tat nur deshalb gestanden habe, weil die Polizei ihn unter Druck gesetzt habe. Das sei aber in Wahrheit nicht so gewesen.
c) Gläubwürdigkeitsprüfung
Die Angaben der Zeugen S... und R... sind glaubhaft. Beide Zeugen haben in ihren Bekundungen markante Einzelheiten geschildert, die auf einen tatsächlichen Erlebnisbezug schließen lassen.
Der Zeuge S... hat detailliert von drei Zusammentreffen, zweimal in der Vorführzelle und ein drittes Mal im Warteraum vor einem Besuch beim Anstaltspsychiater Dr. D..., berichtet, bei denen ihm der Angeklagte u.a. seine Täterschaft offenbart habe.
Der Zeuge R... hat mit dem Angeklagten in einem Werkstattbetrieb der Justizvollzugsanstalt über mehrere Wochen zusammen gearbeitet und hatte dadurch engeren Kontakt. Der Zeuge hat u.a. bekundet, dass der Angeklagte ihm von einem Verkehrsunfall von vor 10 Jahren mit zwei Todesopfern berichtet habe, an dem der Angeklagte beteiligt gewesen sei. Der Angeklagte habe damals zunächst behauptet, dass er das Fahrzeug gefahren habe und deswegen ins Gefängnis gekommen sei. Erst nach seinem Widerruf sei er aber wieder rausgekommen. Gleiches wolle er hier auch versuchen.
Dieses Geschehen konnte der Zeuge seinerzeit nur vom Angeklagten erfahren haben, denn bei seiner polizeilichen Vernehmung am 06.08.2008, als der Zeuge R... erstmals über diese Einzelheiten berichtet hat, gab es noch keine anderen Kenntnisquellen. Dies hat der Vernehmungsbeamte der Zeugen S... und R..., der Zeuge POK B..., entsprechend bekundet. Weder die Ermittlungsbehörden noch die Presse hatten zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Ablauf des im Hinblick auf den Unfall seinerzeit eingeleiteten Ermittlungsverfahrens. Die Akte der Staatsanwaltschaft betreffend das Unfallgeschehen ist bereits vernichtet. Ein Doppel dieser Akten konnte erst am 10.12.2008 bei der Öffentlichen Versicherung O... sichergestellt und für das hiesige Verfahren zur Verfügung gestellt werden.
Dass der Zeuge R... angegeben hat, der Angeklagte habe ihm mitgeteilt, 1998 wegen des Verkehrsunfalls sogar im Gefängnis gesessen zu haben, was nachweislich nicht der Fall war, steht der getroffenen Einschätzung nicht entgegen. Dieser Widerspruch lässt sich zwanglos und lebensnah durch ein sprachliches Missverständnis erklären. Denn tatsächlich war der Angeklagte seinerzeit zwar nicht im Gefängnis gewesen, dies drohte aber, als der Angeklagte durch die Polizei festgenommen und dem Haftrichter zugeführt worden war. Die Staatsanwaltschaft hatte Haftbefehlsantrag gestellt. Erst aufgrund seiner Einlassung vor dem Haftrichter kam der Angeklagte wieder auf freien Fuß.
Auch die schriftlichen Behauptungen des Angeklagten in einem Schreiben datiert vom 18.02.2009 zur Vorlage an den Sachverständigen Prof. Dr. S..., in dem der Angeklagte behauptet hat, die Zeugen hätten ihn nur kennengelernt, um Dinge behaupten zu können, die ihnen Vergünstigungen wie die Rückverlegung nach Holland bringen könnten, in Wahrheit habe er den Zeugen aber nie etwas erzählt, vermögen die diesbezügliche Überzeugung von der Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht zu erschüttern.
Beide Zeugen haben erklärt, dass ihnen für ihre Aussagen keine Zugeständnisse seitens der Polizei oder Staatsanwaltschaft gemacht worden seien. Hierfür hat die Hauptverhandlung auch keine Anhaltspunkte ergeben. Beide Zeugen sind auch nicht in ihr Heimatland Holland überstellt worden. Die Kammer hat auch keine Anhaltspunkte, dass dieses geplant oder in Aussicht gestellt worden sei. Die Staatsanwaltschaft hat, ebenso wie die Zeugen in Anwesenheit ihres Zeugenbeistands, in der Hauptverhandlung ausdrücklich erklärt, dass Vergünstigungen -welcher Art auch immer- nicht in Aussicht gestellt worden seien.
Der Zeuge S... ist vielmehr gegen seinen ausdrücklichen Willen aufgrund der als nicht ausreichend erachteten Sicherheitslage in eine andere Justizvollzugsanstalt verschubt worden. Dadurch habe er erhebliche Nachteile erlitten. Beispielsweise seien deswegen Besuche von in den Niederlanden lebenden Freunden und Verwandten wegen des wesentlich längeren Anfahrtsweges erheblich erschwert worden.
Die Zeugen waren im ersten Termin aus glaubhafter Angst vor Repressalien selbst unter Androhung von Beugehaft nicht bereit, eine Aussage zu machen. Erst nach Verbesserung der Sicherheitsbedingungen, die für den Zeugen S... hinsichtlich des Vollzugsalltags aber, wie dargestellt, sehr nachteilig waren, haben sie es gewagt, Angaben zu machen. Auch dieser Ablauf zeigt, dass es den Zeugen ersichtlich nicht darum ging, durch etwaige Falschbelastungen Vorteile zu erlangen.
Die Zeugen haben letztlich auch keinerlei Bestrebungen gezeigt, den Angeklagten über Gebühr zu belasten. Der Zeuge S... hat bekundet, dass er nicht davon ausgegangen sei, dass der Angeklagte die gegen ihn in der Justizvollzugsanstalt gerichteten Repressalien von anderen Mithäftlingen zu verantworten oder etwa veranlasst habe. Hierfür hat die Kammer, wie wiederholt in der Hauptverhandlung betont, ebenfalls keinen Anhalt. Der Zeuge S... hat außerdem verdeutlicht, dass der Angeklagte sehr betroffen gewesen sei über die Folgen seiner Tat. Der Zeuge R... hat darauf hingewiesen, dass der Angeklagte ihm gegenüber erklärt habe, er habe die Frau nicht töten wollen.
VI. Subjektiver Tatbestand
1. Bedingter Tötungsvorsatz
Die Feststellungen zum bedingten Tötungsvorsatz beruhen auf den geständigen Angaben des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 21.05.2008, den festgestellten objektiven Tatumständen sowie den Feststellungen zu seiner Persönlichkeit.
a)
Der Angeklagte hat erklärt, er habe nicht die Scheibe des Wagens treffen, sondern den Holzklotz vor das Auto werfen wollen, damit er gegen das Licht oder gegen die Stoßstange fliege. Er habe schon damit gerechnet, dass ein Mensch durch den Klotz verletzt oder getötet werden könnte, ohne jedoch jemanden töten zu wollen.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Angeklagte zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat.
b)
Bei der Bewertung der subjektiven Tatseite waren zunächst die objektiven Tatumstände zu berücksichtigen. Die Vornahme einer besonders gefährlich erkannten Gewalteinwirkung stellt dabei eine Indizwirkung für die billigende Inkaufnahme des Todeserfolges dar (BGH, NStZ 1981, 23; NStZ 1984, 19 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter auch mit der Möglichkeit, dass das Opfer dabei zu Tode kommen könnte, rechnet und, weil er gleichwohl in seinem gefährlichen Handeln fortfährt, auch einen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, VRS 63, 119).
Die Tathandlung des Angeklagten war äußerst gefährlich, denn er hat einen 5,9 kg schweren massiven Gegenstand aus erheblicher Höhe von einer Brücke bei Dunkelheit auf ein erkennbar mit hoher Geschwindigkeit herannahendes Fahrzeug geworfen, wobei ihm die genaue Zielbestimmung nicht möglich war und er Flugbahn, Einschlagspunkt und die damit für die Fahrzeuginsassen verbundenen Folgen nicht beherrschen konnte.
Für den Angeklagten war diese außerordentliche Gefährlichkeit seines Tuns auch erkennbar. Der insoweit ausreichend intelligente Angeklagte war hierzu zweifelsfrei in der Lage. Er war früher selbst in Besitz eines Führerscheins und auch Fahrzeuginsasse bei einem schweren Verkehrsunfall im Jahr 1998 mit zwei Toten gewesen. Der Angeklagte, der neben dem Holzklotz auch noch eine Fahrradfelge mit auf die Brücke genommen hat, hat sich dort bewusst für das gefährlichere Tatmittel entschieden.
Der Angeklagte hatte dabei das Fahrzeug mit dem Klotz bewusst treffen und beschädigen wollen. Dabei hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Klotz in den Innenraum schleudert oder durch den Aufprall an bzw. gegen das Auto ein Unfall verursacht wird. Bei den auf Autobahnen gefahrenen, für den Angeklagten auch konkret erkennbaren, Geschwindigkeiten kann bei einem Unfall oder einem Einschlagen des Klotzes in den Innenraum nicht ernsthaft auf einen glimpflichen Ausgang ohne Tote vertraut werden. Vielmehr nahm der Angeklagte das Risiko des Todes der Insassen um den Preis des angestrebten Erfolges -Frustabbau- billigend in Kauf. Dieser zumindest bedingte Tötungsvorsatz bezog sich auf sämtliche Fahrzeuginsassen. Der Angeklagte hat in Kenntnis der gewöhnlicherweise in Deutschland auf Autobahnen fahrenden Fahrzeugen auch mit 4 Fahrzeuginsassen rechnen müssen und damit den Tod sämtlicher Insassen billigend in Kauf genommen.
c)
Die Kammer hatte bei der Bewertung des Tatvorsatzes und der hier maßgeblichen Abgrenzung zwischen bedingtem Tötungsvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit neben den Umständen im Tatbild auch die Täterpersönlichkeit zu berücksichtigen. Anhaltspunkte, die den Schluss eines fehlenden Tötungsvorsatzes nahegelegt hätten, lagen nicht vor.
Der Angeklagte hat in seiner Vernehmung am 21.05.2008 angegeben, dass er die Tat aus Frust darüber begangen habe, zuvor in O... keine Drogen bekommen zu haben. Er sei deswegen sauer gewesen. Das hat er auch gegenüber dem Zeugen R... in einem mit diesem in der Justizvollzugsanstalt geführten Gespräch wiederholt.
Das Motiv ist nachvollziehbar, da sich der Angeklagte in einer für einen Drogenabhängigen bizarren Situation befand, trotz 20,00 Euro keine Bezugsquelle finden zu können. Indes zieht die Kammer hieraus nicht den Schluss, dass der Angeklagte aufgrund einer denkbaren Entzügigkeit die objektive Gefährlichkeit seines Tuns nicht mehr sicher einzuschätzen vermochte. Er war im Zeitpunkt der Tat weder erheblich vermindert schuldfähig, noch gar schuldunfähig, wie die Ausführungen unten (Punkt E. I.) zeigen.
Der Entschluss des Angeklagten, Gegenstände von zu Hause mit dem Fahrrad auf die Brücke zu bringen, um sie dort hinunter zu werfen, wird ebenfalls nachvollziehbar, wenn, wovon die Kammer wie dargelegt überzeugt ist, der Angeklagte bereits eineinhalb Stunden zuvor einen Ast von dieser Brücke geworfen hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte er unmittelbar zuvor vergeblich versucht, sich in O... Drogen zu beschaffen, so dass dieser erste Wurf auch aus dem Motiv Frust heraus erklärbar wird. Da sich die Situation des Angeklagten auch nach Rückkehr in seine Wohnung in der nächsten Stunde nicht geändert hat, lässt dieses seinen Entschluss, derartiges zu wiederholen, plausibel erscheinen.
d)
Zur Persönlichkeit des Angeklagten haben die hierzu vernommenen Zeugen A... I..., B... und F... W... und V... S... übereinstimmend ausgesagt, dass der Angeklagte in der Regel freundlich und hilfsbereit gewesen sei. Dass der Angeklagte hingegen aber durchaus auch aggressive Züge aufzuweisen vermochte, zeigen zum einen die rechtskräftigen Verurteilungen vom 20.06.2002 wegen Raubes (Punkt. A. Ziffer 9) und vom 09.10.2003 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (Punkt A. Ziffer 4). Zum anderen zeigen dieses die glaubhaften Bekundungen des Zeugen H... H..., der den Angeklagten auch häufiger "explosiv" erlebt haben will. Der Angeklagte "sei hoch gegangen", wenn nicht alles so gelaufen sei, wie er es sich vorgestellt habe. Der Zeuge, der den Angeklagten in den letzten Jahren 5-6 Mal getroffen hat, hat bekundet, dass er diesen einmal gesehen habe, wie er sich mit seinem Bekannten um ein Handy geschlagen habe. Ein halbes Jahr später habe er in seinem Beisein in der Wohnung seines Bekannten S... S... im Rahmen eines Streites eine Glasscheibe zerschlagen. Der Zeuge J... W... hat bestätigt, dass der Angeklagte unter Alkohol auch mal Wutausbrüche bekam. Die Aggressivität habe sich aber nur gegen Sachen gerichtet. Im Jahr 2004 habe er einmal eine Glasscheibe eingeworfen.
e)
Schließlich lassen sich aus dem festgestellten Nachtatverhalten des Angeklagten keine zwingenden Schlüsse gegen einen bedingten Tötungsvorsatz ziehen. Der Angeklagte hat sich zwar nach eigenen Angaben von dem Umstand, dass er das Fahrzeug tatsächlichen getroffen hatte, erschreckt gezeigt. Das anschließende Erschrecken über die Tat schließt per se den Tatvorsatz aber nicht aus (BGH, NJW 2006, 386, 387 [BGH 13.12.2005 - 1 StR 410/05]). Es steht zunächst einmal allein für die Gesinnung des Angeklagten im Zeitpunkt nach der Tat und kann von der im Tatzeitpunkt abweichen. Greifbare Anhaltspunkte für die Annahme, der Angeklagte habe vor bzw. während der Tat ernsthaft auf das Ausbleiben des Tatbestandserfolges vertraut, ergeben sich daraus nicht.
2. Gefährdungsvorsatz
Nach den geständigen Einlassungen des Angeklagten steht zudem fest, dass der Angeklagte das Fahrzeug mit dem Holzklotz konkret derart gefährden wollte, dass der Klotz vor dem Auto aufprallen sollte, damit er gegen das Licht oder gegen die Stoßstange fliege. Es kam dem Angeklagten folglich darauf an, dass sich die durch den Klotzwurf konkrete Gefährdung zumindest in einem Sachschaden und damit in einem Unfall verwirklichen würde.
D. Rechtliche Würdigung
Durch die Tat hat sich der Angeklagte eines heimtückischen Mordes zum Nachteil von O... K... und versuchten heimtückischen Mordes in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil von W..., K... und E... K... gemäß § 211 Abs. 2, 2. Gruppe, 1. Var. StGB, sowie hierzu tateinheitlich wegen vorsätzlich gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß §§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1a strafbar gemacht.
I. Bedingter Tötungsvorsatz
Nach den getroffenen Feststellungen und den vorausgehenden Ausführungen (Punkt C. VI.) hat der Angeklagte den Tod von O... K... und die ernsthafte Möglichkeit, dass auch die übrigen Fahrzeuginsassen getötet werden könnten, billigend in Kauf genommen.
II. Heimtücke
Der Angeklagte handelte heimtückisch im Sinn des § 211 Abs. 2, 2. Gruppe, 1. Var. StGB. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Der in diesem Mordmerkmal zum Ausdruck kommende höhere Unrechtsgehalt des Täterverhaltens liegt darin, dass der Mörder sein Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGH 32, 382, 384; BGH NStZ-RR 1997, 294, 295).
Die getötete O... K... sowie die übrigen sich im Fahrzeug befindlichen Familienangehörigen hatten keinen Anlass, mit einem Anschlag auf ihre Person zu rechnen. Sie hatten den Angeklagten mit dem Holzklotz in den Händen in der Dunkelheit zu keiner Zeit auf der Brücke wahrgenommen. Infolge ihrer Arglosigkeit waren sie, insbesondere der Fahrzeugführer W... K..., auch nicht in der Lage, dem folgenden Angriff wirksam entgegenzutreten.
Der Angeklagte hat die ihm sich darbietende Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer auch ausgenutzt. Hierfür genügt es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich dessen bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1; BGH NStZ 1997, 294, 295 [BGH 12.12.1996 - 4 StR 499/96]).
Der insoweit ausreichend intelligente Angeklagte war hierzu zweifelsfrei in der Lage. Er war, wie ausgeführt, früher selbst in Besitz eines Führerscheins und auch Fahrzeuginsasse bei einem schweren Verkehrsunfall im Jahr 1998 mit tödlichem Ausgang, so dass keine Zweifel bestehen können, dass ihm die Umstände und möglichen Folgen eines Wurfes mit einem knapp 6 kg schweren Holzklotz aus einer erheblichen Höhe von einer Autobahnbrücke auf ein mit hoher Geschwindigkeit herannahendes Fahrzeug bewusst waren. Ihm war auch klar, dass die Fahrzeuginsassen bei den gegebenen Verhältnissen mit einem herabfallenden Holzklotz nicht rechnen und damit von diesem Geschehen völlig überrascht werden würden.
III. Gemeingefährliches Mittel
Durch den Wurf mit einem Holzklotz hat der Angeklagte indes nicht, wie angeklagt, die Tat mit einem gemeingefährlichen Mittel (§ 211 Abs. 2, 2. Gruppe, 3. Var. StGB) begangen.
Das Merkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist erfüllt, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (BGHSt 34, 13, 14, BGHSt 38, 353, 354). Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (BGHSt 38, 353, 354).
Auch wenn der Angeklagte beim Wurf des Holzklotzes auf die Autobahn typischerweise die Folgen seines Tuns nicht in der Hand hat, so ging der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen allein davon aus, dass nur die im getroffenen Pkw befindlichen Insassen getroffen und tödlich verunfallen könnten. Dass eine weitere unbestimmte Anzahl von Fahrzeugen mit einer unbestimmten Insassenanzahl sich in der Nähe des getroffenen Pkw zur Zeit des Einschlages des Klotzes oder unmittelbar danach auf der Autobahn befunden haben, die getötet hätten werden können, konnte nicht festgestellt werden.
IV. Gefährdungsvorsatz
Tateinheitlich hierzu hat der Angeklagte auch den Tatbestand des vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verwirklicht (§§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB), indem er vorsätzlich die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt hat, dass er durch den Holzklotzwurf das Fahrzeug getroffen und damit einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vorgenommen hat, in der Absicht, einen Unglücksfall herbeizuführen.
V. Höchstpersönliche Rechtsgüter
Bei der Tat hielt der Angeklagte es für möglich und nahm es billigend in Kauf, dass sämtliche sich im Pkw befindenden Personen durch den Klotzwurf hätten getötet werden können. Da die angegriffenen Menschenleben höchstpersönliche Rechtsgüter darstellen, handelt es sich um vier tateinheitlich zusammentreffende Fälle des Mordes, davon in drei Fällen begangen im Versuch. Der vorsätzliche gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr steht hierzu in Tateinheit gemäß § 52 StGB.
E. Strafzumessung
I.
Der Angeklagte hat sich demnach wegen Mordes schuldig gemacht. Das Gesetz sieht dafür keinen anderen Strafrahmen als eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Außergewöhnliche Umstände, die der Verhängung der absoluten Strafe aus § 211 Abs.1 StGB entgegenstehen könnten (BGHSt 30, 105), haben sich aus der Hauptverhandlung nicht ergeben.
II.
Eine Milderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB kam nicht in Betracht. Denn es ist davon auszugehen, dass sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt der Tat nicht erheblich vermindert war.
1.
Die Kammer hat nach eigener Einschätzung keine Anhaltspunkte dafür, dass der drogenabhängige Angeklagte aufgrund des Umstandes, dass er am Tattag auf der Suche nach Drogen war und diese vor der Tat nicht bekommen konnte, pathologisch derart beeinträchtigt gewesen war, dass eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit zumindest nicht sicher ausgeschlossen werden könnte.
Der Zeuge J... W..., der mit dem Angeklagten am Tattag mehrfach wegen Drogenbeschaffungsmöglichkeiten telefoniert hat, hat bekundet, dass ihm bei den Telefonaten nichts aufgefallen sei. Der Angeklagte habe normal gewirkt.
Auch die Zeugen G... und V... B..., die dem Angeklagten gegen 17.00 Uhr 20,00 Euro gegeben haben, haben übereinstimmend bekundet, dass der Angeklagte auf sie normal gewirkt habe. Die Zeugin V... B..., die schon vor der Begegnung am 23.03. allgemein von der Drogenabhängigkeit des Angeklagten wusste, hat bekundet, dass dieser nicht geschwitzt oder gezittert habe. Er sei fröhlich gewesen und habe "Frohe Ostern" gewünscht.
Der Angeklagte war anschließend nach seinen eigenen Bekundungen in der Lage, nachmittags mehrere Kilometer von W... über E... zu den Eheleuten B... und weiter nach N... zu fahren und wieder zurück in seine Wohnung nach W.... Er war gegen 20.00 Uhr sodann in der Lage, mit seinem Fahrrad von der T... mit dem Holzklotz und der Fahrradfelge zur Brücke zu fahren. Noch gegen Mitternacht des Tattages war es dem Angeklagten möglich, wiederum mit seinem Fahrrad mehrere Kilometer nach O... zu fahren, um sich dort schließlich die ersehnten Drogen zu beschaffen.
Schließlich hat der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt gegenüber den Vernehmungsbeamten und dem Haftrichter Umstände benannt, die darauf schließen lassen, dass er zur Tatzeit derart entzügig gewesen sei, dass er nicht mehr gewusst habe, was er tue oder dies zumindest nicht mehr richtig habe steuern können. Entsprechende Behauptungen wären hingegen zu erwarten gewesen, zumal sie für den Angeklagten nicht ungünstig und als Rechtfertigung nachvollziehbar gewesen wären. Der Angeklagte war vielmehr in der Lage, nach der Tat bewusst von weiteren Handlungen, etwa dem Werfen der Felge, abzusehen.
2.
Die Bewertung der voll erhaltenden Schuldfähigkeit des Angeklagten finden ihre Stütze außerdem in den fundierten und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. K..., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, denen sich die Kammer nach dem eigenen Eindruck, den sie vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewinnen konnte, angeschlossen hat. Auch der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass aus forensisch-psychiatrischer Sicht zum Zeitpunkt der Tat von einer voll erhaltenen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit auszugehen sei.
a)
Der Sachverständige Dr. K... hat bekundet, er habe die Akten zum vorliegenden Prozess, die Gesundheitsakte der Justizvollzugsanstalt O..., die Unterlagen der K...-Klinik W... zur Krankengeschichte des Angeklagten, den Ambulanzbericht der A...klinik vom 01.04.1998 sowie den Rehabilitations-Entlassungsbericht des Therapiezentrums K... ausgewertet. Zudem habe er den Angeklagten am 20.03.2009 und 17.04.2009 exploriert. Bezüglich der konkreten Ausführungen des Sachverständigen zum Lebenslauf wird auf die Feststellungen (Punkt A.) verwiesen.
b)
Zur Frage der Schuldfähigkeit hat der Sachverständige festgestellt, dass es sich beim Angeklagten diagnostisch um das Vorliegen einer Opiatabhängigkeit im Sinne einer "krankhaften seelischen Störung" sowie einer Persönlichkeitsstörung auf dem Niveau einer "schweren anderen seelischen Abartigkeit" handele. Diese psychiatrische Diagnose sei jedoch nicht derart ausgeprägt, dass sich eine Verminderung der Schuldfähigkeit, auch nicht im Sinne einer nicht sicher ausschließbaren erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit, aus medizinischer Sicht schlussfolgern ließe.
Sowohl in der Hauptverhandlung als auch gegenüber dem Gutachter habe der Angeklagte keine Angaben gemacht, die sich auf den Tag der angelasteten Tat beziehen und die seine psychische Verfassung am Tag der angelasteten Tat betreffen würden. Die in der Hauptverhandlung erfolgten Befragungen der Vernehmungsbeamten und auch des Haftrichters, bezogen auf seine Verfassung zum Zeitpunkt der angelasteten Tat, hätten keine Informationen ergeben, die auf einen psychopathologischen Zustand schließen lassen könnten, aus dem wiederum eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aus medizinischer Sicht zu schlussfolgern wäre.
Die über den Angeklagten selbst, die testpsychologische Zusatzuntersuchung, die Auswertung der Zeugenaussagen und diverser Befundberichte über den Angeklagten erhaltbaren Informationen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass seine Schuldfähigkeit eingeschränkt gewesen sei.
aa)
Bezüglich der Einsichtsfähigkeit des Angeklagten sei festzustellen, dass er sowohl von seinem intellektuellen Niveau als auch von seinem Bildungsniveau und seiner Lebenserfahrung her wisse, dass die Herbeiführung eines Verkehrsunfalls tödliche Folgen haben könne, und davon auszugehen sei, dass er auch wisse, dass dies strafbar sei. Hingewiesen werden müsse deutlich auf das Ereignis im Jahre 1998, bei dem der Angeklagte selbst an einem solchen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang beteiligt gewesen sei.
Diese Einschätzung des Sachverständigen Dr. K... korrespondiert mit dem testpsychologischen Zusatzgutachten des Sachverständigen Dipl.-Psych. M... M..., der das Intelligenzniveau des Angeklagten durch verschiedene anerkannte testpsychologische Untersuchungen analysiert hat (Grundintelligenztest Skala 2 (CFT 20-R), Wechsler Intelligenztest für Erwachsene (WIE), Turm von London (TLD), Benton-Test (BT), Frankfurter Aufmerksamkeits-Inventar (FAIR), Wechsler Gedächtnistest-Revidierte Fassung (WMS-R), Kurzfragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren (K-FAF), Inventar Klinischer Persönlichkeitsakzentuierungen (IKP) und Strukturiertes Klinisches Interview ).
Der Sachverständige Müller hat ausgeführt, dass der Angeklagte ein Intelligenzniveau im unterdurchschnittlichen Bereich im Grenzbereich zur leichten Intelligenzminderung aufweise. Eine pathologische Intelligenzminderung im Sinne des ICD-10 aber nicht vorläge, zumal der Angeklagte auch in seinen Briefen, wie von der hinzugezogenen Dolmetscherin M... als Sachverständige bestätigt, überdurchschnittliches Niveau gezeigt habe, was Sprachinhalt und -richtigkeit betreffe.
bb)
Auch für eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit hat der Sachverständige Dr. K... keine Anknüpfungstatsachen finden können, die eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit begründet könnten.
Er hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass es grundsätzlich zu verneinen sei, aufgrund der vorgenannten psychiatrischen Erkrankungen des Angeklagten von vornherein eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit anzunehmen. Eine sichere Ableitung sei nur dann möglich, wenn der zum Zeitpunkt des zu beurteilenden Deliktes vorhandene psychopathologische Zustand in sehr deutlicher Weise von einem Durchschnittzustand abweiche, das Denken, Fühlen und Handeln des zu beurteilenden Täters krankheitsbedingt also so verändert sei, dass es den psychopathologischen Auffälligkeiten eines erkrankten Menschen entspreche. Das sei aber vorliegend nicht feststellbar, da der Angeklagte weder in der Hauptverhandlung noch in den Explorationen konkrete Angaben zum Ablauf des Tattages und zur angelasteten Tag gegeben habe.
Auch aus den sonstigen Beweisquellen, wie etwa die einvernommenen Zeugen, seien keine Anknüpfungstatsachen hervorgegangen, die auf einen auffälligen psychischen Zustand des Angeklagten schließen ließen.
Das vorgeworfene Delikt selbst sei per se nicht so auffällig, dass aus forensisch-psychiatrischer Sicht allein aus diesem Umstand zu schließen sei, dass eine Person, die ein solches Delikt begangen habe, zwangsläufig an einer gravierenden, die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Störung leiden müsse. Der Sachverständige hat ausgeführt, das ihm selbst aus seiner langjährigen Berufspraxis aus zahlreichen Begutachtungen bekannt sei, dass auch bei geständigen Tätern, die erhebliche Aggressions- oder auch Tötungsdelikte begangen hätten, selbst dann, wenn das Delikt motivational schwer bis gar nicht nachvollziehbar sei, nicht zwangsläufig eine gravierende psychiatrische Erkrankung dahinter stecken müsse.
Es lägen auch nur wenige indirekte Informationen über die Situation zum Zeitpunkt der angelasteten Tat bzw. bezüglich der Tatvorbereitungshandlungen in Form der Aussagen des Angeklagten beim Vernehmungsbeamten bzw. Haftrichter vor. Dazu sei festzustellen, dass die an den Angeklagten gerichteten Fragen und die von ihm gegebenen Antworten sich im Wesentlichen darauf bezogen hätten, den äußeren Tatablauf zu rekonstruieren. Aus den Angaben des Angeklagten gegenüber den vorgenannten Personen ergäben sich keine für eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit sprechenden Aspekte.
Der einzige Bezug zu einer psychiatrischen Erkrankung bestehe darin, dass der Angeklagte angegeben habe, sauer und verärgert gewesen zu sein aufgrund des Umstandes, dass es ihm zuvor in O... nicht gelungen sei, Drogen zu besorgen, und dass er am Nachmittag des Tattages keine Drogen bekommen konnte und somit eben auch nicht konsumiert habe. Weiter gehende Fragen zur Verfassung des Angeklagten zur möglichen Ausprägung von Entzugserscheinungen etc., zu den möglichen Überlegungen auf dem Weg zur besagten Brücke, den dort verstrichenen wenigen Minuten bis zum Fallenlassen des Holzklotzes und auch danach sind weder seitens der Vernehmungsbeamten noch des Haftrichters gestellt worden. Es gäbe somit keine weiteren für das Gutachten verwertbaren Anknüpfungstatsachen, die für das Vorliegen einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit sprechen würden.
Indes werde vom Angeklagten in seinem Geständnis am 21.05.2008 ein mehrschrittiger Handlungsablauf beschrieben. Er habe dort angegeben, dass er nach der Rückkehr aus O... ein Holzstück sowie eine Fahrradfelge, die in der Nähe seines Wohnhauses gelegen habe, an sich genommen habe und mit dem Holzklotz im Gepäckträger und der Fahrradfelge in der Hand zu der besagten Brücke gefahren sei. Der Sachverständige Dr. K... hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Umstand, dass dem Angeklagten dies ohne Schwierigkeiten gelungen sei, eine massive Intoxikation oder ein massives Entzugssyndrom, welches auch Auswirkungen auf die motorischen Fähigkeiten oder die Steuerungsfähigkeit haben könnte, auszuschließen sei.
Es habe sich aus den Fragen der Vernehmungsbeamten darüber hinausgehend auch ergeben, dass der Angeklagte erklärt habe, die Überlegung, den Holzklotz und die Felge von der Brücke zu werfen, bereits zu Hause angestellt zu haben. Damit sei aber auszuschließen, dass es sich um eine Spontantat gehandelt habe, bei der der Tatentschluss unmittelbar vor der Tatausführung stattgefunden hätte. Bei einem solchen Zustand läge eine verminderte Schuldfähigkeit eher nicht nahe, als wenn, psychopathologisch betrachtet, der Täter zwischen Tatentschluss und Tathandlung kaum die Möglichkeit hat, über die Tatfolgen nachzudenken.
Ebenso wie der Kammer ist auch dem Sachverständigen aufgefallen, dass auch der Zeuge J... W... bei seiner Zeugenvernehmung bekundet hat, bei den mit dem Angeklagten geführten Telefonaten nichts Ungewöhnliches festgestellt zu haben. Der Zeuge hat weiter angegeben, dass der Angeklagte im Drogenentzug nicht aggressiv reagieren würde. Zudem hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Angeklagten sowohl in den Vernehmungen durch die Polizeibeamten am 21.05.2008 als auch gegenüber Richter G... spontan niemals auf einen deutlichen psychopathologischen Ausnahmezustand ihn betreffend für den Tattag hingewiesen habe.
cc)
Die festgestellte Opiatabhängigkeit selbst beeinträchtige die Schuldfähigkeit ebenfalls nicht generell. Beim Angeklagten sei keine sekundäre Persönlichkeitsveränderung infolge der Drogenabhängigkeit, wie sie mit dem Begriff der "Persönlichkeitsdeprivation" bezeichnet werde, erkennbar. Gemeint sei mit diesem Begriff eine Veränderung in der Richtung, dass übliche soziale Aktivitäten zugunsten von Drogenkonsum, Drogenbeschaffung und Geldbeschaffung zunehmend eingestellt werden, das Denken, Fühlen und Handeln sich ausschließlich um die Droge dreht, Verwahrlosungstendenzen auftreten, massive Schlafstörungen, in typischer Weise auch ein gravierender Körpergewichtsverlust. Diese Verhältnisse habe der Angeklagte ihm, dem Gutachter, gegenüber nicht beschrieben und seien auch von Zeugen nicht so beschrieben worden. Sexuelle Aktivitäten hätten in den letzten Jahren in unveränderter Frequenz stattgefunden. Ausweislich der Gesundheitsakte habe sich das Körpergewicht in den letzten Jahren auch nicht gravierend verändert. Bei Vorhandensein ausreichender Mengen von Opiaten sei der Angeklagte nach eigenen Angaben in der Exploration auch dazu in der Lage, über neun Stunden pro Tag einer körperlich schweren Arbeitstätigkeit nachzugehen, wie er sie in den letzten sechs Wochen vor der Tat regelmäßig getan haben will.
Ein massiver Entzug sei vom Angeklagten für den Tattag nicht benannt und beschrieben worden. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass Hemmungen, auf einen solchen Entzug hinzuweisen, für den Angeklagten aber in Situationen, in denen ihm das nützlich erscheine, wie die Vernehmungsversuche der Polizeibeamten vor dem 21.05.2008, indes wiederum nicht typisch seien.
Es sei daher insgesamt zusammengefasst festzustellen, dass der Angeklagte aus forensisch-psychiatrischer Sicht als voll schuldfähig anzusehen sei.
3.
Nach eigener Prüfung der Kammer sind die Ausführungen des Sachverständigen nachvollziehbar und schlüssig. Das Gutachten des Sachverständigen steht im Einklang zu dem Eindruck, den die Kammer in der Hauptverhandlung von dem Angeklagten gewonnen hat. Das Verhalten des Angeklagten, zum einen durch die einvernommen Zeugen beschrieben zum anderen deutlich in den in Augenschein genommenen TV-Interview war entsprechend adäquat, so dass die Kammer nicht den Eindruck hatte, der Angeklagte habe soziale Normen nicht verinnerlicht oder könne sein Verhalten nicht steuern.
4.
Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten hat die Kammer nicht festgestellt.
F.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 472 StPO.
Dr. Reuter
Bührmann für die sich im Mutterschutz befindende Ri'in LG Spingat